Chhau

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Chhau, seltenerchhou, chau, chhow (bengalischছৌ নাচchau nāc,chhou nach;Oriyaଛଉ ନାଚ), ist eine Form traditioneller Tanzdramen in Ostindien, die von unteren Bevölkerungsgruppen im ländlichen Bereich entwickelt wurde und bei Jahresfesten, vor allem beim FrühlingsfestChaitra Parva aufgeführt wird. Es gibt drei bekannte regionale Traditionen, die sich in der Spielpraxis deutlich voneinander unterscheiden:Seraikella chhau erhielt seinen Namen von der KleinstadtSeraikela im BundesstaatJharkhand.Purulia chhau, der lebhafteste Stil, der am engsten mit seiner altenAdivasi-Tradition in Verbindung steht, wurde im DistriktPurulia im angrenzendenWestbengalen entwickelt. Weniger bekannt ist der dritte StilMidnapur chhau in der Subdivision Jhargram des westbengalischen DistriktsPashchim Medinipur (Midnapur). Alle drei sind Maskentänze im Unterschied zum vierten Stil, demMayurbhanj chhau inOdisha (DistriktMayurbhanj), der ebenfalls mit bunten Kostümen und teilweise mit Kopfputz, aber ohne Masken aufgeführt wird.

Die Themen derchhau-Stile sind aus den klassischen indischen EpenMahabharata,Ramayana und aus denPuranas entnommen.Chhau-Tänze gehören zu den religiösen Ritualen der jeweiligen Volksgruppen. Obwohl die Tänzer eine professionelle Ausbildung genossen haben, treten die meisten nicht hauptberuflich auf, sondern arbeiten als Angestellte in der Landwirtschaft oder in der Stadt. Die Tänze wurden früher nur von Männern aufgeführt, in manchen Gebieten tanzen heute auch Frauen.

Die Begleitmusik ist rhythmusbetont. Führend sind große Kesseltrommeln (dhamsa) und zwei oder mehrere Fasstrommeln (dhol), meist werden als einzige Melodieinstrumente die Kegeloboenshehnai odermohori gespielt. Gesungene Lieder kommen als Tanzbegleitung nicht, gesprochene Texte nur als Einleitung vor.

Im Jahr 2010 wurde derchhau-Tanzstil in dieUNESCO-Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit aufgenommen.[1]

Purulia chhau in Westbengalen

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

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Das Wortchhau stammt nach unterschiedlichen Ansichten vonSanskritchhaya, „Schatten“ oder umgekehrt:Chhaya geht aufchhau zurück, das mit Sanskritchhadma, „Verkleidung, Verschleierung“, zusammenhängt. Alternativ könntechhau das umgangssprachlicheOriya-Wort für „jagen“ oder „angreifen“ sein. Ferner gibt es die Mundali-Bezeichnungchhak für „Geist“. Mundali (oder Mundari) ist die Sprache derMunda, einer der Adivasigruppen, zu deren TraditionPurulia chhau gehört. Der kriegerische Aspekt deschhau kommt möglicherweise durch die Verbindung mit dem alten Sanskritwortchauni („Militärlager“) zum Ausdruck, von demHindichauni (auchchawri) abstammt, das „Rüstung“ bedeutet, undchhank („Attacke“). In jedem Fall geht das Wort auf eine Tätigkeit oder einen Beruf zurück und nicht auf eine bestimmte soziale Schicht oderJati (Subkaste). Dies ist wesentlich für das Verständnis, dass alle vierchhau-Tanzformen zwar in der Kultur einer bestimmten Bevölkerungsgruppe tradiert werden, aber grundsätzlich jeder die Tänze erlernen und an den Aufführung teilnehmen darf.[2]

In früheren Zeiten hießen diechhau-Tänze ihrer Herkunft gemäßpharikhanda khela, „Schauspiel mit Schild und Schwert“ und wurden von auf diese Art kampferprobten Männern (paiks) aufgeführt. Ein alteschhau-Tanzstück mit dem NamenAstradwanda wurde als Kriegstanz mit echten Schildern und Schwertern aufgeführt, als der britische KönigGeorg V. 1911 die damalige HauptstadtKalkutta besuchte. In ganz Asien stammen zahlreiche verfeinerte Tanzstile von der Kriegskunst ab.[3]

Purulia

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Purulia cchau, Aufführung inKolkata. GöttinDurga in Gestalt der Dämonentöterin Mahishasuramardini

Daschhau-Tanztheater gehört insgesamt zu einer bestimmten geografischen Region, die Zentren der drei Stile lagen dennoch bei den früheren Verkehrsverhältnissen mehrere Tagesreisen voneinander entfernt, was ein Grund für die Herausbildung unterschiedlicher Stile gewesen sein dürfte. Purulia ist ein bengalischsprachiger Distrikt in Westbengalen, in dem auch einige Stammessprachen gesprochen werden. Vor der Gebietsreform 1956 war Purulia eine Subdivision im heute nicht mehr existierenden Distrikt Manbhum, der im BundesstaatBihar mit seiner hindisprachigen Mehrheit lag. Nach der Neustrukturierung entlang von Sprachgrenzen wurde der größte Teil der Purulia-Subdivision Westbengalen zugeschlagen, das verbleibende Viertel kam zum Singhbhum-Distrikt von Bihar. Im Jahr 2000 wurde der südliche Teil von Bihar mit Seraikella zum neuen Bundesstaat Jharkhand verselbständigt.

Für die aufgeführten Dramen des ehemals in Bihar gelegenen Teils von Purulia bedeutet die lange Zugehörigkeit zu einem hindisprachigen Gebiet, dass wie beim dortigenSeraikella-chhau die klassischen Epen in ihren Hindi-Übersetzungen und Interpretationen durchTulsidas in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts zugrunde gelegt werden. Diese weichen teilweise erheblich von den Fassungen des bengalischen Dichters Kavichandra des 17. Jahrhunderts ab, die ansonsten imPurulia chhau verwendet werden. Somit ergeben sich innerhalb desselben Stils regionale inhaltliche Unterschiede. Stilunterschiede innerhalb desPurulia chhau bestehen ferner in der Aufführungspraxis.[4]

Purulia chhau war immer ein ländlicher Stil der Stammesbevölkerung und hat sich in einer besonders kraftvollen ursprünglichen Form erhalten. Seine Geschichte ist so gut wie unbekannt. Er soll von einem Kriegstanz abstammen, den die bäuerliche Gemeinschaft der Kurmi aufführte. Die Kurmi nennen noch heute ihre Tänzechau yuddha („chau-Krieg/Kampf“). Bis Anfang der 1940er Jahre wurdePurulia chhau in gewissem Umfang durch dieRajas von Baghamundi gefördert, die ihren hinduistischen Glauben unter den Kurmi verbreiten wollten und sie dazu brachten, ihre Kriegstänze mit Geschichten aus den hinduistischen Epen inhaltlich zu ergänzen. Mit der Abschaffung desZamindar-Systems 1947 endete die Unterstützung für den Tanzstil, der nur mit einfachsten Mitteln in den Dörfern am Leben erhalten werden konnte.[5]

