Borealer Nadelwald (vongriechischΒορέαςBoréas, deutsch‚der Nördliche‘: Gott des Nordwindes in der griechischen Mythologie), auchTaiga (vonrussischтайга‚dichter, undurchdringlicher, oft sumpfiger Wald‘, womöglich aufmongolischтайга‚Bergwald‘ zurückzuführen[2]) ist der Oberbegriff für dieWälder derkaltgemäßigten Klimazone. Die Taiga kommt ausnahmslos auf der Nordhalbkugel vor,[3] da auf der Südhalbkugel die großen Landmassen fehlen, die das für die borealen Wälder typische Klima ermöglichen. Der Begriff stammt aus derGeographie und bezeichnet verallgemeinernd einen bestimmtenLandschaftstyp der globalenMaßstabsebene. Je nach Disziplin existieren unterschiedliche Definitionen, siehe Abschnitt „Definition“.
Charakteristisch für die verschiedenen Formen der borealen Wälder sind relativ gleichförmigeNadelwaldgebiete, die weltweit von nur vierNadelholz-Gattungen geprägt werden – vonFichten,Kiefern,Tannen undLärchen –, deren Wuchsbild nach Norden hin immer schlanker wird. Unterbrochen werden diese Gebiete in den Niederungen von baumfreienMooren (sehr großflächig in Westsibirien), in Nordasien vonWeichholzauen in den Flusstälern und in Nordostsibirien wechseln sich Lärchen-Waldtundra und Lärchentaiga mosaikartig ab.Weichlaubhölzer – vor allemBirken undEspen – sind alsPionierbaumarten und in geschützten Lagen nahezu überall im Nadelwald zu finden. Der Boden ist zumeist flächendeckend von relativ niedrig wachsenden, sommergrünenZwergsträuchern (insbesondere aus der Gattung derHeidelbeeren) und von dicken „Teppichen“ ausMoosen undFlechten bedeckt.Totholz findet sich in allen Stadien in großen Mengen.
Der boreale Nadelwald ist eine ausschließlich nördliche Vegetationszone. Sie reicht in ihrer maximalen Ausdehnung etwa von 71° nördlicher Breite (Oberlauf desOlenjok in Nordsibirien) bis 42° (auf der japanischen InselHokkaidō). Die borealen Nadelwälder gehen polwärts in die Zone derWaldtundra über.(Die Darstellung der Waldtundra als eigenständiger Vegetationstyp – wie hier in der Wikipedia vorgenommen – ist uneinheitlich: In manchen Veröffentlichungen wird sie stattdessen zu den borealen Wäldern gerechnet, in manchen zur Tundra.)[4] In Richtung Äquator schließen sich bei feuchteren Klimaten dieNadel- und Laubmischwälder der Taiga an und bei trockeneren Klimaten dieWaldsteppen.
VieleGebirgsnadelwälder dersubalpinen Höhenstufe anderer Klimazonen ähneln dem borealen Nadelwald. Sie werden jedoch zumeist als eigene Vegetationszone betrachtet.
Boreale Nadelwälder liegen inEurasien (Nordeuropa („Nordeuropäische Nadelwaldregion“),Sibirien,Mongolei) undNordamerika (Kanada,Alaska). Sie sind mit etwa 1,4 MilliardenHektar der größte zusammenhängende Waldkomplex der Erde und die wirtschaftlich wichtigste Waldregion. Von dieser Fläche sind jedoch etwa 150 Millionen Hektar bedingt durch Feuer, Sturm, großflächigen Insektenfraß oder menschliche Aktivitäten temporär nicht bewaldet.
Das größte unzerstörte boreale Wildnisgebiet der Erde erstreckt sich vomYukon-Territorium in Kanada bis zum Mittellauf desYukon Rivers in Alaska. Hier stehen Nadelwälder, offene Flechtenwälder, Waldtundren und nordische Laubwälder in einem eng verzahnten Mosaik auf einem strukturreichen Bergland. Die größte zusammenhängende boreale Nadelwald-Wildnis bedeckt dasWestsibirische Tiefland bis weit hinein insMittelsibirische Bergland. Auch in Europa gibt es noch bedeutende, weitgehend unberührte boreale Urwälder. Sie liegen zum größten Teil in Nordwest-Russland und zu einem kleinen Teil in Finnland und Skandinavien. In der Summe erreichen sie immerhin eine Fläche, die größer ist als dasVereinigte Königreich. Sie sind allerdings bereits deutlich fragmentiert.
