Dasgleichnamige Nachrichtenportal, das von 1994 bis 2020Spiegel Online hieß, wird von einer Tochtergesellschaft des Spiegel-Verlags betrieben. Die beiden Gesellschaften gründeten im September 2019 eine Gemeinschaftsredaktion[1] und nutzen seit Januar 2020 dieselbe Dachmarke.[2]
Die Eigentümerschaft des Spiegel-Verlags setzt sich (Stand 2024) aus drei Hauptakteuren zusammen: der Kommanditgesellschaft Beteiligungsgesellschaft für Spiegel-Mitarbeiter mbH & Co. (50,5 %), der Gruner + Jahr GmbH (25,5 %) und der Erbengemeinschaft Augstein (24 %). Diese Aufteilung spiegelt die Tradition des Verlags wider, die Mitarbeiter am Unternehmen zu beteiligen und gleichzeitig die Verbindung zur Gründerfamilie aufrechtzuerhalten.[3][4]
Der Spiegel erscheint seit dem 4. Juli 2025 (Ausgabe 28/2025) freitags. Die digitale Ausgabe ist am Donnerstag um 13 Uhr erhältlich.[6] Zuvor erschien das Magazin von der Ausgabe 1/1947 bis zur Ausgabe 19/1949 am Samstag, von der Ausgabe 20/1949 bis zur Ausgabe 35/1950 am Donnerstag, von der Ausgabe 36/1950 bis zur Ausgabe 52/1965 am Mittwoch, von der Ausgabe 1/1966 bis zur Ausgabe 2/2015 am Montag[7] und von der Ausgabe 3/2015 bis zur Ausgabe 27/2025 samstags (mit digitaler Ausgabe am Freitag um 13 Uhr).[8][9] Die Verlegung des Erscheinungstags auf Samstag wurde auf die wachsende Bedeutung vonSonntagszeitungen zurückgeführt.[10]
Der Spiegel hat wie seine direkten KonkurrentenFocus undStern in den vergangenen Jahren anAuflage eingebüßt. Die verkaufte Auflage ist seit 1998 um 39,3 Prozent gesunken.[11] Sie beträgt gegenwärtig 641.113 Exemplare.[12] Das entspricht einem Rückgang von 415.560 Stück. Der Anteil derAbonnements an der verkauften Auflage liegt bei 69,8 Prozent. Seit dem ersten Quartal 2014 ist auch die ePaper-Ausgabe in diesen Zahlen enthalten, deren verkaufte Auflage aktuell rund 180.000 Exemplare beträgt.
Die verkaufte Auflage überschritt im dritten Quartal 1980 erstmals die Millionengrenze und erreichte im ersten Quartal 1991 mit 1,212 Millionen Exemplaren ihren Höchststand.[13]
Die erste Ausgabe des Blattes erschien am 4. Januar 1947, einem Samstag, inHannover.[16] Unter dem TitelDiese Woche war bereits seit November 1946 in Hannover ein Vorläufer erschienen, der amerikanischen und britischennews magazines nachempfunden war und zunächst unter derÄgide derbritischen Militärverwaltung stand. Die drei verantwortlichen Presseoffiziere warenJohn Seymour Chaloner,Henry Ormond undHarry Bohrer, letzterer als kommissarischer Chefredakteur. Mit der siebten Ausgabe wurde das Blatt in deutsche Hände übergeben.
Rudolf Augstein, der das Deutschland-Referat beiDiese Woche geleitet hatte, erhielt dieVerlegerlizenz und übernahm das Magazin, das er alsbaldDer Spiegel nannte, alsHerausgeber undChefredakteur. Die erste Ausgabe erschien im Januar 1947, wurde im hannoverschenAnzeiger-Hochhaus erstellt und erreichte eine Auflage von 15.000 Exemplaren – die Papierrationierungen der Briten verhinderten zunächst höhere Auflagen.
1949 beschloss die Redaktion dasSpiegel-Statut:
„Alle imSpiegel verarbeiteten und verzeichneten Nachrichten, Informationen, Tatsachen müssen unbedingt zutreffen. Jede Nachricht und jede Tatsache ist […] peinlichst genau nachzuprüfen.“
Zur Verwirklichung dieses Anspruchs sollte dasSpiegel-Archiv dienen, das später über Deutschland hinaus bekannt wurde und mit über 80 Mitarbeitern als weltweit größte Dokumentations- und Rechercheabteilung eines Nachrichtenmagazins gilt.[17]
In der Nr. 35 vom 28. August 1948 schrieb derSpiegel „in allgemeinbeleidigendem Ton“ über den Thronwechsel der niederländischenKönigin Wilhelmina zuKönigin Juliana. Die britische Besatzungsmacht verbot denSpiegel für zwei Wochen, als die niederländische Regierung sich beschwerte. Daher erschien am 23. Oktober 1948 keine Ausgabe.[18][19]
1950 deckte das Blatt auf, dassBundestagsabgeordnete bei derWahl der Bundeshauptstadt bestochen worden waren, damit sie fürBonn stattFrankfurt am Main stimmten. Augstein wurde im sogenanntenSpiegel-Ausschuss als Zeuge vernommen, gab jedoch die Quellen für die Geschichte nicht preis und berief sich auf die journalistischeSchweigepflicht.
1952 folgte dieSchmeißer-Affäre.Hans-Konrad Schmeißer, ehemaliger Agent imfranzösischen Geheimdienst, hatte behauptet, BundeskanzlerAdenauer, MinisterialdirektorBlankenhorn und GeneralkonsulReifferscheid seien für den französischen Geheimdienst tätig gewesen und hätten einen französischen Agenten mit geheimen Nachrichten versorgt.[20] 1958 begann imSpiegel die Debatte um dieNotstandsgesetze, aus denen später (1960, 1963, 1965) verschiedene Gesetzesentwürfe des InnenministersGerhard Schröder wurden.
Schon in seiner Anfangszeit erlangteDer Spiegel große Bedeutung. Die Auflage stieg massiv: 1961 betrug sie 437.000 Exemplare. Mit dem wirtschaftlichen Erfolg stiegen auch die publizistische Macht und der politische Einfluss.