Die Charakterisierung und grundlegende Beschreibung desPurulia chhau ist Ashutosh Bhattacharyya (1909–1984) zu verdanken, einem bengalischen Literaturwissenschaftler und Ethnografen, der 1961 den Stil erstmals in einem abgelegenen Dorf (Bandwan) im Purulia-Distrikt sah.[6] Die dortigen Munda-Tänzer besaßen weder richtige Masken noch Kostüme, dennoch führten sie damals nahezu das komplette Ramayana-Epos auf. Die Musiker waren Doms, eine niedrige Kaste westbengalischerHindus. Höherkastige Hindus nahmen weder teil noch unterstützten sie die Aufführungen, die Gebildeten missbilligten sie offensichtlich.

Bhattacharyya begann in den 1960er Jahren zusammen mit seinen Studenten aus Kalkutta, in den verschiedenen Dörfern alte Kostüme zusammenzutragen und zu restaurieren. 1969 brachte er erstmals 50chhau-Tänzer auf Einladung derSangeet Natak Akademi nachNeu-Delhi, ab 1972 reisten Tanzgruppen zu Aufführungen ins Ausland.[7]

Seraikella

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Die Namen der beiden anderen Stile beziehen sich auf die GebieteSaraikela undMayurbhanj, die vor der Unabhängigkeit Indiens 1949 kleine Fürstenstaaten waren, deren Herrscherfamilien die Tanztheater unterstützten und beeinflussten. Die Region um Saraikela war seit der Unterzeichnung eines Friedensvertrages mit denBriten 1820 relativ friedlich und unterlag keiner äußeren Einflussnahme. In einer solcherart ungestörten Umgebung entwickelte sich das Tanztheater zu einem Bestandteil desChaitra Parva-Festes; Mitglieder der Herrscherfamilie waren selbst aktive Tänzer und nahmen Einfluss auf Inhalt und Gestaltung der Aufführungen, die einen eleganteren und kalkulierteren Bühnenstil präsentieren. Nach ihrer Einschätzung istSeraikella chhau ein „klassischer“ Tanzstil, dessen bei der Stammesbevölkerung liegenden Wurzeln sie häufig verdrängen. Die volkstümlichen Elemente desSeraikella chhau sind nach wie vor erkennbar, besonders in den Dörfern, die weniger unter dem direkten Einfluss der Fürsten standen.

Wie in der Zeit zuvor nahmen auch unter dem Einfluss der Fürstenfamilie im 19. Jahrhundert weiterhin die übrigen Bevölkerungsgruppen – niedrigkastige Bauern, Adivasis undKshatriyas – an den Tänzen teil. Daneben beschäftigte der Palast eine eigene Tanztruppe, die jedoch mit dem Machtverlust der Fürsten und den wirtschaftlichen Veränderungen nach der Unabhängigkeit ihre Anstellung verlor. Eine lose Verbindung zu dieser Truppe ist bis heute bestehen geblieben, die Mehrzahl der Aufführungen beimChaitra-Parva-Frühlingsfest bestreiten jedoch Tanztruppen aus den Dörfern der Umgebung, die von der Fürstenfamilie eingeladen werden.

Erstmals 1936 wurdeSeraikella chhau außerhalb der Region in Städten wie Kalkutta und Bombay aufgeführt, ein Jahr später reiste eine Tanztruppe nach Europa.[8] 1964 richtete die Bundesregierung von Bihar ein kleines Ausbildungszentrum fürchhau-Tänze ein. Lehrer und Schüler bilden eine Tanztruppe, die außerhalb desChaitra Parva-Festes Aufführungen veranstaltet. Neben den dörflichenchhau-Tänzern, über die kaum etwas bekannt ist, sind dies die zwei einzigen, recht kleinen Tanztruppen, die in einer gewissen Konkurrenz zueinander stehen.[9]

Mayurbhanj

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ZumMayurbhanj chhau gibt es ebenso wenig schriftliche Aufzeichnungen über die Geschichte. Die Tanzform war anscheinend rein in der dörflichen Volkskultur und bei den Adivasis verankert. Der kriegerische Aspekt mancher Szenen könnte auf eine blühende zeremonielle Kriegskunst zurückgehen, die aus den Chroniken des frühen KönigreichsKalinga überliefert ist. Aus der Blütezeit unter KönigKharavela im 2. Jahrhundert v. Chr. blieben in den Höhlen vonUdayagiri und Khandagiri (beiBhubaneswar) Steinreliefs erhalten, die kriegerische Schauspiele mit Schwertern und Schildern sowie akrobatische Übungen zeigen.

Ab dem 17. Jahrhundert entstand die Tradition der Bildrollen (pat), wie sie von den bengalischenPatuas hergestellt werden. Die meisten Mitglieder dieser Volksgruppe sind Muslime, die Themen der Bildrollen stammen jedoch aus dem Volksglauben und aus den großen indischen Epen. Die Patuas präsentieren traditionell die Bildrollen, während sie als theatralische Geschichtenerzähler auftreten.[10] Es dominieren Geschichten aus dem LebenKrishnas, viele Szenen erlauben Vergleiche sowohl mit den Kalinga-Reliefs als auch mit den Bewegungsabläufen imMayurbhanj chhau.[11]

Maskentänze

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Masken haben allgemein entweder eine magisch-religiöse Bedeutung oder gehören zu einem gesellschaftlichen Rollenspiel. In Asien gehören sie vornehmlich zur Beschäftigung mit Göttern und Geistern. Es ist für diehinduistische Kultur schwierig zu sagen, wie säkular oder religiös Masken jeweils vorgestellt werden. Säkulare Themen lassen sich bei denchhau-Tänzen auch zwischen den religiös-mythologischen finden. So kommen imSeraikella chhau unter anderem Tanzszenen zu den alltäglichen FigurenDhibar (Fischer),Mayur (Pfau),Nabik (Bootsmann),Prajapati (Schmetterling) undShabar (Jäger) vor.

