Brahma



Brahma (Sanskrit, m.,ब्रह्माbrahmā) ist der Name eines der Hauptgötter imHinduismus. Die weiteren Hauptgötter sindVishnu (Bewahrung) undShiva (Zerstörung), mit diesen beiden bildet Brahma dieTrimurti. Seine Gattin istSarasvati.
In der Trimurti stellt Brahma das Prinzip derSchöpfung dar. Die Kenner desBrahman (dieBrahmanen) ließen ihm, als dem Schöpfer des Priestertums, besondere Verehrung zuteilwerden. Diese Verehrung hat gegenüber den weiteren Hauptströmungen des Hinduismus (Vishnuismus,Shivaismus,Shaktismus) heute stark an Bedeutung verloren. In der öffentlichen Anbetung stand Brahma gegenüber allen anderen Gottheiten historisch immer zurück, in der Mythologie dagegen spielt er noch heute eine wichtige Rolle. Brahma gilt als Begründer einer der vier klassischenVaishnava-Guru-Linien, heute bekannt als Brahma-Gaudiya-Sampradaya, die durchChaitanya stark geprägt wurde.Er ist der ideelle Gott der Schöpfung, der als unbewegter Beweger dem Universellen zu seiner Bewegung verhalf. Er ist die Zeit und unterliegt dieser.
Entstehungslegenden
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Gemäß den diversen Textüberlieferungen ging Brahma aus dem kosmischen GoldeiHiranyagarbha hervor, das auf den Wassern des Urozeans schwamm, oder entspross einem Lotos, der aus dem NabelVishnu-Narayanas hervorkam. Aus sich heraus erschuf er seine TochterShatarupa (manchmal gleichgesetzt mit seinen GefährtinnenSarasvati oderGayatri), die er so sehr begehrte, dass ihm – um sie allzeit sehen zu können – Köpfe in alle vier Himmelsrichtungen wuchsen und zusätzlich noch ein fünfter, der ihm, als Strafe für den begangenenInzest, von Shiva abgeschlagen wurde und aus demManu, der Stammvater aller Menschen, hervorging.[1]
Seine Rolle als aus sich selbst erschaffener Schöpfergott wird durch verschiedene Legenden infrage gestellt: Einmal ist er das Geschöpf vonPitamaya, eines anderen Urwesens der hinduistischen Mythologie; ein andermal ist er nur die Kreatur des auf der Weltenschlangeananta odershesha ruhenden Narayana. Wegen seiner Leichtgläubigkeit oder Eitelkeit fällt Brahma auf die Tricks der Dämonen (asuras) herein – die dadurch verursachten Störungen der weltlichen und göttlichen Ordnung muss Vishnu in seinen Formen als Eber (varaha) bzw. als Mann-Löwe (narasimha) wieder beheben (vgl. auchHiranyaksha oderHiranyakashipu).
Deutungsversuche
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Die personale Gottheit Brahma hat ihren existenziellen Ursprung in der Vorstellung desBrahman, einer gestaltlosen (arupa), eigenschaftslosen (nirguna) und unerkennbaren (acintya) Entität. DiePersonifizierung dieser nicht greifbaren Macht vollzog sich sprachlich lediglich durch die Verschiebung des Akzentes und durch den dadurch entstehenden Genuswechsel, inhaltlich war der Wunsch nach einem omnipotenten Schöpfergott, der über ein klar benennbares Bewusstsein und eine definierte äußere Form verfügen musste, ausschlaggebend. Da derVeda jedoch nichts über eine Gottheit mit dem Namen Brahma überlieferte, musste dieser nun mit bereits bestehenden und durch den Veda belegten Gottheiten identifiziert werden. Hierfür bot sich ein bis dato namenloser Gott mit dem Titel „Herr der Geschöpfe“ (Prajapati) an, der fortan Brahma zugeordnet wurde.
