Nach demAbitur inHelsinki wurde er in die Nikolajewsche Kavallerieschule inSankt Petersburg aufgenommen und beendete sie mit Auszeichnung im Jahr 1889.
Im selben Jahr trat er seinen ersten Offiziersposten alsKornett im 15. Aleksandrijski-Dragonerregiment inKalisch an. Darüber schrieb er: „Das Regiment, dessen Pferde schwarz waren, wurde noch immer ‚Todeshusaren‘ genannt, eine Erinnerung daran, dass es einst einHusaren-Regiment gewesen war. Die Uniformjacke (Dolman) war schwarz und mit silbernen Schnüren besetzt.“ Nach einem Jahr in Kalisch wurde er zurChevaliergarde in Sankt Petersburg versetzt, wo er wichtige Kontakte zumZarenhof knüpfen konnte. Während des Krönungszugs des ZarenNikolaus II. am 26. Mai 1896 in Moskau war Mannerheim einer der Leibwächter des Zaren. Nach kurzer Zeit im Hofstall kehrte Mannerheim 1903 zum aktiven Dienst zurück, kämpfte imRussisch-Japanischen Krieg von 1905 und wurde im gleichen Jahre zumOberst befördert.
1906 erhielt er den Auftrag des russischenGeneralstabes, die unerforschten Gebiete an der russisch-chinesischen Grenze zu erkunden, worauf er sich bis 1908 auf eine 6000 Kilometer weite Reise auf dem Pferd begab. Dabei gewann er auch wichtige Kenntnisse inAnthropologie (besonders überfinno-ugrische Völker undSprachen) und erlernte diechinesische Sprache.
1909 wurde er zum Kommandeur des 13. WladimirschenUlanen-Regiments in Nowominsk (heute:Mińsk Mazowiecki) ernannt und verbrachte vor dem Ausbruch desErsten Weltkrieges zwei Jahre in dieser Stadt. Hier wurde er auch 1911 zumGeneralmajor befördert und nachWarschau versetzt, wo er das Leibgarde-Ulanenregiment übernahm, das, wie er schreibt, „eines der besten Kavallerieregimenter der Armee war“.
Während desWeltkrieges war er Befehlshaber verschiedener Verbände. Im Juli 1914 führte er als Generalmajor die selbständige Garde-Kavallerie-Brigade im RaumLublin und nahm an derSchlacht von Krasnik teil. Im Februar 1915 wechselte er nachOstgalizien und wurde dem Kavalleriekorps vonChan Nachitschwanski im RaumSombor zugeteilt. Zwischen Juni 1915 und Mai 1917 war er Kommandeur der 12. Kavalleriedivision (als Nachfolger des GeneralsKaledin), die im Juli 1916 im Verband der8. Armee westlich vonRowno in derBrussilow-Offensive eingesetzt wurde. Im Sommer 1917 kommandierte er kurzfristig alsGeneralleutnant das 6. Kavalleriekorps.
Im September 1917 wurde er zurReserve versetzt, nahm nach derOktoberrevolution Abschied von derrussischen Armee und kehrte in seine HeimatFinnland zurück.[1] Er beabsichtigte, eine zivile Karriere zu beginnen. Als Flüchtling bekam er aber weder einenfinnischen Pass noch eineLebensmittelkarte.[2] Als einziger hoher General finnischer Herkunft erhielt er jedoch am 15. Januar 1918 den Oberbefehl über die noch im Entstehen begriffene Armee des Landes.[3] Der aristokratische, elegante Kavalleriegeneral mit seinen schwedischen und russischen Sympathien, der nur schlecht Finnisch sprach und den Verhältnissen des Landes entfremdet war, wurde zum Nationalhelden des weißen Finnlands.[4] Seine erste Maßnahme war die Entwaffnung der russischenGarnisonen von 5.000 Mann in derProvinzÖsterbotten.[1] Gleichzeitig ergriffenfinnische Sozialdemokraten in Südfinnland die Macht. In dem sich anschließendenBürgerkrieg besiegten die bürgerlichen „Weißen“ unter Mannerheims Oberbefehl die aufständischen „Roten“ im Frühjahr 1918 in der Schlacht um Tammerfors/Tampere. In den Bürgerkriegskämpfen fielen etwa 5.200 Soldaten und insgesamt rund 30.000 Finnen auf beiden Seiten.[5]
Nach dem Zusammenbruch des „roten Finnlands“ wurden 70.000 bolschewistische Sympathisanten, darunter auch Kinder, in Konzentrationslager verbracht, 12.000 starben in den folgenden sechs Monaten.[6] Obwohl Mannerheim persönlich keine Grausamkeiten vorzuwerfen waren, ist nicht vorstellbar, dass er über die Zustände im größten Konzentrationslager, der FestungSuomenlinna, nicht informiert war: Hier wurden 3000 „Rote“erschossen,gehängt,bajonettiert oder erschlagen. Zwar ordnete er die Tötungen nicht an, unternahm aber auch kaum etwas dagegen. Zu der Zeit erhielt er den Spitznamen „der blutige Baron“. Mannerheim warMonarchist und überzeugt, dass es genügte, die roten Führer zu erschießen und die Arbeiter sofort wieder in die Fabriken zu bringen.[7]
Im Jahre 1941 wurde ihm zu Ehren der Tapferkeitsorden desMannerheim-Kreuzes gestiftet.1942 wurde er aus Anlass seines 75. Geburtstags zumMarschall von Finnland befördert.