Durch Masken werden die beiindischen Tänzen wie demBharata Natyam wesentlichen Augenbewegungen (drushtibheda) und dieMimik (mukhabhinaya) als Ausdrucksmittel ausgeschlossen. Die Gefühle müssen rein durch Körperbewegungen ausgedrückt werden, die starre Maske kann nur in der Bewegung zum Leben erweckt werden. Indem sich der Tänzer mittels Körperbewegungen ausdrückt (angikabhinaya), zeigt er ästhetisches Gefühl (bhava) und Geschmack (rasa), zentrale Begriffe des indischen Tanztheaters. Unter der Maske bleiben Alter, Geschlecht und Aussehen des Tänzers verborgen; die Anonymisierung macht den Tänzer zu einem unpersönlichen, universalen Wesen und versetzt die dargestellten Charaktere auf eine allgemeinere symbolische Ebene. Umgekehrt vergegenständlichen sich komplexe abstrakte Ideen in einer konkret fassbaren Form.[12]

In der altindischen religiösen Aufführungspraxis, wie sie in den Schriften zurGandharva-Musiktheorie beschrieben wurde, existierten im Unterschied zumgriechischen Theater noch keine Dramen mit vollmaskierten Darstellern.[13] Außer zweifelhaften Terrakotta-Reliefs fanden sich keine archäologischen Hinweise auf frühe Maskentänze. Das Sanskrit-Wort für „Maske“ lautetvarna, es bedeutet „Farbe“ und „Aussehen“. Heute gibt es Maskentänze in begrenzten Regionen im Westen Indiens (Rajasthan), im Süden und Südwesten, im Zentrum, Osten und Nordosten des Landes in unterschiedlichen Volksüberlieferungen.

Einige weitere südasiatische Maskentänze, die im religiösen Kult oder bei magischen Ritualen verwendet werden:

  • Lakhe ist ein nepalesischer Dämonentanz aus derbuddhistischen Mythologie, der im Herbst beimIndra Jatra, einem Fest imKathmandutal aufgeführt wird und teilweiseexorzistischen Charakter hat.
  • Bei diesem Fest wird auchMahakali pyakhan aufgeführt. Das Tanzdrama für die GöttinMahakali geht auf einen nepalesischen König im 13. Jahrhundert zurück.
  • Sanni-yakma-Masken kommen beim dramatischentovil-Ritual inSri Lanka zum Einsatz. Sie sollen teuflische Mächte vertreiben und Krankheiten heilen. Die Masken haben eine magische Funktion, obwohl sie insgesamt weniger furchteinflößend aussehen als die Masken deskolam-Tanzdramas in Sri Lanka oder diebarong-Masken aufBali.
  • Zu den südindischen, mit Masken aufgeführten Tanzdramen gehörenyakshagana inKarnataka,krishnattam undkolam tullal inKerala.
  • Beim rituellengambhira-Maskentanz im nordwestlichen Bengalen (Malda) werden schwere, als äußerst heilig geltende Holzmasken verwendet.
  • Im beliebtenbhaona-Maskentanz vonAssam stellen tönerne Masken Tiere, Vögel und Figuren aus der Hindumythologie dar.[14]
  • Die beeindruckendsten Masken werden bei derSahi Yatra-Prozession inPuri getragen, dem neben demRatha Yatra zweiten großen Jahresfest dieser Stadt.

Aufführungspraxis

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Die Körperhaltungen und Bewegungsabläufe derchhau-Tänze unterscheiden sich durch ihre dörflichen Elemente und Stammestraditionen von den klassischen indischen Tanzstilen. Bei Letzteren führen die Tänzer von einer Ruheposition ein Bewegungsmuster aus, nach dessen Abschluss sie wieder vorübergehend in die Ausgangsstellung zurückkehren. Wie bei den klassischen Tänzen wechseln sich imchhau erzählende Abschnitte (nritya) mit rhythmischen Tanznummern (nritta) ab, die sich durch bestimmte Schrittfolgen, Drehbewegungen und Sprünge auszeichnen. Diechhau-Tänzer durchqueren dabei stärker den Raum und nutzen die gesamte, zur Verfügung stehende Bühnenfläche. Weit ausgreifende Arm- und Beinbewegungen machen den Raum zu einem Bestandteil der Choreographie, die genau die Besetzung des Raums im zeitlichen Verlauf regelt.

Ein wesentlicher Aspekt deschhau ist sein ritueller Kontext.Chhau-Tänze gehören zumChaitra Parva-Fest, bei dem als HauptgötterShiva und seine GefährtinShakti verehrt werden und das nach demindischen Kalender im Monatchaitra, dem ersten Monat den neuen Jahres, stattfindet (Mitte März bis Mitte April). Das Frühlingsfest ist Bestandteil des landwirtschaftlichen Jahreszyklus und dauert mehrere Tage. Die Angaben über die Länge liegen weit auseinander und reichen von vier oder fünf bis 26 Tage.[15]

Diechhau-Tänze finden an den letzten drei bis vier Tagen des Festes statt. Den Beginn der Veranstaltung legte früher der offizielle Astrologe fest, der nach dem Horoskop des Fürsten den geeigneten Tag aus den Sternen las. Die formelle Eröffnung besteht in der Aufstellung eines hohen Zeremonialpfostens aus einem grünen Bambusrohr. Er trägt eine rote Fahne und Mangoblätter, die jeden Abend erneuert werden, an seiner Spitze. In Seraikella wird der Pfosten vom königlichen Badeplatz am FlussKharkai in einer Prozession bis zum Shiva-Tempel am zentralen Dorfplatz getragen, begleitet von einer Kapelle mit Trommeln und dem Doppelrohrblattinstrumentshehnai. Für die Nacht wandert der Bambuspfosten weiter in den Hof des Ragunath-Tempels innerhalb des Palastes, zu dem nur Mitglieder der fürstlichen Familie Zutritt haben.[16]

An anderen Veranstaltungsorten werden ähnliche rituelle Grundlegungen praktiziert, die einen starken Einfluss auf das nachfolgende Geschehen ausüben. Die Intensität der Tänze, die bis zu trance-ähnlichen Zuständen reicht, verweist auf denselben magisch-rituellen Zusammenhang. Die Shiva-Verehrung besitzt in der Region eine lange Tradition, die besonders zwischen dem 5. und 11. Jahrhundert ausgeprägt war. Die Rituale stammen ab oder ähneln zumindest denen desDanda nata-Tanzfestes[17], das ebenfalls im Frühjahr in Odisha zu Ehren Shivas veranstaltet wird.Danda heißt „Pfosten“ und bedeutet offensichtlich denLinga, das phallische Symbol Shivas.Patua jatra ist ein anderes, vergleichbares Pilgerfest der unteren Kasten in Orissa, bei dem jedoch nicht Shiva, sondern die Muttergottheit (Devi) in Gestalt von Mangala, Chandi oder Kali verehrt wird.

