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Charlie Parker

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Charlie Parker 1947, Bild vonWilliam P. Gottlieb

Charlie „Bird“ Parker (*29. August1920 als Charles Parker Jr. inKansas City,Kansas; † 12. März1955 inNew York City) war einUS-amerikanischer Musiker (Altsaxophonist undKomponist), der als einer der Schöpfer und herausragenden Interpreten desBebop zu einem wichtigen und einflussreichen Musiker in derGeschichte des Jazz wurde. Seine Musik „hat den Jazz beeinflusst wie vor ihm nur die vonLouis Armstrong, wie nach ihm die vonJohn Coltrane undMiles Davis“.[1]

Ab 1942 wirkte er an den legendärenJamsessions imMonroe’s und imMinton’s Playhouse inHarlem mit, wo er gemeinsam mitDizzy Gillespie undThelonious Monk entscheidende Grundlagen für denModern Jazz legte. Er spielte dabei, für damalige Verhältnisse, kühneDissonanzen undrhythmische Verschiebungen, die aber allesamt von seinem Gefühl für melodische Schlüssigkeit geprägt waren. Auch in sehr schnellen Stücken vermochte er prägnant und stimmig mit hoher Intensität zu improvisieren.[2] Anfang der 1950er-Jahre verschlechterte sich der gesundheitliche Zustand des Saxophonisten, der seit seiner Jugend drogensüchtig war. Seinen letzten Auftritt hatte er am 5. März 1955 in dem nach ihm benannten New Yorker JazzclubBirdland.

Leben

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Anfänge in Kansas City

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Parker wurde in Kansas City geboren. Der Vater war Service-Steward beimSanta Fe Express. Die Mutter machte noch als Sechzigjährige eine Ausbildung zur Krankenschwester. Charlie Parker hatte einen älteren Bruder, der als Postangestellter beim Kansas City Post-Office arbeitete. Parker begann erst nach dem Besuch der Lincoln High School, Altsaxophon zu spielen. Zwar hatte seine Mutter es ihm 1933 geschenkt, doch Parker interessierte sich zunächst nicht dafür und verlieh das Saxophon zwei Jahre lang an einen Freund. Stattdessen spielte erTenorhorn in derBrass Band der Highschool. So fragte ihn John Maher in einem Interview, bei dem auch Marshall Stearns anwesend war: „Haben Sie in derMarschkapelle Ihrer Oberschule … Tenorhorn gespielt?“ Darauf Parker: „… Sie hatten etwas, das sichSymphonisches Blasorchester nannte … Tenorhorn, ja richtig … Nein, nicht ganz so groß wie eineTuba. Es besitzt drei Ventile. Zwischen einer Tuba und einem Althorn, ziemlich groß. Sie müssen es auf diese Art halten, Sie wissen schon, auf diese Art.“ – (Gelächter).[3] Parker begann sich erst mit etwa 17 Jahren für das Altsaxophon zu interessieren. Parker spielte schon bald professionell mit diversen Bands, unter anderem mitMary Colston Kirk, mitGeorge E. Lee and his Novelty Singing Orchestra, derTerritory Band vonTommy Douglas oder mit denDeans Of Swing. BassistGene Ramey wurde einer seiner Freunde, mit dem er später auch in der Band von PianistJay McShann spielte. Parker hörte zu dieser Zeit einige der damals bekanntesten Saxophonisten, darunter die TenorsaxophonistenHerschel Evans,Coleman Hawkins undLester Young.

Russells Biografie zufolge hatte Parker im späten Frühjahr 1936 auf einer Jam-Session mit Mitgliedern derCount-Basie-Bigband ein Schlüsselerlebnis: Er spielte damals so schlecht, dass SchlagzeugerJo Jones vor Wut sein Schlagzeug-Becken auf den Fußboden warf. Danach ließ sich Parker während eines Engagements amLake Taneycomo vom Gitarristen seiner Combo in Harmonielehre unterrichten. Augenzeugen zufolge war er danach wie verwandelt: Von einem wenig kompetenten Saxophonisten mit miserablem Ton hatte er sich in einen fähigen und ausdrucksstarken Musiker entwickelt, der es nun sogar mit weit erfahreneren Saxophonisten aufnehmen konnte.

