Birmingham wird oftBrum genannt (abgeleitet vom alten NamenBrummagem), dessen EinwohnerBrummies. Birmingham ist eine der ethnisch vielfältigsten StädteGroßbritanniens. Ein großer Teil der Bevölkerung stammt aus derKaribik, vomindischen Subkontinent und ausIrland. Die mit Abstand größte ethnische Minderheit stellen dieBritisch-Pakistaner, mit etwa 150.000 Einwohnern, vor allem aus dem vonPakistan kontrollierten TeilKaschmirs. Birmingham ist die Stadt, in der die meisten Kaschmiris außerhalb Kaschmirs leben. Sie sprechen fast ausschließlichPanjabi als Erstsprache. In der Stadt leben die meistenRastafaris außerhalb vonJamaika, und hier findet die drittgrößte Parade zumSaint Patrick’s Day statt (nachDublin undNew York). Laut einer Volkszählung im Jahre 2001 gehörten 29,7 % der Bevölkerung ethnischen Minderheiten an, davon 10,6 % aus Pakistan, 6,1 % aus der Karibik und 5,7 % ausIndien.
Millionen vonTouristen besuchen Birmingham jedes Jahr, und die Stadt bietet nach demWest End in London die besten Einkaufsmöglichkeiten des Landes. Das einst von riesigen grauen Industrieanlagen geprägte Erscheinungsbild der Stadt wurde in den letzten Jahren merklich aufgefrischt und verschönert.
Kleine Bauerndörfer existierten bereits während derBronzezeit in der Region um Birmingham. Zur Zeit desRömischen Reiches (→Großbritannien in römischer Zeit) führte eine wichtige Straße durch Birmingham und es existierte einrömisches Lager in den heutigen südlichen Vororten. Es wurde auch eine kleine römische Siedlung (vicus) ausgegraben.
Nach dem Rückzug der Römer war die Gegend um Birmingham nur sehr dünn besiedelt, da die schlechte Qualität des Bodens keine produktiveLandwirtschaft zuließ. Das heutige Stadtgebiet war zum größten Teil bewaldet.
Der Name Birmingham stammt vomangelsächsischen Beormaham (Dorf der Sippe von Beorma). Beorma war vermutlich ein lokaler Stammesführer. Später wurde daraus Brummagem und schließlich Birmingham. Im Bereich des Stadtteils Digbeth im Stadtzentrum zeigen heute Straßennamen wie Rea Street an, dass eine Siedlung an einer Furt durch denRiver Rea in diesem Bereich die Keimzelle Birminghams war.
Nach der EroberungEnglands durch dieNormannen wurde die Gegend ein Lehen der Familiede Birmingham, die dort eine kleine Bauernsiedlung errichten ließ. ImDomesday Book wird Birmingham als relativ unwichtiges Dorf mit einem Wert von nur gerade 20 Shilling erwähnt.
Im Jahre 1154 erhielt der Lehnsherr Peter de Birmingham das Recht,Märkte durchzuführen. Der Markt, derBull Ring genannt wurde, ermöglichte den Aufstieg von einem winzigen, unbedeutenden Bauerndorf zu einem wohlhabenden Handelszentrum. Bereits um 1300 war Birmingham die drittgrößte Siedlung in der GrafschaftWarwickshire, hinterCoventry undWarwick.
Die Familie de Birmingham kontrollierte die Gegend bis 1527, als derHerzog vonNorthumberland das Lehen übernahm.
Beim Ausbruch des Englischen Bürgerkriegs 1642 wurde Birmingham zu einem Symbol des puritanischen und parlamentarischen Radikalismus.[6]Die Ankunft von 400 bewaffneten Männern aus Birmingham war ausschlaggebend dafür, dassCoventry sich im August 1642 weigerte,Karl I. aufzunehmen.Warwickshire wurde zu einer Hochburg des Parlaments.[7]Der Marsch des Königs und seiner Armee südlich vonShrewsbury in den Tagen vor derSchlacht von Edge Hill im Oktober 1642 stieß auf starken lokalen Widerstand. Truppen unter der Führung vonRuprecht von der Pfalz, Duke of Cumberland und demEarl of Derby gerieten in Moseley und in King’s Norton (beide sind heute Stadtteile von Birmingham) in Hinterhalte, die Bewohner von Birmingham ihnen gestellt hatten.Der Gepäcktross des Königs wurde angegriffen; seine persönlichen Besitztümer wurden geplündert und nachWarwick Castle transportiert, während der König im Palast Aston Hall beim Royalisten Sir Thomas Holte wohnte.[6] Die Metallverarbeitung in Birmingham war ebenfalls von Bedeutung: laut einem Bericht stellte die Hauptmühle der Stadt 15.000 Schwerter für parlamentarische Streitkräfte her.[8]Am 3. April 1643 fand dieBattle of Birmingham (auchBattle of Camp Hill genannt) statt. 300 parlamentarische Kämpfer hielten eine Truppe von Royalisten (darunter 1200 Reiter) eine Zeit lang auf und wurden dann überflügelt.