Am 10. Oktober 1962 erschien imSpiegel der ArtikelBedingt abwehrbereit, in dem der verantwortliche RedakteurConrad Ahlers interne Dokumente derBundeswehr zitierte und zu dem Schluss kam, dieNATO und die Bundesrepublik könnten einem sowjetischen Angriff nicht standhalten.[21] Am 26. Oktober 1962 wurden dasSpiegel-Verlagsgebäude in Hamburg und die Redaktion in Bonn durchsucht. Es wurden Haftbefehle mit dem Vorwurf auf Verdacht desLandesverrats, landesverräterischerFälschung und aktiverBestechung ausgestellt. BundesverteidigungsministerFranz Josef Strauß ließSpiegel-Redakteur Conrad Ahlers in Spanien mit falschen Behauptungen durch die Polizei verhaften und nach Deutschland transferieren. Zwei Tage später stellte sich Rudolf Augstein der Polizei und wurde in Untersuchungshaft genommen. Weite Teile der Öffentlichkeit solidarisierten sich mit dem Nachrichtenmagazin, Studenten gingen für Augstein auf die Straße. Bundeskanzler Konrad Adenauer sagte im Bundestag unter heftigem Protest aus den Reihen derSPD und auch derFDP und unter Beifall derCDU, beimSpiegel habe sich ein „Abgrund von Landesverrat“ aufgetan. Nach 103 Tagen wurde Rudolf Augstein aus der Haft entlassen. 1963 sagte Strauß über das Blatt:
„Sie sind dieGestapo im Deutschland unserer Tage. Sie führen Tausende persönliche Akten. Wenn ich an die Nazi-Vergangenheit von Deutschland denke – fast jeder hat irgend etwas zu vertuschen, und das ermöglicht Erpressung… Ich war gezwungen, gegen sie zu handeln.“[22]
Strauß musste im Anschluss an die Affäre zurücktreten. Er hatte derart vielfältig deutsches und internationales Recht gebrochen, insbesondere bei der Veranlassung der Verhaftung von Conrad Ahlers in Spanien, dass er politisch nicht zu halten war. Bundeskanzler Adenauer überstand die Affäre trotz des Votums „Abgrund an Landesverrat“ verhältnismäßig unbeschädigt, insbesondere auch deshalb, weil sein Verteidigungsminister ihn in erheblichem Umfang falsch informiert hatte und der Bundeskanzler sich darauf berief, er hätte seinem eigenen Minister wohl kaum misstrauen müssen.
Am 13. Mai 1965 lehnte derBundesgerichtshof aus Mangel an Beweisen die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen Ahlers und Augstein ab.[23]
Die Affäre führte dazu, dass weite Kreise, besonders Angehörige der jungen Generation und der kritischen Intelligenz, sich für das Wochenmagazin als Garant derMeinungsfreiheit engagierten, und begründete den Mythos des Blattes.
Spiegel-Interview mit Jitzchak Rabin, israelischer Premier, 1974
Das Blatt hatte Anfang der 1970er Jahre knapp 900 Beschäftigte, davon rund 400 in der Redaktion, 100 in der Dokumentation sowie knapp 400 in den kaufmännischen und technischen Abteilungen. 1970 wurde dasManager Magazin gegründet, das von einer Tochtergesellschaft derSpiegel-Gruppe herausgegeben wird. 1971/1972 wurde einMitbestimmungsmodell und mehr Demokratie innerhalb der Redaktion beschlossen; außerdem eineGewinnbeteiligung. Einnahmen aus Anzeigen sanken. 1971 betrug die Anzahl der Leser rund sechs Millionen – das entsprach rund zwölf Prozent aller in der Bundesrepublik lebenden Menschen über 14 Jahre. Der Anteil der Auslandsauflage an der Gesamtauflage betrug 10 bis 15 Prozent –Der Spiegel ist seitdem eine Publikation mit intensiver Rezeption im Ausland. Die Auflage betrug 923.000 verkaufte Exemplare.
1974 nannteWilly Brandt das Magazin ein „Scheißblatt“. 1975 wurdenSpiegel-Korrespondenten aus derDDR wegen „böswilliger Verletzung ihrer Rechtsvorschriften“ ausgewiesen. Im Januar 1978 schloss die DDR dieSpiegel-Büros in der DDR, auch das inOst-Berlin, nach einer kritischen Berichterstattung überZwangsadoptionen und der Veröffentlichung des zweiten Teils desManifests des Bundes Demokratischer Kommunisten Deutschlands, einem Dokument einer angeblichen Opposition innerhalb derSED. Die DDR wertete diese Veröffentlichungen als Einmischung in die inneren Angelegenheiten der DDR.[24]
Das Blatt publizierte Vorabdrucke von und über den DissidentenRudolf Bahro,Die Alternative (EVA) undElemente einer neuen Politik (Olle & Wolter),Antworten auf Bahro (Olle & Wolter) und machte damit seinen systemkritischen Ansatz einem größeren Publikum bekannt.
Das Blatt deckte diverse deutsche Staats- und Wirtschaftsaffären auf, zum Beispiel 1982 dieFlick- undNeue-Heimat-Affäre und 1987 dieBarschel-Affäre. Die Behandlung derBarschel-Affäre durch denSpiegel ist umstritten.[25] 1988 deckte er dieco-op-Affäre auf.