Die akrobatischen Sprünge, Drehungen und Kampfszenen sollen aus der militärischen Ausbildung abgeleitet sein, die Fußsoldaten in den Armeen der Feudalherren erhielten. Manche Tänzer berufen sich dagegen auf die klassische Tradition, wenn sie ihren Stil von ShivasTandava-Tanz herleiten. Die Kategorisierung vieler Einzelaspekte ist schwierig. In der Aufführungspraxis derchhau-Tänze kommen drei Traditionslinien zusammen: die Einbettung in ein magisch-religiöses, volkstümliches Ritual, die alte höfische Kriegskunst und die stilistische Entwicklung der Bewegungstänze.Chaitra Parva ist zwar Shiva gewidmet, tatsächlich wird jedoch in den Namen der weiblichen Gottheiten Mangala, Kali und Chandi das Fruchtbarkeitsprinzip verehrt. Frühjahrsfeste haben in den meisten Kulturen diesen Aspekt.[18] Eine wesentliche Begleiterscheinung derchhau-Tänze ist die Verbindung von hinduistischer und Stammestradition.

Musik

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Bei der Musikbegleitung allerchhau-Tanzstile steht eine rhythmische Struktur (tala) im Vordergrund, die an kriegerische Wurzeln denken lässt. Am lautesten tönt diedhamsa, eine großeKesseltrommel mit einem Korpus aus Eisenblech. Sie gibt die Grundschläge vor, zu denen der Tänzer seine schnellen Körperbewegungen ausführt, diechamak („glitzern, blitzen“) genannt werden. Diedhamsa wird von ein oder zwei Fasstrommelndhol,dholak,dholki odermadal[19] (namensverwandt mitmaddale) unterstützt, deren Spieler beimPurulia chhau wild auf der Bühne herumlaufen und die Tänzer anfeuern. Das am weitesten verbreitete Melodieinstrument ist diemahuri, eine mit der auch in der klassischen Musik gespieltenshehnai verwandte Kegeloboe, gelegentlich können einetikara odertuila, eine einsaitige gezupfte Stabzither ohne Bünde, oder eine Bambusflöte (bansi) zum Einsatz kommen.[20] Die rhythmische Begleitung wird nach den drei üblichen Geschwindigkeiten unterteilt in: langsam (vilambit), mittel (madhyama) und schnell (druta). Mit dem Wechsel der Geschwindigkeit findet eine dramatische Entwicklung statt.

Purulia Chhau

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Seit seiner „Entdeckung“ 1961 haben Asutosh Bhattacharyya und andere denPurulia chhau gründlich untersucht und beschrieben, er wurde deshalb und wegen seiner besonders kraftvollen und lebendigen Inszenierung zum vermutlich bekanntestenchhau-Stil. Eine Tanzgruppe besteht üblicherweise aus 15 Tänzern und 10 Begleitmusikern. Außer dem Frühjahrsfest wirdPurulia chhau in der Mitte Juni beginnenden Trockenzeit zur Unterhaltung von mehreren hundert Gruppen in Dörfern aufgeführt; die meisten setzten sich aus Bauern zusammen, die in dieser Zeit keine Feldarbeit leisten müssen. Zentrum desPurulia chhau ist der Ort Baghmundi.

Die Tänzer tragen aufwendige Kostüme mit langen weiten Hosen und bestickten Samtjacken, die so ähnlich im bengalischen Volkstheaterjatra[21] und in Theaterformen des 19. Jahrhunderts zu sehen sind. Die Vorstellung beginnt am späten Abend und kann die ganze Nacht dauern. Sie findet üblicherweise auf einem saubergefegten Platz im Freien statt, die Zuschauer setzen sich nach Männern und Frauen getrennt auf den Boden außen herum. Der Platz ist durch Pfosten an den vier Ecken markiert; ohne Bühnenhintergrund konzentriert sich die Aufmerksamkeit der Zuschauer ganz auf die Tänzer.

Musik

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An den Fußgelenken getragene Schellenghunghur

Um ihre Knöchel haben die Tänzer Fußschellenghunghur (auchghanghura) gebunden, mit denen sie besonders beim Stampfen mit den Füßen und bei kurzen senkrechten Sprüngen die musikalischen Rhythmen ergänzen. Neben den Trommeln spielen die Musiker auchkartal (Zimbeln) und anstelle dershehnai gelegentlich eineKlarinette. Die meisten Musiker gehören zur unteren Kaste der Doms. Trommler, die bei religiösen und säkularen Zeremonien auftreten, stammen aus einer besonderen Untergruppe der Doms. Die Melodiestrukturen sind dem bengalischen Volksmusikstiljhumur und dem Volkstheaterjatra entnommen.Jhumur[22] gehört zu den religiösen Gesängen (kirtan), die ursprünglich zur Vishnu-Verehrung komponiert wurden und melodische Elemente aus Stammestraditionen beinhalten.

Die Vorstellung beginnt mit einer lebhaften Begrüßungsmusik, gespielt auf dershehnai und den Trommeln. Die Musiker betreten hierbei den Tanzplatz und umschreiten ihn einige Male. Sobald sie aufgehört haben zu spielen, tritt ein Sänger hinzu, der ein Volkslied imjhumur-Stil vorträgt. Hierin bittet er zunächst den glückbringendenGanesha um seinen Beistand, anschließend erklärt er kurz den Inhalt der folgenden Tänze. Die Trommler nehmen ihr Spiel wieder auf, indem sie Trommelschläge in Silbensprache (bol) rezitieren, die sie anschließend auf der Trommel ausführen. Nun beginnen die Tänze.[23]

Bis zu sechsdhamsa-Spieler spielen zur selben Zeit. Sie sitzen mit ihren großenKesseltrommeln auf einer Seite am Rand der Bühne. Diedholak- und dershehnai-Spieler bewegen sich hinter den Tänzern auf dem Platz.

Tanz

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Die halbsitzende Basisposition des Tänzers, wie es sie auch imKathakali und anderen klassischen Tänzen gibt, heißthantu-muda (hantu, „Knie“,muda, „falten“). Bei den Schrittfolgen werden zwei Kategorien unterschieden:deva chal („Gott-Schritt“) für die dargestellten Götter undasura chal („Dämonen-Schritt“) für ihre Widersacher.Asuras kämpfen zwar durch ihr unglückliches Schicksal gegen die Götter, verhalten sich aber ansonsten recht unauffällig. Sie sind Helden mit menschlichen Fähigkeiten. Ganz anders dieRakshasas, für die es denrakshasa chal gibt, sie sind durch und durch böse und essen sogar Menschenfleisch. Ihr Gang ist entsprechend würdelos schwerfällig. Tiercharaktere aus den großen Epen, insbesondere der AffeHanuman, werden mit dem Bewegungsstilpush chal dargestellt. Im Einzelnen unterscheidet man Stile für Bären (jambaban), Löwen (bagh chal), Schlangen, Frösche und weitere. Weibliche Charaktere haben eigene Stile, benannt nach der jeweiligen Göttin (Lakshmi,Sarasvati, Kali). Säkulare Charaktere kommen im traditionellenPurulia chhau nicht vor. Der im Stilbabu chal gehende Gentleman ist eine jüngere Entwicklung und gehört nicht zum anerkannten Kanon.