Vom 15. Jahrhundert an wurde Birmingham Zentrum zahlreicher metallverarbeitender Betriebe sowie der Waffenherstellung (Schwerter undGewehre). Die Lage Birminghams im Landesinnern, fernab der Seehandelswege, bedeutete, dass Waren von hoher Qualität produziert werden mussten, um auf dem Exportmarkt überhaupt eine Chance zu haben. Der Name Birmingham war deshalb bald gleichbedeutend mit Qualität.
Der Waffenhandel wurde vor allem durch denenglischen Bürgerkrieg angekurbelt. 1642 wurde Birmingham von königlichen Truppen verwüstet. Aus diesem Grund schloss sich die Stadt der Sache der Parlamentarier an und lieferte Waffen an deren Armee. Nicht weniger als 15.000 Schwerter sollen für die Truppen vonOliver Cromwell produziert worden sein.
Die gut ausgebildeten Arbeitskräfte und die Tatsache, dass Birmingham nahe denKohlefeldern vonWarwickshire undStaffordshire lag, hatten zur Folge, dass die Stadt rasch wuchs. Am Ende des 18. Jahrhunderts war Birmingham bereits die größte Stadt von Warwickshire.
Um 1800 herum wurde ein weitverzweigtes Netz vonNarrowboat-Kanälen gebaut, die das Wachstum der Stadt weiter begünstigten. In den 1830er Jahren wurdenEisenbahnlinien nachLiverpool,Manchester undLondon gebaut.Birmingham New Street wurde einer der wichtigstenBahnhöfe des Landes.
Rathaus von Birmingham (Council House), gebaut 1879, inVictoria Square
Um 1850 war Birmingham bereits die zweitgrößte Stadt des Landes. Sie wurde Standort zahlreicher industrieller Produktionsstätten, wie z. B. der bedeutenden britischenFahrzeug– undRüstungsschmiedeBSA, und erhielt, der riesigen Bandbreite von Gütern wegen, die hier produziert wurden, bald den ÜbernamenCity of a thousand trades. Allerdings machten die vielen Industrieanlagen die Stadt zu einem grauen, ungesunden und unfreundlichen Ort. 1896 erhielt Birmingham dasStadtrecht. Zwischen 1889 und 1911 wurden die Vorstädte Aston, Edgbaston, Erdington, Handsworth, Kings Norton, Northfield und Yardley eingemeindet.
Die Stadt erlitt während des Zweiten Weltkriegs große Zerstörungen durch Bombardierungen der deutschenLuftwaffe (Birmingham Blitz). DieKampfgeschwader 55 und51 flogen vom 9. August 1940 bis zum 23. April 1943 77 Luftangriffe (davon acht große mit jeweils über 100 Tonnen abgeworfene Bomben). 2241 Zivilisten starben und 6692 wurden verletzt.[9]
Nach Kriegsende wurden viele der heruntergekommenen Arbeiterviertel abgerissen, teils wegen der schlechtenBausubstanz und auch weil einige von ihnen zuSlums geworden waren. Große Teile der Stadt und das Stadtzentrum wurden neu gebaut. Bei einerKommunalreform im Jahr 1974 wurde die VorstadtSutton Coldfield eingemeindet, und Birmingham wurdekreisfreie Stadt.
Ab 1950 setzte eine große Einwanderungswelle ein. Viele Menschen aus denCommonwealth-Staaten zogen nach Birmingham und in die nähere Umgebung. Ab 1980 kam ein zweiter Einwanderungsschub, diesmal von Menschen aus demKosovo und ausSomalia. Auseinandersetzungen zwischen Minderheiten und der Polizei führten 1985 zu Rassenunruhen.