Am 18. Januar 1993 erschien die erste Ausgabe desFocus, nach Aussage des ChefredakteursHelmut Markwort als „Konkurrenz-, nicht Gegenmedium zumSpiegel“. Danach kam es zu deutlich wahrnehmbaren Veränderungen.Focus wurde bewusst als Gegenpol und Alternative zumSpiegel konzipiert; nachweisbar ist das insbesondere an der politischen Linie und dem vergleichsweise schonenden Umgang mit den Anzeigenkunden.Uli Baur, neben Markwort Chefredakteur desFocus, fasste die redaktionelle Linie desFocus unter Bezugnahme auf das bekannte Augstein-Zitat („[…] im Zweifelsfallelinks“) deutlich zusammen: „WennDer Spiegel im Zweifel links ist, sind wir im Zweifelrechts.“
Spiegel erlitt einen Auflagenverlust von mehr als zehn Prozent und einen Rückgang der verkauften Anzeigenseiten um mehr als zwölf Prozent. 1995 lag die Anzahl der Leser bei über sieben Millionen. Es entstandenSpiegel TV undSpiegel Special, die ein Fünftel desSpiegel-Umsatzes von 542 Millionen D-Mark (1996) generierten.Der Spiegel war im ersten Halbjahr 1996 „die deutsche Zeitschrift mit den höchsten Einnahmen aus Vertrieb undAnzeigen“. Erzielt wurden Bruttoeinnahmen von 330,7 Millionen D-Mark, das war knapp eine Million mehr als derStern (Platz 2) erzielen konnte und lag noch vorBild am Sonntag (Platz 3) undFocus. Im Januar 1997 feierteDer Spiegel 50. Geburtstag. Bis dahin waren 2.649 Ausgaben erschienen. Der Verlag aktualisierte dasLayout, das seitdem durchgehend farbig ist.
Spiegel-Interview in Berlin mit der damaligen US-Außenministerin Condoleezza Rice
Ab Ende der 1990er Jahre, unter dem ChefredakteurStefan Aust und möglicherweise auch unter dem Eindruck der Konkurrenz, verzeichneten Beobachter eine Hinwendung desSpiegels zuliberalen Standpunkten.Als mit derBundestagswahl 1998 Helmut Kohl abgewählt wurde, kam es zur ersten rot-grünen Koalition auf Bundesebene. Vieles in Politik und Gesellschaft änderte sich. Das Internet gewann an Bedeutung und dieDotcom-Blase bildete sich.Kritiker hielten dem Blatt vor,boulevardesker geworden zu sein und an analytischer Tiefe verloren zu haben. Die Artikel wurden aber nicht kürzer oder weniger aktuell. Vor derBundestagswahl 2005 wurde dem Blatt „Wahlhilfe“ für das bürgerliche Lager umAngela Merkel attestiert. Auf die Frage, mit welcher Partei sie sympathisieren, antworteten 2005 die befragtenSpiegel-Leser zu 36 Prozent CDU/CSU, zu 28 Prozent SPD, zu 18 Prozent Die Grünen, zu 7 Prozent FDP und zu 5 Prozent Linkspartei.PDS.[26]
Laut einer Umfrage unter 1536 deutschen Journalisten im Frühjahr 2005 soll sich der Einfluss des Magazins verringert haben. 33,8 Prozent der Befragten bezeichneten das Blatt weiterhin als ihr Leitmedium, während für dieSüddeutsche Zeitung 34,6 Prozent votierten. 1993 hatten noch zwei Drittel der befragten Journalisten für denSpiegel als Leitmedium gestimmt.[27][28]
Am 16. November 2007 gab der Spiegel-Verlag bekannt, dass der am 31. Dezember 2008 auslaufende Vertrag von Stefan Aust nicht verlängert wird.[30] Am 5. Februar 2008 wurde er freigestellt undGeorg Mascolo, bis dahin Leiter des Hauptstadtbüros, undMathias Müller von Blumencron, bis dahin Chefredakteur vonSpiegel Online, zu seinen Nachfolgern ernannt.[31]
MitSpiegel Wissen startete der Verlag im Februar 2008 in Kooperation mit derWissen Media Group eine Internetplattform, die Inhalte des NachrichtenmagazinsDer Spiegel, vonSpiegel Online, derWikipedia undBertelsmann-Lexika und -Wörterbücher zusammenfasste. Dort wurden außerdem kostenlos fast alle seit 1947 veröffentlichtenSpiegel-Artikel bis auf jene der beiden aktuellen Ausgaben angeboten.[32] Seit 2009 wurde der Großteil des Angebots vonSpiegel Wissen, insbesondere das Heftarchiv, in den Auftritt vonSpiegel Online integriert. Im November 2013 konnten dieSpiegel-Artikel im Archiv bis auf die vergangenen zwölf Monate kostenlos gelesen werden.
Im September 2009 startete dieKinderzeitschriftDein Spiegel.[33] Im Februar 2011 wurden die Zuständigkeiten innerhalb der doppelköpfigen Chefredaktion neu verteilt: Mascolo übernahm die Alleinverantwortung für das NachrichtenmagazinDer Spiegel und Müller von Blumencron die Verantwortung aller digitalen Aktivitäten, einschließlich vonSpiegel Online.[34] Nach der im März 2012 veröffentlichten Studie „Medienmarken als Arbeitgeber 2012“ der FachzeitungHorizont giltDer Spiegel unter den Beschäftigten der Medienbranche als bester Arbeitgeber unter allen deutschen Zeitschriften und Zeitungen.[35]
Der im September 2011 bezogene Neubau auf derEricusspitze ist seit 2012 auch Unternehmenssitz der Spiegel-Gruppe.
