41.8352777777782.7983333333333Koordinaten:41° 50′ 7″ N,2° 47′ 54″ O
Camp dels Ninots (katalanisch für „Feld der Puppen“) ist ein ehemaligesMaar und heute eine bedeutendeFossillagerstätte im NordostenSpaniens. Hier wurden zahlreiche vollständige Skelette von großen Säugetieren, aber auch von Kleinwirbeltieren und Pflanzenreste entdeckt, die im mittlerenPliozän vor 3,2 Millionen Jahren am Ufer eines ehemaligen Sees lebten. Untersuchungen finden seit 2003 statt.

Camp dels Ninots ist ein altesMaar im NordostenSpaniens und befindet sich nahe dem OrteCaldes de Malavella, die nächste Stadt istGirona in der VerwaltungseinheitSelva. Das gesamte Gebiet ist Teil derLa-Selva-Depression, die von denpaläozoischen Gesteinsmassiven desKatalanischen Küstengebirges begrenzt wird, das den Weg zur rund 18 km entferntenMittelmeerküste im Süden versperrt. Der Name des Maars rührt vom Vorkommen vonOpalmineralien, die in ihrer Form an kleine Puppen erinnern. In der Umgebung gibt es noch weitere Maare, die zum Katalanischen Vulkankomplex gehören.Vulkanismus setzte hier vor circa 15 Millionen Jahren ein und ruht seit dem Beginn desHolozän. Die Hauptaktivitätszeit war allerdings während desPliozän und führte zur Bildung ausgedehnterOlivinbasaltströme. Die vulkanischen Ausbrüche waren sowohl explosiver als auch effusiver Natur.[1][2]

Das Maar Camp dels Ninots hat eine annähernd ovale Form und erstreckt sich über 900 m in der Nord-Süd-Richtung und 800 m in der Ost-West-Richtung. Es erreicht eine Tiefe von wenigstens 90 m, wobei die Sohle inGranit eingebettet ist. Im oberen Teil zeigt es einen asymmetrischen Aufbau, da im südlichen Bereich der Kraterwall durch weiche Sande gebildet wird, im Norden dagegen durch harte Granite. In der Oberfläche sind die Ränder des Maars aus vulkanischenPyroklasten geformt, die Senke selbst war ursprünglich mit Wasser gefüllt. Dieser See dehnte sich auf 650 mal 400 m aus und verlandete im Laufe der Zeit. Heute ist die Senke mitTonen undMudden gefüllt, welche den Ablagerungsrückstand des ehemals wassergefüllten Maares darstellen. Die relativ einheitliche Füllung des Maares lässt auf ein einmaliges eruptives Ereignis schließen, in dessen Zuge die Senke entstand.[3] Die oberen Bereiche sind auf bis zu 8 m Tiefe aufgeschlossen. Hier haben die Tone und Mudden eine überwiegend gräulich-weiße oder grünliche Färbung. In diese Ton- und Muddeschichten sind vereinzeltSandsteinlagen eingeschaltet. DieGeologen unterscheiden insgesamt vier Ablagerungseinheiten, von denen die Einheit 2 (von unten gezählt) mit über 5 m Mächtigkeit am deutlichsten ausgeprägt ist. Diese wird wiederum in vier Subeinheiten gegliedert. Fossilfunde fanden sich verstreut in dem gesamten Schichtpaket, aus der Ablagerungseinheit 3, die demPleistozän zuzurechnen ist, stammen auch einige Werkzeuge ausFeuerstein, die auf die Anwesenheit des frühen Menschen am Maar Camp dels Ninots verweisen. Die bedeutendenFossilien und vollständigen Skelette wurden aber im dritten Abschnitt der Einheit 2 entdeckt, der rund 2,5 bis 3,5 m unter der heutigen Oberfläche liegt und überwiegend aus grünlich-grauen Tonen besteht, die von einem Sandsteinblock überlagert sind.[1]