Bezogen auf diepotentielle natürliche Vegetation sind heute ca. 9 % der irdischen Landoberfläche boreale Nadelwälder.[5] Tatsächlich sind am Anfang des 3. Jahrtausends über 30 % der borealen Nadelwälder in einemweitgehend unbeeinflussten natürlichen Zustand. Diese Gebiete sind nahezu unbesiedelt. Weniger als 40 % sind noch naturnah und relativ gering beeinflusst. Diese Flächen sind allerdings zumeist stark fragmentiert und befinden sich durchweg im Wandel (entweder durch eine stetige Überführung in Nutzflächen oder durchRaubbau). Bei über 30 % wurde die ursprüngliche Vegetationsdecke intensiv verändert und durchanthropogene Landschaften überprägt. In diesen Gebieten sind naturnahe Taiga-Landschaften höchstens noch in kleinen Relikten anzutreffen.[6][Anmerkung 2]
Lage der borealen Nadelwälder mit Untergliederung[Anmerkung 3]
Immergrüner borealer Nadelwald
Sommergrüner borealer Nadelwald
Boreale Laubholz-Auen
Charakteristik
Deutscher Fichtenforst (links) und schwedischer Fichten-Altwald (rechts) – der drastische Unterschied ist offensichtlich
Das Erscheinungsbild eines borealen Nadelwaldes ist grundverschieden von dem der gepflanzten Nadelwaldforsten der gemäßigten Zone. Während Forstbäume viele Jahre lang sehr dicht stehen, sind die Taigawälder – bis auf einige verstreute, dicht stehende Baumgruppen – weitaus lichter. Zum Schutz vor Schäden durch die Schneelast wird die Form der Bäume nach Norden hin immer schlanker. Eine dichte Beastung bis zum Boden sorgt für eine optimale Licht- und Wärmenutzung der tief stehenden Sonne. In Wirtschaftswäldern sind die Äste hingegen bis hoch hinauf in die Kronen kahl. Zudem sind fast alle Bäume von der gleichenAltersklasse, im Gegensatz zu dem meist regellosen Nebeneinander jedes Alters im Taigawald. Ein weiterer augenscheinlicher Kontrast zum Forst ist der Unterwuchs eines natürlich gewachsenen borealen Nadelwaldes: Statt einer weitgehend offenen Nadelstreudecke ist der Boden flächendeckend mit Zwergsträuchern (vor allem Heidelbeeren) und Moosen bewachsen, die sich oft dicht am Boden liegend (spalierartig) ausbreiten. Zudem ist eine große Menge liegendes und stehendesTotholz vorhanden, das sich in allen Stadien der Verrottung befindet (20 bis 30 % stehendes Totholz sind im natürlichen Wald charakteristisch). Schlussendlich zeigen die Waldböden unberührter borealer Wälder aufgrund des Totholzes, des oftmals felsigen Untergrundes, aber vor allem durch fehlende Aktivitäten des Menschen ein ausgesprochen „buckliges“ Relief.
Sogenannte „Helle Taiga“ mit Lärchen in der Nähe desBaikalseesHeidelbeer-Zwergsträucher bedecken riesige Areale in den borealen Wäldern
Der boreale Nadelwald wird von nur vier Nadelholz-Gattungen geprägt und weist in seinen Kerngebieten oft sogar nur eine oder zwei Baumarten auf. Er zählt daher zu den artenarmen Wäldern. Dies liegt in erster Linie an der kurzenVegetationsperiode von nur drei bis sechs Monaten; demnach an einem geringen Energieeintrag in das Ökosystem. Allerdings spielt auch die letzte Eiszeit eine Rolle: In Nordamerika und Ostasien waren die geographischen und klimatischen Bedingungen für das Ausweichen der Arten nach Süden und für die spätere Rückwanderung wesentlich günstiger als in Eurasien, so dass das heutige Artenspektrum dort etwas größer ist.
Der Hauptgrund für die Dominanz der immergrünen Nadelbäume ist der Umstand, dass sie ganzjährig über einen voll ausgebautenPhotosyntheseapparat (d. h.Nadeln) verfügen, während Laubbäume jedes Jahr (zudem bei hohem Nährstoffbedarf) neue Blätter entwickeln müssen. Die Photosyntheseaktivität der mehrjährigen Nadeln setzt nur aus, solange die Nadeln bei unter −4 °C gefroren sind. Bei höheren Temperaturen setzt sie ohne Zeitverlust sofort wieder ein. Mit abnehmender Länge der Vegetationsperiode wird der Stoffwechsel laubabwerfender Baumarten immer unökonomischer. (Ein Schwellenwert ist die Anzahl von mindestens 120 Tagen im Jahr, an denen der Mittelwert der Tagestemperatur 10 °C übersteigt.) Lediglich einigeWeichlaubhölzer (insbesondere Birken und Espen) können sich auch im borealen Klima behaupten.