Durchbruch als Musiker

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Tommy Potter, Charlie Parker, Max Roach (verdeckt), Miles Davis und Duke Jordan (von links nach rechts), ca. August 1947.
Fotografie vonWilliam P. Gottlieb.

Nach Zwischenstationen in der Band von Jay McShann (1937 bis 1942[4]),[5] beiNoble Sissle (1942/43), in der Big Band vonEarl Hines, indessen Orchester er mit dem Trompeter und ArrangeurDizzy Gillespie erstmals zusammenarbeitete, beiCootie Williams,Andy Kirk und derinnovativen Big Band vonBilly Eckstine gründete Parker 1945 zusammen mit Gillespie die ersteBebop-Combo. Mit ihren energetischen Rhythmen und ihrer für den Jazz innovativen Harmonik stellte sie eine klare Absage an den etablierten Swing dar und wurde darum anfangs auch heftig kritisiert:Cab Calloway etwa nannte ihren Stil abfällig „chinese music“. Bis Ende der 1940er-Jahre hatte sich der Bebop jedoch alsder definitive neue Jazz-Stil durchgesetzt und die Ära des modernen Jazz eingeleitet. Aus dieser Zeit stammen einige wichtige Aufnahmen, beispielsweise vonBillie’s Bounce,Now’s the Time,Donna Lee – komponiert von Miles Davis – undKoko. Dort übernahm jedoch Gillespie, der hohe Töne und schnelle Passagen sicherer beherrschte als Davis, den Trompeten-Part.

Tommy Potter, Parker und Max Roach (verdeckt), Auftritt im New Yorker Jazzclub Three Deuces, ca. November 1946.
Fotografie vonWilliam P. Gottlieb.

Nachdem Dizzy Gillespie die Band 1946 während eines Aufenthalts inHollywood aufgelöst hatte, blieb Parker als einziges Bandmitglied ein Jahr inKalifornien, trat beiJATP-Konzerten mit Lester Young auf und stellte dort eine eigene Band zusammen, in der zuerst der jungeMiles Davis, danachHoward McGhee – ein Schüler Gillespies – die Trompete übernahmen. Hier unterschrieb er auch einen ersten Plattenvertrag mit dem Jazz-LabelDial Records vonRoss Russell, seinem späteren Biografen, und nahm eine Reihe seiner wichtigsten Stücke auf, darunter dieYardbird Suite,Moose The Mooche undA Night in Tunisia mit dem berühmten Altsaxophon-Break(famous alto break) im ersten Take.

Nach einer Aufnahmesession, bei der er unter anderemLover Man einspielte, erlitt Parker einenNervenzusammenbruch und musste ins Camarillo State Hospital eingeliefert werden, wo er einige Monate blieb. Nach seiner Entlassung kehrte er wieder nachNew York zurück und stellte dort ein neues Quintett unter anderem mit Miles Davis zusammen. Dieses erhielt ein festes Engagement imThree Deuces auf der damals berühmten52nd Street. 1948 hatte das Charlie-Parker-Quintett unter anderem ein Engagement imRoyal Roost, wo viele Auftritte live mitgeschnitten und später veröffentlicht wurden(The Bird Returns); im Mai 1949 trat es auf dem PariserFestival International 1949 de Jazz auf. Ab 1948 nahm Parker bis zu seinem Tode fürMercury Records, dannVerve Records auf, die Aufnahmen erschienen zusammengefasst unter dem TitelBird: The Complete Charlie Parker on Verve.

1949 folgten einige Aufnahmen mit Streichern, Oboe, Waldhorn und Harfe, die unter dem TitelCharlie Parker with Strings aufVerve veröffentlicht wurden. Davon zähltJust Friends zu den herausragenden Aufnahmen Parkers, wie er selbst hervorhob. Er zeigt sich hier in solistischer Höchstform und erhält zudem durch ein Klaviersolo vonStan Freeman kongeniale Begleitung. Sie waren die kommerziell erfolgreichsten Aufnahmen in Parkers Karriere, aber schon bei ihrem Erscheinen wurden die Studio-Arrangements von vielen Jazzkritikern als Anbiederung an den Massengeschmack abgelehnt.[6]

Im nächsten Parker-Quintett stand der junge weiße TrompeterRed Rodney in der „front line“, der zuvor mit so renommierten Bands wie demClaude Thornhill Orchestra und beiWoody Herman gespielt hatte. Am Piano saß nunAl Haig,Bass spielteTommy Potter,Schlagzeug einer der besten jungen Bebop-Drummer,Roy Haynes. Von dieser Band gibt es – abgesehen von einer Reihe von Studioaufnahmen – einen sehr aufschlussreichen Livemitschnitt, der alsBird at St. Nick’s veröffentlicht wurde. Dort sind – wie später auch vonDean Benedetti, einem ergebenen Parker-Fan der ersten Stunde – von den Soli nur Parkers Saxophon-Passagen zu hören. Diese offenbaren teilweise eine damals schon sehr „freie“ Spielweise.