Am 9. April 2013 wurden Mascolo und Müller von Blumencron „wegen unterschiedlicher Auffassungen zur strategischen Ausrichtung mit sofortiger Wirkung abberufen und beurlaubt“.[36]
Nach dem Ausscheiden von Mascolo und Müller von Blumencron wurde der bisherigedpa-ChefredakteurWolfgang Büchner am 1. September 2013 Chefredakteur desSpiegels und vonSpiegel Online.[37] Er kündigte im Dezember 2013 an, dass das gedruckte Heft von 2015 an nicht mehr montags, sondern samstags erscheinen werde.[38]
Die Entscheidung Büchners,Nikolaus Blome als stellvertretenden Chefredakteur von derBild-Zeitung zumSpiegel zu holen, sorgte für Kritik bei Mitgliedern derMitarbeiter KG, die auf ihr Mitspracherecht bei der Berufung von stellvertretenden Chefredakteuren bestand,[39] und bei den Ressortleitern, die die Berufung Blomes ablehnten.[40] Büchner einigte sich daraufhin mit der Mitarbeiter KG und den Ressortleitern, dass Blome Mitglied der Chefredaktion und nicht stellvertretender Chefredakteur wird.[41]
Im August 2014 protestierten die Printredakteure gegen Büchners ReformkonzeptSpiegel 3.0, bei dem die Print- und die Online-Ressorts eine gemeinsame Ressortleitung bekommen sollten.[43] Die Gesellschafter des Verlags unterstützten die Pläne Büchners, forderten jedoch, dass sich Büchner mit den Printredakteuren einigt.[44]
Wolfgang Büchner verließ denSpiegel zum 31. Dezember 2014. Sein ReformkonzeptSpiegel 3.0 wurde nicht umgesetzt.[45] Am 13. Januar 2015 wurde der bisherige stellvertretende ChefredakteurKlaus Brinkbäumer zum Chefredakteur desSpiegels und Herausgeber vonSpiegel Online ernannt.[46] Im Mai 2015 verließ auch Nikolaus Blome denSpiegel.[47]
Am 3. Juli 2015 erstatteteDer Spiegel bei derBundesanwaltschaft in Karlsruhe Anzeige wegen des „Verdachts der geheimdienstlichen Agententätigkeit und der Verletzung des Fernmeldegeheimnisses“, weil man davon ausgehe, vonUS-Geheimdiensten abgehört worden zu sein.[48]
Am 1. Dezember 2015 kündigte der Spiegel-Verlag an, dass bis 2018 von 727 Vollzeitstellen 147 abgebaut werden sollten.[49] Im Frühjahr 2016 erschien derSpiegel inNordrhein-Westfalen testweise mit einem Regionalteil.[50]
Ab dem 27. Juni 2016 wurden unter der MarkeSpiegel Plus einzelne Artikel desSpiegels und vonSpiegel Online aufSpiegel Online zum Kauf angeboten[51] und am 16. Mai 2017 startete die vonSpiegel undSpiegel Online gemeinsam herausgegebene digitale AbendzeitungSpiegel Daily.[52]
Am 13. September 2016 erschien die erste Ausgabe der ZeitschriftSPIEGEL Spezial. In der in der Regel jährlich erscheinenden Zeitschrift widmen sich laut Verlag Spiegel-Redakteure in Beiträgen, Reportagen und Interviews intensiv einem gesellschaftlich relevanten Thema.[53]
Zum 28. Mai 2018 wurdenSpiegel Plus,Spiegel Daily und die digitale Ausgabe desSpiegels zuSpiegel+ zusammengelegt.[54]
Am 22. August 2018 gab der Spiegel-Verlag bekannt, dass Klaus Brinkbäumer am 1. Januar 2019 von einem Chefredakteursteam bestehend aus dem bisherigen Chefredakteur desManager MagazinsSteffen Klusmann als Vorsitzenden, der bisherigen Chefredakteurin vonSpiegel OnlineBarbara Hans und dem bisherigenSpiegel-ReporterUllrich Fichtner abgelöst werde.[55] Die Auflage desSpiegels war zuvor innerhalb von drei Jahren um 118.000 Exemplare gesunken. Außerdem gab es unterschiedliche Auffassungen, wie die Print- und die Online-Redaktion zusammengeführt werden sollen, und Brinkbäumer wurde ein schwacher Führungsstil vorgeworfen.[56][57] Am 15. Oktober 2018 gab der Spiegel-Verlag bekannt, dass Brinkbäumer ab sofort nicht mehr Chefredakteur sei und seine Stellvertreter bis Jahresende seine Aufgaben übernähmen.[58]
Die Ernennung von Fichtner zum Chefredakteur wurde bis zum Abschluss der Untersuchung des Fälschungsskandals umClaas Relotius ausgesetzt.[59] Als Leiter des Gesellschaftsressorts hatte er Relotius 2014 zumSpiegel geholt und bis 2016 seine Arbeiten betreut.[60][61]
Am 20. März 2019 teilte der Spiegel-Verlag mit, dass Fichtner nicht Chefredakteur werde.[62] Stattdessen wurde am 16. April 2019 Clemens Höges zum Chefredakteur ernannt.[63]
Hans verließ am 30. April 2021 denSpiegel.[64] Zu ihren Nachfolgern wurden am 5. Mai 2021Melanie Amann und Thorsten Dörting berufen.[65]
1956/1957, rund zehn Jahre nach der Gründung des Blattes, verfassteHans Magnus Enzensberger eine kritische Analyse überDie Sprache des Spiegel, in der er eine Reihe von Thesen aufstellte:[66]Das deutsche Nachrichtenmagazin sei im Grunde keinNachrichtenmagazin, da es seinen Informationsgehalt in die Form von „Storys“ kleide,Der Spiegel übe nicht Kritik, sondern deren Surrogat, der Leser desSpiegels werde nicht orientiert, sondern desorientiert. Diese kritische Einstellung revidierte Enzensberger auch nach derSpiegel-Affäre nicht; er sah das Magazin weiterhin als latente Gefahr für die deutscheDemokratie. Dennoch hatte er in den 1950er Jahren betont,Der Spiegel sei unentbehrlich, solange es in der Bundesrepublik kein kritisches Organ gebe, das ihn ersetzen könne.