Die meisten Nadelbäume halten zudem Temperaturen bis zu −40 °C aus. InJakutien sind Temperaturmittelwerte von −50 °C oder noch weniger möglich. In diesem extremen Klima ist es jedoch selbst für die meisten Koniferen zu kalt. Hier können nur die nadelabwerfendenLärchen (Larix spec.) gedeihen. Nur dank ihrer Fähigkeit konnte sich in Gebieten, die klimatisch bereits eindeutigTundrenklima aufweisen und wo permanenter Bodenfrost herrscht, ein Wald entwickeln.[7] Er wird aufgrund der nadelabwerfenden Lärchen in Russland als „helle Taiga“ bezeichnet – im Gegensatz zur „dunklen Taiga“, die von den immergrünen Nadelhölzern dominiert wird.
Die Vegetation erträgt eine Kälteperiode von acht Monaten. Dasxeromorphe Laub der (mit Ausnahme der Lärchen) immergrünen Nadelhölzer ist – wie bereits geschildert – viel unempfindlicher gegen Kälte undFrosttrocknis als die Blätter der Laubbäume. Die geringe Oberfläche, eingesenkteSpaltöffnungen und eine besonders dickeCuticula (Wachsschicht) schützen sie vor der Kälte. DiePhotosyntheseaktivität hört bei −4 °C auf, wenn die Nadeln gefrieren, wird aber bei höheren Temperaturen gleich wieder fortgesetzt. Die Bedeutung der Temperaturen nimmt zu, je weiter die Wälder nach Norden oder von ozeanischen in kontinentale Regionen reichen. Dennoch müssen auch die nordischen Nadelbäume im Herbst den Prozess derAbhärtung durchlaufen, um den Winter unbeschadet zu überstehen.
Im Frühjahr erfolgt eine „Enthärtung“. Dieser beruht auf einer Erhöhung der Zuckerkonzentration im Zellsaft. Es werden andere Schutzstoffe imProtoplasma angereichert, die Zellen werden wasserärmer und dieZentralvakuole zerklüftet sich in eine Vielzahl von Kleinvakuolen. Die Hitzeanpassung verläuft rasch, da der Anstieg der Temperatur innerhalb eines Tages, manchmal auch noch schneller erfolgen kann. An heißen Tagen ist die Hitzeresistenz nachmittags höher als morgens. Die Enthärtung bei kühler Witterung geschieht innerhalb weniger Tage. Die Abhärtungstemperaturen müssen so hoch sein, dass sie auf das Protoplasma als Stress wirken. Bei den meisten Landpflanzen ist dies in der Regel ab 35 °C der Fall.
Ein weiterer wichtiger Schutz vor der Kälte ist die Isolation der Wurzeln durch eine Schneedecke, die selbst bei extremen Minusgraden die Temperatur am Boden bei rund 0 °C hält. Auch hier ist die Lärche wiederum ein Überlebenskünstler, da in den extremtrocken-kontinentalen Gebieten Nordost-Sibiriens oftmals so wenig Schnee fällt, dass keine durchgängige Schneedecke entsteht. Die Wurzeln der Taigabäume sind – vor allem im Bereich desPermafrostes – ausgesprochen flach. Rund 70–90 % der Wurzelmasse erstreckt sich in Tiefen von 20–30 cm, und in nördlicheren Gebieten konzentriert sich sogar die gesamte Wurzelmasse auf dieser dünnen Bodenzone.
Die meisten borealen Nadelwälder sind von Sümpfen und Mooren durchsetzt. An feuchten Stellen entstehen aus dem Rohhumus und darauf siedelndenTorfmoosen langsam hochwachsendeHochmoore. Dadurch wird der Unterboden isoliert, so dass der Boden im Frühjahr schlechter auftauen kann. Überdies speichern die Moose die Nährstoffe und hemmen die Funktion der Symbiose zwischen Bäumen und Pilzen und es kommt zu einer zunehmenden Versauerung des Bodens. Dies alles verschlechtert die Bedingungen für die Bäume, die schließlich absterben. In der westsibirischen Tiefebene nehmen solche weitgehend baumfreien Taigamoore viele hunderttausend Quadratkilometer Fläche ein.
Abgrenzung zur Waldtundra
Die sibirischen Lärchenbestände bilden sowohl boreale Nadelwälder als auch WaldtundrenÜbergang von der Kieferntaiga in die Birken-Waldtundra in Nordnorwegen
Die Nadelbäume der dunklen Taiga werden 15 bis 20 Meter hoch, die Lärchen der hellen Taiga bringen es nur noch auf rund acht Meter und die krüppelwüchsigen Bäume der Waldtundra werden nur noch vier bis sechs Meter hoch.