Für dieChoreographie sind kraftvoll ausgreifende Bewegungen charakteristisch, so erscheint zum BeispielRama, der Held des Ramayana als ein Krieger, der beim Betreten des Tanzplatzes voller Stolz mit seinen Schultern wackelt. Auch Ramas GefährtinSita und Prinzessin Draupadi aus dem Mahabharata wirken in ihren von Männern verkörperten Rollen maskulin. Bei den Kämpfen jagen sich Gut und Böse mit bedrohlich erhobenen Schwertern im Kreis über den Platz und bleiben nur stehen, um imaginäre Pfeile gegeneinander zu schießen. Im Duell mit einem außergewöhnlich bösen Dämon kann es dazu kommen, dass beide Tänzer über den Boden rollen und sich mit Steinen bewerfen.[24]

Derdhol-, dholak- oderdholki-Spieler agiert als eine Art Ringrichter auf der Bühne, läuft schreiend herum, als müsse er die Tänzer einweisen. Die Trommler sind tatsächlich verantwortlich für den zeitlichen Ablauf. Durch ihre festgesetzte Spielweise holen sie die Tänzer auf die Bühne und ohne ihren Rhythmus können die Tänzer sich nicht bewegen, weil ihnen die zeitliche Struktur fehlt.[25]

Masken wurden zu jeder Zeit verwendet, ursprünglich waren sie aus Holz. In manchen Häusern sah Bhattacharyya noch alte, schwere Holzmasken aufbewahrt. Heute werden leichtere Masken ausPappmaché und Ton aufgesetzt, die ihren Trägern mehr Bewegungsfreiheit und einen Gebrauch bis über eine Stunde erlauben.

Seraikella Chhau

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Heimat des Tanztheaters ist der DistriktSeraikela Kharsawan in Jharkhand. Im Unterschied zumPurulia chhau förderten die Fürsten des KleinreichsSinghbhum denSeraikella chhau über die Jahrhunderte bis zur Unabhängigkeit. Für das FrühjahrsfestChaitra Parva wird eine ebene Tanzfläche aus mit Kuhdung vermischtem gestampftem Lehm präpariert. Zu den abendlichen Vorstellungen kommen Mitglieder der Fürstenfamilie und Besucher aus den Städten. Neben dem Frühjahrsfest findet in Seraikela zuDashahara ein weiteres Tanzfest zu Ehren der Göttin Ma Paudi statt, einer Form der Kali und Schutzgöttin der örtlichen Raja-Dynastie. In den 1980er Jahren waren drei oder vier Tanzgruppen in Seraikella aktiv.[26]

Die Vortänzer gehören häufig zur Oberschicht, andereJatis (wie Pattanaiks, Kabis oder Dubeys) nehmen ebenfalls teil. Die führenden Mitglieder der Seraikella-Tanzgruppen betonen die beständige unterstützende Rolle der Fürstenfamilie und den demokratischen Charakter ihrer Tanztradition, bei der – für Indien ungewöhnlich – Kastenunterschiede in den Hintergrund treten. Dennoch gehören die Trommelspieler selbstverständlich zu einer unteren Kaste. Während desChaitra Parva-Festes treten mehrere Tanzgruppen in einem Wettbewerb gegeneinander an. Die lokale Bezeichnung für Tanzgruppenakhara („Ringkampfarena“) verweist auf die kriegerische Tradition der Schwertkämpfe. Den Vorsitz (sabhapati) über die Veranstaltung führte früher der Raja.

Erstmals nahm 1941 inShantiniketan eine Frau an einer Tanzaufführung teil. Sie hatte eine männliche Rolle übernommen. Als der zuschauendeRabindranath Tagore die Tänzerin mit einem männlichen Tänzer, der einen weiblichen Charakter darstellte, verwechselte, schien die Zeit gekommen, Frauen für die Ausbildung zum Maskentanz zuzulassen.[27]

Musik

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Die Musik bleibt bei diesem Stil mehr im Hintergrund, gesungene oder gesprochene Einschübe kommen beimSeraikella chhau noch weniger vor als bei den anderen Stilen. Die Melodien werden zwar von bekannten Oriya-Volksliedern entlehnt, aber rein instrumental interpretiert. Trommeln sind diedhamsa, deren etwas kleinere Bauform in Seraikella auchnagara genannt wird, und diedhol. Als Melodieinstrumente kommen neben dershehnai auch einHarmonium und die Bambusquerflötebansi zum Einsatz. Die Tänzer machen ebenfalls ihre Schritte durch Fußschellen (ghunghur) hörbar.

Den einzelnen Tänzen sind eigene rhythmische (talas) und melodische Strukturen (ragas, weibliche Formragini) zugeordnet. Nach der Tradition steht am Beginn jeder Tanzvorführung derjatraghata (bezeichnet Melodie und Tanz). Der Radha-Krishna-Tanz wird zu einer Melodie imraga bhairav mit demtrital (16 Schläge) aufgeführt. Die Tänzer merken sich die Tanzschritte, indem sie die dazugehörige Trommelsprache (bol) auswendig lernen.[28]

Tanz

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Das Repertoire besteht aus etwa 60 Tanzstücken, die meisten wurden in den 1930er bis 1950er Jahren komponiert. Zentrales Element desSeraikella chhau ist derpharikhanda-Übungsstil (phari, „Schild“ undkhanda, „Schwert“). Die Tänzer tragen ein Schwert in der rechten und einen Schild in der linken Hand. Man unterscheidet etwa zehn (oder 18) Bewegungsabläufe (chali): vorwärts, rückwärts, überkreuz und Schrittfolgen, die sich an den Gangarten von Tieren orientieren. Beispielsweise bedeutetmota gati gerades Nachvornschreiten mit Schwert und Schild in den Händen,tinpadi chali drei Schritte zur selben Zeit,bagh chali die Gangart eines Tigers,hati gati den Elefantengang,gomutra chanda den Gang einer urinierenden Kuh undsagar gati stellt die Bewegungen von Meereswellen dar.

Komplexeren Tanzsequenzen liegen die etwa 36 (oder 50) bekanntenupalayas (Grundprinzipien) zugrunde. Dieupalayas definieren nicht die tatsächlich auf der Bühne ausgeführten Bewegungen, sie stellen ein System von Grundmustern dar, die später durch die Choreografie zu einem Tanzablauf ausgestaltet werden. Einigeupalayas sinddhan kuta (dhenki kuta), Reisstroh dreschen;gobar kudha, Einsammeln von Kuhdung am Boden;gadhubar, im Wasser untertauchen;ghunte dia, ein dekoratives Muster auf den Boden malen (Rangoli, in SüdindienKolam);sindur tika, einen Punkt aus rotem Farbpulver (Tilaka) auf die Stirn setzen;cheli dian, Sprung einer Ziege;chand dhara, den Mond einfangen;guti kudha, Kiesel mit den Zehen aufgreifen;mayur panikhia, ein Pfau trinkt Wasser undgarudasan, ein sitzender Adler.