Alle Funde zeichnen sich durch eine hervorragende Erhaltung aus, die keine Anzeichen vonVerwitterung zeigen. Großsäuger kommen generell als artikulierte Skelette vor und liegen in seitlicher Position. Da sie keine Nage- oder Fraßspuren von Kleinsäugern oderRaubtieren zeigen, müssen sie wohl sehr schnell im Wasser versunken und zusedimentiert sein. Veränderungen am Skelett fanden weitgehend durchtektonische Prozesse im Sinne von Bildung von Rissen und Sedimentrutschungen beim Setzungsprozess der Ablagerungen.[1]
Großförmige Pflanzenreste umfassen Abdrücke vonBlättern, eingeschlosseneZweige undFruchtkerne. Die Blätter kommen größtenteils vonLorbeergewächsen, aber auch von derEiche undDaphnogene polymorpha, die Fruchtkerne sind meist derErle zuzuweisen. Darüber hinaus sind Reste vonFichte,Kiefer,Tanne,Birke,Zypresse undHaselnuss überliefert. Andere Pflanzen werden durchHeidekräuter,Erdbeerbäume,Besenheide oderBeifuß repräsentiert. AuchPilze undProtisten wurden gefunden.[1]
Die Überreste der Tiere umfassen bisher Süßwasserfische, Amphibien, Reptilien und Säugetiere und besitzen eine außergewöhnliche Erhaltungsqualität. Bemerkenswerterweise wurden keine Schalen vonMollusken gefunden, was relativ ungewöhnlich für Seeablagerungen ist. Möglicherweise hängt dies mit besonderenabiotischen Prozessen bei der Sedimentbildung zusammen. Wasser in Vulkanmaaren ist häufig sauer bis leicht basisch, was zum Auflösen vonCalcit, dem Hauptbestandteil der Muschel- und Schneckenschalen und zur AusfällungSilikaten führt.[1]

