Chemisenkleid

DasChemisenkleid (französischChemise ‚Hemd‘), auchEmpirekleid oderChemise,[1] war während desDirectoire undEmpire ein in ganz Europa verbreitetes langesDamenkleid aus dünnem, transparentem Stoff, meistMusselin. Es wartunikaartig geschnitten und unter der Brust meist mit einem Band oder einem Gürtel zusammengefasst und fiel ansonsten frei ohne Taillierung.
Das Chemisenkleid war die sichtbarste Ausformung derMode à la grecque. Wegen des durchscheinenden Stoffes wurde dieser Stil auch spöttisch und abwertend „Nacktmode“ genannt.[2]
Geschichte
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Vorgeschichte
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Der Begriff Chemisenkleid geht auf dieChemise zurück, der französische Begriff für das in ganz Europa von Männern und Frauen getragene tunikartigeUnterkleid mit Ärmeln. Der Begriff wurde erstmals in den 1780er Jahren für ein Obergewand verwendet, als sich KöniginMarie Antoinette 1783 vonÉlisabeth Vigeé Lebrun in einem Kleidà gaulle porträtieren ließ, einem informellen, weißen Kleid der kolonialen Elite inFranzösisch-Westindien. Wegen seiner Ähnlichkeit zum Unterhemd wurde das Kleid in der Öffentlichkeit schnellChemise à la reine getauft und aus dem anfänglichen Skandal entstand eine neue Vorliebe für weiße Kleider, vornehmlich aus Musselin.[3]
Zugleich entstand im Großbritannien der 1770er bis 1790er Jahre dieMode à l’anglaise, bei der bequemere und bürgerlich anmutende Kleidung für beide Geschlechter populär wurde. Der englische Landadel wandte sich damit auch gegen diehöfische französische Mode.[2]
Entstehung des Chemisenkleides
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Erste Kleiderà la grecque tauchten 1788 in Venedig und Paris auf.[4] Da im Frankreich derRevolutionszeit aufReifrock undKorsett verzichtet wurde, konnte sich dieSilhouette der Damenmode auf diese Weise ändern. Unter dem Kleid wurde kein Korsett, sondern nur ein Mieder- oder Brustleibchen getragen. Darauf folgte ein Unterkleid,[5] ab 1795 dann stattdessen auch ein hautfarbenes oder weißesTrikot.[6] Bis etwa 1806 wies das Chemisenkleid, das schon aufgrund der benötigten Stoffmenge und -qualität ein aufwändiges und daher den Damen derOberschicht vorbehaltenes Kleidungsstück war, häufig eine Schleppe auf.
Im Anschluss an denÄgyptenfeldzug Napoleons entwickelte sich in Frankreich das Chemisenkleid zurTunique à la Mameluck weiter. Sie ergänzte die Chemise durch einen halb- bis dreiviertellangen Überrock, der vom Brustband herabfiel und vorn offen war. Nach dem Sturz Napoleons 1813/14 änderte sich dann die Mode in Richtung stärkerer Verhüllung: das Zugband fiel weg und wurde durch eine am Rücken liegende Kleidknöpfung bzw. -schnürung ersetzt, der Stoff wurde leicht versteift und fiel glatt zum nun knöchellangen Saum, die zuvor teils nur angedeuteten Ärmel wurden länger undgepufft oder man trug lange Ärmel mit Oberarmpuffenà la Renaissance. Im Übergang zumBiedermeier wurde dasDekolleté deutlich sparsamer und schloss mit einer steifenHalskrause oder einem Zackenband (dent de loup „Wolfszahn“) ab. Der zuvor ganz schlichte Stoff erhielt üppigenAufputz in Form vonBorten,Rüschen, Zackenbändern undKunstblumen.
Über das Empire hinaus blieb die Schleppe weiterhin anBallkleidern und in Form derCourschleppe erhalten.[2] Gegen 1820 wurde allmählich wieder die natürliche Körpertaille betont.[2]
Material und Form
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Da man fälschlich Weiß für die Farbe der Antike hielt, waren die Chemisenkleider aus weißem Stoff, als farbige Akzente dienten Brustbänder, zum Beispiel in Rosa oder Zartblau, florale Stickerei oder einMäanderband am Saum. Das Chemisenkleid wurde gerne mit einemCanezou,Fichu oderShawl kombiniert, im Winter wurde ein Spencer oder eine Redingote getragen.[7]
Als Material wurden neben Musselin auch andereBaumwollgewebe inLeinwandbindung (Batist,Kattun, Linon),Leinen, netzartige Gewebe (Gaze,Tüll,Spitzen überTaft) oder – vor allem im Frankreich Napoleon Bonapartes – auchSeide verwendet.
- Fleischfarbene Trikots und Unterkleider ließen den Eindruck von Nacktheit entstehen, hier dasTänzerpaar Viganò auf einer Zeichnung vonJohann Gottfried Schadow, 1797.
- Eine Karikatur der „Nacktmode“, 1799
- Tunique à la Mameluck undTituskopf, 1803
- Kaiserin Joséphine hatte wesentlichen Anteil an der Verbreitung des Chemisenkleides, hier als Krönungskleid getragen, ca. 1807–1808
- Kleid derKönigin Luise von Preußen mit Courschleppe, Schlossmuseum Darmstadt
Siehe auch
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Literatur
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- Ingrid Loschek:Reclams Mode- und Kostümlexikon. 5. Aufl. Reclam, Stuttgart 2005,ISBN 3-15-010577-3, S. 144–146
- Erika Thiel:Geschichte des Kostüms: Die europäische Mode von den Anfängen bis zur Gegenwart. Henschel, Berlin 2004,ISBN 3-89487-260-8, S. 136.
Weblinks
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- Empirekleid aus dem Jeverland, Sammlung des Schlossmuseums Jever
- Brautkleid im Empire-Stil, Sammlung des Historischen Museums Hannover
Einzelnachweise
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- ↑Erklärung der Kupfertafeln. In:Journal des Luxus und der Moden.Band 11, Juli 1796,S. 382 (DFG-Viewer).
- ↑abcdIngrid Loschek, Gundula Wolter:Reclams Mode- und Kostümlexikon. 6. Auflage. Reclam, Stuttgart 2011,ISBN 978-3-15-010818-5,S. 149–151.
- ↑Jane Ashelford:‘Colonial livery’ and the chemise à la reine, 1779–1784. In:Costume.Band 52,Nr. 2, September 2018,ISSN 0590-8876,S. 217–239,doi:10.3366/cost.2018.0069.
- ↑Ingrid Loschek, Gundula Wolter:Reclams Mode- und Kostümlexikon. 6. Auflage. Reclam, Stuttgart 2011,ISBN 978-3-15-010818-5,S. 226.
- ↑Unterkleid mit zugehöriger Chemise, ca. 1807. In: museum-digital.de. Modemuseum im Schloss Ludwigsburg, abgerufen am 23. Oktober 2021.
- ↑Johannes Scherr:Geschichte der Deutschen Frauenwelt.Band 3. O. Wigand, Leipzig 1873,S. 184–185 (google.com [abgerufen am 23. Oktober 2021]).
- ↑Akiko Fukai:Fashion: The Collection of the Kyoto Costume Institute: a History from the 18th to the 20th Century. Hrsg.: Kyoto Costume Institute. Taschen, 2002,ISBN 978-3-8228-1206-8,S. 150–151 (google.com).