Der MedienwissenschaftlerBernhard Pörksen untersuchte[67] 2024 die Spiegel-Berichterstattung zumKlimawandel und kam zum Ergebnis, dass das Magazin im Laufe der Jahrzehnte bis ca. 2019 merkwürdig und widersprüchlich berichtet habe. Pörksen berichtet in seiner Analyse von "großartigen, visionären Reportern und von grandios gelungener Berichterstattung", weist aber zugleich darauf hin, dass es genauso zu "bizarren Fehleinschätzungen und einem dunkel schillernden Aktivismus" gekommen sei, der darauf abzielte, "die Gefahren der Erderhitzung kleinzureden und die Warner – manchmal mithilfe von bestellt wirkenden Provokationen – anzugreifen".[67]
Bis 2019 habe es bei der Klimaberichterstattung keine einheitliche Linie gegeben, stattdessen hätten einzelne Spiegel-Autoren immer wieder "Verniedlichungs- und Verharmlosungs-Aktivismus" betrieben oder eine "provokativ klingende Quatschthese", die man zur (Klimawandel)-Entwarnung instrumentalisieren konnte, "großflächig präsentiert". Unter anderem gab der Spiegel demnach 2007 dem BiologenJosef Reichholf in einem langen Interview ausführlich Raum, seine These zu präsentieren, dass der Klimawandel gut für dieArtenvielfalt sei oder ließBjørn Lomborg 2009 einen Gastartikel zurUN-Klimakonferenz in Kopenhagen 2009 verfassen, in dem dieser schrieb: "Scheitern wäre ein Erfolg. Warum die Menschheit den Klimaschutz vertagen sollte." Auch alsFritz Vahrenholt 2012 erklärte "Die Klimakatastrophe findet nicht statt", den "Weltklimarat"IPCC angriff und prophezeite, dass die Welt sich abkühle, erhielt er 2012 ein ausführliches Interview mit Titel "Wir werden hinters Licht geführt". Negativ hebt Pörksen zudem hervor, dass der Spiegel beginnend mit dem Jahr 2003 immer wieder und teils sogar anlasslosHans von Storch interviewt habe, und damit einen Klimaforscher, "der die Politisierung von Forschung kritisiert, aber sie gleichzeitig offensiv betreibt". Dabei sei das erste Interview nur der Beginn für eine ganze Artikelserie mit "Endlos-Recycling von Verniedlichungsparolen" gewesen, bei denen von Storch in "handzahm geführten Wohlfühlinterviews" als "opportuner Zeuge" für die von den Autoren gewünschten Einordnungen herangezogen wurde. 2020 wurde sogar ein aus dem Jahr 2019 stammendes Interview, bei dem von Storch u. a.Greta Thunberg angriff, um "polemischen Zusatzattacken" ergänzt neu publiziert, was Pörksen als "Lehrbuchbeispiel" für "instrumentelle Aktualisierung". Ziel dieser journalistischen "Grenzüberschreitung" sei es gewesen, "hochziehen, was man hören will" und "niedermachen, was einem missfällt", jedoch "ohne jedoch die persönlich-private Meinungsmache als solche auszuflaggen". Insbesondere kritisiert Pörksen die "Vermischung von Meinung", die in denKommentarbereich gehöre, und vermeintlicher Realitätsanalyse der Autoren.[67]
Beginnend mit dem Jahr 2019 sei – nicht zuletzt durch personelle Veränderungen in der Autorenschaft – diese Form der Klimaberichterstattung aufgegeben worden und es sei zu einem "Aufbruch" mit programmatischer Innovation und dem "Abschied vom Schlingerkurs der Vergangenheit" gekommen. Dabei habe der Spiegel u. a. einen "Climate Desk" eingerichtet und beschäftige inzwischen sogar "einige der besten Klimareporterinnen und -reporter des Landes". Problematisch sein allerdings, dass nurSusanne Götze sich ausschließlich um die Erderwärmung kümmere, andere Journalisten jedoch noch weitere Themengebiete bearbeiteten und durch die Vielzahl an Weltkrisen oft anderweitig beschäftigt seien. Zudem sei der deutscheInvestigativjournalismus generell "im internationalen Vergleich klimapolitisch total unterbelichtet".[67]
Die Berichterstattung des Magazins über die KrankheitAIDS wurde teilweise als „unangemessen“ kritisiert.[68][69] Der SexualwissenschaftlerVolkmar Sigusch bezeichnete diese Form der Berichterstattung als „erschütternd“ und „Versagen jener Presse, die zwischendurch auch einmalliberal war“.[70][71] Andere warfen dem Blatt vor, durch seinen Umgang mit FallzahlenPanik zu verbreiten[72][73][74][71] und, durch redaktionelle Aussagen wie „wenn erst Kinder an AIDS sterben werden, Frischoperierte, Unfallopfer, Krankenhauspatienten, ohne jedesStigma also“[72] oder durch Veröffentlichung entsprechender Leserbriefe,[75] Kranke, Betroffene und Infizierte zu stigmatisieren.
Allerdings diente das „Leitmedium Spiegel“ in Untersuchungen oft als Vorzeigeobjekt, an dem Kritik festgemacht wurde, die so auch auf vielen anderen Medien zu finden war.[71] Außerdem erhieltDer Spiegel 1987 für eine Reportage auch den erstenMedienpreis der Deutschen AIDS-Stiftung, der für Arbeiten ausgelobt wird, „die sachkundig über HIV/AIDS berichten und damit zur Solidarität mit Betroffenen beitragen“.
