

Diechristliche Jahreszählung beginnt mit dem (angenommenen) Jahr der GeburtJesu Christi (* zwischen 7 und 4v. Chr.). Eine einheitliche christlicheZeitrechnung existiert nicht. Viele Elemente eines Zeitrechnungssystems, insbesondere die zyklischen Strukturen mitSonnenjahren, Monaten, Wochen und Wochentagen wurden aus älteren Kulturen übernommen und kommen in Zeitrechnungen anderer Kulturen auch heute ebenso vor. Darüber hinaus existieren in unterschiedlichen christlichen Kulturen teilweise unterschiedliche Kalender mit leicht abweichenden Angaben für den Jahresbeginn. Dennoch wird die weltweit vorherrschende Zeitrechnung von sehr vielen Menschen als „christliche Zeitrechnung“ begriffen, weil ihre Jahreszählung sich nominell auf das Geburtsjahr Christi bezieht. Man geht demnach von diesem Jahr als dem Jahr 1 aus und zählt von da ab weiter.
Das Jahr der Geburt Christi und die darauffolgenden Jahre werden oft mit dem Zusatz „nach Christus“, oder „nach Christi Geburt“ (abgekürztn. Chr.) versehen, früher meist lateinisch mit „Anno Domini“ (im Jahre des Herrn). Die Jahre davor werden entsprechend mit „vor Christus“ (v. Chr.) bzw. lateinischante Christum (natum), kurz AC, oder englischBefore Christ (BC) versehen.
Beim Bestimmen von Differenzen, die sich über dieses Bezugsjahr erstrecken, ist zu berücksichtigen, dass dasJahr 1 n. Chr. ohne einJahr null (die Geburt Jesu dauerte schließlich kein ganzes Jahr, sondern markiert einen Zeitpunkt) unmittelbar auf dasJahr 1 v. Chr. folgte. So regierteAugustus von 27 v. Chr. bis 14 n. Chr. nicht 41, sondern 40 Jahre lang alsPrinceps. Astronomen und andere Wissenschaftler, die mit größeren Zeiträumen rechnen, vermeiden dieses Problem, indem sie dasJahr 1 v. Chr. als Jahr 0, dasJahr 2 v. Chr. als Jahr −1, dasJahr 3 v. Chr. als Jahr −2 usf. benennen.[1]
Im Umfeld derfrühen Kirche gab es verschiedene lokale Systeme der Jahreszählung. DasJudentum kannte noch kein eigenes System, dieses wurde mit demjüdischen Kalender erst inrabbinischer Zeit entwickelt. Imhellenistischen Frühjudentum wurden die Jahre wohl noch nach derseleukidischen Zeitepoche gezählt. ImKalender des Römischen Reichs bezeichnete man die Jahre gewöhnlich nach den amtierendenKonsuln – eine Zählung, die sich bis ins 6. Jahrhundert n. Chr. hielt. Waren einmal absolute Zahlen notwendig, so rechnete man im Osten des Reiches nach einer der griechischen Zeitrechnungen, im Westen des Reiches mit der Jahreszählung seit der „Gründung Roms“ (ab urbe condita). KaiserJustinian führte 537 die Zählung nach Regierungsjahren schließlich rechtsverbindlich ein.[2]
Ab derSpätantike waren im Christentum zwei Bezugspunkte für eine eigene Jahresrechnung besonders interessant, dieErschaffung der Welt und dieGeburt Christi. Der MönchDionysius Exiguus legte 525 aus Vorgaben desAlten und desNeuen Testaments den Zeitpunkt der Geburt Jesu Christi für das Jahr 754ab urbe condita („seit der Gründung Roms“) fest. Er bezeichnete das erste Jahr des Lebens Christi mit einer Eins. Der angelsächsische BenediktinerBeda Venerabilis (673–735) verfasste um 731 dieHistoria ecclesiastica gentis Anglorum („Kirchengeschichte des englischen Volkes“). Er griff die von Dionysius verwendete Jahreszählung seit Christi Geburt wieder auf. Sie verbreitete sich von England im Verlauf des 8. Jahrhunderts über dasfränkische Reich im Abendland.Hermann von Reichenau († 1054) stellte in seinemChronicon erstmals alle historischen Ereignisse zeitlich ausschließlich in Bezug zum Jahre der Geburt Christi.[3] Um das Jahr 1060 wurde diese Jahresrechnung von derrömisch-katholischen Kirche in Gebrauch genommen.