Die Bewegungsabläufe werden alspharikhanda-Übungen unter Anleitung eines Lehrers (Guru) einstudiert. Die erste Grundposition istdharan, der Tänzer steht mit gestreckten Beinen und geschwellter Brust.[29]

DasSeraikella chhau-Repertoire greift Themen aus demMahabharata und denPuranas auf, es reicht von den epischen Schlachtenschilderungen bis zu Liebeslyrik. Eine besonders ausdrucksstark getanzte Kampfszene aus dem Mahabharata schildert wie Bhima, einer der fünf Pandavas, gegen Duryodhana antritt, den Anführer der 100 mit den Pandavas verfeindeten Kauravas. Der Zweikampf stellt den Höhepunkt am dritten Tag der gesamten Schlacht dar, bei dem Bhima seinen Gegner mit einemStreitkolben erschlägt.

Dagegen steht der TanzChandrabhaga in der lyrischen Tradition der reinen Tanzstücke (nritta) im Bharata Natyam. Erzählt wird die tragische Liebesgeschichte der jungen Frau Chandrabhaga, die sich am Strand vergnügt, bis der Sonnengott, von ihrer Schönheit angezogen, sie zu verfolgen beginnt. Sie weist ihn mehrfach zurück und springt schließlich ins Meer und ertrinkt.Chandrabhaga ist einer der am feinsten entwickelten Tänze und lässt Raum für philosophische Deutungen.[30]

Die Tänze lassen sich nach der Art, wie sie ihre Inhalte umsetzen in zwei Kategorien einteilen: In der ersten Kategorie bleibt die Choreografie ohne besondere Interpretation eng am Thema. Hierzu gehörenArati („Licht anbieten“),Sabar („Jäger“),Eklabya („Bogenschütze“) undDheebar („Fischer“). Zur zweiten Kategorie gehören die stilisierteren Tänze, in denen das Thema symbolisch verstanden und einer Interpretation unterzogen wird. Beispiele sind die TanzthemenMayura („Pfau“),Nabik („Bootsmann“), der genannteChandrabhaga, Sagar („das Meer“),Hara-Parvati (Shiva mit seiner GemahlinParvati) undHamsa, der mythische Schwan.

Hinzu kommen einfache Tänze, wie sie von Kindern mit oder ohne Masken aufgeführt werden, und moderne Kunstformen wie das TanzstückKoch-O-Devyani („Leidenschaftliche Liebe und Devyani“), das auf einem Gedicht von Rabindranath Tagore basiert. Staatliche Förderprogramme haben seit 2005 die Produktion weiterer moderner Tänze nach Erzählungen Tagores und eine Adaption von ShakespearesMacbeth alschhau-Maskentanz unterstützt.[31][32]

Mayurbhanj Chhau

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Zentrum des Tanzstils ist die StadtBaripada, früherer Hauptort des FürstenstaatesMayurbhanj und heute Verwaltungssitz des gleichnamigen Distrikts im Nordosten Odishas. Die Geschichten desMayurbhanj chhau fußen wie beimSeraikella chhau auf einer kriegerischen Tradition, die Bewegungsabläufe sind annähernd so lebhaft wie beimPurulia chhau. Was in Seraikella die kriegerischenpharikhanda-Übungsformen sind, aus denen die Choreografie entwickelt wird, heißt im Mayurbhanj-Stilrukmar nach. Im Lauf der Zeit erweiterte sich auch hier die Themenpalette und es kamen mythologische Inhalte, Natur- und Alltagsschilderungen hinzu. Die heutigen Themen sind dem Mahabharata, Ramayana, den Krishna- und Shiva-Legenden entnommen. Der große Unterschied zu den anderen Stilen sind die fehlenden Masken, wobei der Gesichtsausdruck der Tänzer dennoch relativ starr bleibt.[33] Neben den Bezügen zu den anderenchhau-Stilen besteht auch eine Verwandtschaft zumjatra-Volkstheater von Bengalen und Orissa, das Wanderschausteller mit Geschichten von Radha und Krishna aufführen.

Eine Gelegenheit zur Aufführung vonMayurbhanj chhau ist dasDashahara-Fest im Oktober und das bedeutendereChaitra Parva-Frühlingsfest. Die Tanzaufführung wird mit derrangabaja-Zeremonie hinter einem Vorhang oder vor den Augen des Publikums eröffnet. Dort stimmen die Musiker ihre Instrumente und spielen dann aufdhamsa,dhol undmahuri (shehnai) eine musikalische Anrufung. Zur nun folgenden Melodie betreten die Darsteller die Bühne. In diesemchali („gehen“) genannten Abschnitt geben sich die Charaktere durch ihre jeweilige Gangart zu erkennen. Bevor die eigentliche Tanzaufführung beginnt, betreten zweiKaji-Paji genannte Figuren die Bühne und beginnen in der Tradition des erzählendenNarren einen Dialog, der eine Mischung aus gesprochenem Text, Mimik und Bewegung darstellt undVidusaka Pranalika heißt. Etwas Vergleichbares stellen die männliche (nata) und weibliche Figur (nati) im altenSanskrit-Theater dar.

Der folgende Abschnitt mit rhythmischen Tänzen wird mit dem Oriya-Wortnach bezeichnet, vermutlich abgeleitet vonnritta. Das Thema ist zwar schon bekannt, die Tänze tragen aber noch nichts zur Entwicklung der Handlung bei. Wenn sich später das Drama zu einem Höhepunkt entwickelt hat, wird in einem beschleunigten Tempo die abschließende Tanzphasenatki aufgeführt.

Die musikalische Begleitung besteht neben dem führenden Perkussionsinstrument, der Fasstrommeldhol, aus der Kesseltrommeldhamsa, der kleinen Zylindertrommelchadchadi, die wie diedhamsa mit zwei Stöcken geschlagen wird, der Kegeloboemahuri, der einsaitigen Stabzithertuila und gelegentlich einerbansi (Bambusflöte). Die Melodien ähneln der Volksmusik in Orissa, enthalten aber genauso Ragas der klassischen nordindischen Musik. Der musikalische Schwerpunkt liegt auch hier auf den rhythmischen Strukturen (talas), die in Form der Silbensprachebol von den Tänzern erlernt und dargestellt werden.[34]

Midnapur Chhau

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Den am wenigsten bekanntenchhau-Stil pflegen verschiedeneAdivasi-Gruppen in der Subdivision Jhargram im westbengalischen DistriktPashchim Medinipur. Er wird auchchho genannt, was „Spaß“ oder „Scherz“ bedeutet. Das bekannteste Jahresfest, bei demMidnapur chhau zur Aufführung kommt, ist das zu Ehren von Shiva veranstalteteGajan-Fest. Die Tänze enthalten nur wenige Episoden aus den Puranas oder den großen indischen Epen, es geht mehr um die Darstellung von Alltagssituationen und -geschichten. Auftretende Figuren sind Fischer, Weber, ein hoher Herr (Babu) und Tiere wie der Affe Hanuman, ein Löwe, Tiger oder ein Bär. Die Szenen sind lyrischer und weniger kämpferisch-wild als bei den anderenchhau-Stilen.

