Bucintoro

DerBucintoro, auch veraltetBucentaur oder GoldeneBarke, war dasStaatsschiff derDogen vonVenedig. Es handelte sich um eine prunkvoll ausgestattete venezianischeGaleasse bzw.Galeere mit 168 Ruderern an 42Riemen. Der 1728 imArsenal von Venedig aus Holz gebaute Bucintoro maß 43,8 × 7,3 × 8,4 Meter. Erstmals erwähnt wurde ein Bucintoro 1253.[1]
Name
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Der Name stammt angeblich von einerChimäre der griechischen Sagenwelt, einer Mischung aus Kuh undKentaur – so jedenfalls eine der gängigen Erklärungen. Nach einer anderen handelt es sich um eineVerballhornung vonducentorum, der lateinischen Bezeichnung für ein Schiff mit 200 Besatzungsmitgliedern. Auch die Herleitung voncinto d’oro – also „goldumgürtet“ oder „goldbekleidet“ – ist geläufig. Eher spöttisch und auf die Stellung Venedigs als wichtigste italienische Handelsstadt im Mittelalter bezogen ist die Herleitung vonbuzzo d’oro („goldener Bauch“) zu verstehen.
Sposalizio
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Am Tag vonChristi Himmelfahrt im Jahre 997 (nach anderen Quellen im Jahr 1000) stach der DogePietro II. Orseolo mit einer Galeere in See, umdalmatinische Küstenstädte vonPiraten zu befreien. Diese Befreiungsaktion begründete die langwährende Herrschaft Venedigs über die dalmatinische Küste, später über die gesamteAdria und weit darüber hinaus.
Darauf geht dieZeremonie zurück, mit der später in jedem Jahr am Himmelfahrtstag dersposalizio del mare – die spirituelle Vermählung Venedigs mit dem Meer – gefeiert wurde. Der Doge, Mitglieder desKlerus und auswärtige Botschafter fuhren mit dem Schiff hinaus auf die Lagune. Dabei segnete derPatriarch von San Elena einen Ring, den der Doge sodann bei der Vorbeifahrt amLido als Zeichen dessposalizio in die Adria warf, wobei er die Worte sprach:
“Disponsamus te, Mare, in signum veri perpetuique dominii.”
„Wir heiraten dich, Meer, zum Zeichen unserer wahren und beständigen Herrschaft.“
Wann der Ritus aufkam, ist unbekannt. Die Anwesenheit der Ausländer war natürlich durchaus keine Freundschaftsgeste; vielmehr sollten sie bewusst an einer Demonstration der Machtansprüche derSerenissima teilhaben.
DieVermählung mit dem Meer ist ein Ritus, der seit demSpätmittelalter auch in anderen italienischen Städten und Regionen verbreitet ist.[2]
Geschichte
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Erstnennungen von Schiffen des Dogen, Bucintoro
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]In derChronica altinate heißt es, der Doge sei „in navi sua“, in seinem eigenen Schiff also, gefahren.Martino da Canale schreibt Mitte des 13. Jahrhunderts von „maistre nef“. Doch erst 1253 wird der Bucintoro explizit in derPromissio ducale desLorenzo Tiepolo erwähnt. Wie wir von dem DichterPace del Friuli erfahren, handelte es sich am Anfang des 14. Jahrhunderts um ein sehr reiches Zeremonialschiff.[3]
Schiffe
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Der im Jahr 1311 erwähnte Bucintoro zeigte bereits die typischen Merkmale: zwei Decks, eines für die Ruderer und eines zur Repräsentation, überragt vomTiemo, dem eigentümlichen gewölbten Dach mit großen seitlichen Öffnungen. Der Bug trug bereits eine große Statue, die Venedig in Gestalt derGerechtigkeit darstellte. 1449 wurde das Schiff durch ein größeres ersetzt.
Im Jahr 1526 lief ein noch größerer und reich geschmückter Bucintoro vom Stapel. Die Statue derGerechtigkeit dieses Schiffes ist erhalten und im venezianischen Schifffahrtsmuseum, demMuseo storico navale, zu sehen, wo auch ein Modell des Staatsschiffes untergebracht ist.