Es wird angenommen, dass Geburtstag und -jahr Jesu Christi schon denUrchristen unbekannt waren. DieEvangelien (entstanden vermutlich 60–100) machen dazu nur wenige, zudem unklare Angaben. NachMt 2,1 EU wurde Jesus zu LebzeitenHerodes’ des Großen geboren, der nachFlavius Josephus umgerechnet 4 v. Chr. starb. Diese Angabe gilt auch wegenLk 1,5 EU, wonach auchJohannes der Täufer zu Lebzeiten des Herodes geboren sein sollte, als glaubwürdig. Man nimmt daher heute allgemein an, dass Jesus zwischen 7 und 4 v. Chr. geboren wurde.[4]
Die Angabe vonLk 2,2 EU, Jesus sei bei einer ersten römischen Volkszählung unterPublius Sulpicius Quirinius inBethlehem geboren, gilt dagegen meist als ahistorisch, denn die Amtszeit des Quirinius in der ProvinzJudäa begann nach zuverlässigen römischen Quellen erst 6 n. Chr. Für einen früheren Zensus dort gibt es keine Belege.[4]
Wird das angenommene Geburtsjahr Jesu Christi mit 1 bezeichnet, so war ein Jahr nach Christi Geburt das Jahr 2 n. Chr. Da es ein „Jahr null“ in der von den Historikern angewendeten Zeitrechnung nicht gibt, lässt sich mit Jahreszahlen vor der Zeitenwende nicht wie mit üblichen negativen Zahlen rechnen. So beträgt etwa die Differenz zwischen dem Jahr 1 v. Chr. und 1 n. Chr. ein Jahr, aber nicht 2, wie zwischen den Zahlen -1 und 1.
In Deutschland,Österreich und in derSchweiz ist die Angabev. Chr. bzw. n. Chr. üblich. In derDDR verwendete man auch„v. u. Z.“ und „u. Z.“ / „n. u. Z.“ („vor“ bzw. „[nach] unserer Zeitrechnung“), was sich ebenso bei jüdischen Autoren findet, dort teilweise auch „v./n. d. Z.“ („vor / nach der Zeitenwende“). Die in den Naturwissenschaften, bei technischen Anwendungen, Softwareentwicklung, Dokumentation und für internationale Korrespondenz eingesetzteISO 8601 sieht eine vollständige Skala mit einemJahr null und Jahresangaben mit negativemVorzeichen vor, wobei auch für die Zeit vor der Einführung desgregorianischen Kalenders rückwirkend dessen Schaltverfahren angewandt werden kann.
Deräthiopische Kalender bezieht sich auf die Geburt Jesu, doch nach den Berechnungen der alexandrinischenWeltära desPanodorus von Alexandrien. Die Abweichung zur Zählung nach Beda Venerabilis im gregorianischen Kalender beträgt etwa sieben Jahre und acht Monate.
DerKalender derkoptischen Kirche wählt die ThronbesteigungDiokletians am 29. August 284 (nach julianischem Datum) als Beginn (Ära Diokletians).
DerArmenische Kalender beginnt im Jahr 552 n. Chr., als sich dieArmenische Apostolische Kirche von der römischen Reichskirche trennte.
Der erste christliche Theologe, der die Schöpfung zum Bezugspunkt der Jahreszählung machte, warGregor der Große. Er kam auf 5184 Jahre vomAnnus creationis mundi („Jahr der Erschaffung der Welt“) bis zurAuferstehung Jesu Christi.[5]
DasOströmische Reich zählte in Jahren ab der Erschaffung der Welt, die entsprechend den Angaben in derSeptuaginta auf das Jahr 5501 v. Chr. oder 5508 v. Chr. datiert wurde. Diese Zählung hielt sich inRussland bis 1699, als ZarPeter I. im Dezember anordnete, dass vom 1. Januar des nächsten Jahres an (nach alter Rechnung das Jahr 7208 nach Erschaffung der Welt) das Jahr 1700 n. Chr. zu schreiben sei. Dabei wurde weiterhin der julianische Kalender verwendet.
Der anglikanische TheologeJames Ussher (1581–1656) ausIrland datierte im Jahre 1650 die Schöpfung der Welt auf das Jahr 4004 v. Chr. Auf diese Berechnung geht der christlicheUssher-Lightfoot-Kalender zurück.
Auch derjüdische Kalender geht von einem angenommenen Schöpfungsdatum aus und beginnt am 7. Oktober 3761 v. Chr. Das System wurde im Wesentlichen vom PatriarchenHillel II. 359 n. Chr. festgelegt.
PapstGregor XIII. beauftragte den protestantischen HumanistenJoseph Justus Scaliger (1540–1609) mit der Erstellung einer zusammenhängenden Chronologie historischer Ereignisse. Scaliger ermittelte im Jahre 1583 das Schöpfungsdatum auf das Jahr 3950 v. Chr. und zählte die seither vergangenen Tage unter der Bezeichnung Julianisches Datum (JD), das heute noch für historische und naturwissenschaftliche Zwecke benutzt wird.
Die spätere römische Tradition bestimmte das Jahr 5196 v. Chr. als Jahr der Erschaffung der Welt, so etwa imAnnuario Pontificio.[6]
Die christliche Zeitrechnung fußte zunächst im Wesentlichen auf dem vonJulius Caesar eingeführtenjulianischen Kalender mit 365,25 Tagen. Auf demKonzil von Trient in den Jahren 1545 bis 1563 wurde die Reform des julianischen Kalenders beschlossen. Es war deutlich geworden, dass der Einschub einesSchalttags alle vier Jahre nicht ausreichte, weil sich der Frühlingszeitpunkt merklich verschoben hatte. Die Lösung bestand in der Modifikation der Regel für den Schalttag und dem einmaligen Überspringen von zehn Tagen. Heute verwenden nur noch die sogenannteAltkalendarier den julianischen Kalender.