Die kaum bemerkenswerten Masken bestehen aus Ton, seltener aus Holz. Sie stellen unter anderem Ganesha, Kali,Kartikeya, den Geist eines Verstorbenen (bhut) und sonstige böswilligen Geister dar. Neue Masken werden kaum noch hergestellt, nach einigen Jahren erfahren die abgenutzten Masken eine Auffrischung, indem eine Schicht Lehm und frische Farben aufgetragen werden.[35]

Masken

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Purulia Chhau

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Purulia chhau-Masken. Die modernenRahmentrommeln sind untypisch

Die Masken fürPurulia chhau werden überwiegend im Dorf Chorida hergestellt, ein kleineres Zentrum ist das Dorf Domordi, wohin Anfang des 20. Jahrhunderts einige Familien von Chorida ausgewandert sind. Zur Herstellung der Papiermaché-Ton-Masken wird aus Lehm eine Form modelliert und zum Trocknen ausgelegt. Auf diese Form kommt eine Schicht aus nassem Papier (Zeitungspapier), die mit einer Mehlpaste überstrichen wird. Die nächste Lage besteht aus einer weichen Lehmschicht, in die Stoffreste eingearbeitet werden. Ein Holzspatel dient dazu, die Kanten zu modellieren. Nach dem Trocknen wird eine Grundfarbe aus Kalk und Lehmschlämme aufgestrichen, bevor die sichtbare Farbschicht und abschließend mit einem feinen Pinsel die Gestaltung von Augenbrauen und Mundpartie folgen.

Mit Papiergestaltung und -bemalung in Westbengalen ist normalerweise die Jati (Subkaste) der Chitrakars beschäftigt, sie fertigen nahezu alle für Festveranstaltungen gebrauchten Gegenstände aus Papier und Lehm an. In Chorida stellen jedoch Familien der Sutradhar die Masken her, die ursprünglich für Holzverarbeitung zuständig waren. Daraus lässt sich schließen, dass die Masken fürPurulia chhau früher aus Holz bestanden. Nach der lokalen Geschichtsschreibung floh irgendwann im 18. Jahrhundert einMahut (Elefantenführer) des Rajas von Baghmundi in Purulia nach Seraikella, wo er das Maskenspiel erlernte. Nach seiner Rückkehr führte er zur Begeisterung des Rajaschhau-Maskentänze auf, worauf der Raja von auswärts gelernte Sutradhar-Handwerker kommen ließ, die fortan aussimul-Holz (Salmalia malabarica, GattungBombax) Masken herstellten. Wann anstelle von Holz Papier und Lehm als Maskengrundstoff eingeführt wurden, ist unklar, vermutlich geschah dies erst im 19. Jahrhundert, weil Papier in Bengalen vorher kaum gebräuchlich war.[36]

In Chorida sind etwa 40 Familien mit der Herstellung von Masken beschäftigt. Die Gestaltung der Masken soll sich im 18. Jahrhundert nach dem Stil vonKrishnagar herausgebildet haben. Die Grundfarben symbolisieren die einzelnen Charaktere. Die Masken von männlichen und weiblichen Helden sind weiß mit einigen feinen blauen und grünen Streifen auf der Stirn und am Kiefer. Die Masken vonRama undArjuna sind hellgrün, diejenige vonKrishna blau mit weißen Detailzeichnungen. Die Heldenfiguren tragen hohe Kopfaufbauten, die zum Gesamtbild der Maske gehören. An ihnen hängen silberne Perlen, den äußeren Rand zerlappen vielfarbige Federn. Zu den Göttermasken gehören die im Hinduismus üblichen Attribute.Durga zeigt ein elegantes Lächeln auf ihrem weißen Gesicht, der bedrohlichen schwarzenKali tropft rotes Blut aus ihrem aufgerissenen Mund. Die verzerrten Gesichter der Dämonen werden grün oder rot dargestellt mit blutunterlaufenen Augen und dicken Nasenlöchern. Dichte schwarze Bärte hüllen die männlichen Dämonengesichter ein.[37]

Seraikella Chhau

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Die Herstellung der Masken geschieht ähnlich. Die Lehmform wird nach zwei- bis dreitägigem Trocknen dünn mit Kohlepulver bestreut und dann in Gazestoff eingepackt. Darüber packt man mit Mehlpaste eine Schicht Zeitungspapier, gefolgt von einer dünnen Lehmschicht. In den Lehm wird nochmals eine Schicht Gaze eingelegt. Nach eintägiger Trocknung folgen eine weitere Schicht Papier und abschließend Lehm, der nach dem Trocknen geglättet und bemalt wird.

Die Seraikella-Masken sind weniger variationsreich als die von Purulia, dafür erheblich unbequemer zu tragen. Während Purulia-Masken bis zu einer Stunde getragen werden könnten, ist ein Seraikella-Maskenträger nach einigen Minuten erschöpft. Die Lehm-Papier-Masken lassen dem Tänzer wenig Luft zum Atmen, weil der Mund bei den Masken stets geschlossen ist und nur Luft durch die Nasen- und Augenöffnungen nach innen gelangt. Die Augenöffnungen stimmen nicht immer mit der Augenposition des Tänzers überein, sodass dessen Blickfeld stark eingeschränkt ist. Die meisten Tanzstücke dauern fünf bis sieben Minuten, das Maximum beider Stile liegt bei 15 Minuten.[38]

Krishna ist wie üblich dunkelblau und trägt eine hohe Pfauenfederkrone, Shivas Gesicht ist weiß, Durga ist goldfarben, Ganesha rot, Hamsa weiß und das Reh gelb. Ratri (Göttin der Nacht) hat ein blaues Gesicht und ist an ihren schläfrigen, halbgeschlossenen Augen erkennbar. Dem verletzten Reh Banabiddha steht mit seinen zerfaserten Augenbrauen Angst und Schrecken ins Gesicht geschrieben. Auch die übrigen Tierfiguren werden mit menschlichen Gesichtern dargestellt, in denen ihr Gefühlszustand zum Ausdruck kommt. Der Kopfputz ist ähnlich aufwendig wie in Purulia.