Wie bereits beschrieben, wird dieWaldtundra in vielen Betrachtungen nicht – oder nur „im Nebensatz“ – vom borealen Nadelwald differenziert, obwohl dieser Vegetationstyp nicht mehr eindeutig der Definition vonWald entspricht.[Anmerkung 4] Die Ursache liegt bei den vielen Ausnahmen, die eine Festlegung als eigenständigen Typ erschweren:[8][9][10][11]
Während die Waldtundra noch flächendeckend aufPermafrostböden wächst, gilt dies für die nördlichen Nadelwälder – mit Ausnahme Ostsibiriens – nicht mehr. Der Anteil dauergefrorener Flächen wird nach Süden hin immer geringer. Die Permafrostinseln werden hier als Relikte derletzten Eiszeit betrachtet.[12]
Es ist zumindest ungefähr möglich, für dieboreale Zone eine klimatischeWaldgrenze zu bestimmen und damit die Auflösungszone des Waldes bis hin zur absoluten Baumgrenze. Die Lärchentaiga Mittel- und Ostsibiriens ist jedoch überall so licht und reich an Unterwuchs, dass dies hier wesentlich schwieriger ist. Selbst in den süd-borealen Gebieten erinnert das Erscheinungsbild des Waldes eher an eine Waldtundra.
Die großflächigenoffenen Flechtenwälder Kanadas und Alaskas machen noch den Eindruck eines Waldes. Die häufig vorkommendevegetative Vermehrung und die demgegenüber stark eingeschränktegeschlechtliche Fortpflanzung über Sämlinge sowie die schlechte Regenerationsfähigkeit dieser „Wälder“ sind allerdings eindeutige Kennzeichen der Waldtundra. Die Waldgrenze hat sich seit der Entstehung der offenen Flechtenwälder vor 9.500 bis 7.500 Jahren immer weiter nach Süden verschoben, so dass in diesen Gebieten heute potenziell kein echter Wald mehr entstehen würde.
Die BirkenwälderFennoskandinaviens oderKamtschatkas werden alsBirkenwald-Taiga oder auch alsBirken-Waldtundra bezeichnet. Auf der einen Seite können sie in großen Arealen durchaus alsWald angesprochen werden; auf der anderen Seite bilden die Birken in diesen Gebieten die Baumgrenze, so dass das Hauptkriterium für die Waldtundra gegeben ist.
(Die Darstellung in der Wikipedia rechnet die lichten sibirischen Lärchenwälder zur Taiga und die offenen Flechtenwälder Nordamerikas sowie die Gebiete, die von Laubgehölzen dominiert werden zur Waldtundra.)
Klimatische Voraussetzungen
Die borealen Nadelwälder der Erde liegen in derkaltgemäßigten Klimazone und sind damit in der Regel durch kaltesKlimas mit langen, schneereichen Wintern und kurzen, relativ kühlen Sommern gekennzeichnet. Im kältesten Monat sinken die Durchschnittstemperaturen unter 0 °C, wobei das Minimum unter −40 °C liegt. Fünf bis sieben Monate liegt Schnee. Der wärmste Monat liegt im Mittel über 5 bis 20 °C; die Temperatur kann jedoch im Sommer durchaus auch über 30 °C steigen. Daslangjährige Temperaturmittel liegt bei den gemäßigteren Borealwäldern im Schnitt bei −8 bis 2 °C; in denhochkontinentalen Gebieten (insbesondere in Ostsibirien) bei −15 bis −1 °C. Hier liegen die Jahresschwankungen über 40 K.[13]
Dieboreale Zone beginnt im Süden dort, wo das Klima fürHartholz-Laubbäume zu ungünstig ist, d. h. wo die Anzahl der Tage mit Tagesmitteltemperaturen über 10 °C unter 120 liegt. Für die borealen Nadelwälder kommt zudem eine für das Pflanzenwachstum erschwerende geringeSonneneinstrahlung hinzu, die allerdings im Hochsommer durch dieMitternachtssonne zum Teilkompensiert wird. Die Vegetation erträgt eine Kälteperiode von maximal acht Monaten.
Mit Durchschnittswerten von 300 bis 700 (zum Teil 1000) mm für die gemäßigteren borealen Wälder sowie 200 bis 450 mm für die hochkontinentalen Gebiete sind die Jahressummen der Niederschläge niedrig bis mittel.[13] Im sehr kontinentalen Teil der borealen Klimazone liegen die Jahresniederschläge bei 150–250 mm pro Jahr. An 50 bis 100 Tagen steigen die Tagesmitteltemperaturen hier auf über 10 °C an. Inozeanischer geprägten Gebieten – wie in Skandinavien oder auf Kamtschatka – sind die Niederschläge etwa doppelt so hoch, während das Monatsmittel der Temperatur auch im kältesten Monat nicht unter −10 °C liegt.