1582 kam es zur KalenderreformPapstGregors XIII. (1502–1585). Es entstand dergregorianische Kalender, der bis heute verbreitet ist. Er wurde von einigen – insbesondere katholischen – Ländern sofort, von manchen Kirchen und Staaten jedoch erst später übernommen. Der Übernahme folgten dann auch jeweils die Kolonien.
DieNeukalendarier verwenden denneujulianischen Kalender, welcher eine eigene, vom gregorianischen Kalender abweichende, Schaltregel aufweist.
EinigeAltorientalische Kirchen verwenden denägyptischen Kalender. So verwendet dieKoptische Kirche denkoptischen Kalender und dieäthiopische und dieeritreische Kirche denäthiopischen Kalender. Beide Kalender unterscheiden sich praktisch nur in der Jahreszählung und in den Monatsnamen. Dagegen kennt derarmenische Kalender, welcher von derArmenischen Apostolischen Kirche verwendet wird, auch keine Schaltregel, sodass derNeujahrstag langsam durch das Jahr wandert.
Der Beginn der Jahresrechnung, an dem man das Jahr beginnen ließ, variierte je nach Ort undKanzlei. Es werden verschiedene Arten der Datierung,Stile unterschieden. Als Jahresanfang wurden gewählt:[7]
Erst im ausgehenden Mittelalter setzte sich der 1. Januar zunehmend durch. PapstInnozenz XII. (1615–1700) erkannte im Jahre 1691 den 1. Januar als Jahresanfang durch die Verwendung in päpstlichen Bullen an.
Im Christentum war die Berechnung desOsterdatums für das beweglicheOsterfest ein wichtiger Aspekt derChronologie und diese ein wichtiger Bestandteil derMathematik. DasErste Konzil von Nicäa klärte im Jahre 325 den Streit, wie der Termin für das Osterfest festgelegt werden solle: auf den ersten Sonntag, der demFrühlingsbeginn und demjüdischenPessachfest folgt. Weitere Regeln erfolgten bei der gregorianischen Kalenderreform.
Abhängig vom Osterdatum ist das Datum desPfingstfestes, das am fünfzigsten Tag nach dem Ostersonntag (diesen eingerechnet) erfolgt. Die Tradition geht auf das jüdische FestSchawuot zurück, das 50 Tage nachPessach gefeiert wird.
Die Namen der heutigen zwölfMonate entstammen dem julianischen Kalender und haben eine Grundlage in den zehn Monaten des altrömischen Kalenders. Ältere Monatsbezeichnungen aus der Zeit vor derChristianisierung haben sich im deutschsprachigen Raum nicht im Gebrauch erhalten. Die lateinischen Bezeichnungen überstanden auch den VersuchKarls des Großen, sie durch deutsche zu ersetzen. Der koptische Kalender kennt noch den dreizehnten MonatHeriu-renpet („kleines Jahr“).
Die Namen derWochentage sind unter anderem lateinische Lehnübersetzungen der ursprünglich babylonischen Namen. Die sieben Tage der babylonischenWoche wurden nach den wichtigsten Himmelskörpern und Planeten benannt:Sonne,Mond,Mars,Merkur,Jupiter,Venus undSaturn. Als die Germanen diese Namen im 4. Jahrhundert kennenlernten, benannten sie diese nach den Namen der entsprechenden germanischen Götter um (Tyr bzw. Tiu (Dienstag/Marstag)Donar,Freya usw.), was teilweise bis heute erhalten blieb.
Imorthodoxen Kalender und in dermittelalterlichen Wochentagszählung sind Zählnamen wie „erster Tag der Woche“ üblich. DieReformation brachte in Europa die auf den Monat bezogene Zählung der Tage.
InGroßbritannien,Nordamerika und vielen anderen Teilen der Welt ist entsprechend der jüdischen und christlichen Zählung derSonntag der erste Wochentag. Seit 1976 ist inDeutschland derMontag der erste Wochentag (DIN 1355-1, nunISO 8601). Im Jahre 1978 beschloss auch dieUNO, dass der Montag international als der erste Tag der Woche gelten solle.
Die Einteilung des Tages in zweimal zwölf, also vierundzwanzigäquinoktialen Stunden wurde von denRömern übernommen. Der Tagesbeginn wird auf Mitternacht gesetzt. Nach dem antiken Kalender endete der Tag mit demSonnenuntergang, somit gehört der Vorabend vieler kirchlicher Festeliturgisch bereits zum Festtag.
Die Kirchturmuhren zeigten mit ihremGlockengeläut bis Ende des 19. Jahrhunderts die Ortszeit an. In Deutschland wurde zur besseren Koordinierung von Zugfahrplänen und Geschäftsprozessen die einheitliche Uhrzeit (dieZeitzonen wurden auf derMeridian-Konferenz 1884 festgelegt) für das gesamte Reichsgebiet am 1. April 1893 eingeführt.