
DasDeutsche Archäologische Institut, Abteilung Istanbul (türkischAlman Arkeoloji Enstitüsü) ist eine Auslandsabteilung desDeutschen Archäologischen Instituts (DAI), einer Bundesanstalt im Geschäftsbereich desAuswärtigen Amts. Der Forschungsschwerpunkt der Abteilung liegt in der Erforschung der Geschichte der RegionKleinasien und angrenzender Gebiete von derVorgeschichte bis in dieosmanische Zeit. Der derzeitige Direktor istFelix Pirson, 2. Direktor istMoritz Kinzel.
DieAbteilung Istanbul des DAI wurde 1929, im Jahr des hundertjährigen Bestehens des Instituts, gegründet. Zuvor waren im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert diverse Forschungsunternehmungen in Kleinasien von derPreußischen Akademie der Wissenschaften, dem BerlinerOrient-Comité, derDeutschen Orient-Gesellschaft und denKöniglich Preußischen Museen durchgeführt worden. Besonders letztere schufen durch eine Reihe von Stadtgrabungen in Westkleinasien (Didyma,Magnesia am Mäander,Milet,Myus,Pergamon,Priene) die Voraussetzungen für die Gründung eines Forschungsinstituts im Lande.

Im Jahr 1886 richteteCarl Humann eine Station derBerliner Preußischen Museen inSmyrna ein, die dann von seinem NachfolgerTheodor Wiegand 1899 nachIstanbul verlegt wurde. Von 1912 bis zur Schließung nach dem Ende desErsten Weltkriegs 1918 leiteteMartin Schede die Station. Im Jahr 1924 lebte sie unter Schedes Leitung als „Stützpunkt von Institutsgrabungen“ wieder auf und nahm nun zunehmend Interessen des DAI wahr. 1928 wurde die Umwandlung der Station zu einer Zweiganstalt des DAI beschlossen und von der türkischen Regierung genehmigt. 1929 bewilligte dasDeutsche Reich die erforderlichen Mittel, und mit Martin Schede als erstem Direktor wurde ein Nebengebäude desDeutschen Krankenhauses als neue Unterkunft bezogen. Der offizielle Name lautete „Abteilung für die Archäologie und Geschichte der Türkei“.
Mit dem Abbruch der diplomatischen Beziehungen zwischen der Türkei und Deutschland wurde die Abteilung im August 1944 geschlossen. Nach dem Ende desKrieges übernahm dieUniversität Istanbul die Treuhänderschaft und hielt den Lesebetrieb in der Bibliothek aufrecht. Nach der Rückgabe des Instituts an dieBundesrepublik Deutschland wurde es im Februar 1954 wieder eröffnet, und schon bald wurden alte Forschungsprojekte fortgesetzt und neue Unternehmungen begonnen. Ein Zeichen der regen Tätigkeit, die sich nun auch vermehrt aufZentral- undOstanatolien erstreckte, war die Einrichtung einer Station des Istanbuler Instituts inAnkara im Jahr 1958. Diese wurde jedoch 1995 wieder geschlossen.

Der steigende Personalbestand und die Zunahme der Bibliotheksbestände in den folgenden Jahrzehnten machten die Suche nach einem neuen Quartier notwendig. 1989 konnte die Abteilung schließlich in das Gebäude desdeutschen Generalkonsulats in Istanbul, der ehemaligen kaiserlichen deutschen Botschaft, übersiedeln. Hier stehen imWolfgang-Müller-Wiener-Kolleg auch Gästezimmer für Wissenschaftler, die im Haus oder in Istanbul arbeiten wollen, sowie für Reisestipendiaten zur Verfügung.
