Braunkohle (Exponat im Deutschen Bergbau-Museum Bochum)Braunkohle aus demTagebauWelzow-Süd, die imHeizkraftwerk Klingenberg (Berlin) vor dessen Umrüstung auf Erdgas 2017 verfeuert wurde.
Braunkohle (früher auchTurff genannt) ist ein bräunlich-schwarzes, meist lockeresSedimentgestein, das unter Druck und Luftabschluss durchInkohlung vonorganischen Substanzen entstanden ist. Braunkohle ist einfossiler Brennstoff, der zurEnergieerzeugung verwendet wird. Rohbraunkohle besitzt etwa ein Drittel desHeizwertes vonSteinkohle, was etwa 8 MJ oder 2,2 kWh pro Kilogramm entspricht. Aufbereitete (getrocknete) Braunkohle hat ungefähr zwei Drittel des Heizwerts von Steinkohle.
Entstehung
Baumstümpfe (Lignit) in der Braunkohle durch die nicht ganz durchlaufene Inkohlung
Die in Deutschland lagernde Braunkohle entstand überwiegend imTertiär, dererdgeschichtlichen Zeit vor etwa 65 bis 2 Millionen Jahren.Die Kohle in der Lausitz und im Rheinland entstand imMiozän (vor 5 bis 25 Millionen Jahren), diejenige um Helmstedt und Leipzig vor 50 bis 60 Millionen Jahren.[1]
In anderen Ländern gibt es in deutlich älteren Formationen Kohlen, die in ihren physikalischen und chemischen Eigenschaften der Braunkohle ähneln (Alpentäler, Alpenvorland).[2]
Wie bei derSteinkohle sammelte sich organisches Material abgestorbenerPflanzen, z. B. Bäume und Sträucher, in Mooren zunächst als Torf an und durchlief nach der Überdeckung mit Sedimenten unter Druck und Luftabschluss dengeochemischen Prozess derInkohlung.
Braunkohle ist schwächer inkohlt als Steinkohle.[3] Sie hat einen höheren Schwefelgehalt und eine grobere, lockerere und porösere Grundmasse. Diese enthält manchmal großeStubbenhorizonte (mitunter ganzeBaumstümpfe, siehe nebenstehendes Bild).
Die weltweit zu damaligen Preisen wirtschaftlich förderfähigen Reserven wurden im Jahre 2015 von derBundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) auf 317 Milliarden Tonnen Braunkohle geschätzt, davon 28,6 Prozent (90,7 Milliarden Tonnen) in Russland, 24,2 Prozent (76,7 Milliarden Tonnen) in Australien und 11,4 Prozent (36,1 Milliarden Tonnen) in Deutschland. Bei gleichbleibender Förderung (1,011 Milliarden Tonnen im Jahre 2015) könnte der Bedarf bis ins Jahr 2328 gedeckt werden.
In Deutschland würden die Vorräte, so die BGR, bei konstanter Förderung (178 Millionen Tonnen im Jahre 2015) noch für 202 Jahre ausreichen. Die Braunkohlereserven betrugen 2012 in Deutschland 40,4 Milliarden Tonnen und die -ressourcen 35,2 Milliarden Tonnen (Definition: Ressourcen = die nachgewiesene Menge Braunkohle, die derzeit technisch und/oder wirtschaftlichnicht gewonnen werden kann, sowie die nicht nachgewiesene, aber geologisch mögliche, zukünftig gewinnbare Menge einer Braunkohlelagerstätte).[5]
Mit bis zu 300 Millionen Tonnen jährlicher Förderung lag dieDDR bis Ende der 1980er-Jahre weltweit an der Spitze der Förderländer. Berechnungen der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) in Hannover kamen 2021 zu dem überraschenden Ergebnis, dass China bereits seit längerem der weltweit größte Braunkohleproduzent ist. 2014 erreichte die Produktion in Deutschland eine Höhe von rund 178 Millionen Tonnen (Mio. t) und lag damit um rund 32 Mio. t unter der Förderung Chinas. Bis 2019 erhöhte China seine Braunkohleproduktion auf 240 Mio. t, während die Förderung in Deutschland auf rund 131 Mio. t zurückging.[8]
×Wo wird Braunkohle gefördert? Fördergebiete/Lagerstätten für Braunkohle
Die Sorten mit einem hohen Anteil flüchtiger Bestandteile lassen sich inKokereien zuBraunkohlenkoks verarbeiten. Je nachTemperatur des Verfahrens erhält manSchwel- oderGrudekoks. Braunkohlenkoks wird in erster Linie im großtechnischen Maße zurFiltration verwendet, wobei das Material die imLabormaßstab üblicheAktivkohle ausHolz ersetzt. Darüber hinaus wird Rohbraunkohle inKohleveredlungsbetrieben durch Zerkleinerung, Trocknung und Formung zu verschiedenen Festbrennstoffen (Briketts, Braunkohlenstaub,Wirbelschichtbraunkohle) weiterverarbeitet.