Adolf Hitler nutzte Mannerheims 75. Geburtstag zu einem kurzfristig vereinbarten Besuch in Finnland am 4. Juni 1942. Hitler informierte Mannerheim erst am Vortag über sein Vorhaben, plante diese Reise jedoch Wochen vorher bis ins Detail.[8] Bei der unsanften Landung fing ein Reifen des Flugzeuges Feuer[9], was Hitler ignorierte, um sich auf sein Auftreten vor der Kamera zu konzentrieren – die Ankunft wurde für dieDeutsche Wochenschau mitgefilmt.[10] Später wurden die Szenen mit dem Brand wegretuschiert und teilweise neu gedreht.[8]
Mannerheim wirkte skeptisch und ernst gegenüber Hitler und ließ diesen hauptsächlich seine bekannten Monologe führen, wohingegen er im Gespräch mit seinen eigenen Gefolgsmännern scherzte und lachte.[8] Während des Aufenthalts Hitlers in Finnland, der, um den Anschein eines Staatsbesuchs zu vermeiden, unter weitgehender Geheimhaltung[11] in der Nähe einer Eisenbahnstation amFlugplatz Immola stattfand, entstand in einem Sonderzug die einzige private Gesprächsaufnahme Hitlers.[12][13] Thor Damen, ein finnischer Tontechniker, zeichnete heimlich Hitlers Geburtstagsrede und Mannerheims Dankesrede sowie 17 Minuten von deren anschließendem Gespräch auf (sieheTonaufnahme des Gespräches zwischen Hitler und Mannerheim).[14]
Hitler wollte nach einigen Berichten die Finnen zu stärkerem militärischem Vorgehen gegen die Sowjetunion auffordern, machte aber keine diesbezüglichen Bemerkungen. Einer Anekdote zufolge zündete Mannerheim sich bei dem Gespräch bewusst eine Zigarre an, um anhand der Reaktion des für seine Aversion gegen Raucher bekannten Hitlers dessen Verhandlungsposition zu erkunden. Eine Reaktion blieb entgegen den Erwartungen der Begleiter aus, Mannerheim meinte daher um die schwache Position der Deutschen zu wissen.[11]
Am 4. August 1944 wurde der 77-jährige Mannerheim zumPräsidenten der Republik Finnland gewählt. Zuvor hatte er seinen VorgängerRisto Ryti noch zum Abschluss desRyti-Ribbentrop-Vertrags gedrängt. Durch dasMilitärbündnis mitDeutschland, verbunden mit Waffenlieferungen und einem Verzicht auf einen Separatfrieden, sollte die Sowjetunion insgeheim zu günstigeren Friedensbedingungen für Finnland bewegt werden.[15]
Wilhelm Keitel reiste am 15. August 1944 nach Helsinki, um Mannerheim im Bündnis der Achsenmächte zu halten, und überreichte ihm das von Hitler verlieheneRitterkreuz des Eisernen Kreuzes mit Eichenlaub. Mannerheim antwortete, die deutsche Nation könne bis zum Letzten kämpfen, ohne eine Auslöschung zu befürchten, das kleinefinnische Volk hingegen nicht.[16][17]
Mannerheim brach in der Folge alle Beziehungen zumDeutschen Reich ab und schloss am 24. August 1944 einenWaffenstillstand mit derSowjetunion.[18] Die günstigen Friedensbedingungen wurden durch die erfolgreicheSchlacht von Tali-Ihantala ermöglicht, den größten militärischen Erfolg Finnlands im Krieg.[19]
ImLapplandkrieg wurden die Truppen der Wehrmacht aus Finnland vertrieben, die Kampfhandlungen und die von der Wehrmacht angewandte Taktik derverbrannten Erde führten zu erheblichen Schäden. Unter anderem wurdeRovaniemi fast restlos niedergebrannt.
Mannerheim bliebStaatsoberhaupt bis zum Jahr 1946, als er aus gesundheitlichen Gründen zurücktrat und vonJuho Kusti Paasikivi abgelöst wurde. Mit Paasikivis Übernahme der Präsidentschaft begann eine neue Epoche in der finnischen Politik.
Seine letzten Lebensjahre verbrachte Mannerheim hauptsächlich im Schweizer Sanatorium Valmont (Glion), wo er seineMemoiren,Minnen, schrieb.[20]
Am 27. Januar 1951 verstarb Mannerheim nach einer Magenoperation in Lausanne. Er wurde mit militärischen Ehren auf demFriedhof Hietaniemi inHelsinki inmitten eines militärischen Gräberfeldes beigesetzt.