Der Gründungsdirektor Martin Schede formulierte die Aufgabe der Abteilung so: „In wenigen Ländern der Erde sind sich die verschiedenen Kulturen so häufig gefolgt, haben sich so gründlich verdrängt und doch wieder so entscheidend beeinflusst wie auf dem Gebiete der heutigen Türkei. So wird es die Archäologie und Geschichte der Türkei von den ältesten bis zu den jüngsten Zeiten sein, der die Arbeit des Instituts gewidmet sein wird“.[1] Dieser Zielvorgabe entsprechend waren und sind nicht nur Archäologen, Historiker und Bauforscher, sondern auch Vertreter derAltorientalistik, derChristlichen Archäologie, derByzantinistik und derOrientalistik direkt an der Abteilung oder in beratender Funktion tätig. Dementsprechend breit ist das Spektrum der Forschungen.[2]
Das wissenschaftliche Personal der Abteilung besteht derzeit (Stand: 2012) aus zwei Direktoren und vier promovierten Referenten sowie zwei bis vier wissenschaftlichen Hilfskraftstellen. Daneben sind Auslandsstipendiaten des DAI für ein- oder mehrjährige Aufenthalte an der Abteilung ansässig sowie von Fall zu Fall Mitarbeiter von Projekten. Der Tradition der Gründungsjahre folgend, unterrichten auch heute noch Angehörige der Abteilung an Istanbuler Universitäten.[3]

Einer der Schwerpunkte der Institutstätigkeit liegt traditionell inByzantion-Istanbul. Die Dokumentation von Bauresten aus byzantinischer und frühosmanischer Zeit, Forschungen zur historischen Stadttopographie und die Bauaufnahme der zunehmend vom Verschwinden bedrohten Holzhausarchitektur des 19. und frühen 20. Jahrhunderts bilden den Schwerpunkt der Forschungen. Der zweite Schwerpunkt sind die Stadtgrabungen im Westen des Landes, von denenPergamon unter personeller Leitung des DAI steht, während andere Grabungen als Kooperationsprojekte mit deutschen Universitäten durchgeführt werden bzw. wurden:Milet mit derUniversität Bochum,Didyma mit derUniversität Halle,Priene mit derUniversität Frankfurt undAizanoi mit derUniversität Freiburg.
Traditionell stark in den Forschungen der Abteilung sind prähistorische Ausgrabungen vertreten. Neben zahlreichen kleineren Unternehmungen sind hier die Ausgrabungen in der spätbronzezeitlichenHethiter-HauptstadtḪattuša (Boğazköy) zu nennen, die 1931 begannen und bis heute fortgesetzt werden. Im Zuge der internationalen Rettungsgrabungen im Gebiet der großen Staudammprojekte amEuphrat wurden die Untersuchungen amNorşuntepe und amHassekhöyük durchgeführt, seit 1995 laufen zudem in Kooperation mit derOrient-Abteilung des DAI die Grabungen an demfrühneolithischen BergheiligtumGöbeklitepe.
An allen Ausgrabungsorten werden auch Restaurierungsprojekte durchgeführt. Dazu gehört die Sicherung von Baubefunden ebenso wie dieRestaurierung beziehungsweise die Rekonstruktion von Gebäuden oder Gebäudeteilen sowie die Errichtung von Schutzbauten. Gemeinsam mit den türkischen Behörden werden auch Masterpläne für die Sicherung und die touristische Erschließung der archäologischen Stätten entwickelt.
Neben den Ausgrabungen waren und sindSurveyprojekte in ausgewählten Gebieten ein wesentlicher Bestandteil der Forschung der Abteilung. Dazu gehören beispielsweise Projekte zur allgemeinen archäologischen Landesaufnahme mit der Suche nach antiken Überresten, solche zur siedlungstopographischen Erforschung von Städten und Landschaften, bauhistorische Aufnahmen sowie die gezielte Sammlung vonepigraphischen Hinterlassenschaften. Surveyprojekte der Abteilung finden bzw. fanden im Umland von Pergamon, inOinoanda inLykien undGermia inGalatien statt. Häufig werden solche Surveyprojekte, ebenso wie kurzfristige Grabungsprojekte, in Kooperation mit türkischen Universitäten oder Museen durchgeführt.
Die Zusammenarbeit mit türkischen und ausländischen Wissenschaftlern ist ein Aspekt, der in den letzten Jahren zusätzliche Bedeutung gewonnen hat. Die Abteilung veranstaltet Tagungen und unterhält ein Netzwerk, das sich im Rahmen der DAI-Forschungscluster besonders an Nachwuchswissenschaftler wendet. Im Rahmen von zwei wissenschaftlichen Vortragsreihen im Winterhalbjahr berichten Mitarbeiter der Abteilung und auswärtige Gäste über die neuesten Forschungen, im Frühjahr werden öffentliche Führungen an ausgewählten Orten in der Stadt angeboten.