Der zwischen 1601 und 1606 erbaute Bucintoro hatte einen erhöhtenTiemo im Bereich, wo der Doge saß.
Der letzte venezianische Bucintoro wurde zwischen 1719 und 1729 gebaut. Er wurde von den Franzosen 1798 weitgehend seiner Ausstattung beraubt, endgültig zerstört 1824 unter den Österreichern.
Ab 1665 nutzten die bayerischen Kurfürsten einenBucentaur genannten Nachbau für höfische Feste auf demStarnberger See. Die einzige erhaltene Prachtgeleere ist der für dasHaus Savoyen von 1729 bis 1731 gebaute Bucintoro, der inTurin ausgestellt ist.[4]
Das Ende des Prachtschiffs
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Der letzte Bucintoro wurde von SoldatenNapoleons weitgehend zerstört. Sie drangen am 9. Januar 1798 mit Äxten in dasArsenal von Venedig ein und zerschlugen den reichen Zierrat des Schiffes in kleine Stücke – in der Hoffnung, an das wenige Blattgold zu gelangen, dessen Wert sie wohl beträchtlich überschätzten. Das Rumpfschiff wurde später repariert und unter dem NamenHidra (Hydra) erneut in Dienst gestellt. Es diente zur Verteidigung des Hafens am Lido und wurde 1828 endgültig abgewrackt. Überreste werden in Venedig imCivicoMuseo Correr und im Arsenal aufbewahrt.
Bildergalerie
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- Modell eines Bucintoro im SchifffahrtsmuseumMuseo storico navale in Venedig
- Gesamtansicht
- Heck
- Bug
Goethe über den Bucintoro
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Goethe zeigte sich auf seinerItalienischen Reise ebenfalls überaus beeindruckt vom Bucintoro:
„Um miteinem Worte den Begriff des Bucintoro auszusprechen, nenne ich ihn eine Prachtgaleere. Der ältere, von dem wir noch Abbildungen haben, rechtfertigt diese Benennung noch mehr als der gegenwärtige, der uns durch seinen Glanz über seinen Ursprung verblendet.
Ich komme immer auf mein Altes zurück. Wenn dem Künstler ein echter Gegenstand gegeben ist, so kann er etwas Echtes leisten. Hier war ihm aufgetragen, eine Galeere zu bilden, die wert wäre, die Häupter der Republik am feierlichsten Tage zum Sakrament ihrer hergebrachten Meerherrschaft zu tragen, und diese Aufgabe ist fürtrefflich ausgeführt. Das Schiff ist ganz Zierat, also darf man nicht sagen: mit Zierat überladen, ganz vergoldetes Schnitzwerk, sonst zu keinem Gebrauch, eine wahre Monstranz, um dem Volke seine Häupter recht herrlich zu zeigen. Wissen wir doch: das Volk, wie es gern seine Hüte schmückt, will auch seine Obern prächtig und geputzt sehen. Dieses Prunkschiff ist ein rechtes Inventarienstück, woran man sehen kann, was die Venezianer waren und sich zu sein dünkten.“
Literatur
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- Lina Urban Padoan:Il Bucintoro. La festa e la fiera della „Sensa“ dalle origini alla caduta della Repubblica. Centro Internazionale della Grafica di Venezia, Venedig 1988.
- La storia del Bucintoro, Fondazione Bucintoro, archive.org, 20. Juni 2008
Weblinks
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Anmerkungen
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- ↑Dies geschah bereits unterRenier Zen, wie Holly S. Hurlburt:The Dogaressa of Venice, 1200-1500. Wife and Icon, S. 241, Anm. 67 mit demLiber promissionum, f. 13v. belegt.
- ↑Volksfeste in der Emilia-Romagna (Memento vom 26. August 2014 imInternet Archive)
- ↑Élisabeth Crouzet-Pavan:Le Moyen-Âge de Venise. Des eaux salées au miracle de pierres. Albin Michel, Paris 2015,ISBN 978-2-226-31500-7, Anmerkung 2854.
- ↑Il Bucintoro di Torino (Memento vom 31. Juli 2012 imInternet Archive)