Der Frost spielt bei der Bodenbildung[15] in den borealen Wäldern eine große Rolle. Insbesondere in den Permafrostgebieten Ostsibiriens mit ihrem kontinentalen Klima führt das abwechselnde Gefrieren und Tauen zu kleinen Senken und Erhebungen, die das Relief prägen und verschiedene Muster bilden können. Diese sogenanntenFrostmusterböden sind hier jedoch bereits deutlich seltener und weniger ausgeprägt als in Waldtundra und Tundra. MineralischePermafrostböden heißen in der internationalenBodenklassifikationWorld Reference Base for Soil Resources (WRB)Cryosole. Sie machen in Sibirien fast 50 % aller Taigaböden aus.
Unter den kalten und nassen Bedingungen im ozeanischen Teil der borealen Klimazone wird die anfallende Streu kaum von Tieren in den Mineralboden eingearbeitet und nur langsam von Bakterien und Pilzen zersetzt. Es bildet sich mit der Zeit eine mächtigeRohhumusauflage. Nährstoffe werden nur langsam durchMineralisierung freigesetzt und sind schlecht für Pflanzen verfügbar. Die reichlich vorhandenen Säuren mobilisieren aus dem oberen Mineralboden Eisen und Aluminium und schließlich auch organische Stoffe, die sich in tieferenBodenhorizonten wieder anreichern. So entstehenPodsole, die für das Pflanzenwachstum ungünstig sind. Echte Podsole finden sich vor allem in Nordeuropa und Ostkanada.
Verbreitet sind auch organische Böden, die in der WRBHistosole heißen. Sie haben meist mächtigeTorfhorizonte und treten teils mit und teils ohne Permafrost auf. Flachgründige Böden über Festgestein und Böden mit sehr vielSkelett werdenLeptosole genannt. Weite Areale sind von Grund- und Stauwasserböden, denGleysolen undStagnosolen, bedeckt.
Podsole, Stagnosole, Leptosole und Histosole sind mit je 10 % vertreten.[Anmerkung 5][16]
Die weltgrößten Torfvorräte (etwa ⅔ des Vorkommens) befinden sich in Russland.[18]
Durch die vorgenanntenabiotischen Faktoren ist die vorhandene Menge an Biomasse mittelgroß (100–300 t/ha Trockenmasse). Pro Jahr entstehen 5–6 t/ha neu.[19]
Feuer
Waldbrand in der kanadischen Taiga
Feuer bzw.Waldbrände spielen eine wichtige Rolle im Ökosystem und der Entwicklungsdynamik borealer Wälder.[20] Der Grund liegt in der mächtigen Streuauflage, die eine Verjüngung der Wälder behindert. Die Samen der Bäume finden keinen Kontakt zum Boden, wo sich die verfügbaren Nährstoffe befinden und sie wurzeln könnten. Durch Feuer wird der Mineralboden wieder freigelegt. Gleichzeitig werden die in der organischen Masse gespeicherten Nährstoffe freigesetzt (ein großer Teil davon geht durch Auswaschung allerdings später wieder verloren). Feuer sind regelmäßige, natürliche Ereignisse in diesem Ökosystem. Der Zeitraum zwischen zwei Feuerereignissen auf einer Fläche wird durch den Begriff derFeuerrotation beschrieben. In sommertrockenen Gebieten Alaskas und Kanadas sind dies 50 bis 100 Jahre, in feuchteren Gebieten 300 bis 500 Jahre. Unter natürlichen Umständen werden die Brände durch Blitzschlag ausgelöst.[18]
Ökologen vermuten, dass die meisten nordischen Nadelwälder vorwiegend aus Fichten bestehen würden, wenn die Feuer nicht wären, die die Kiefern begünstigen. Allerdings ist dabei zu beachten, dass eng stehende Fichtenbestände durch ihre dichte, kaum entzündbare Nadelstreu, weitgehend vor Feuern geschützt sind. Die lockere, leicht entzündliche Nadel- und Aststreu der Kiefern hingegen brennt sehr gut, im Gegensatz zu dem durch die dickeBorke geschützten Stamm von Lärchen und Kiefern. Insofern beruht die Konkurrenzkraft der Kiefern sowohl auf Feuerunempfindlichkeit als auch auf leichter Brennbarkeit.[23]
Fadenförmige Pilzzellen (Mycel) am Wurzelgeflecht einer amerikanischenWeißfichteBartflechten in einer abgestorbenen FichteWolfWaldbison Kanadas
DieBiodiversität der Flora ist in der borealen Zone – verglichen mit südlicheren Ökosystemen – gering. Mit Abstand am häufigsten sind Nadelbäume aus der Familie derKieferngewächse (mit den Gattungen Fichten, Kiefern, Tannen und Lärchen). Insgesamt existieren in den Taigagebieten nur zwanzig verschiedene Baumarten. Kein anderer Waldtyp ist so baumartenarm.
