Dagobert I.



Dagobert I. (* um608 oder610; †19. Januar639[1] inÉpinay-sur-Seine) war seit 623 Unterkönig inAustrasien und seit 629 König derFranken. Dagobert war Sohn von KönigChlothar II. und gilt traditionell als der letzte bedeutende Herrscher aus dem Geschlecht derMerowinger.
Leben
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Nur wenige Quellen wie dieFredegarchronik berichten über die Regierungszeit Dagoberts, die in der Forschung in der Regel positiv bewertet wird.[2] Allerdings erlaubt die dünne und teils recht tendenziöse Quellenlage (die Fredegarchronik ist eher negativ in der Bewertung) nicht, den König als Person genau zu erfassen, zumal es nicht immer möglich ist, ihm zugeschriebene Handlungen konkret auf Dagoberts Politik zurückzuführen.[3]
Dagobert wurde 623 von seinem Vater Chlothar als Unterherrscher inAustrasien eingesetzt. Einige Territorien waren von diesem neuen Unterkönigreich abgetrennt worden, doch setzte er 625/26 eine Vergrößerung seines Herrschaftsbereiches durch. 629 wurde Dagobert König des Gesamtreichs. 632 starb nach dem Tod seines HalbbrudersCharibert II. auch dessen SohnChilperich; angeblich war Dagobert am Tod Chilperichs beteiligt, doch ist dies nicht gesichert. Dagobert hatte dadurch nunBurgund undAquitanien unter seiner Herrschaft. Er war der mächtigste der merowingischen Könige und der meistrespektierte westliche Herrscher seiner Zeit.
Die merowingischen Herrscher vor Dagobert hatten zuletzt viel von ihrer Macht eingebüßt. Dagobert gelang es noch einmal, diesen Prozess für einige Jahre umzukehren. Als Gesamtherrscher machte erParis zu seiner Residenz; die Verwaltung orientierte sich noch immer teils amspätantiken römischen Verwaltungsmuster. Seine Berater waren zunächst derHausmeierPippin der Ältere, der Stammvater derPippiniden, und der BischofArnulf von Metz, die beide Stammväter derKarolinger waren. Arnulf zog sich jedoch 629 zurück. Den Einfluss seines Hausmeiers Pippin reduzierte Dagobert, nachdem er die Herrschaft im Gesamtreich angetreten hatte. Denneustrischen HausmeierGundoland hatte Dagobert bereits 629 politisch weitgehend entmachtet und stattdessenAegas gefördert. Während die Fredegarchronik Dagoberts Königszeit in Austrasien positiv bewertete, werden ihm in der Chronik für die Zeit nach 629 schwere Vorwürfe gemacht: Dagobert habe sich ganz der Fleischeslust(luxuria) hingegeben und sich an der Kirche bereichert.[4] Kern dieser Kritik ist anscheinend die energische Innenpolitik Dagoberts, der neue Steuerquellen erschloss und dabei die reiche und einflussreiche Kirche nicht ausnahm.
Im Adel formierte sich wohl teils ebenfalls Widerstand gegen Dagobert, doch scheint der König alles in allem innenpolitisch erfolgreich und vor allem selbstständig agiert zu haben. Der sehr religiöse Dagobert war für den Bau derBasilika Saint-Denis beimBenediktinerkloster nördlich von Paris verantwortlich, wo noch lange nach seinem Tod das gute Andenken des Königs gepflegt wurde. Wirtschaftlich waren die Verhältnisse stabil; es sind mehrere neue Goldmünzen erhalten, die in der Zeit Dagoberts geprägt wurden, vor allem aus der Münzstätte inLimoges.