Nachdem der MedienforscherLutz Hachmeister die Tätigkeit ehemaligerSS-Offiziere alsSpiegel-Redakteure und Serienautoren für den frühenSpiegel belegen konnte, so zum Beispiel die Autorenschaft des Kriminalrates undSS-HauptsturmführersBernhard Wehner für die am 29. September 1949 startende 30-teiligeSpiegel-Serie „Das Spiel ist aus –Arthur Nebe“,[76] geriet das Magazin 2006 verstärkt in die Kritik, weil es seine eigeneNS-belastete Vergangenheit nicht ausreichend reflektiert habe. So bemängelte dieSüddeutsche Zeitung in einem ganzseitigen Beitrag ebenso wie das medienpolitischever.di-MagazinM,[77] dass die Rolle des ehemaligen Pressechefs imNS-Außenministerium undSS-ObersturmbannführersPaul Karl Schmidt alias NachkriegsbestsellerautorPaul Carell als Serienautor des Magazins marginalisiert und die Tatsache, dass die SS-HauptsturmführerGeorg Wolff undHorst Mahnke in den 1950er Jahren zu leitenden Redakteuren avancierten, von dem sonst NS-kritischen Magazin ausgeblendet worden sei. Erst 2014 wurde bekannt, dass auch der langjährigeChef vom Dienst desSpiegelsJohannes Matthiesen als ehemaligerSS-Untersturmführer sowie der RedakteurKurt Blauhorn als früherer NS-Propagandist einschlägig vorbelastet waren.[78]
Schon im Jahr 2000 hatte dieNeue Zürcher Zeitung Augstein vorgeworfen, ehemaligen Nationalsozialisten bewusst die Möglichkeit gegeben zu haben, wieder gesellschaftsfähig zu werden. Zudem soll er im Falle desReichstagsbrandes mit dazu beigetragen haben, die kontroverse Alleintäterthese als allein gültig darzustellen.[79] 2011 behauptetePeter-Ferdinand Koch, Rudolf Augstein sei mit den ehemaligen SS-Offizieren eine bewusste Kooperation eingegangen:
„Eine ‚beschönigende Vergangenheitsbewältigung‘ und die ‚öffentliche Rehabilitierung‘ ausgewählter SS-Größen seien dabei laut Koch der Preis dafür gewesen, von der ‚verschworenen Himmler-Garde‘ den Stoff zu bekommen, mit dem sich Auflage machen ließ.“[80]
Berichterstattung über den GSG-9-Einsatz in Bad Kleinen
Nach demGSG-9-Einsatz in Bad Kleinen im Jahr 1993 berichtete derSpiegel-JournalistHans Leyendecker in einer Titelgeschichte, dass der kampfunfähigeRAF-TerroristWolfgang Grams aus nächster Nähe durch einen Polizeibeamten exekutiert worden sei. Er berief sich dabei auf einen anonymen Informanten, der ein am Einsatz beteiligter Polizeibeamter sei. Daraufhin trat BundesinnenministerRudolf Seiters zurück und GeneralbundesanwaltAlexander von Stahl wurde in den Ruhestand versetzt. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft ergaben später, dass sich Grams selbst erschossen hatte. DasOberlandesgericht Rostock äußerte Zweifel, ob Leyendecker Kontakt zu einem am Einsatz beteiligten Polizeibeamten hatte. Auf Anregung von Alexander von Stahl begann die Aufklärungskommission des Fälschungsskandals umClaas Relotius im Dezember 2019 eine Untersuchung, ob Leyendecker Kontakt zu einem am Einsatz beteiligten Polizeibeamten hatte oder die Titelgeschichte auf einem anonymen Anruf basierte.[81] Der Aufklärungskommission liegt das Tonbandprotokoll eines anonymen Anrufs vor, bei dem sich der Anrufer als ein am Einsatz beteiligter Polizeibeamter ausgab. Der Anrufer soll aber laut Leyendecker nicht der Informant aus der Titelgeschichte gewesen sein.[82][83] Eine Untersuchung kam zu dem Ergebnis, dass die Aussagen des Informanten aus der Titelgeschichte und die des Anrufers identisch sind. Leyendecker zufolge sollen die beiden sich abgesprochen haben.[84] Im Oktober 2020 wurde der Abschlussbericht der Aufklärungskommission veröffentlicht. Während der damalige ChefredakteurHans Werner Kilz die Aussage über den zweiten Informanten bestätigte, sprachen laut der Aufklärungskommission die Aussagen von weiterenSpiegel-Redakteuren, der Gesprächsverlauf des Telefongesprächs, die Übereinstimmung beider Aussagen und das jahrelange Schweigen Leyendeckers über eine mögliche zweite Quelle gegen die Existenz eines zweiten Informanten. Sie kam zu dem Ergebnis, dass Leyendeckers Version mit großer Wahrscheinlichkeit nicht die tatsächlichen Abläufe wiedergibt.[85][86]
Am 22. Dezember 2006 brachteDer Spiegel eine Titelgeschichte des Redakteurs Matthias Schulz mit dem TitelDas Testament des Pharao heraus, die sich stark auf angeblich durch den deutschen ÄgyptologenJan Assmann aufgestellte Thesen berief und in der unter anderem behauptet wurde, dieJuden hätten denMonotheismus vonEchnatonsAmarna-Religion „abgekupfert“.[87] Assmann protestierte daraufhin zuerst in einem offenen Brief an dieSpiegel-Redaktion und dann in einem Interview in derWelt „in aller Schärfe“ gegen die Verwendung seines Namens in demSpiegel-Artikel, den er als „ungenießbare undantisemitische Suppe“ bezeichnete. Gleichzeitig wies Assmann die Kernthesen des Artikels zurück.[88] Der jüdische ErziehungswissenschaftlerMicha Brumlik zeigte sich empört, dass „der Chefredakteur eines bislang angesehenen Magazins der Republik ausgerechnet zu Weihnachten die bislang antisemitischste Titelgeschichte beschert hat“.[89]
In der Ausgabe 29/2019 vom 12. Juli 2019 erschien ein Artikel der Autoren Matthias Gebauer, Ann-Katrin Müller, Sven Röbel, Raniah Salloum, Christoph Schult undChristoph Sydow mit dem Titel „Gezielte Kampagne“. Darin wird den VereinenWerteInitiative. jüdisch-deutsche Positionen und Nahost Friedensforum (NAFFO) vorgeworfen, Bundestagsabgeordnete vor der Verabschiedung der Resolution, welche die KampagneBoycott, Divestment and Sanctions (BDS) als antisemitisch verurteilte, mit aggressiver Lobbyarbeit und Geldspenden massiv beeinflusst zu haben. Die Autoren spekulierten, dass die beiden Vereine vomisraelischen Ministerium für strategische Angelegenheiten finanziert werden und in dessen Auftrag handeln würden. Auch eine Beteiligung desMossad wurde für möglich gehalten. Die Überschrift der Onlineversion lautete zunächst „So steuern zwei Vereine die deutsche Nahostpolitik“ und wurde kurz nach der Veröffentlichung zu „Wie zwei Vereine die deutsche Nahostpolitik beeinflussen wollen“ geändert.[90]