Die übergeordnetePflanzengesellschaft bilden die „Bodensauren Nadelwälder und Zwergstrauchgesellschaften“ (Vaccinio-Piceetae). In der Baumschicht findet man im westlichen Eurasien vor allem dieGemeine Fichte (Picea abies) und dieWaldkiefer (Pinus sylvestris). Nach Osten kommen dieSibirische Fichte (Picea obovata) (teilweise als Unterart der Gemeinen Fichte angesehen), dieSibirische Lärche (Larix sibirica) und dieDahurische Lärche (Larix gmelinii), dieSibirische Zirbelkiefer (Pinus sibirica) sowie dieSibirische Tanne (Abies sibirica) hinzu.[24] Wie bereits erwähnt ist das Artenspektrum der Bäume in Ostsibirien und in Nordamerika größer. Hier kommen jeweils rund 20 häufige Nadel- und Laubholz-Baumarten vor, während es in Westsibirien nur elf und lediglich sechs in Nordeuropa sind.
Mit von Norden nach Süden zunehmender Häufigkeit sind die Nadelwälder an geeigneten Standorten von kleinblättrigenWeichlaubhölzern der GattungenBirken,Pappeln (Espen sowie Balsampappeln),Erlen undWeiden durchsetzt. Neben der Klimaerwärmung können auch Waldbrände und andere Störungen begünstigen, dass der Anteil an Laubbäumen zunimmt.[25]
Zusammenhängende (Birken-)Laubwälder finden sich nur in den vomSeeklima begünstigten Gebieten Nordeuropas und Kamtschatkas. Sie werden jedoch zumeist der Waldtundra zugerechnet. Große Laubholzbestände innerhalb der Taiga säumen alsWeichholz-Auenwälder insbesondere die großen Ströme Sibiriens.
DieSymbiose zwischen den Gehölzen und dem enorm großen, unterirdischen Pilzgeflecht (Mykorrhiza) ist für die borealen Wälder von größter Bedeutung: Die Pilze versorgen die Bäume mit Nährstoffen, die sich die Bäume aus dem Rohhumus nicht verfügbar machen könnten. Als Gegenleistung bekommen die Pilze von den Bäumen vor allem Kohlenhydrate.
Zu den Charakterarten der Taiga gehören neben den Bäumen ebenso die nahezu flächendeckend vorkommenden Zwergsträucher der GattungenHeidelbeeren (Heidelbeere,Rauschbeere,Preiselbeere). Auf feuchten Standorten wächst häufig derSumpfporst.
Weitere typische Pflanzen sindWald-Wachtelweizen,Siebenstern,Blaue Heckenkirsche,Moosglöckchen,Sprossender Bärlapp,Moltebeere,Schwedischer Hartriegel, verschiedeneOrchideenarten (die wie die Bäume ihre Nährstoffe aus der Symbiose mit den Bodenpilzen beziehen),Farne undBärlappgewächse. Außerdem kommen zahlreicheMoose vor, die allesamtSäurezeiger sind. Sie stellen sich entweder aufgrund des Ausgangssubstrats des Bodens ein, oder die Koniferen schaffen durch ihre Einflussnahme auf die Bodeneigenschaften die für diese Pflanzen günstigen Bedingungen. Überdies sind die nordischen Wälder reich anFlechten, die sowohl am Boden als auch auf den Bäumen wachsen. Die Häufigkeit und Länge derBartflechten ist dabei ein Indikator für das Alter und die Naturnähe eines Waldes, da sie nur sehr langsam wachsen und empfindlich auf Luftschadstoffe reagieren.
Fauna
Ganz im Gegensatz zu den meisten anderen großen Vegetationszonen ist die Tierwelt auf der Ebene vonGattungen undFamilien in derNearktis Nordamerikas und derHolarktis Eurasiens nahezu identisch. Der Tierbestand ist sowohl von der Zahl der Arten wie auch der Individuen gering. Die herrschenden Nadelwälder und Moore bieten wenig Nahrung, etwas günstiger sind die sporadisch auftretenden Laubwälder und Sukzessionsflächen. Aufgrund der ausgeprägten Winter haben alle Tiere entsprechende Anpassungen entwickelt: Viele Vögel ziehen nach Süden, Säugetiere und Insekten halten eine Winterruhe oder sind unter der schützenden Schneedecke aktiv.
Von den Säugetieren besonders zahlreich vertreten ist die Familie derMarder. Während praktisch alle Säugetiere der borealen Nadelwälder auch darüber hinaus vorkommen, bewohnen einige Marderarten (vor allemZobel,Europäischer Nerz undFichtenmarder) fast ausschließlich die Taiga. Wenn man denWaldbison vom Präriebison getrennt betrachtet, gilt dies auch für dieses stattliche Rind.