Auch außenpolitisch war Dagobert durchaus erfolgreich. DeroströmischeKaiserHerakleios hatte Kontakt zu ihm aufgenommen und wohl auf oströmische Initiative hin kam es auch im Merowingerreich zu Zwangstaufen vonJuden. Zudem schickte ihm Herakleios um 630 eine kostbare Kreuzreliquie (sie wurde nach 1789 zerstört). Im Südwesten gelang Dagobert 636/37 ein erfolgreicher Feldzug gegen dieBasken; auch Judicael, der König derBretonen, unterwarf sich.[5]
Andererseits musste Dagobert auch Niederlagen einstecken, wie gegen dieSlawen. Der Feldzug gegen deren HerrscherSamo scheiterte 631.[6] Die Lage an der Grenze zu den Slawen blieb angespannt, doch Dagobert sicherte den Grenzraum durch Abkommen mit denSachsen und denThüringern.[7] Fredegar berichtet zudem (wenngleich als einzige Quelle), dass Dagobert angeblich die Ermordung von 9.000 bulgarischen Flüchtlingen durch die Bayern angeordnet haben soll.[8]
Der Fehlschlag gegen Samo sorgte wohl auch dafür, dass er bei Teilen des fränkischen Adels in die Kritik geriet. Dagobert setzte 633 seinen SohnSigibert III., damals noch ein Kleinkind, als Unterkönig in Austrasien ein. Allerdings ist unklar, ob diese Einsetzung als Schwäche Dagoberts gegenüber dem Adel zu interpretieren ist, da die entsprechende Hauptquelle (die Fredegarchronik) generell dazu neigt, Dagoberts Autorität als König abzuschwächen.[9] 634 erklärte Dagobert sich bereit, eine Nachfolgeregelung für den Todesfall zu treffen. Demnach sollte das Reich unter seinen Söhnen geteilt werden. Der Plan sollte auch den Bedenken des neustrischen Adels gegen eine Bevormundung aus Austrasien Rechnung tragen.
Dagobert scheint an derChristianisierungspolitik verschiedener Missionare in den Randbereichen des Reiches recht interessiert gewesen zu sein, die indirekt auch den fränkischen Einflussbereich vergrößerte.[10]
Ehen und Nachkommen
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Dagobert I. heiratete viermal. Im Jahre 625 schloss er die Ehe mitGomatrud, einer Schwester derSigihild, der dritten Ehefrau seines Vaters. 629 trennte er sich von ihr, da die Ehe kinderlos geblieben war, und heiratete die SächsinNantechild, die ihn überlebte und nach seinem Tod die Regentschaft für ihren unmündigen Sohn übernahm. Als weitere Ehefrauen werden Wulfegundis und Berchildis genannt; der letzteren gehörte wohl ein Ring mit der AufschriftBerteildis regina. Wann diese Ehen geschlossen wurden und wie lange sie bestanden, ist unbekannt.
Von Nantechild hatte er sein einziges eheliches Kind, den späteren KönigChlodwig II. (634–657). Mit Ragnetrud, der Nichte Nantechildes, hatte er vier Jahre zuvor außerehelich einen weiteren Sohn, den späteren KönigSigibert III. (630–656).
Nachfolge und posthume Lebensbeschreibung
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Nach Dagoberts Tod wurde das Königreich zwischen seinen beiden Söhnen aufgeteilt. Sigibert III. erhielt Austrasien mit ResidenzMetz, der jüngere Chlodwig II.Neustrien undFrankoburgund mit ResidenzParis. Das dezentralisierte Gebiet verfiel dann aufgrund einer Reihe schwacher und inkompetenter Herrscher. Währenddessen konnten Adelsfamilien immer mehr Macht gewinnen und die Kontrolle über das Land übernehmen. Die bedeutendste dieser Familien waren dieKarolinger. Versuche einiger Könige, im späten 7. Jahrhundert wieder die tatsächliche Herrschaft zu übernehmen, scheiterten.
Dagobert war der erste fränkische König, der in der königlichenGrablege von St. Denis begraben wurde. Dort entstand zweihundert Jahre später, wahrscheinlich von der Hand AbtHilduins, die verklärende LebensbeschreibungGesta Dagoberti. Bei derPlünderung der Königsgräber von Saint-Denis während derFranzösischen Revolution wurde sein Grab am 19. Oktober 1793 geöffnet und geplündert, seine Überreste wurden in einem Massengrab außerhalb der Kirche beerdigt.
In denVolkssagen wird Dagobert I. als „der gute König Dagobert“ beschrieben. Das gleichnamige Spott-Lied „Le bon roi Dagobert“ stammt wahrscheinlich erst aus der Zeit derfranzösischen Revolution.