Der Artikel rief in zahlreichen Medien heftige Kritik hervor. So erschien unter anderem in derFrankfurter Allgemeinen Zeitung der Artikel „Wegbereiter des Judenhasses“,[91] in derWelt der Artikel „‚Der Spiegel‘ und das gefährliche Spiel mit den Israel-Freunden“,[92] in derNeuen Zürcher Zeitung der Artikel „Wo Fakten nicht reichen, behilft man sich mit Andeutungen: Wie der «Spiegel» antiisraelische Verschwörungstheorien nährt“[93] und in derJüdischen Allgemeinen der Artikel „Das Gerücht von der jüdischen Lobby“.[94] Auch die israelischen TageszeitungenJerusalem Post undHaaretz berichteten über den Artikel.[95][96] Kritisiert wurde, dass der Artikel antisemitische Klischees bedienen würde wie das von der allmächtigenjüdischen Weltverschwörung und für die vermutete Verbindung zur israelischen Regierung keine Belege angegeben wurden. Außerdem würde man die beiden Vereine strenger bewerten als andere Interessensverbände. DieSpiegel-Chefredaktion bestehend ausSteffen Klusmann,Barbara Hans und Clemens Höges wies die Kritik in einer Stellungnahme zurück. Man würde die beiden Vereine so behandeln wie alle anderen Interessensverbände und auch legale Lobbytätigkeit sollte kritisiert werden dürfen. Außerdem habe man keine antisemitischen Klischees bedient, sondern lediglich Fakten aufgeführt.[97] DerDeutsche Presserat entschied im Dezember 2019, der Spiegel habe mit dem Artikel nicht gegen denPressekodex verstoßen. Dem Artikel lägen keine vorgefasste Absicht mit eindeutig antisemitischen Tendenzen zugrunde.[98]
Italienische Medien zeigten sich empört, als im Heft 31 (1977) dasTitelblattUrlaubsland Italien – Entführung, Erpressung, Straßenraub einen Teller Spaghetti zusammen mit einem Revolver zeigte. Hingegen relativierte die größte italienische TageszeitungCorriere della Sera: DerSpiegel habe nur zwei Fehler gemacht: Das Titelbild zeige eine andere Pistole als behauptet und: „Die Spaghetti sind zu weich gekocht.“[99]
Der Umgang der Zeitschrift mit Klischees über Italien wurde 2012 in Zusammenhang mit dem Schiffbruch derCosta Concordia wieder zum Thema, alsSpiegel-Online-KolumnistJan Fleischhauer in einer Kolumne aufSpiegel Online suggerierte, es sei kein Zufall, dass ein solcher Unfall einem italienischen Schiffsführer passiert sei – im Gegensatz etwa zu einem Deutschen oder Briten.[100]
Deutscher Presserat zum Titelblatt „Stoppt Putin jetzt!“
DerDeutsche Presserat missbilligte das Titelblatt „Stoppt Putin jetzt!“ vom 27. Juli 2014, weil die darauf gezeigten Opferfotos den Opferschutz verletzen. Außerdem würden sie politisch instrumentalisiert.[101] DerSpiegel berichtete weder über die Missbilligung des Presserats noch über weitere Kritik zu dem Titelblatt und der Titelgeschichte, wie etwa MedienjournalistStefan Niggemeier monierte.[102]
In einer Studie derTU Dresden von 2014 wurde die Synchronisation von Nachricht und Werbung untersucht. Ergebnis war, „dass über Unternehmen sowohl imSpiegel als auch imFocus erstens häufiger, zweitens freundlicher, drittens mit mehr Produktnennungen berichtet wird, je mehr Anzeigen diese Unternehmen schalten.“[103]
Im Dezember 2014 veröffentlichte derSpiegel eine Titelgeschichte des RedakteursAlexander Neubacher mit heftiger Kritik an derEnergiewende und neuenWärmedämmungsauflagen. Diese Titelgeschichte war damals mitNative Advertising des EnergiekonzernsDONG Energy verknüpft. Der MedienwissenschaftlerVolker Lilienthal, der die Rudolf-Augstein-Stiftungsprofessur für Qualitätsjournalismus an derUniversität Hamburg innehat, zeigte sich entsetzt. Wenn zur Kampagne noch die Reklame käme, so Lilienthal, gäbe es eine „Überdosis von Verquickung – und einen erodierenden Journalismus“.[104]
Der MedienjournalistStefan Niggemeier kritisierte im Dezember 2018, dass das GesundheitsmagazinWohl wie ein journalistisches Produkt desSpiegels wirkte, obwohl es eine von einer Agentur erstellte und vomSpiegel herausgegebene werbliche Beilage war, und unkritische werbende Beiträge zum ThemaHomöopathie enthielt.[105] Im Mai 2019 wurde die Beilage nach zwei Jahren wieder eingestellt.[106]
Während derFußball-Weltmeisterschaft 2014 veröffentlichte derSpiegel den Artikel „Faule Äpfel“ des RedakteursRafael Buschmann, dessen zentrale Behauptung es war, dass der verurteilte SpielemanipulatorWilson Raj Perumal Buschmann Stunden vor einem WM-Spiel in einemFacebook-Chat den richtigen Ausgang vorausgesagt habe. Perumal gab an, dass der Chat erst nach dem Spiel stattfand, und veröffentlichte Screenshots des Chats.[107][108] Im Juli 2019 kam im Rahmen der geplanten Beförderung Buschmanns zum Leiter des Investigativteams erneut Kritik am Artikel auf, weswegen die geplante Beförderung bis zum Abschluss einer internen Untersuchung verschoben wurde. Nach der Bekanntgabe der geplanten Beförderung verließen mitJürgen Dahlkamp, Gunther Latsch undJörg Schmitt die übrigen Mitglieder das Investigativteam und wechselten in andere Ressorts.[109][110] Am 25. September 2019 gab der Spiegel-Verlag bekannt, dass Buschmann auf die Beförderung verzichtet. Buschmann konnte keine Belege für seinen Artikel vorlegen und sagte aus, dass seine Screenshots verloren gegangen seien, als sein Handy in eine Pfütze gefallen sei. Wegen der fehlenden Belege wurde der Artikel aus dem Internet entfernt.[111][112]
In der Ausgabe 3/2016 vom 16. Januar 2016 veröffentlichte derSpiegel unter dem TitelDer Märchenonkel einen vonÖzlem Gezer verfasstenVerriss des BuchesInside IS – 10 Tage im „Islamischen Staat“ vonJürgen Todenhöfer. Nachdem dieser anschließend rechtliche Schritte gegen den Artikel einleitete, gab derSpiegel im August 2016 zu allen 14 von ihm als unwahr bezeichneten StellenUnterlassungserklärungen ab und entfernte den Artikel aus dem Internet.[113][114][115]
Erfundene Inhalte durch den Redakteur Claas Relotius
Am 19. Dezember 2018 berichtete derSpiegel, dass der langjährige MitarbeiterClaas Relotius wesentliche Inhalte von Berichten erfunden und dies auch gegenüber Vorgesetzten eingeräumt habe. Hiernach reichte Relotius seine Kündigung ein. Das Blatt sprach von „einem Tiefpunkt in der 70-jährigen Geschichte des Spiegel“ und bat Betroffene, die „mit falschen Zitaten, erfundenen Details ihres Lebens, in erdachten Szenen, an fiktiven Orten oder sonst in falschen Zusammenhängen in Artikeln von Claas Relotius imSpiegel aufgetaucht sein mögen, um Entschuldigung“.[116][117][118] Der Fall war vom freien JournalistenJuan Moreno aufgedeckt worden, der bei einer Kooperation mit Relotius auf Unstimmigkeiten aufmerksam geworden war.