Eine weitere Legitimation erfuhr die neu erschaffene Gottheit Brahma durch die Assoziation mit der bereits bekannten Vorstellung eines goldenen und unvergänglichen Embryos (hiranyagarbha)[2], der sowohl über Leben als auch über den Tod herrschte und gegenüber anderen Gottheiten weisungsbefugt war. Ferner galt diese Gottheit als Schöpfer der Erde und des Himmels.[3] Diese personifizierte Schöpfergottheit findet im Rigveda vor allem unter den NamenPrajapati undPurusha, in späteren Zeiten unter den NamenBhagavan oderIshvara Erwähnung. In dieser Entstehungsgeschichte zeigen sich erstmals Ansätzemonotheistischen Denkens, das sich ab dieser Zeit als Gegensatz zummonistischen Denken etablierte, sowie die aufkommende Hierarchisierung der Götter, nach der Brahma allen anderen Göttern übergeordnet war.
Als weiterer Ansatz zum Verständnis eines Brahmas sei hier noch die aus der Lehre des Buddhas stammende Erklärung angeführt. Der Mensch ist in der Lage, durch Meditation verschiedene Konzentrationszustände (sogenannte Jhanas) zu erreichen. Ist der menschliche Geist in solch einen Zustand eingetaucht, erfährt dieser Mensch gewisse Empfindungen (z. B. allumfassende Liebe). Wenn ein Wesen in oder mit diesem Bewusstseinszustand verstirbt und den Wunsch verspürt, in solch einer Existenzebene wiederzuerscheinen, kann es als ein sogenannter „Brahma“ wiedergeboren werden. Je „reiner und stabiler“ ein Jhana wird, umso feiner wird die Existenzebene, mit der dieses Wesen in Beziehung (Resonanz) treten kann. Die Existenzdauer der Wesen dort ist um etliches länger als in der Menschenwelt und der Bewusstseinszustand eines solchen Wesens entspricht dem Zustand, den ein Mensch mit einer entsprechenden Jhanaerfahrung (Jhanaerleben) im Hier und Jetzt erfahren würde.
Im Hinduismus war (ist) es ein Ideal, sein Leben so zu leben, dass es zum (Reich des) Brahma führt.
Darstellung
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Auf Darstellungen ist Brahma meist mit vier Gesichtern und vier Armen sowie mitGebetskranz undVeden (älteste indische Literatursammlung) zu sehen. Frühmittelalterliche Skulpturen zeigen ihn ohne Bart; seit dem 11./12. Jahrhundert wird er häufig mit Bart dargestellt. Manchmal erscheint er auf einerLotosblüte, die dem Nabel des auf der Weltenschlangeananta odershesha ruhenden Gottes Vishnu-Narayana entspringt.
Wichtigste Attribute Brahmas sind der quadratische,Yoni-artige Schöpflöffel (shruk), der bei den Opferzeremonien der Brahmanen von Bedeutung war, der Opferkrug mit Henkel (kamandalu) und einPalmblattmanuskript (pustaka).[4]
Sein Symbol und Begleittier (vahana) ist die mystische Gans (hamsa), die ihn geistesschnell an jeden gewünschten Ort im Universum fliegen kann. Sie ist auch an seinem bedeutendsten Tempel im indischenPushkar aus dem 14. Jahrhundert über dem Eingangstor abgebildet.
Einige Skulpturen zeigen ihn zusammen mit seiner GemahlinSarasvati (oderSavitri bzw.Gayatri).
Abgrenzung
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]In der Literatur finden verschiedene Wörter ihren Niederschlag, die zum Teil in der gleichen Wortform verwendet werden, mit dem hier erörtertenBrahma aber nichts zu tun haben:
- Brahman (Sanskrit, n.,ब्रह्मनbrahman „die Weltseele“) ist ein zentraler Begriff der hinduistischen Philosophie, vor allem imVedanta und denUpanishaden. Das Brahman ist die Bezeichnung für das unwandelbare, unsterbliche Absolute, das Höchste. Es bezeichnet die unpersönliche Weltseele, die ohne Anfang und ohne Ende existiert, es ist das letzte Eine, das selbst keineUrsache hat, aus dem aber alles entstanden ist. Als letztlich wirksame Kraft liegt es allem Dasein zugrunde und ist die höchste Gottesvorstellung. Der Schöpfergott, Brahma stellt eine männliche, personale(Haupt-)Gottheit dar, die sich aus dem Brahman-Verständnis entwickelt hat. Dabei sind alle Götter und Göttinnen, auch Brahma, selbst nur Aspekte des Absoluten, des Brahman. Jede der einzelnen Götter bzw. Göttinnen vertritt eine oder mehrere Eigenschaften von Brahman. Diesemonotheistische Ausprägung bietet eine Alternative zummonistischen Weltbild. Das Brahman ist in seinem Wesen identisch mitAtman, dem inneren Kern des Menschen.