Flüsse und Seen der borealen Nadelwälder sind Lebensraum für zahlreiche Fischarten, darunter viele Lachsarten.Reptilien undAmphibien fehlen weitgehend, ebenso wie größere Bodenlebewesen – tote organische Masse wird meist von Pilzen zersetzt.
In den borealen Nadelwäldern leben mehr als 300 Vogelarten, darunter so typische wieSingschwan undBirkhuhn.
Indigene Bewohner und Besiedlung
Chanten-Mädchen aus Mittelsibirien beim Beerensammeln
In dennaturnah verbliebenen, nahezu menschenleeren Wäldern des Nordens leben auch heute nochindigene Völker, deren Leben seit jeher von den Eigenarten ihres Landes geprägt wurde und die nach wie vor von weitgehend intakten ökologischen Verhältnissen ihrer angestammten Heimat abhängig sind. Die folgende Auswahl berücksichtigt daher nur solche Völker, bei denen zumindest einige Bevölkerungsteile noch nicht gänzlich die modernewestliche Kultur übernommen haben und bei denen diekulturelle Identität immer noch eine große – oftmals spirituell verankerte – Verbundenheit mit ihrem natürlichen Lebensraum enthält.
Dies darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich die ursprüngliche „naturnahe“ Lebensweise aller dieser Menschen durch zunehmende Technisierung, veränderte Abhängigkeiten durch den Einfluss des westlichen Lebensstils oder durch verschiedenartigeAssimilationspolitik und durch abnehmende überlieferte Kenntnisse bereits stark verändert hat! Es gibt zwar viele hoffnungsvolle Ansätze zur Bewahrung oder Wiederbelebung der Traditionen. Dies bezieht sich jedoch meistens auf Sprache, Materialkultur, Brauchtum oder Religion. Nur in wenigen Fällen haben diese Bestrebungen einenkulturökologischen Hintergrund, um den Erhalt dertraditionellen Landnutzung in den borealen Wäldern zu fördern.[26][27][28] Eine Ausnahme sind hier die (ergänzenden)subsistenzwirtschaftlichen Aktivitäten derIndigenen Alaskas – fischen, jagen, sammeln – die gesetzlich geschützt werden und Vorrang gegenüber marktwirtschaftlichen Bestrebungen in diesen Wirtschaftszweigen genießen.[29]
Die wichtigstenEthnien dereurasischen Taiga sind (von West nach Ost) dieKomi im westlichen (europäischen) Teil Russlands und inSibirien dieChanten undMansen,Selkupen,Keten,Tofalaren, Taiga-Tuwiner, etliche Gruppen dertungusischen Völker – vor allemEwenken,Ewenen,Udehe undNegidalen – und dieNiwchen. Neben Jagen, Fischen und Sammeln spielt das Rentier eine wichtige Rolle, jedoch mit wesentlich kleineren Herden als bei den Tundra-Bewohnern. Auch in den nordischen Wäldern Alaskas und Nordwest-Kanadas ergänzen viele Familien nahezu aller indigener Gruppen desKulturareales „Subarktis“ ihre Einkünfte durch traditionelle Jagd und Sammeltätigkeiten. In Alaska fördert der Staat die Subsistenzwirtschaft. Je weiter einelokale Gemeinschaft von Holz-, Bergbau-, Energie- oder Tourismusunternehmen entfernt lebt (etwa kleine Camps derDenesuline in denNordwest-Territorien), desto größer ist der Anteil der Selbstversorgung. Im Nordwesten Nordamerikas leben etliche Gruppen derAthabasken-Stämme und im Nordosten wohnen verschiedene Gruppen der zentralenAlgonkin-Sprachfamilie (vor allemCree in den Wäldern rund um die Hudson-Bay undInnu auf derLabrador-Halbinsel).
Aufgrund des für die Landwirtschaft ungünstigen Klimas sind die borealen Waldländer meist mit weniger als 5Einwohnern pro Quadratkilometer sehr dünn besiedelt. Eine Beschreibung des Lebens in der Taiga bietet der Roman vonWladimir Arsenjew:Dersu Usala (russ. Дерсу Узала / Dersu Uzala), 1923 (dt.Dersu Usala, der Taigajäger, DDR 1967; dt.Der Taigajäger Dersu Usala, übersetzt von Gisela Churs, Zürich 2009,ISBN 978-3-293-20457-7).
↑Die einzelnen Vegetationstypen, Biome und Ökoregionen, wie auch ihre zonalen Entsprechungen Vegetationszonen, Zonobiome und Ökozonen, sind nicht deckungsgleich! Verschiedene Autoren, unterschiedliche Parameter und fließende Grenzen sind die Ursache. Weitergehende Informationen bietet der ArtikelZonale Modelle der Biogeographie. Eine animierte Kartendarstellung verdeutlicht die Problematik im ArtikelGeozone.