Seit den 1970er Jahren wandelt sich Birmingham von einer Industrie- zu einer Dienstleistungsstadt. Sinnbild dieserStadterneuerung ist unter anderemBrindleyplace. Neben dem Flughafen wurde das National Exhibition Centre gebaut, das größteMessegelände des Landes. Flughafen und Messe liegen in der NachbarstadtSolihull, nicht in Birmingham. 1998 fand in Birmingham einG8-Gipfel statt. 1999 fand hier der weltweiteIUGG-Kongress statt. Birmingham kandidierte erfolglos alseuropäische Kulturhauptstadt 2008.[10]
Im September 2023 erklärte Birmingham sich für faktisch bankrott (section 114 notice).[11][12]
Zur Zeit der Industriellen Revolution blühten Birmingham und die umliegenden Gebiete auf. In den Fabriken wurden Schwerter, Kanonen, Pistolen, Uhren, Schmuck, Eisenbahnwaggons und Dampfmaschinen hergestellt.
DasGun Quarter (deutsch „Waffenviertel“) ist ein Viertel von Birmingham, das viele Jahre ein Zentrum der Waffenindustrie der Welt war. Der erste aufgezeichnete Pistolenhersteller in Birmingham war im Jahre 1630, und lokal hergestellte Musketen wurden imenglischen Bürgerkrieg verwendet. Es ist ein Industriegebiet im Norden des Stadtzentrums, begrenzt von Steelhouse Lane, Shadwell Street und Loveday Street, spezialisiert auf die Herstellung von militärischenFeuerwaffen undSportwaffen. Nach dem großen Stadtentwicklungsplan von 2008 ist das Waffenviertel jetzt ein Bezirk innerhalb von Birmingham City Centre. Viele Gebäude in der Gegend sind nicht genutzt, aber es gibt Pläne für eine Sanierung, einschließlich in der Shadwell Street und der Vesey Street.[13][14]
Die zentrale Einkaufsstraße New Street
Obwohl Birmingham über 100 Kilometer vom Meer entfernt liegt, wurden hier sogar Schiffe hergestellt; die vorfabrizierten Einzelteile wurden dann an der Küste zusammengesetzt.
1836 wurde die erste Filiale derMidland Bank eröffnet. Sie war eine der größten Banken des Landes und gehört heute zumHSBC-Konzern. Bis 2003 wurden in der Birmingham Mint, der ältesten unabhängigenMünzprägestätte der Welt, Münzen hergestellt. Birmingham ist ein Zentrum der Bier- und Schokoladenindustrie. Bis zum Konkurs derMG Rover Group im Jahr 2005 wurden im Stadtteil Longbridge Wagen der Marke MG und Rover produziert.
Obwohl die Industrie noch immer eine wichtige Rolle einnimmt, wird ihre einstige Bedeutung vom Dienstleistungssektor langsam aber sicher übertroffen; auch der Finanzsektor und der Tourismus werden immer wichtiger.
Laut einer Studie aus dem Jahr 2014 erwirtschaftet der Großraum Birmingham einBruttoinlandsprodukt von 121,1 Milliarden US-Dollar (KKB), womit es das zweitgrößte Wirtschaftszentrum des Landes ist. In der Rangliste der wirtschaftsstärksten Metropolregionen weltweit belegte er damit den 112. Platz. Das BIP pro Kopf betrug 31.571 US-Dollar. Insgesamt sind 1,8 Millionen Personen in dem Metropolraum beschäftigt.[15]
Birmingham ist der Knotenpunkt verschiedenerAutobahnen, die die Stadt umschließen. Die jeweiligen Abschnitte sind derMotorway M42 an der Süd- und Ostseite,Motorway M6 an der Nordseite undMotorway M5 an der Westseite. DasAutobahnkreuz Gravelly Hill nordöstlich der Stadt wird wegen seiner Kompliziertheit scherzhaft „Spaghetti Junction“ genannt. Von ihm führt derMotorway A38(M), eine siebenspurige Autobahn ohne Mittelstreifen, stadteinwärts. 2003 wurde mit demMotorway M6 Toll nördlich der Stadt die erste mautpflichtige Autobahn Großbritanniens eröffnet, die alsUmfahrung Birminghams und der umliegenden Agglomeration dient.
Im Osten der Stadt liegt der FlughafenBirmingham International, von dem aus Flüge nach ganz Europa sowie nach New York angeboten werden und der an das Eisenbahnnetz angeschlossen ist.
Zwar liegt Birmingham an keinem großen Fluss, ist jedoch der Knotenpunkt des mittelenglischenNarrowboat-Kanalsystems. Innerhalb der Stadtgrenzen gibt es Kanäle mit einer Gesamtlänge von 60 Kilometern. Es wird oft behauptet, dass Birmingham mehr Kanäle alsVenedig besitzt (allerdings ist die Stadtfläche auch um einiges größer). Viele Kanäle waren mit der Zeit unpassierbar geworden, werden jedoch seit den 1980er Jahren wieder instand gesetzt und sind heute beliebte Touristenattraktionen mit zahlreichen Bars und Restaurants.