Am 2. Mai 1892 heiratete Mannerheim dieRussin Anastassija Nikolajewna Arapowa (1872–1936), mit der er zwei Töchter, Anastasia (1893–1978), dieKarmeliternonne inLondon wurde, und Sophie (1895–1963), sowie einen Sohn Wladimir (* 1894), der früh verstarb. Die Ehe wurde 1919 geschieden, endete jedoch inoffiziell bereits 1902. Mannerheim war später noch mit mehreren Frauen liiert, heiratete aber nicht mehr.
Von einem kaum bekannten Offizier wurde Mannerheim, der nie fließendFinnisch sprechen lernte, zum finnischenNationalhelden, noch zu Lebzeiten erlangte er den mythischen Status als „Retter des Vaterlandes“.[4][22] Er wurde zum bewunderten Idol, zum Symbol des Sieges über denBolschewismus; für seine Gegner war er hingegen der „blutige Baron“, der „Weiße Teufel“, „Henker“ oder „Schlächter“.[23]
1960 errichtete man im Zentrum von Helsinki einDenkmal, eineReiterstatue amMannerheimintie, einer ebenfalls zu Ehren Mannerheims benannten Hauptstraße.
Am 16. Juni 2016 wurde inSt. Petersburg eine Gedenktafel für den „Helden der zaristischen Armee“ errichtet, der während des Ersten Weltkriegs Einheiten befehligt hatte. Die Einweihung fand unter lautstarkem Protest der BewegungAntimaidan statt.[24] Es wurde auch gegen die Anbringung der Tafel geklagt.[25]
Mannerheim, seine Familie und insbesondere der von ihm angeblich erfundene „Marschall-Schnaps“ (Marskin ryyppy, eine Mischung aus Aquavit, Gin und Wermut oder je nach Quelle anderen Zutaten[26]), spielen eine Nebenrolle im 2013 erschienenen RomanDie Analphabetin, die rechnen konnte vonJonas Jonasson.
Nikolas Dörr:Die Deutsch-Finnischen Beziehungen 1933–1945. In: J. Suchoples, M. Kerner (Hrsg.):Polen, Skandinavien und die Länder der östlichen Ostsee. Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft. Wydawn. Uniw. Wrocławskiego, Breslau 2005,ISBN 978-83-229-2637-6 (Acta Universitatis Wratislaviensis 2719,Centrum Studiów Niemieckich i Europejskich Im. Willy Brandta Uniwersytetu Wrocławskiego Monografie 15), S. 13–45.
Stig Jägerskiöld:Mannerheim. Marshal of Finland. Hurst, London 1986,ISBN 1-85065-009-8.
John Ernest Oliver Screen:Mannerheim. The years of preparation. Hurst, London 1970,ISBN 0-900966-22-X.
John Ernest Oliver Screen:Mannerheim. The Finnish Years. Hurst, London 2000,ISBN 1-85065-573-1.
Bradley D. Woodworth:The imperial Career of Gustaf Mannerheim. Mobility and Identity of a Non-Russian within the Russian Empire. In: Tim Buchen,Malte Rolf (Hrsg.):Eliten im Vielvölkerreich: imperiale Biographien in Russland und Österreich-Ungarn (1850–1918) / Elites and empire: imperial biographies in Russia and Austria-Hungary (1850–1918). De Gruyter Oldenbourg, Berlin, Boston 2015 (Elitenwandel in der Moderne; 17),ISBN 978-3-11-041602-2, S. 135–154.
↑Max Jakobson:Finland in the new Europe. Greenwood Publishing Group, Washington 1998,ISBN 0-275-96372-1, S. 40.
↑Osmo Jussila:From grand duchy to modern state: a political history of Finland since 1809. Hurst, London 1999,ISBN 1-85065-528-6, S. 217.
↑Rolf-Dieter Müller:An der Seite der Wehrmacht. Hitlers ausländische Helfer beim „Kreuzzug gegen den Bolschewismus“ 1941–1945. Links Verlag, 2007,ISBN 3-86153-448-7, S. 36 f.
↑Veit Scherzer:Ritterkreuzträger 1939–1945. Die Inhaber des Eisernen Kreuzes von Heer, Luftwaffe, Kriegsmarine, Waffen-SS, Volkssturm sowie mit Deutschland verbündete Streitkräfte nach den Unterlagen des Bundesarchivs. 2. Auflage. Scherzers Militaer-Verlag, Ranis/Jena 2007,ISBN 978-3-938845-17-2, S. 526.
↑D. G. Kirby:A concise history of Finland. Cambridge University Press, 2006,ISBN 0-521-83225-X, S. 228.
↑John Ernest Oliver Screen:Mannerheim. The years of preparation. Hurst, London 1970,ISBN 0-900966-22-X, S. 1.
↑Mikko Uola:Marskin ryyppy: marsalkkamme juomakulttuuria chevalier-kaartista ylipäällikön ruokapöytään. Suomalaisen Kirjallisuuden Seura, Helsinki 2000,ISBN 951-746-385-5 (finnisch).