- Brahmanas (Sanskrit, n.,ब्राह्मbrāhmaṇa) sind Ritual- und Opfertexte und Bestandteil derVeden. Die Brahmanas sind um ca. 800 v. Chr. entstanden und beschreiben diverse Formen vonOpferzeremonien, wie z. B. dasAgnichayana (Feueropfer).
- Brahmanen (Sanskrit, m.,ब्राह्मणbrāhmaṇa „der das Brahman kennt“) sind Mitglieder der obersten hinduistischen Priester- und Gelehrten-Kaste und gelten in den alten Schriften als unverletzlich. Heute üben viele Brahmanen auch andere Berufe aus.
- Brahmavihara ist der Name einer grundlegendenMeditation imBuddhismus, in der es um das Erzeugen von vier alstugendhaft anerkannten Geisteshaltungen geht. ImMahayana wird gerne der Ausdruck „die vier Unermesslichen“ (tib.tshad med pa bzhi) verwendet, imTheravada „die himmlischen Verweilzustände“.
Identifikation mit Abraham
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Der britische SchriftstellerGodfrey Higgins vertrat die Ansicht, Brahma sei identisch mitAbraham.[5] Dieser schickte die Söhne seiner Nebenfrauen „nach Osten hin insMorgenland“. Abraham hatte ihnen außerdem „Geschenke“ gegeben, nachdem er Isaak all sein Gut gegeben hatte. (Gen 25,5–6 EU) DerAltertumswissenschaftler,Rabbiner undAnthropologe Alexander Seinfeld dazu ergänzend, diese Geschenke seien spirituelles Wissen gewesen, denn sein Gut hatte Abraham ja bereits Isaak gegeben. Brahmas Gemahlin hieß Sarasvati, Abrahams Frau hießSarai bzw. Sara.[6]
Literatur
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- Anneliese und Peter Keilhauer:Die Bildsprache des Hinduismus. Die indische Götterwelt und ihre Symbolik. DuMont, Köln 1983, S. 54 ff,ISBN 3-7701-1347-0.
- Veronica Ions:Indian Mythology. Hamlyn Publ., London 1988, S. 41 f,ISBN 0-600-34285-9.
- Heinrich von Stietencron:Der Hinduismus. C.H. Beck, München 2010,ISBN 978-3-406-44758-7.
Weblinks
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- Brahma und die Brahmanen. Vortrag in der öffentlichen Sitzung der k. Akademie der Wissenschaften am 28. März 1871 zur Feier ihres einhundert und zwölften Stiftungstages gehalten von Martin Haug
- Brahma – Bilder + Infos
- Brahma – Bilder + Infos (Yoga-Wiki)
- Die Lehre des Hinduismus, abgerufen am 29. Dezember 2018[1]
Einzelnachweise
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- ↑Anneliese und Peter Keilhauer:Die Bildsprache des Hinduismus. Die indische Götterwelt und ihre Symbolik. DuMont, Köln 1983, S. 59,ISBN 3-7701-1347-0.
- ↑Rigveda 10,121 desa
- ↑Rigveda 10,121 desa
- ↑Peter und Anneliese Keilhauer:Die Bildsprache des Hinduismus. Die indische Götterwelt und ihre Symbolik. DuMont, Köln 1983, S. 54,ISBN 3-7701-1347-0.
- ↑Godfrey Higgins:Anacalypsis: An Attempt to Draw Aside the Veil of the Saitic Isis : Or, An Inquiry Into the Origin of Languages, Nations, and Religions. Longman, Rees, Orme, Brown, Green, and Longman, 1836,S. 387–391 (google.de [abgerufen am 11. Februar 2021]).
- ↑Detlef David Kauschke: Abraham und Aschram. In: Jüdische Allgemeine. 18. Juli 2007, abgerufen am 11. Februar 2021.