Die Band tourte dann durch die Südstaaten derUSA. Dort wurden damals noch keine gemischtrassigen Bands toleriert, so dass der weiße Pianist Al Haig durch den schwarzenWalter Bishop ersetzt und Red Rodney als „Albino Red“ – also weißhäutiger Schwarzer – angekündigt wurde. Wegen der miserablen hygienischen Bedingungen für schwarze Bands war dies Parkers letzte Tournee durch dieSüdstaaten. Russell beschreibt diese Episode ausführlich in seiner Biografie.

Aus dem Ende 1949 eröffneten und nach Parkers Spitznamen benannten „Birdland“ stammen noch einige interessante Livemitschnitte der 1950er-Jahre, wie auch weitere Live-Aufnahmen vonCharlie Parker with Strings. Ihren Abschluss bildet ein Konzert, das Parker 1953 in der „Massey Hall“ inToronto gab und dasCharles Mingus, sein damaliger Bassist, mitschnitt und später auf seinem eigenen LabelDebut Records veröffentlichte.Jazz at Massey Hall gilt als eine Art „Schwanengesang“ des Bebop, da der Trend inzwischen zum von Miles Davis eingeleitetenCool Jazz gegangen war.

Abstieg und Tod

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Parker war wahrscheinlich schon seit seinem fünfzehnten Lebensjahrheroinabhängig, soRoss Russell. Oft wurde er wegen seines unberechenbaren Verhaltens auf der Bühne aus laufenden Spielverträgen entlassen, so dass er immer seltener feste Engagements bekam. So sah er seinen Stern ab etwa 1950 langsam aber sicher sinken. Letzte Höhepunkte waren seine beidenAuftritte im März und September 1953 im Bostoner ClubStoryville.

Am 12. März 1955 starb Charlie Parker, geschwächt von Leberzirrhose, Magengeschwüren und einer Lungenentzündung, im New Yorker Hotel Stanhope in der Suite der BaronessPannonica de Koenigswarter, einer Gönnerin schwarzer Jazzmusiker.

Die Musik Charlie Parkers

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Charlie Parker mit Tommy Potter, Miles Davis, Max Roach um 1947.
Fotografie vonWilliam P. Gottlieb.

Parkers Spielweise ist geprägt von einer äußerst lebhaften, beweglichen, ideenreichen und virtuosen Melodik, oft in Verbindung mit einer vibrierenden, unruhig wirkenden Rhythmik. Darum sind seine Melodielinien besonders auf alten Aufnahmen teilweise nur bruchstückhaft erkennbar.

Anfang der vierziger Jahre erschöpfte sich der damals nicht nur in den USA enorm populäreSwing immer mehr in klischeehaften Arrangements und stereotypen Harmonien. Die häufig schlagerartigen Themen produzierten Soli mit oft typischen, vorhersehbaren Wendungen im Rahmen weiter, gut nachvollziehbarer Spannungsbögen.

Gelangweilt suchte Parker mit anderen jungen Musikern nach neuen musikalischen Wegen, die mehr kreative Entfaltung zuließen. So „zerlegte“ er die großen, nachsingbaren Bögen der Swingmelodien in lauter kleinere, motivische Fragmente, eine Technik, die schon in der „Diminution“ des Hochbarock auftaucht. Die Tempi werden oft rasend schnell, die Soli bestehen daher oft aus geradezu halsbrecherisch schnellen Ton-Kaskaden. Diese sind jedoch harmonisch und rhythmisch immer schlüssig und verlieren nie den Bezug zu den zu Grunde liegenden Akkorden. Dies erreichte Parker durch spezielle Skalen, die er schon in Kansas – während seines Rückzugs aus den öffentlichen Sessions und heimlichen Übephase – entwickelte. Er erweiterte eine normale Tonleiter um „Leit“- oder „Gleittöne“, die im Swing als disharmonisch galten, aber seine Läufe und Phrasen auf rhythmischen Schwerpunkten enden ließen. Dazu gehörte auch das im Swing „unerlaubte“ Intervall der erhöhten Quarte, deren Abwärtssprung lautmalerisch „Be-Bop“ zu sagen scheint. Zugleich integriert er die Vitalität eines starkenBluesfeelings in seine Soli.

