Orientierung (mental)
Diementale Orientierung ist einekognitive Fähigkeit, die es dem Subjekt ermöglicht, sich zeitlich, räumlich und bezüglich seiner Person – in seiner Umgebung – zu orientieren. Teilbereiche des Orientierungsvermögens sind
- Orientierung zurZeit (siehe auchZeitwahrnehmung)
- Orientierung zumRaum (siehe auchräumliche Orientierung)
- Bewusstheit der eigenen Person (sieheIdentität) und ihrer Bezüge (Situationsbewusstsein, Orientierung imsozialen Netzwerk)
Fehlt die Orientierungsfähigkeit teilweise oder ganz, zeitweise oder längerfristig, spricht man vonDesorientiertheit,Orientierungslosigkeit,Verwirrung.
Wahrnehmung, Orientierung und Handlungsplanung
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Informationen derWahrnehmung bauen eine Bewusstheit zur Orientierung auf und aktualisieren sie. Gelernte Konstanten der Orientierung werden als Teil desWeltwissens imGedächtnis gespeichert. Auf sie wird bei derImagination, derPlanung und der raumzeitlichen Schlussfolgerung zurückgegriffen. Orientierung entsteht als eine Leistung des Subjekts. Sie ist eine Erkenntnis, die das Subjekt aktiv, handelnd im Umgang mit der Umwelt gewinnt und die auch nur in diesem Zusammenhang ihre Funktion hat.
Orientierung ist die handlungs- und bedeutungsbezogene, menschliche Sicht derWelt. Charakteristisch für Subjekte ist, dass für sie nicht Wahrnehmung als Abbildungsbeziehung von Welt von Bedeutung ist, sondern Wahrnehmung hinsichtlich Handlungsbedingungen und Handlungsangeboten. Welt ist also nicht „an sich“, sondern die Welt „für mich“ (und andere) als Subjekt interessant. Es geht nicht um „Features“, Oberflächen und Strukturen, Gegenstände und Menschen etc. an sich, sondern um Verhältnisse als Angebote für menschliches Handeln.
Beteiligte Gehirnbereiche
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Die exakten Regionen imGehirn, die bei der Orientierung einbezogen sind, sind noch unbekannt, aber sowohlLäsionen desHirnstamms als auch einerGehirnhälften wurden als Ursache für Desorientierung festgemacht. Daraus wird gefolgert, dass diese beiden Bereiche zusammenarbeiten, um die Bewusstheit aufrechtzuerhalten. Es wird angenommen, dass die Fähigkeit, räumlich-geometrische Zusammenhänge zu erkennen, vorwiegend in der rechten Gehirnhälfte angesiedelt ist.
Entwicklung der mentalen Orientierung
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Bei erwachsenen gesunden Menschen sind alle Teilfähigkeiten des Orientierungsvermögens vorhanden. Säuglinge haben Wahrnehmung, aber noch keine vollständige Orientierung, sie muss in weiten Teilen erlernt werden.
Beeinträchtigung der Orientierung, Orientierungsverlust
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Eine inkonstante Orientierung wird auch alsOrientierungsstörung bezeichnet, eine fehlende Orientierung alsDesorientiertheit. Sie betrifft zunächst vorrangig die zeitliche, dann die situative und örtliche, schließlich die autopsychische Orientierung. Orientierungsstörungen finden sich beispielsweise im Zusammenhang mitBewusstseinsstörungen,Gedächtnisstörungen,Psychosen,organischem Psychosyndrom,Demenz oderWahrnehmungsstörungen[1] (ICD-10-Code R41 –Sonstige Symptome, die das Erkennungsvermögen und das Bewusstsein betreffen). Schwere Orientierungsstörungen wieSchlafwandeln und andere psychogene Orientierungsstörungen werden dem Symptomkomplex F44Dissoziative Störungen (Konversionsstörungen) zugerechnet. Desorientiertheit tritt auch alsAkute vorübergehendepsychotische Störung (ICD-10 F23) oder alsReaktion auf schwere Belastungen und Anpassungsstörungen (F43) auf.
Der Verlust der Orientierung ist ein Teil derVerworrenheit und kommt bei den Krankheiten vor, bei denen die Gedächtnisfunktion ausgefallen ist, z. B. beimKorsakow-Syndrom, einerKohlenstoffmonoxidvergiftung oder beiMorbus Alzheimer. Beeinträchtigung und temporärer Verlust der Orientierung können durch Giftstoffe im Körper hervorgerufen werden. Diese Zustände werden alsRausch undDelirium bezeichnet. Weitere Ursachen sindSchlafentzug, Regulationsprobleme derKörpertemperatur,Fehlernährung,erhöhter Hirndruck. Er kann auch als Nebenerscheinung anderer psychischen Erkrankungen auftreten. Orientierungsverlust findet typischerweise erst in der Zeit, dann im Raum und am Ende in der Identität statt. Menschen mit Alzheimer-Demenz verlieren unter anderem ihre Orientierung. BeimNeglekt geht ein Teil der physischen Identität verloren.
Tierreich
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]DieSoziobiologie beschreibt Merkmale desOrientierungsverhaltens von Tieren, das ihnen hilft, sich in ihrer Umwelt zurechtzufinden.
Bei manchen Tieren wird in Fachkreisen erörtert, ob auch sie über eine Orientierung zur Identität verfügen: Den so genanntenSpiegeltest bestanden einzelne Testtiere aller großenMenschenaffen, ferner unter anderemElstern undAsiatische Elefanten.
Quellen
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- ↑Pschyrembel, Medizinisches Wörterbuch, 257. Auflage, 1993
Literatur
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- Jürgen Messing:Allgemeine Theorie des menschlichen Bewusstseins. Weidler, Berlin 1999,ISBN 3-89693-137-7.
- Jürgen Messing:Die Aufgaben des Begriffs. In: Marcus Rauterberg, Gerold Scholz (Hrsg.):Die Dinge haben Namen. Schneider, Hohengehren 2004,ISBN 3-89676-829-8, S. 43–57.
- Jürgen Messing, Anke Werani:Sprechend koordinieren.http://www.journal-fuer-psychologie.de/jfp-3-2009-04.html
- Jürgen Messing:Perception. In: Teo, Thomas. Encyclopedia of Critical Psychology. Springer Science, New York. 2014 P. 1346–1351.ISBN 978-1-4614-5582-0, online 978-1-4614-5583-7.