Christian Jankowski
Christian Jankowski (*21. April1968 inGöttingen) ist ein deutscherKonzept- undAktionskünstler. SeineVideoinstallation und seineInszenierung von Rollenspielen beschäftigen sich mit der Beziehung zwischen den Künstlern, den Kunstinstitutionen, den Medien und der Gesellschaft.
Leben und Werk
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Jankowski wuchs in Göttingen auf und spielte inRockbands wieNamenlos undMephista. Anfang der 1990er Jahre zog er, als bekennenderUdo-Lindenberg-Fan, nachHamburg. Da seine Aufnahme an derHochschule für bildende Künste Hamburg abgelehnt wurde, studierte er, zeitgleich mitJonathan Meese undJohn Bock als „Schwarzhörer“.[1][2] DasSchaufenster seiner Hamburger Ladenwohnung nutzte er als Ort für erste künstlerische Performances (mit Frank Restle:Schamkasten, 1992).[3]
In einer weiteren frühen Arbeit von 1992 mit dem TitelDie Jagd erlegte Jankowski in einemSupermarkt Joghurtbecher, Brot, ein tief gefrorenes Hähnchen und Margarine mit Pfeil und Bogen und ernährte sich davon eine Woche.[4] Als Beitrag zurBiennale Venedig reichte Jankowski 1999 eine Videoproduktion ein, in der er mit fünf bekannten italienischen Fernseh-Wahrsagerinnen telefonierte und die er über seine künstlerische Zukunft befragte. Seine in einem unbeholfenen Deutsch-Italienisch gestellten Fragen, ob er ein berühmter Künstler oder sein Biennale-Beitrag ein Erfolg werde, wurden vieldeutig beantwortet. „Das Ergebnis war eine große, poetische Sprachkonfusion – und am Ende bekamen die zu Kunst verwandelten Wahrsagerinnen auch noch recht. Genau diese Arbeit machte ihn berühmt.“[5]
2000 wurde Jankowski zusammen mit drei weiteren Künstlern für den erstmals vergebenen und mit (umgerechnet) 50.000 Euro hoch dotierten „Preis der Freunde derNationalgalerie“ in Berlin nominiert. In seinem Wettbewerbsbeitrag ließ er dabei vier berufsmäßige Redenschreiber gegeneinander antreten, die in einerLaudatio jeweils einen Künstler des Wettbewerbs in floskelhafter Werbesprache mit großem Ernst anpriesen. Die ironischePerformance stellte nicht nur den ausgelobten „Künstlerwettstreit“, sondern auch den Kunstbetrieb in Frage. Jankowski erhielt den Preis nicht.
In seinem VideofilmKunstmarkt TV für die Ausstellung 2008 in Stuttgart ließ Jankowski einenTeleshopping-Moderator auftreten, der dem Betrachter Arbeiten der KünstlerJeff Koons undFranz West in einer Weise offerierte, die sich in nichts von den üblichen Fernseh-Verkaufsaktionen fürFußwärmer oder Schlankheitspillen unterschied.
Für eine andere, zweiteilige Arbeit für dasKunstmuseum Stuttgart mit dem TitelDienstbesprechung hatte er die Museumsmitarbeiter gebeten, ihre Berufe und Funktionen im Museum auszutauschen. Ein nicht eingeweihterRegisseur wurde von Jankowski anschließend beauftragt, einenDokumentarfilm über das Museum zu drehen. Jankowski „... hat alles, von der Katalog- bis zur Ausstellungsgestaltung, vom Marketing bis zur Pressearbeit, in die falschen Hände gelegt. Und beobachtet, was passiert.“[6] Im zweiten Teil der Installation, den „Übergabeprotokollen“, filmte er, wie sich die Mitarbeiter vor demRollentausch Tipps für die Bewältigung ihrer neuen Funktion gaben. Auf sechsundzwanzigMonitoren wurden diese Vier-Augen-Gespräche in der Ausstellung gezeigt. „Natürlich zerschellt die Ästhetik des Realen – der Dokumentarfilm – an der verheimlichten Fiktion. Es ist ein philosophisches Spiel, das hinter diesen scheinbaren Gags steht: Die Welt wird zur Bühne umgebaut, deren Realität nur aus Erfindungen, Rollenspielen, Was-wäre-Wenns besteht.“[5]Dem Kunstmuseum Stuttgart zufolge „nutzt [er] die Formate der Massenmedien, um mit hintergründigem Humor die Rolle von Kunst, Politik, Entertainment, Wirtschaft und globalen Vermarktungsstrategien zu hinterfragen …“[7]
Am 13. November 2009 gestaltete er die Kultursendungaspekte imZDF, 2013 amSchauspiel Köln das Bühnenbild fürKippenberger! Ein Exzess des Moments. 2013 erhielt er für die Videoarbeit „Casting Jesus“ denVideonale-Preis der Kfw-Stiftung[8] und 2015 denKunstpreis Finkenwerder.