Parkers Improvisationsstil veränderte die übliche Formelsprache des Swing auch im Blick auf die Harmonien: Diese wurden mit mehrtensions (Zusatztönen im Akkord) angereichert und wechselten häufiger. Der hypnotische Sog seines Saxophonspiels erzeugte eine Wechselwirkung mit seinen Mitmusikern: So ließen sich etwa der SchlagzeugerKenny Clarke zu großer rhythmischer, der PianistThelonious Monk zu großer harmonischer Komplexität inspirieren. Parker führte diese Elemente dann wiederum auf ganz eigene Weise zusammen und bewegte sich innerhalb dieses selbst geschaffenen musikalischen Idioms mit einer einzigartigen Gewandtheit und Eleganz.

Auch als Komponist ist Parker für die Jazzgeschichte maßgebend geworden. Seine Stücke entstanden oft ausImprovisationen über längst bekannte Themen. Er benutzte einfach das Harmoniegerüst einesStandards, um darüber – meist spontan und oft erst im Studio – ein völlig neues, wiederum in sich stimmiges Thema zu erfinden. Für die auf solche Art entwickelten Themen hat sich der Fachbegriffbebop head entwickelt. Er hielt sich in der Regel nicht damit auf, dieses zu notieren, so dass er zahllose begeisterte Musikerfans und Editoren mit dem „Heraushören“ beschäftigte. Einer seiner Wahlsprüche war: „Learn the damn changes to forget them!“ – „Lern die verdammten Akkorde, um sie zu vergessen!“

Ornithology etwa ist quasi ein elegantes Solo überHow High The Moon, das dessen Harmoniewechsel „beschleunigt“,Bird of Paradise eine Variation überAll the Things You Are.

Oft verwendete Parker auch harmonische Grundformen des Jazz wie dieRhythm Changes vonGeorge Gershwins HitI Got Rhythm (so beispielsweise beiCelebrity,Chasing the Bird,Kim,Moose the Mooche,Passport,Steeplechase,Anthropology,Dexterity und anderen) oder dasBlues-Schema, wobei er diese Formen harmonisch erweiterte.

Beispiele für den harmonisch erweiterten sog.Parker Blues mit rhythmisch raffiniert „versetzter“ Themenphrasierung sindAu Privave,Confirmation oderBlues for Alice: Charakteristisch sind zum einen die Verwendung desGroßen Septakkords (oder in der im Jazz international üblichen englischen BezeichnungMajor Seventh Chord) anstatt des Dominantseptakkords auf der I. Stufe, d. h. der Erweiterung des Durdreiklangs durch die große anstatt der kleinen Septime (s. erster Teil im Hörbeispiel), zum anderenkadenzartige Überleitungen zwischen den Hauptakkorden, insbesondere von der I. auf die IV. Stufe in den ersten 4 Takten (die z. B. inConfirmation oderBlues for Alice[7] schon im 2. Takt beginnt). So gelang es Parker, Blues und funktionale Harmonik miteinander zu verschmelzen.

Zu Beginn wirkte sein Spiel brandneu, revolutionär und galt den Heroen der Swingära geradezu als Frevel. Er setzte ihrem eingängigen und tanzbaren Stil eine Musik entgegen, die der Erwartungshaltung des Publikums widersprach. Der Bebop war mit seinen wirbelnden Melodiekürzeln und rasanten Rhythmen alsTanzmusik ungeeignet und wurde als disharmonisch und chaotisch empfunden. Parker verstand sich anders als viele damalige schwarze und weiße Musiker nicht als Entertainer, der nur die Wünsche der Hörermasse zu bedienen hatte. Er spielte durchaus extrovertiert und reagierte oft unmittelbar auf Zurufe auf der Bühne, sah sich dabei aber als Künstler, der fortwährend seinen eigenen, individuellen musikalischen Ausdruck suchte. Dies brachte ihm anfangs nur wenige Fans und Musikerfreunde ein, während das breite Publikum ihn zunächst schroff ablehnte. So war der Bebop in seiner Blütezeit zwischen 1945 und 1950 noch keineswegs populär und setzte sich erst allmählich auch kommerziell durch.