Die Bibliothek der Abteilung ist die größte Fachbibliothek ihrer Art in der Türkei. Sie umfasst etwa 60.000 Bände und 200 laufende Zeitschriften. Keimzelle des Bestands war die Handbibliothek der Station der Preußischen Museen, die durch ein Abkommen mit dem Archäologischen Institut Dubletten der Abteilungen Rom und Athen erhielt. Außerdem wurden in den Anfangsjahren größere Bibliotheksbestände von privater Seite und von aufgelösten ausländischen Forschungsinstituten gespendet. 2013 wurde dieEkrem Akurgal-Bibliothek eröffnet, die der Abteilung vonMeral Akurgal der Witwe vonEkrem Akurgal aus dessen Nachlass gestiftet wurde.[4]
Den Schwerpunkt bilden naturgemäß Werke zurArchäologie und zurKunst- undBaugeschichte. Daneben gibt es umfassende Bestände zu altorientalischen und antiken Philologien, zurOrientalistik, zurLandeskunde der Türkei und angrenzender Gebiete sowie frühe Reisebeschreibungen. Außerdem wird eine bedeutende Sammlung historischer Kartenwerke geführt. Der Bibliotheksbestand wird derzeit digital erfasst und ist über den BibliothekskatalogZENON[5] konsultierbar.
Der Aufbau einer Fotosammlung war von Anfang an eine der vorrangigen Aufgaben der Abteilung. Auch hier bilden wie bei der Bibliothek gestiftete oder angekaufte Sammlungen ein wesentliches Element. Das Repertoire des Istanbuler Archivs umfasst sowohl ein weites Spektrum historischer Aufnahmen ab den 1850er Jahren, insbesondere der FotografenJames Robertson,Sébah & Joailler, derAbdullah Frères sowieGuillaume Berggren als auch sukzessive angelegte Sammlungen aus Fotokampagnen zu kunst- und kulturhistorisch wichtigen Stätten und Museen Anatoliens.
Im Herbst 2011 wurde erstmals eine Inventur aller archivierten Bildträger durchgeführt. Zu diesem Zeitpunkt befanden sich im Fotoarchiv der Abteilung 10.235 Glasplatten, 44.182 Roll- und 40.665 Kleinbild- sowie 2.213 Großbildnegative. Im getrennt verwalteten Pergamonarchiv wurden weitere 3.440 Glasplatten, 48.567 Roll- und 62.297 Kleinbild- sowie 182 Großbildnegative gezählt. In beiden Archiven werden damit insgesamt 211.781 Bildträger aufbewahrt.
In den letzten Jahrzehnten war die möglichst umfassende bildliche Dokumentation archäologischer Denkmäler der Türkei ein Schwerpunkt der Arbeiten. Daneben gibt es einen großen Bestand an historischen Aufnahmen des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts, der überTrachten,Handwerk, bäuerliches Gerät sowie dörfliche Architektur und Lebensweise Auskunft gibt, aber auch über die Frühzeit von Industrieanlagen und Eisenbahnbauten im Land. Am bekanntesten sind die Aufnahmen des osmanischen Istanbul aus dem Atelier Sébah & Joaillier sowie des schwedischen Fotografen Guillaume Berggren.
Die Digitalisierung der Bestände befindet sich in Arbeit. Im Rahmen des ProjektsEmagines des DAI sind Glasplattennegative bereits in der BilddatenbankArachne abfragbar. Ziel ist die vollständige Aufnahme des Istanbuler Bestands in diese Datenbank.[6]
Die jährlich erscheinende ZeitschriftIstanbuler Mitteilungen[7] istpeer-reviewed und ein allgemeines Forum zur Diskussion der Archäologie und Kulturgeschichte Kleinasiens und angrenzender Gebiete von der Frühgeschichte bis in die Osmanische Zeit. Umfangreichere Arbeiten zu diesen Themen finden Platz in der ReiheIstanbuler Forschungen[8]. Seit 2005 erscheint die ReiheByzas[9], in die vornehmlich Tagungsberichte und Sammelbände aufgenommen werden. Die ReiheMiras[10], die 2011 startete, ist für Arbeiten zurDenkmalpflege, derKonservierung und demSite Management an archäologischen Stätten in Kleinasien vorgesehen. Außerdem werden je nach Bedarf Einzelpublikationen veröffentlicht. Aktuelle Kurzinformationen über die laufenden Arbeiten an der Abteilung enthalten die jährlichen InformationshefteDAI Istanbul[11]. Sie erscheinen sowohl als Printversion als auch auf der Internetseite der Abteilung, die in Deutsch, Englisch und Türkisch aufrufbar ist.
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