Seit Anfang des 20. Jahrhunderts bestehen die Masken aus Lehm und Papier. Es hat den Anschein, dass frühere Masken aus Holz, Lehm, Kürbisschale (Kalebasse) oder Bambusstreifen bestanden haben. Die Holzmasken waren wesentlich schwerer und schränkten die Beweglichkeit des Tänzers ein. Die Maskenhersteller gehören überwiegend zur Mahapatra-Familie in Seraikella, die in der Nähe des Palastes wohnt.[39]

Literatur

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  • Richard Emmert u. a. (Hrsg.):Dance and Music in South Asian Drama. Chhau, Mahākāli pyākhan and Yakshagāna. Report of Asian Traditional Performing Arts 1981. Academia Music, Tokyo 1983.
  • Andrew Tsubaki, Farley P. Richmond:Chau. In: Farley P. Richmond, Darius L. Swann, Phillip B. Zarrilli (Hrsg.):Indian Theatre. Traditions of Performance. University of Hawaii Press, Honolulu 1990, S. 359–383.
  • Kapila Vatsyayan:Mayurabhanj Chhau. In: Eknath Ranade (Hrsg.):Vivekananda Kendra Patrika. Distinctive Cultural Magazine of India. Band 10, Nr. 2 (Theme: Dances of India) August 1981, S. 93–117.

Weblinks

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Commons: Chhau – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. Chhau dance. UNESCO Intangible Cultural Heritage, 2010.
  2. Kapila Vatsyayan, 1981, S. 93.
  3. Suresh Awasthi:Traditional Dance-Drama in India: An Overview. In: Richard Emmert (Hrsg.), 1983, S. 75.
  4. Asutosh Bhattacharyya:The Social Background of the Chhau Masked Dance of Purulia. In: Richard Emmert (Hrsg.), 1983, S. 95.
  5. Andrew Tsubaki, Farley P. Richmond, 1990, S. 372f.
  6. Bhattacharya, Ashutosh. Banglapedia
  7. Ashutosh Bhattacharyya:Session II: Purulia chhau. In: Richard Emmert (Hrsg.), 1983, S. 24.
  8. Suresh Awasthi:Traditional Dance-Drama in India: An Overview. In: Richard Emmert (Hrsg.), 1983, S. 77.
  9. Andrew Tsubaki, Farley P. Richmond, 1990, S. 360–362.
  10. Beatrix Hausner:From Oral Tradition to „Folk Art“. Reevaluating Bengali Scroll Paintings. (Memento vom 12. August 2011 imInternet Archive) In:Asian Folklore Studies, Band 61, 2002, S. 105–122.
  11. Kapila Vatsyayan, 1981, S. 95.
  12. Rajkumar Suddendra Narayan Singh Deo:Expression and Movement in Seraikella Chhau Dance. In: Richard Emmert (Hrsg.), 1983, S. 127.
  13. M. L. Varadpande:History of Indian Theatre. Band 1. Abhinav Publications, Neu-Delhi 1987, S. 252.
  14. Masatoshi A. Konishi:Masks and Masked Performing Arts in South Asia. With Special Reference to Chhau of East India. In: Richard Emmert (Hrsg.), 1983, S. 78–88.
  15. Andrew Tsubaki, Farley P. Richmond, 1990, S. 363 Fußnote
  16. Andrew Tsubaki, Farley P. Richmond, 1990, S. 363–365.
  17. Danda Nata, Folk Dance of Orissa. Indianetzone
  18. Suresh Awasthi:Traditional Dance-Drama in India: An Overview. In: Richard Emmert (Hrsg.), 1983, S. 73–76.
  19. Māḍal. In: Laurence Libin (Hrsg.):The Grove Dictionary of Musical Instruments. Bd. 3, Oxford University Press, Oxford/New York 2014, S. 357
  20. Kapila Vatsyayan, Maria Lord:India IV, § IX, 2 (i) a. In:Stanley Sadie (Hrsg.):The NewGrove Dictionary of Music and Musicians. Band 12. Macmillan Publishers, London 2001, S. 267.
  21. Balwant Gargi:Jatra – Folk Theatre of India (Memento vom 15. November 2006 imInternet Archive) www.yakshagana.com
  22. Jhumur Songs, West Bengal. Indianetzone
  23. Izumi Hasumoto: MusicalAspects of the Chhau Dance of Purulia. In: Richard Emmert (Hrsg.), 1983, S. 107f.
  24. Andrew Tsubaki, Farley P. Richmond, 1990, S. 374f.
  25. Ashutosh Bhattacharyya:Session II: Purulia chhau. In: Richard Emmert (Hrsg.), 1983, S. 25–27.
  26. Introduction to Traditions Presented. In: Richard Emmert (Hrsg.), 1983, S. 4.
  27. Rajkumar Suddendra Narayan Singh Deo:Session I: Seraikella chhau. In: Richard Emmert (Hrsg.), 1983, S. 20.
  28. Rajkumar Suddendra Narayan Singh Deo:Session I: Seraikella chhau. In: Richard Emmert (Hrsg.), 1983, S. 18f, 22f.
  29. Rajkumar Suddendra Narayan Singh Deo:Session I: Seraikella chhau. In: Richard Emmert (Hrsg.), 1983, S. 18, 20; ders.:Expression and Movement in Seraikella Chhau Dance. In: Richard Emmert (Hrsg.), 1983, S. 128f (hier die Zahlen in Klammern)
  30. Kimiko Ohtani:An Analysis of the Structure and Movement of „Chandrabhāgā“ in the Chhau of Seraikella. In: Richard Emmert (Hrsg.), 1983, S. 136.
  31. Ananya Bhattacharya:Heritage and Creative Enterprise. (Memento vom 20. September 2015 imInternet Archive) In:International Journal of Intangible Heritage, Band 6, 2011, S. 100–104, hier S. 101.
  32. Andrew Tsubaki, Farley P. Richmond, 1990, S. 367, 369.
  33. Masatoshi A. Konishi:Masks and Masked Performing Arts in South Asia. With Special Reference to Chhau of East India. In: Richard Emmert (Hrsg.), 1983, S. 83f.
  34. Kapila Vatsyayan, 1981, S. 94–96.
  35. Masatoshi A. Konishi:Masks and Masked Performing Arts in South Asia. With Special Reference to Chhau of East India. In: Richard Emmert (Hrsg.), 1983, S. 85f.
  36. Masatoshi A. Konishi:Masks and Masked Performing Arts in South Asia. With Special Reference to Chhau of East India. In: Richard Emmert (Hrsg.), 1983, S. 84f.
  37. Andrew Tsubaki, Farley P. Richmond, 1990, S. 376–380.
  38. Suresh Awasthi:Traditional Dance-Drama in India: An Overview. In: Richard Emmert (Hrsg.), 1983, S. 76.
  39. Masatoshi A. Konishi:Masks and Masked Performing Arts in South Asia. With Special Reference to Chhau of East India. In: Richard Emmert (Hrsg.), 1983, S. 84; Andrew Tsubaki, Farley P. Richmond, 1990, S. 369–371.
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