Erst Charlie Parker gab dem Altsaxophon die dominante solistische Rolle imCombo-Jazz, die es in diesem Maße in denBig Bands der 1930er-Jahre noch nicht haben konnte. Damit gab er auch anderen Jazz-Instrumenten – vor allem Schlagzeug, Klavier, Gitarre und später der Hammond-Orgel – neue Impulse für größere solistische Freiheiten: Viele Trommler spielten fortan „melodischer“, die Harmonie-Geber rhythmischer. So definierte Parker den Jazz neu als gruppendynamisches Ereignis, das zu ungeahnten Abenteuern und Entdeckungen einlädt und dabei seine ursprüngliche Vitalität und Ausdruckskraft wiedergewinnt.

Er verfügte über einen klaren, scharf akzentuierten Ton ohne Vibrato und eine hoch virtuose Technik, was ihm bei seinen Musikerkollegen viel Bewunderung einbrachte. Der SaxophonistPaul Desmond sagte in einem Interview, bei dem Parker auch anwesend war: „Eine weitere Sache, die ein wesentlicher Faktor in Ihrem Spiel ist, ist diese phantastische Technik, der niemand ganz gleich kommt.“ Parker antwortete darauf: „Naja, Sie machen es mir so schwer, Ihnen zu antworten; Sie wissen schon, weil ich nicht erkenne, wo bei dem Ganzen etwas Phantastisches ist … Ich habe die Leute mit dem Saxophon verrückt gemacht. Ich habe da gewöhnlich mindestens 11 bis 15 Stunden täglich hineingesteckt.“[8]

Noch heute gilt er als das überragende und unübertroffene Genie auf dem Altsaxophon, das schulbildend gewirkt hat und dem vieleJazzmusiker nacheifern. Er hat den Jazz aus den Zwängen der Unterhaltungsmusik herausgeführt und damit als eigenständige Kunstform des 20. Jahrhunderts wenn nicht „etabliert“, so doch emanzipiert. Er gilt bei Musikern, Fachwelt und Publikum als der alles überragende Gründervater desModern Jazz. Trotzdem war Parker kein Dogmatiker und brachte viel Verständnis für neuere Entwicklungen auf. Gedanklich konnte er sogar die Anfänge einer frei improvisierten Jazzmusik nachvollziehen. Auf die Frage des Journalisten John McLellan, was Parker vonLennie Tristanos neuer Richtung halten würde, dieser kollektiven improvisierten Musik ohne Themen und Harmonien (er, McLellan, könne gar nicht verstehen wie das funktioniere) antwortete Parker: „Das sind, genau wie Sie sagen,Improvisationen, Sie wissen schon, und wenn Sie genau genug zuhören, dann können Sie die Melodie entdecken, die sich innerhalb der Akkorde weiterbewegt, jeder beliebigen Folge von Akkordstrukturen, Sie wissen schon, und anstatt die Melodie vorherrschen zu lassen. In dem Stil, den Lennie und die anderen darbieten, wird sie mehr oder weniger gehört oder gefühlt.“[9]

Der Mensch Charlie Parker

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Grabplatte auf dem Lincoln Cemetery in Kansas City

Zeitgenossen beschreiben Parker als hoch sensiblen und leidenschaftlichen, aber äußerst sprunghaften, zerrissenen und zu extremem Verhalten neigenden Menschen. Parkers ganzes Leben war von seiner Heroinabhängigkeit beeinflusst, die letztlich auch zu seinem frühen Tod führte. Er unternahm mehrere Selbstmordversuche, einen davon 1954 mitJodtinktur nach dem frühen Tod seiner Tochter Pree. Durch seine Abhängigkeit konnte er seine Karriere als professioneller Musiker oft nicht kontrollieren: Gelegentlich verkaufte er die Rechte an Plattenaufnahmen noch vor der Aufnahme für den Gegenwert einer Dosis Heroin. Seinem Dealer Emry Bird setzte er mit dem StückMoose The Mooche, das nach dessen Spitznamen betitelt war, ein musikalisches Denkmal. Die Aufnahmen vom 29. Juli 1946, bei denenLoverman undThe Gipsy eingespielt wurden, gelten als ein tragisches Dokument seiner Sucht und seines Verfalls: Hier ist ein von schweren Entzugserscheinungen geplagter und offenbar völlig betrunkener Parker zu hören, der nur noch „lallend“ Saxophon spielen kann. Der Jazzclub Birdland erteilte ihm 1954 Hausverbot, nachdem er auf offener Bühne einen Streit mit dem ebenfalls drogenabhängigen PianistenBud Powell ausgetragen und anschließend seinen Auftritt abgebrochen hatte.