Braunkohle wird heute (2017) – gemahlen und getrocknet – zu 90 Prozent als Brennstoff zurStrom- undFernwärmeerzeugung in öffentlichen und industriellen Kraftwerken genutzt.[9][10]Die übrigen 10 Prozent werden z. B. zuBriketts verarbeitet.Besonders bitumenreiche Braunkohle (genannt auchJet[11]) wird zur Herstellung vonMontanwachs verwendet. In geringerem Umfang wird Braunkohle alsBodensubstrat als Ersatz fürRindenmulch vermarktet.[12]
Im Jahr 2010 betrug derPrimärenergieverbrauch an Braunkohle 1.637 PJ (= knapp 12 Prozent des Primärenergieverbrauchs der Bundesrepublik Deutschland (13.645 PJ)).[13] 2016 waren es 1.519 PJ und 2017 1.510 PJ.[14]
Umweltprobleme
DieGewinnung von Braunkohle verursacht tiefgreifende Eingriffe in dieÖkologie derBergbaureviere. Es gilt als erstrebenswert, dieanthropogenen Einflüsse durch vorausschauendeUmweltplanung zu minimieren und die energetischen Ressourcen effizient zu nutzen.
DerWeltklimarat (Intergovernmental Panel on Climate Change, IPCC) fordert einen zügigen und grundlegenden Umbau der weltweiten Energieversorgung, um einen tiefgreifenden Klimawandel zu verhindern. Dazu gehört auch derAusstieg aus der Verstromung von Braunkohle.[15] Die Stromerzeugung aus Braunkohle stiegEU-weit im Jahr 2017 jedoch leicht, eine Abkehr von der Braunkohleverstromung ist bislang nicht zu erkennen.[16]
Gewinnung und Sanierung
Braunkohletagebau Schleenhain beiHeuersdorf in Sachsen
Braunkohle in nennenswerten Mengen wird heute in Europa ausschließlich imTagebau abgebaut. Die Gewinnung von Braunkohle im Tagebau ist mit einem hohenFlächenverbrauch verbunden. Diese Flächen werden nach Inanspruchnahme durch den Bergbaubetrieb wiederrekultiviert. Dabei werden Flächen aufgeforstet und/oder durch gezielte Bewirtschaftung wieder der Landwirtschaft zugeführt. Restlöcher werden in der Regel geflutet und zu Seen mit touristischer Nutzung (Leipziger Neuseenland,Villeseen) umgestaltet.[17]
Um Lagerstätten, entsprechend dem deutschenBergrecht, möglichst vollständig hereingewinnen[ANM 1] zu können, werden ganze Dörfer umgesiedelt und abgebaggert (devastiert), was zu Konflikten mit der Bevölkerung führen kann (siehe auchListe abgebaggerter Ortschaften).
Braunkohle wurde früher in großem Maßstab in allen deutschen Braunkohlerevieren imTiefbau abgebaut. Mit zunehmender Mechanisierung verschob sich das Gewicht der Gewinnung zum Tagebau. Vorteile beim Tiefbau war die dadurch möglich selektive Gewinnung verschiedener Kohlesorten, u. a. für die chemische Industrie.[18] Schwerpunkt war hier das mitteldeutsche Revier um Halle. In der Regel schlossen die Bergbaugesellschaften mit den Eigentümern der Flächen einen Pachtvertrag ab, der die Wiederherstellung der Flächen zur landwirtschaftlichen Nutzung nach beendetem Abbau vorsah. Die Bruchfelder über den abgebauten Feldesteilen wurden daher eingeebnet und den Eigentümern wieder übergeben. Dieser Prozess verlief nicht immer konfliktfrei.[19][20]
Nach einer 2016 veröffentlichten Studie sind die von Energiekonzernen getroffenen Rückstellungen zur Sanierung der Braunkohletagebaue zu niedrig angesetzt und im Ernstfall nicht verfügbar.[21]
Braunkohlekraftwerke stoßen verschiedene Schadstoffe aus, die trotz Abgasfilterung zum Teil in die Umgebung kommen. Hierzu zählen z. B. diverse Schwermetalle sowieFeinstaub. Deutsche Braunkohle enthält im Vergleich zu deutscher Steinkohle nur etwa ein Drittel der radioaktiven ElementeUran,Thorium undRadium.[22]
Durch entsprechende technische Vorkehrungen konnte bisher vor allem die Emission vonSchwefeldioxid und Flugasche verringert werden. Die Flugasche wird in modernen Kraftwerken z. B. durchElektrofilter zu 99,5 % abgetrennt.[22] Das Schwefeldioxid wird durch dieRauchgasentschwefelung zu 90 % abgesondert, wobei als Nebenprodukt große Mengen anGips anfallen, der vor allem von der Bauindustrie weiter verwendet wird.