Mit Dagobert I. ist auch die Sage umNotburga von Hochhausen verknüpft. Auf seinen Namen bezogen sich im Hochmittelalter verschiedene Überlieferungen, besonders wenn versucht wurde, ein besonders altes Herkommen zu beanspruchen (z. B.:Dagobertsche Schenkung inSoest).
Lex Ripuaria
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Die wahrscheinlich während der Herrschaft von Dagobert I. inAustrasien erschienene GesetzessammlungLex Ripuaria fasste mündlich überliefertes Recht derRheinfranken zusammen; in der neueren Forschung ist die Datierung allerdings umstritten.[11] Die 89 Kapitel, insbesondere die des zweiten Teiles (von drei), waren von derLex Salica stark beeinflusst, die der MerowingerChlodwig I. zwischen 507 und 511 als Gesetzbuch derSalischen Franken herausgegeben hatte.
Literatur
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- Maurice Bouvier-Ajam:Dagobert. Tallandier, Paris 1980,ISBN 2-235-00821-6.
- Hans Hubert Anton: Dagobert I. In:Reallexikon der Germanischen Altertumskunde (RGA). 2. Auflage. Band 5, Walter de Gruyter, Berlin/New York 1984,ISBN 3-11-009635-8, S. 177 f.
- Peter Classen: Dagobert I. In:Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 3, Duncker & Humblot, Berlin 1957,ISBN 3-428-00184-2, S. 474 f. (Digitalisat).
- Eugen Ewig:Die Merowinger und das Frankenreich (=Kohlhammer-Urban-Taschenbücher. Bd. 392). 4., ergänzte Auflage. Kohlhammer, Stuttgart u. a. 2001,ISBN 3-17-017044-9.
- Patrick J. Geary:Die Merowinger. Europa vor Karl dem Großen (=Beck'sche Reihe. 1507). Aktualisierte Neuausgabe. Beck, München 2003,ISBN 3-406-49426-9.
- Sebastian Scholz:Die Merowinger. Kohlhammer, Stuttgart 2015,ISBN 978-3-17-022507-7, S. 204ff.
- Christoph Wehrli:Mittelalterliche Ueberlieferungen von Dagobert I. (=Geist und Werk der Zeiten. Nr. 62). Lang, Bern u. a. 1982,ISBN 3-261-04914-6 (Zugleich: Zürich, Universität, Dissertation).
Weblinks
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Anmerkungen
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- ↑Zur Datierung siehe Margarete Weidemann:Zur Chronologie der Merowinger im 7. und 8. Jahrhundert. In:Francia. Bd. 25, Nr. 1, 1998, S. 177–230, hierS. 179 f.
- ↑Vgl. etwa Patrick J. Geary:Die Merowinger. München 2003, S. 154ff.
- ↑Sebastian Scholz:Die Merowinger. Stuttgart 2015, S. 213f.
- ↑Fredegar IV 60.
- ↑Sebastian Scholz:Die Merowinger. Stuttgart 2015, S. 212.
- ↑Sebastian Scholz:Die Merowinger. Stuttgart 2015, S. 209f.
- ↑Sebastian Scholz:Die Merowinger. Stuttgart 2015, S. 210f.
- ↑Vgl. dazu Bonnie Effros, Isabel Moreira (Hrsg.):The Oxford Handbook of the Merovingian World. Oxford u. a. 2020, S. 431f.
- ↑Sebastian Scholz:Die Merowinger. Stuttgart 2015, S. 211.
- ↑Sebastian Scholz:Die Merowinger. Stuttgart 2015, S. 213.
- ↑Sebastian Scholz:Die Merowinger. Stuttgart 2015, S. 214f.
Vorgänger | Amt | Nachfolger |
---|---|---|
Chlothar II. Mitkönige im Sonderreich Aquitanien bis etwa 632 Charibert II. Chilperich von Aquitanien | König der Franken von 629 bis 639 | Sigibert III. inAustrasien Chlodwig II. inNeustrien undBurgund |
Personendaten | |
---|---|
NAME | Dagobert I. |
KURZBESCHREIBUNG | merowingischer König des Frankenreichs (629–639) |
GEBURTSDATUM | um 609 |
STERBEDATUM | 19. Januar 639 |
STERBEORT | Épinay-sur-Seine |