Parker war insgesamt dreimal verheiratet. 1936 heiratete er Rebecca Ruffin in Kansas City und 1943 die Nachtclubtänzerin Gerri Scott. 1945 heiratete er in dritter Ehe Doris Sydnor[10] in Tijuana in Mexiko (wobei sich in den 1960er Jahren herausstellte, dass diese Ehe nach amerikanischem Recht nicht gültig war)[11]. Seit 1950 lebte er mitChan Berg, die er als seine Ehefrau betrachtete, obwohl sie nicht offiziell heirateten. Mit ihr hatte er den Sohn Baird (1952–2014) und die Tochter Pree (1951–1954), deren Tod ihn schwer traf. Die unklaren Eheverhältnisse sorgten für Ärger bei seiner Beerdigung und später beim Streit um das Erbe. Beim Ort des Begräbnisses setzte sich Doris Parker durch, da die Ehe noch bestand, und auf Wunsch der Mutter und Doris Parker fand ein christliches Begräbnis statt (Parker war eigentlich Atheist) und er wurde auf Drängen der Mutter in ihrer Nähe bei Kansas City beerdigt. Nach seinem Testament wollte er eigentlich in New York City begraben werden.[12] Vor seinem Begräbnis fand eine große Trauerfeier in der Abyssynian Baptist Church in Harlem statt unter Leitung des Geistlichen und PolitikersAdam Clayton Powell junior. Er liegt auf dem Lincoln Cemetery inBlue Summit begraben.

Sonstiges

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Ihm zu Ehren findet seit 1992 in New York dasCharlie Parker Festival statt.

Die RockbandSparks veröffentlichte 1994 das Lied „When I Kiss You (I Hear Charlie Parker Playing)“.

Der KomponistMoondog hat auf seinen Tod hin das StückBird’s Lament geschrieben. Die Musiker hatten sich zu einer gemeinsamen Aufnahme verabredet, zu der es durch den Tod von Charlie Parker nicht mehr kam.

Kompositionen

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  • Ah-Leu-Cha
  • Anthropology
  • An Oscar for Treadwell
  • Another Hairdo
  • Au Privave
  • Back Home Blues
  • Ballade
  • Barbados
  • Billie’s Bounce
  • Bird Gets the Worm
  • Bird of Paradise
  • Bloomdido
  • Blue Bird
  • Blues (fast)
  • Blues for Alice
  • Buzzy
  • Card Board
  • Celebrity
  • Chasing the Bird
  • Cheryl
  • Chi Chi
  • Confirmation
  • Constellation
  • Cosmic Rays
  • Dewey Square
  • Dexterity
  • Diverse
  • Donna Lee (mit Miles Davis)
  • Kim
  • K.C. Blues
  • Klaun Stance
  • Ko-Ko
  • Laird Baird
  • Leap Frog
  • Marmaduke
  • Merry-go-Round
  • Moose the Mooche
  • Mohawk
  • My little Suede Shoes
  • Now’s the Time
  • Ornithology
  • Parker’s Mood
  • Passport
  • Perhaps
  • Quasimodo
  • Red Cross
  • Relaxing with Lee
  • Scrapple from the Apple
  • Segment
  • Shawnuff (mit Dizzy Gillespie)
  • She Rote
  • Si Si
  • Steeplechase
  • The Bird
  • Thriving from a Riff
  • Visa
  • Warming up a Riff
  • Yardbird Suite

Wichtige Aufnahmen

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Sammlung

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  • The CompleteDean Benedetti Recordings of Charlie Parker (1947/48).Mosaic, 1990 – 10 LPs oder 7 CDs