2016 konzipierte Jankowski alsKurator unter dem TitelWhat People Do For Money die 11. Ausgabe der WanderausstellungManifesta, die vom 6. Juni bis 18. September 2016 an verschiedenen Orten in Zürich stattfand. Dreißig Bewohner der Stadt mit unterschiedlichen Berufen inspirierten jeweils einen Künstler – ausgehend von ihren Erfahrungen – zu einem spezifischen Kunstprojekt.[9]
2017 war er Mitglied der Kurzfilmjury bei den67. Internationalen Filmfestspielen Berlin.
Jankowski hat eine Professur für Bildhauerei (Installation, Performance, Video) an derStaatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart inne. Er lebt und arbeitet in Berlin, Hamburg und New York.
Am 22. Oktober 2023 setzte Jankowski sein Projekt „Heilige Geschäfte“ in Lübeck um. Dabei bezog er vier Lübecker Kirchen mit ein (St. Petri,St. Jakobi,Johann-Hinrich-Wichern-Kirche,Evangelisch-reformierte Kirche), in denen für einen Zeitraum von zwei Wochen vier Lübecker Geschäfte mit einer Filiale einzogen und ihre Produkte zum Verkauf anboten (Bolia, JessenLenz, Holtex, Landwege).[10]
2024 verwandelte Jankowski in einer Ausstellung der SammlungHarald Falckenbergs die vonMatthias Döpfner finanzierteVilla Schöningen in einen Trödelladen.[11]
Ausstellungen (Auswahl)
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- 1995: 46.Biennale di Venezia,Identità e alterità – Identity and Alterity, figures of the body 1895–1995
- 1996: Galerie Martin Klosterfelde, Berlin,Mein Leben als Taube (auch 1998, 2002, 2004, 2008)
- 1997: 4. Biennale für zeitgenössische Kunst Lyon
- 1998:Portikus, Frankfurt am Main,Mein erstes Buch
- 1999:Kölnischer Kunstverein, Köln,Telemistica;Museum Fridericianum, Kassel,Change is good
- 2001: 2.Berlin Biennale für zeitgenössische Kunst, Berlin; Städtisches Museum Abteiberg, Mönchengladbach,Futureland
- 2002:Künstlerhaus Bethanien, Berlin,Christian Jankowski, Sean Snyder
- 2003:Museum für Gegenwartskunst,Dramensatz; Centro d’Arte Contemporanea, Bellinzona; Kunstverein Göttingen,Künstliche Intelligenz
- 2004:Kunstmuseum Bonn,Karaoke-Bar;Hamburger Kunsthalle,Sommerfrische – Künstlervideos mit Espri
- 2005: Centro Galego de Arte Contemporánea, Santiago de Compostela,Oops! … I did it again (auchDes Moines Art Center, Iowa City)
- 2006:Museum der bildenden Künste, Leipzig,40jahrevideokunst.de – Videokunst in Deutschland von 1963 bis heute; (auchStädtische Galerie im Lenbachhaus, München;Kunsthalle Bremen;K21, Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf;ZKM – Zentrum für Kunst- und Medientechnologie, Karlsruhe)
- 2007–2008:Neon Parallax, Genf[12]
- 2007: Michele Maccarone, New York,SUPER CLASSICAL;Filmakademie Baden-Württemberg, Ludwigsburg,Horror
- 2008:Kunstmuseum Stuttgart,Kunstmarkt TV; Museum of Contemporary Photography, Chicago (USA),This Land Is Your Land
- 2014: Sparkassen-StiftungFondazione del Monte di Bologna e Ravenna
- 2015: Museo d’Arte Moderna diBologna MAMbo.