Unter den Säugetieren ist bisher der zu denHornträgern gehörendeAlephis tigneresi am häufigsten, der mit 17 Individuen, darunter mehrere vollständige Skelette, nachgewiesen wurde. Diese Art ist mitParabos verwandt und steht möglicherweise der heutigenNilgauantilope nahe. Mit einem vermuteten Körpergewicht von rund 500 kg stellt er den größten, nicht zu den eigentlichenRindern gehörenden Boviden inEuropa dar. Des Weiteren wurde der TapirTapirus arvernensis mit ebenfalls mehreren vollständigen Skeletten, darunter vier ausgewachsene und nahezu ausgewachsene Individuen sowie ein Neugeborenes, ausgegraben, die ersten vollständigen dieser Art. Zwei genauer analysierte Tiere waren noch mit 188 beziehungsweise 238 einzelnen Knochenelementen überliefert, die zudem kaum oberflächige Verwitterung oder Einfluss von größeren Beutegreifern zeigen.[4][5][6] Dieser mittelgroße Tapirvertreter, der mit demSchabrackentapir nahe verwandt ist, ist ein typischer europäischer Faunenbestandteil desMiozän undPliozän und hat mit Camp dels Ninots sein südlichstes Auftreten auf diesem Kontinent. Ein weitererUnpaarhufer stellt das demSumatra-Nashorn nahestehendeStephanorhinus jeanvireti dar, ein großer, möglicherweise bis zu 3 t schwerer Vertreter dieser Nashorngattung. Auch hier liegen mehrere Individuen vor, darunter ein nahezu vollständiges Skelett, dem lediglich wegen einer Sedimentstörung die Vorderbeine fehlen. An Kleinsäugern ist unter anderem derWaldmausverwandteApodemus atavus gefunden worden. Hinzu kommt ein Teilskelett vonVulcanoscaptor aus der Verwandtschaftsgruppe derNeuweltmaulwürfe. Dessen ausgeprägte Struktur der Vordergliedmaßen gibt eine grabende Lebensweise an.[7][1][8][9][10]
Die Vögel sind bisher mit Enten der GattungAythya und mitKormoranen belegt, des Weiteren auch mitFasanenartigen. Das Fundmaterial besteht weitgehend nur aus Resten von Flügel- und Beinknochen. Unter den Reptilien sind zwei vollständige Skelette derSpanischen Wasserschildkröte (Mauremys leprosa) zu nennen, deren Schildpanzer zwischen 12 und 25 cm lang ist. Als ungewöhnlich können Panzerreste vonChelydropsis, einem ausgestorbenen Vertreter derAlligatorschildkröten, angesehen werden. Sie gehören zu den jüngsten und den westlichsten europäischen Funden. Amphibien umfassenSchwanzlurche undFrösche. Die Schwanzlurche werden durch die große GattungPleurodeles und die kleine FormLissotriton repräsentiert. Von beiden Gattungen liegen Einzelknochen vor, vonLissotriton auch ein vollständiges, etwa 6 cm langes Skelett. Der WasserfroschPelophylax ist dagegen gleich durch 22 zum Teil gut erhaltene Skelettindividuen nachgewiesen. Ihre Länge variiert zwischen 1,5 und 5,5 cm. Es sind verschiedene Altersstufen belegt. Fehlende Disartikulationen der Skelette lassen vermuten, dass die Tiere eines natürlichen Todes starben.[11] Die Fische sind nur teilweise untersucht, es konnten aber wenigstens dreicypriniden Formen identifiziert werden, darunter die GattungenBarbus undLeuciscus.[12][1][10]
Für die Datierung bedeutend sind vor allem der HornträgerAlephis tigneresi und das NashornStephanorhinus jeanvireti. Der Bovide tritt vor allem im frühenPliozän auf, später wird er durchLeptobos ersetzt. Camp dels Ninots gehört zum letzten Auftreten dieser Hornträgerart.Stephanorhinus jeanvireti hingegen tritt hier erstmals auf und löst das urtümlichereStephanorhinus megarhinus ab. Demnach sollten die fundführenden Ablagerungen in die Übergangszeit der durch dieSäugetierstratigraphie festgelegten Einheiten MN 15 zu MN 16 gehören und nach heutigem Stand rund 3,2 Millionen Jahre alt sein. Alle anderen Fossilien sind bisher weniger aussagefähig.[1]
Paläomagnetische Untersuchungen an den Ablagerungen von Camp dels Ninots ergaben einen Wechsel der Ausrichtung derferromagnetischen Mineralien von normal (wie heute) zu reverser (umgekehrter)Polarisierung, was mit der Umkehr desErdmagnetfeldes und dem damit verbundenen Wechsel desNordpols zum Südpol hin stattfand. Dies ereignete sich in der Erdgeschichte mehrfach. Aufgrund des vermuteten Alters der Ablagerungen kommen ausmagnetostratigraphischer Sicht zwei Möglichkeiten in Frage, einerseits das Kaena-Event (3,04 bis 3,11 Millionen Jahre) oder das Mammoth-Event (3,22 bis 3,33 Millionen Jahre) während der Gauß-Epoche, die jeweils eine kurze Umkehr vom damals überwiegend normal polarisierten Zustand zu einem reversen aufzeigten.[13]
Anhand der Pflanzenreste lässt sich ein immergrünersubtropischer Wald mit einem hohen Anteil an Lorbeergewächsen rekonstruieren, der von auf weiche Pflanzennahrung angepassten Pflanzenfressern wieTapirus arvernensis undStephanorhinus jeanvireti bewohnt wurde. Die heutigen Tapire bevorzugen feuchtes Klima mit nur geringen jahreszeitlichen Schwankungen. Da Tapire generell eine sehr konservative Säugetiergruppe sind, die in ihrerStammesgeschichte nur wenige Veränderungen durchliefen, wird eine solche Klimaanpassung auch von den fossilen Vertretern angenommen. Die Anwesenheit des BovidenAlephis tigneresi lässt auch einen gewissen Anteil an offenen Landschaften annehmen, doch war die Art wegen des Zahnbaus kein hochspezialisierter Grasfresser. Der SchwanzlurchPleurodeles weist darauf hin, dass der Maarsee recht tief gewesen sein muss.[1] Diese Ansichten werden durchPollenanalysen an den Maarablagerungen bestätigt, denen zufolge eine sehr diverse Flora bestand, die sich aus subtropischen, mediterranen und temperierten Pflanzen zusammensetzte. Die Vegetation bestand unter relativ feuchten, subtropischen Bedingungen. Allerdings kam es im Verlauf der 200.000 Jahre, die bis zur Auffüllung des Maarsees vergingen, zu einer deutlichen Austrocknung des Klimas.[14]

Erste Untersuchungen in Camp dels Ninots fanden bereits 1882 durch Lluís M. Vidal statt, dessen Schwerpunkt den Ursprung der Sedimente galt. In der Folgezeit fanden nur wenige Arbeiten statt, doch wurde Mitte der 1980er Jahre ein erstesFossil eines ausgestorbenen Hornträgers beschrieben. Intensivere Untersuchungen begannen 1999, nachdem Mitglieder der Asociación Arqueológica de Gerona erste Funde aus Feuerstein getätigt hatten. Von 2003 an begannen interdisziplinäre Untersuchungen zurArchäologie undPaläontologie unter der Führung desInstitut Català de Paleoecologia Humana i Evolució Social derUniversitat Rovira i Virgili vonTarragona, wobei jährliche Grabungskampagnen stattfinden. Die Forscher dringen dabei bis in 5 m Tiefe vor.[1][8]