Literatur

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  • Robert G. Reisner (Hrsg.):Bird. The Legend of Charlie Parker. Da Capo Paperback, New York 1987,ISBN 0-306-80069-1. Citadel Press, New York 1962 (mit Diskografie)
    Stellt Interviews mit Bekannten Charlie Parkers sehr gut zusammen.
  • Ross Russell:Bird Lives. The High Life And Hard Times of Charlie (Yardbird) Parker. Charterhouse, New York 1973. Quartett Books, London 1980,ISBN 0-7043-3094-6.
    • Deutsche Ausgabe:Charlie Parker. Die Geschichte von Charlie „Yardbird“ Parker. Droemer Knaur, München 1991,ISBN 3-426-02414-4.
      Die Charlie Parker-Biografie. Spannend geschrieben, mit vielen Details, aber auch ein paar sachlichen Fehlern. Wird von Musikern wieMiles Davis deswegen heftig kritisiert. Falsch ist etwa die CharakterisierungDean Benedettis und seine angebliche Verwendung von Stahlbandmaschinen für seine Parker-Aufnahmen: es waren tatsächlich die leichter zu transportierenden Acetatschneider und Magnetbänder auf Papierbasis.
  • Gary GiddinsCelebrating Bird: The Triumph of Charlie Parker. Da Capo Press, New York 1998.
  • Studs Terkel:Giganten des Jazz. Zweitausendeins, Frankfurt am Main 2005,ISBN 3-86150-723-4.
  • Peter Niklas Wilson, Ulfert Goeman:Charlie Parker – Sein Leben, seine Musik, seine Schallplatten. Oreos (Collection Jazz), Schaftlach 1988,ISBN 3-923657-12-9.
  • Thomas Hirschmann:Charlie Parker: Kritische Beiträge zur Bibliographie sowie zu Leben und Werk. Schneider, Tutzing 1994,ISBN 3-7952-0768-1.
  • Carl Woideck:Charlie Parker. His Music and Life. University of Michigan Press, Ann Arbor MI 1996,ISBN 0-472-10370-9 (illustriert, mit Notenbeispielen)
  • Carl Woideck:The Charlie Parker Companion. Six decades of commentary. Schirmer Books, New York 1998,ISBN 0-02-864714-9.
  • Wolfram Knauer:Charlie Parker. Reclam, Stuttgart 2014,ISBN 3-15-020342-2.
  • Brian Priestley:Chasin’ The Bird: The Life And Legacy Of Charlie Parker. Oxford University Press, 2007
  • Chuck Haddix:Bird: The Life and Music of Charlie Parker. University of Illinois Press, 2013
  • Stanley Crouch:Kansas City Lightning: The Rise And Times Of Charlie Parker. Harper, 2013
  • Henry Martin:Charlie Parker, composer, New York : Oxford University Press, 2020,ISBN 978-0-19-092340-2

Transkriptionen

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  • The Charlie Parker Omnibook. Transcribed from his recordes Solos.Transkribiert vonJamey Aebersold und Ken Slone. Atlantic Music Corporation, Los Angeles 1978.

Belletristik

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Filmografie

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Vor seiner Schauspieler- und Regielaufbahn trat Eastwood inOakland als Pianist in Nachtclubs auf. So konnte er Parker noch auf der Bühne erleben. Eastwood hatte auch das Glück, für seinen Film noch mit dessen Witwe Chan Parker reden zu können. Seine Hommage an Bird, die Eastwood selbst finanzierte, gilt bei den Kennern der Materie als bester Jazzfilm überhaupt. Umstritten war bei einigen Jazzfans lediglich das Verfahren, die authentische Solostimme von Parker mit einer heutigen Studio-Band zu unterlegen. Der Film gewann denOscar für den besten Ton, während Whitaker mit demDarstellerpreis derFilmfestspiele von Cannes ausgezeichnet wurde. Eastwood erhielt 1988 denGolden Globe Award für die beste Regie.
  • 1987:Bird Now. Dokumentarfilm, 90 Minuten, Regie: Marc Huraux. Deutlich authentischer als der Clint-Eastwood-Film, mit Interviews u. a. von Parkers Ehefrauen Chan Parker-Woods und Doris Parker[13]
  • 1987:Celebrating Bird – The Triumph of Charlie Parker. Dokumentation, USA, 60 Min., Regie: Gary Giddins und Kendrick Simmons[14]
  • 2000:„Jazz“ Gewagtes Spiel – 1945 bis 1949. Dokumentarserie vonKen Burns, Buch: Geoffrey C. Ward
  • 2020:Charlie Parker, Bird Songs. Regie: Jean-Frédéric Thibault, ARTE F, Frankreich, 52 Minuten