- 2016:Contemporary Fine Arts, Berlin, Retrospektive.
- 2022:Kunsthalle Tübingen,Christian Jankowski. I was told to go with the flow, KuratorinNicole Fritz.
Stipendien
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- 1998: Venedig-Stipendium des italienischen Innenministeriums
- 2000:Karl-Schmidt-Rottluff-Stipendium der Karl Schmidt-Rottluff-Stiftung; Nominierung, Kunstpreis Berlin,Akademie der Künste, Berlin
- 2001: Stipendium derDeutschen Genossenschaftsbank, Frankfurt am Main
- 2004: Stipendium der Freunde derVilla Aurora, Pacific Palisades, Los Angeles
Schriften
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- Zonen der Ver-Störung. steirischer herbst, Graz 1997, S. 182f.
- Enter: Artist/Audience/Institution. Kunstmuseum Luzern, 1997, S. 28–30.
Bücher
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- Mein erstes Buch.Portikus, Frankfurt am Main, 1998.
- Magic Circle. Revolver Publishing, Frankfurt am Main, 2004,ISBN 978-3-9806326-3-8.
- Everything Fell Together.Des Moines Art Centre, 2006,ISBN 978-1-879003-42-2. (englisch)
- Casting Jesus. Edition Taube, München, 2015,ISBN 978-3-9814518-9-4.
Weblinks
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- Literatur von und über Christian Jankowski im Katalog derDeutschen Nationalbibliothek
- Künstlerbiografie (IFA-Datenbank)
- Christian Jankowski auf der Website der Galerie Klosterfelde
- Offizielle Website des Künstlers
Einzelnachweise
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- ↑Parkett (Memento vom 3. April 2015 imInternet Archive) (PDF) Ausgabe 80, Parkett Verlag, Zürich 2007, S. 75.
- ↑Ingeborg Wiensowski:Christian Jankowski. In:Kultur Spiegel 8/2000 vom 31. Juli 2000.
- ↑Christian Jankowski, 24, und Frank Restle, 25. In:Der Spiegel.Nr. 25, 1992 (online).
- ↑Claudia Ihrefeld:Mit Pfeil und Bogen durch den Supermarkt. In:stimme.de, abgerufen am 29. Oktober 2008.
- ↑abNiklas Maak:Frührentner in Horrormasken. In:FAZ, 24. Oktober 2008.
- ↑Antonia Berneike:Kunstprojekt Rollentausch. In:Spiegel Online.
- ↑Kunstmuseum Stuttgart (Memento vom 20. Dezember 2008 imInternet Archive), abgerufen am 29. Oktober 2008.
- ↑Bonner General-Anzeiger vom 16./17. Februar 2013, Seite 14.
- ↑Till Briegleb:Im wörtlichen Sinne atemberaubend. In:Süddeutsche Zeitung vom 13. Juni 2016.
- ↑Christian Jankowski: Heilige Geschäfte auf overbeck-gesellschaft.de.
- ↑Villa Schöningen: Hommage an den Kunstsammler Harald Falckenberg - WELT. 14. Mai 2024, abgerufen am 31. Juli 2024.
- ↑BeitragWhat I still have to take care of.The Neons Project (Memento vom 8. Januar 2011 imInternet Archive). Fonds d’art contemporain de la Ville et du Canton, Genf.
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Personendaten | |
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NAME | Jankowski, Christian |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Künstler in der Konzeptkunst |
GEBURTSDATUM | 21. April 1968 |
GEBURTSORT | Göttingen |