Die öffentliche Bibliothek, 2012Das HochhausRotunda vor der Renovierung 2006–2007Selfridge-Bau
Birmingham besitzt zahlreicheTheater undKunstmuseen. Die Stadt übernahm auch eine Pionierrolle in derGraffiti- und Hip-Hop-Kultur. Hier finden zahlreiche kulturelle Großveranstaltungen statt, zum Beispiel die drittgrößte Parade der Welt zum Saint Patrick’s Day (nach Dublin und New York), die Militärshow „Birmingham Tattoo“ oder das Birmingham Film Festival. Seit Ende des 19. Jahrhunderts findet in Birmingham mit derHundeausstellungCrufts eine der weltweit größten und ältesten Messen dieser Art statt.
Die FirmaBradmatic mit Sitz in Birmingham entwickelte und stellte dasMellotron her, einen der ersten brauchbarenSynthesizer, der einen bedeutenden Einfluss auf die Rockmusik jener Zeit ausübte.
Nach der Einwanderungswelle aus den Karibikstaaten in den 1970ern wurde dieReggae-Musik immer bedeutender; die bekanntesten Vertreter sindUB40 undSteel Pulse.
Birmingham besitzt zwei bekannte klassische Institutionen, dasCity of Birmingham Symphony Orchestra (CBSO) und dasBirmingham Royal Ballet. Beim CBSO wirkteSimon Rattle als Dirigent und Leiter von 1980 bis 1998, bis er aufgrund der schlechten finanziellen Ausstattung des Orchesters seinen Vertrag nicht mehr verlängern wollte.
Von 1784 bis 1912 fand dasBirmingham Triennial Music Festival statt, das damals als das beste Musikfestival Großbritanniens galt. Berühmte Komponisten wieMendelssohn undDvořák schrieben eigens für dieses Festival neue Kompositionen.
Birmingham Wildlife Conservation Park (2,6 ha Fläche; Anfang 2024: 186 Tiere in 85 Arten)
Birmingham Thinktank – Technik-Museum, darin wird zum Beispiel die älteste noch funktionierendeDampfmaschine gezeigt (Jahrgang 1779, gebaut vonJames Watt)
Jewellery Quarter – die größte Häufung von Juweliergeschäften und Schmuckherstellern in Europa – mit dem Museum of the Jewellery Quarter (2022 von gut 1000 Personen besucht[17]), einem Ankerpunkt derEuropäischen Route der Industriekultur (ERIH)
Bullring – neues Einkaufszentrum in der Innenstadt von Birmingham; erbaut, nachdem das alte Bullring 2001 abgerissen worden war
Selfridge-Kaufhaus – modernes Kaufhaus in geschwungener Form, das vollständig mit 60 Zentimeter großen Aluminiumscheiben verkleidet ist.
In Birmingham spielen zwei der ältesten und renommiertesten Fußballclubs Englands,Aston Villa (gegründet 1874) undBirmingham City (gegründet 1875). Birmingham City ist aktuell nur zweitklassig, Aston Villa schaffte in der Saison 2018/19 wieder den Aufstieg in die Premier League. Die erste professionelle Fußballliga Englands wurde am 22. März 1885 im heutigen Stadtteil Aston gegründet.
1927 fand in derCamkin's Hall das Finale der erstenSnookerweltmeisterschaft statt. Organisiert wurde sie von Bill Camkin und dem späteren ersten WeltmeisterJoe Davis.
↑abRose 1964, S. 270–297 (Rose, R. B. (1964), "Political History to 1832", in Stephens, W.B. (ed.), The City of Birmingham, The Victoria History of the County of Warwick, vol. VII, Oxford: Oxford University Press, pp. 270–297)
↑Eversley 1964, S. 84–93 (Eversley, D. E. C. (1964), "Industry and Trade, 1500–1880", in Stephens, W.B. (ed.),The City of Birmingham, The Victoria History of the County of Warwick, vol. VII, Oxford: Oxford University Press, S. 81–139)
↑Cherry, Gordon E. (1994),Birmingham: a study in geography, history, and planning. Belhaven world cities series,Wiley,ISBN 0-471-94900-0
↑Alan Berube, Jesus Leal Trujillo, Tao Ran, and Joseph Parilla:Global Metro Monitor. In:Brookings. 22. Januar 2015 (brookings.edu [abgerufen am 19. Juli 2018]).