Weblinks

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Commons: Charlie Parker – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Musikbeispiele

Einzelnachweise

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  1. Wolfram Knauer:Charlie Parker. Reclam-Verlag, Stuttgart 2014
  2. Wolf Kampmann (Hrsg.), unter Mitarbeit vonEkkehard Jost:Reclams Jazzlexikon. Reclam, Stuttgart 2003,ISBN 3-15-010528-5, S. 398 f.
  3. “Did you play in the high school marching band … Baritone Horn?” – “Uh huh … They had what they called a symphony band … baritone horn, that’s right … No, it isn’t as big as a tuba. It’s got three valves. It’s between a tuba and a alto horn, pretty big. You hold it like this, you know, like this …” – (laughter). Interview von John Maher mit Charlie Parker,Marshall Stearns, April 1950. Das Interview ist veröffentlicht inBird Box Volume 3 undPhilology Volume 7.
  4. Dirk Bell:Jazz geht’s los. In:Gitarre & Laute 8, 1986, Heft 2, S. 53–56; hier: S. 53.
  5. Parker ist u. a. zu hören in den beiden Vokalnummern „Hootie Blues“ und „Confessin’ the Blues“ mit dem SängerWalter Brown entstanden; letzterer Song, von Brown und McShann geschrieben, wurde ein Hit für Brown/McShann und etablierte den Bandleader landesweit. Das zwölftaktigeAltsaxophonsolo Parkers in „Hootie Blues“ zwischen Orchesterchorus und dem Vokalpart Browns sei nach Ansicht des Parker-BiographenRoss Russell „ein Schock für die damalige Jazzwelt“ gewesen. Zit. nachPeter Niklas Wilson & Ulfert GoemanCharlie Parker – Sein Leben, seine Musik, seine Schallplatten. Oreos Verlag, Waakirchen 1988.
  6. Charlie Parker: 'Bird Lives!' Part 2. In:NPR.org. 5. September 2007 (npr.org [abgerufen am 28. November 2017]). 
  7. Dirk Bell:Jazz geht’s los. In:Gitarre & Laute 8, 1986, Heft 2, S. 53–56 (Analyse fürBlues for Alice).
  8. “Another thing that’s a major factor in your playing is this fantastic technique, that nobody’s quite equalled.” – “Well, you make it so hard for me to answer you, you know, because I can’t see where there’s anything fantastic about it all … I was driving the people crazy with the horn. I used to put in at least 11 to 15 hours a day.” Interview von John McLellan mit Charlie Parker und Paul Desmond im Januar 1954, WHDH radio station Boston. WiederveröffentlichtPhilology Volume 8.
  9. „Oh, no. Those are just like you said improvisations, you know, and if you listen close enough you can find the melody travelling along within the chords, any series of chord structures, you know, and rather than to make the melody predominant. In the style used that Lennie and they present, it’s more or less heard or felt.“ Interview von John McLellan mit Charlie Parker, 13. Juni 1953; WHDH Radiostation Boston. WiederveröffentlichtPhilology Volume 18.
  10. Brian Priestley, Chasing the Bird, 2005, S. 209
  11. Brian Priestley, Chasing the Bird, 2005, S. 126
  12. Grab von Charlie Parker. knerger.de
  13. Bird Now beiIMDb
  14. Charlie Parker (Memento vom 8. Oktober 2019 imInternet Archive) beiAllMovie (englisch)
Dieser Artikel wurde am 24. April 2005 indieser Version in die Liste derexzellenten Artikel aufgenommen.
Personendaten
NAMEParker, Charlie
ALTERNATIVNAMENParker, Charles Christopher (Geburtsname); Parker, Yardbird (Spitzname); Parker, Bird (Spitzname); Chan, Charlie (Pseudonym)
KURZBESCHREIBUNGUS-amerikanischer Musiker (Altsaxophonist und Komponist)
GEBURTSDATUM29. August 1920
GEBURTSORTKansas City,Kansas
STERBEDATUM12. März 1955
STERBEORTNew York City
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