Der Verlag kündigte die Berufung einer Kommission an, bestehend ausBrigitte Fehrle, Clemens Höges und Stefan Weigel, die Aufklärung betreiben und das „Versagen der hausinternen Sicherungssysteme überprüfen“ sollte.[119][120] Die zum 1. Januar 2019 geplante Ernennung vonUllrich Fichtner zum Chefredakteur undMatthias Geyer zumBlattmacher wurde bis zum Abschluss der Untersuchung ausgesetzt.[59] Als Leiter des Gesellschaftsressorts hatten sie die Arbeiten von Relotius betreut.[60][61] Geyer blieb Leiter des Gesellschaftsressorts, dessen Leitung Relotius am 1. Januar 2019 hätte übernehmen sollen.[121] Am 20. März 2019 teilte der Spiegel-Verlag mit, dass Fichtner nicht Chefredakteur werde und Geyer nicht Blattmacher. Geyer gab außerdem die Leitung des Gesellschaftsressorts ab. Als Reporter und Redakteur für besondere Aufgaben blieben sie aber an die Chefredaktion angebunden.[62] Im Abschlussbericht der Untersuchung wurde ihnen vorgeworfen, sie seien Hinweisen nicht nachgegangen und hätten die Aufklärung verzögert.[122][123][124] Am 23. August 2019 wurde bekannt, dass der Spiegel-Verlag Geyer gekündigt und der gegen die Kündigung geklagt hatte. Einen Tag vor dem ersten Verhandlungstag am 27. August 2019 einigten sie sich darauf, dass der Spiegel-Verlag die Kündigung zurückzieht und Geyer einen Aufhebungsvertrag unterschreibt.[125][126] Im Oktober 2019 wurde das Gesellschaftsressort in Reporterressort umbenannt und die Seiten im Magazin für Redakteure aus anderen Ressorts geöffnet. Neue Ressortleiterin wurde die bisherige stellvertretende RessortleiterinÖzlem Gezer.[127]
Der Fall Claas Relotius wurde vonMichael Bully Herbig verfilmt. Die MediensatireTausend Zeilen, inspiriert vom BestsellerTausend Zeilen Lüge (2019) von Juan Moreno, kam am 29. September 2022 in die Kinos.[128]
Im September 2020 rügte derDeutsche Presserat denSpiegel wegen einer mangelnden Trennung von Tätigkeiten nach Ziffer 6 des Pressekodex im ArtikelStatt Kaffee lieber eine kleine DosisLSD. In dem in der BeilageS-Magazin und online veröffentlichten Artikel beschreibt die Autorin zuerst die Vorzüge vonPsychedelika und offenbart erst am Ende, dass sie eine Lobby-Plattform für die kommerzielle Nutzung von Psychedelika gegründet hat. Auf diese Doppelfunktion hätte laut dem Presserat an prominenter Stelle hingewiesen werden müssen.[129][130]
Im Sommer 2022 berichtete derSpiegel in mehreren Artikeln über den angeblichen Tod dessyrischen Flüchtlingsmädchens Maria. Das fünf Jahre alte Kind sei als Teil einer Gruppe von Flüchtlingen an der türkisch-griechischen Grenze wiederholt zurückgewiesen worden. Infolgedessen seien zwei Schwestern in der Gruppe von einemSkorpion gestochen worden. Eine der Schwestern, Maria, sei verstorben. Griechische Behörden widersprachen der Darstellung im Spiegel. So habe die betreffende Familie vier statt der vomSpiegel genannten fünf Kinder, keines davon trage den Namen Maria. Die Angaben der Familie bezüglich der Anzahl und Namen ihrer Kinder hatten sich den Recherchen einer Journalistin zufolge als widersprüchlich herausgestellt. Fragen zu Maria sei die Familie ausgewichen, die behaupteten Skorpionstiche des zweiten Mädchens stellten sich als Mückenstiche heraus.
Ende 2022 räumte derSpiegel Fehler ein: Ein perWhatsApp verschicktes Bild des angeblich toten Mädchens sei kein Beweis für dessen Tod gewesen. Zudem enthalte es keine Daten, wann und wo es aufgenommen wurde. Auch sei unklar, ob das Mädchen darauf vielleicht nur die Augen geschlossen habe. Manches deute darauf hin, „dass einige der Geflüchteten den Todesfall in ihrer Verzweiflung erfunden haben könnten. Möglicherweise dachten sie, dass sie dann endlich gerettet würden.“ Der Gründer des BranchendienstesMedieninsider, Marvin Schade, kritisierte, dass das Eingeständnis einen Abend vor Silvester veröffentlicht wurde, und äußerte sich „gespannt, welche Konsequenzen der ‚Spiegel‘ daraus ziehen wird. Trotz der ausführlichen Aufarbeitung: das hätte nicht passieren dürfen. Höchste Standards bringen nichts, wenn alle Kontrollmechanismen versagen.“[132][133]
Die Schriftart „Spiegel“, die speziell vonLucasFonts für die Zeitschrift entwickelt worden ist, wird in der gedruckten Version und auch im Internet verwendet.[136]
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