Klimarelevanz
Bei der Verfeuerung von Braunkohle entsteht zwangsläufigKohlenstoffdioxid. Braunkohlekraftwerke, wie alle auf fossilenEnergiequellen basierenden Kraftwerke, geben den im Brennstoff gespeicherten Kohlenstoff bei der Verbrennung in Form von Kohlenstoffdioxid in die Atmosphäre ab. Außerdem entstehen bei Kraftwerken große Mengen Wasserdampf. Die freigesetzten Mengen an Kohlenstoffdioxid und Wasserdampf sind alsTreibhausgase wichtige Treiber derglobalen Erwärmung. Kohlenstoffdioxid ist mit 77 % Anteil das wichtigste durch menschlichen Einfluss freigesetzte Klimagas. Bei Verdopplung des CO2-Anteils in der Atmosphäre gegenüber dem vorindustriellen Wert von 280 ppm ist nach demVierten Sachstandsbericht des IPCC mit einer Temperaturerhöhung zwischen 2 und 6 °C bis zum Jahr 2100 zu rechnen.[23]
Da der im Brennstoff enthalteneKohlenstoff zur Energieumwandlung bei optimaler Verbrennung vollständig in Kohlenstoffdioxid umgewandelt wird, kann bei derartigen Kraftwerken die Kohlenstoffdioxidfreisetzung prinzipbedingt nicht verhindert werden, sondern vorerst nur durch einen besserenWirkungsgrad der Kraftwerke und dadurch geringeren Kohleverbrauch reduziert werden. Dennoch liegt der Kohlendioxid-Ausstoß von Braunkohlekraftwerken mit 980–1230 g CO2/kWh brennstoffbedingt deutlich höher als bei anderen fossil befeuerten Kraftwerken (siehe auch:Kohlekraftwerk). So stoßen moderneGas-und-Dampf-Kombikraftwerke mit 410–430 g CO2/kWh z. B. nur rund ein Drittel des Kohlenstoffdioxids von Braunkohlekraftwerken aus.[24]
Braunkohlekraftwerken ist etwa die Hälfte des durch die Stromerzeugung in Deutschland bedingten Kohlendioxid-Ausstoßes zuzurechnen, während derAnteil von Braunkohle an der Stromerzeugung nur etwa ein Viertel beträgt (Werte gelten für 2011).[25] Damit ergibt sich für Braunkohle ein ca. dreimal so hoher CO2-Ausstoß je erzeugte kWh wie für den Durchschnitt der übrigen zur Stromerzeugung eingesetzten Energieträger.
Die vorgeschlagene und projektierteAbscheidung des CO2 (CCS – Carbon Capture and Storage) in „kohlenstoffdioxidfreien“ Kraftwerken ist mit technischem, energetischem und finanziellem Aufwand verbunden, was den Wirkungsgrad verringert und somit den Kohleverbrauch erhöht. Im brandenburgischenSchwarze Pumpe hat der EnergiekonzernVattenfall 2008 eine Versuchsanlage zur Kohlendioxidabtrennung errichtet. Ursprüngliche Pläne, das so abgeschiedene Kohlendioxid unterirdisch zu speichern, wurden wegen des Widerstandes in der Bevölkerung und „mangelndem Willen“ zur Umsetzung seitens der deutschen Politik wieder aufgegeben.[26] Die CCS-Technologie ist umstritten, da der Wirkungsgrad der Kraftwerke dadurch absinkt und der sichere Verbleib des CO2 nicht endgültig gewährleistet werden kann.[27]
Friedrich H. Franke, Klaus J. Gunstermann, Michael J. Paersch:Kohle und Umwelt Kommentar=Bergbau, Rohstoffe, Energie.Band26. Glückauf, Essen 1989,ISBN 3-7739-0518-1.
↑laut AbschnittBergbau in der Weststeiermark auf der Website des Bergbaumuseums Karl-Schacht, abgerufen am 15. März 2019.
↑BGR Energiedaten 2022. (XLSX, 191 KB) Daten und Entwicklungen der deutschen und globalen Energieversorgung. Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe, abgerufen am 19. Januar 2023.
↑Vgl.Otto Beßler:Prinzipien der Drogenkunde im Mittelalter. Aussage und Inhalt des Circa instans und Mainzer Gart. Mathematisch-naturwissenschaftliche Habilitationsschrift, Halle an der Saale 1959, S. 187, zuGagates – eyn steyn: „Pechkohle, Jet (bitumenreiche Braunkohle)“.
↑P. Franke et al.:25 Jahre Carl Adolph Riebeck. 50 Jahre A. Riebeck’sche Montanwerke Aktiengesellschaft 1858 – 1933. München 1933.
↑Deutscher Braunkohlen-Industrie-Verein (Hrsg.):50 Jahre mitteldeutscher Braunkohlenbergbau. Festschrift zum 50jährigen Bestehen des Deutschen Braunkohlen-Industrie-Vereins 1885–1935. Erste Auflage. Knapp, Halle 1935,S.600.
↑Als Hereingewinnen bezeichnet man im Bergbau das rauslösen derBodenschätze oderGesteine aus dem festen Gebirgsverband unter Benutzung von Hilfmitteln. Das hereingewonnene Mineral liegt dann, meist als kleine Materialbrocken, zur weiteren Verwendung da. (Quelle: Heinrich Veith:Deutsches Bergwörterbuch mit Belegen.)