↑Die genannten Prozentwerte sind (z. T.) gemittelte Werte aus verschiedenen Veröffentlichungen. Die Abweichungen sind unvermeidbar, da es in der Realität keine eindeutigen Grenzen zwischen benachbarten Landschaftstypen gibt, sondern nur mehr oder weniger breite Übergangsräume.
↑Die Farbwahl wurde aus Gründen der besseren Erkennbarkeit gegenüber der Originalkarte „Vegetationszonen“ verändert.
↑Ein Wald ist einePflanzenformation, die „im Wesentlichen aus Bäumen aufgebaut ist und eine so große Fläche bedeckt, dass sich darauf ein charakteristisches Waldklima entwickeln kann“.
↑Angaben nach der Referenz-Bodenklassifikation derWorld Reference Base for Soil Resources (Abkürzung WRB)
Einzelnachweise
↑Deutscher Wetterdienst Hamburg:Globalstrahlung Welt 1981–1990
↑Wolfgang Pfeiffer:Etymologisches Wörterbuch des Deutschen. dtv, München 1985.
↑Anton Fischer:Forstliche Vegetationskunde. Blackwell, Berlin u. a. 1995,ISBN 3-8263-3061-7.
↑Wolfgang Tischler:Einführung in die Ökologie. Fischer, Stuttgart 1979,ISBN 3-437-20195-6, S. 185–192.
↑Richard Pott:Allgemeine Geobotanik – Biogeosysteme und Biodiversität. Springerverlag, Heidelberg 2005,ISBN 3-540-23058-0, S. 415–416.
↑Die Vegetationszonen der Erde. Alexander-Weltatlas, Klett, Stuttgart 1976.
↑Burkhard Frenzel:Die Vegetation Nord-Eurasiens während der postglazialen Wärmezeit. 1955, in Erdk. 9, S. 40–53.
↑T.L. Ahti, L. Hämet-Ahti, J. Jalas:Vegetation zones and their sections in northwestern Europe. Annales Botanici Fennici 5, 1968, S. 169–211.
↑Heinz Nolzen (Hrsg.):Handbuch des Geographieunterrichts. Bd. 12/II, Geozonen, Aulis Verlag Deubner & Co. KG, Köln 1996,ISBN 3-7614-1619-9. S. 107.
↑abIn der Biogeographie existiert eine Vielzahl von Grenzwerten verschiedener Autoren, die voneinander abweichen, zum Teil veraltet sind und bis zur Jahrtausendwende nie verifiziert wurden(siehe Quelle Beierkuhnlein & Fischer, S. 249 sowieGeozonen#Datengrundlage). Die hier genannten Spannen der Jahresdurchschnittstemperaturen und -niederschlagssummen sind gemittelte Werte aus den Bezugsrahmen, die zwei moderne Studien (2017 u. 2021) zur Ermittlung der realistischen Abgrenzungen von Biomen geschaffen haben. Für die detaillierteren Biom-Untergliederungen und unter Berücksichtigung konzeptionell festliegender Werte wurde nach Möglichkeit auf die Einteilungen und Festlegungen von Post et al. (1982) und Müller-Hohenstein (1989) – sowie für die hochkontinentalen Bereiche auf die Nennung in Pfadenhauer & Klötzli (2014) – zurückgegriffen, da sie den Studienergebnissen am ehesten entsprechen.
Mingkai Jiang, Benjamin Felzer, Uffe N Nielsen, Belinda E. Medlyn:Biome‐specific climatic space defined by temperature and precipitation predictability, Research Paper in Wiley Global Ecology an Biogeography, September 2017,doi:10.1111/geb.12635, S. 1275–1277.
W. M. Post, W. R. Emanuel, P. J. Zinke, A. G. Stangenberger.:Grafik: Die Kohlenstoffvorräte im Mineralboden in Abhängigkeit von Klima und Vegetation, in Anwendung deslife zone-Modelles nachHoldridge 1947, aus ‘‘Soil carbon pools and world life zones‘‘, in Nature 298, 1982, S. 156–159, übernommen in Jürgen Schultz:Die Ökozonen der Erde. 4., völlig neu bearbeitete Auflage, Ulmer UTB, Stuttgart 2008,ISBN 978-3-8252-1514-9. S. 79.
Jörg S. Pfadenhauer, Frank A. Klötzli:Vegetation der Erde. Springer Spektrum, Berlin/Heidelberg 2014,ISBN 978-3-642-41949-2. S. 476.
Klaus Müller-Hohenstein:Die geoökologischen Zonen der Erde (1989, S. 6–7), in Heinz Nolzen (Hrsg.):Handbuch des Geographieunterrichts. Bd. 12/I, Geozonen, Aulis Verlag Deubner & Co. KG, Köln 1995,ISBN 3-7614-1618-0. S. 9.