EineBibliothek oderBücherei ist eine Dienstleistungseinrichtung, die ihren Benutzern Zugang zuInformation vermittelt.[1][2] Im Hinblick auf die Vielfalt der von Bibliotheken gesammelten Inhalte kann eine Bibliothek im weitesten Sinn als Sammlung veröffentlichter Informationen definiert werden.[3]
Bibliotheken sammeln, erschließen, bewahren und machen Informationen verfügbar. Zumeist geschieht dies durch die Bereitstellung vonMedien, digitalen Inhalten und Dienstleistungen.[4] Bibliotheken informieren über ihren Sammelbestand durch irgendeine Art von gedrucktem Katalog oder elektronischer Datenbank. Darin unterscheiden sich Bibliotheken von einfachen Bücherlagern.
Zugang und Benutzung sind meist frei und kostenlos, zum Teil sind Entleihungen gegen ein Entgelt erforderlich. Die meisten Bibliotheken werden mit Steuergeld finanziert; aber auchkirchliche,öffentlich-rechtliche und private Organisationen sowieUnternehmen unterhalten Bibliotheken.
Neben gedruckten Medien (wie Büchern und Zeitschriften) bieten heute immer mehr Bibliotheken auchdigitale Medien[5] an (wieE-Books,DVDs oderElektronische Zeitschriften) und verfügen über im Internet zugänglichedigitale Bibliotheken. Hierbei bestehen oftmals Einschränkungen hinsichtlich der zugriffsberechtigten Benutzerkreises, was auf lizenzrechtliche Regelungen der Verlage von elektronischen Medien zurückzuführen ist.
Das Wort „Bibliothek“ wurde aus demGriechischen übernommen. Bereits in derAntike bezeichnete das Wortβιβλιοθήκηbiblio-thḗkē einen „Buch-Behälter“.[6] Das kann ein Raum mit Ablagen sein, ein Kasten oder eine Kiste, bei den Römern genannt „scrinium“ oder „capsa“.[7] „Bücherei“ ist eine 1658 vonJohann Amos Comenius eingeführteLehnübersetzung aus dem Niederländischen.[8] Mit dem Begriff „Bibliothek“ wird das solitäre Bauwerk wiederum erst mit dem 18. Jahrhundert identifiziert.[9]
Innerhalb der bibliothekswissenschaftlichen Literatur wurde der Begriff „Bibliothek“ oft und unterschiedlich definiert.[10] Eine häufig zitierte moderne Definition stammt von Gisela Ewert undWalther Umstätter: „Die Bibliothek ist eine Einrichtung, die unter archivarischen, ökonomischen undsynoptischen Gesichtspunkten publizierte Information für die Benutzersammelt, ordnet und verfügbar macht.“[11]
Die Einteilung von Bibliotheken lässt sich anhand verschiedener Kriterien vornehmen. Die geläufigste Unterteilung ist die inÖffentliche Bibliotheken (ÖB) für die breite Bevölkerung undWissenschaftliche Bibliotheken (WB), die zwar ebenfalls öffentlich zugänglich, aber speziell auf die Bedürfnisse von Wissenschaftlern und Studierenden ausgerichtet sind.
Fast alle Bibliotheken sind frei zugänglich, Ausnahmen können hierbei private Bibliotheken von Unternehmen, aber auch Spezialbibliotheken anderer Institutionen sein. Auch einige Hochschulbibliotheken berechnen Nutzern, die nicht Mitglieder der jeweiligen Universitäten sind, pauschale Nutzungsentgelte. Bezahlt werden muss erst mit der ersten Ausleihe eines Mediums, wobei meist pauschale, geringe Jahresgebühren erhoben werden. Auch muss sich der Benutzer vor der ersten Entleihung fast immer einen Benutzerausweis der jeweiligen Bibliothek ausstellen lassen.
DieMedien einer Bibliothek können sich gänzlich oder zum Teil inMagazinen befinden, die nur von den Bibliotheksmitarbeitern betreten werden dürfen. Dies wird als Magazinbestand bezeichnet. Solche Medien müssen zur Ansicht und zur Ausleihe bestellt werden. Der heute überwiegend für Magazinbestellungen genutzte Kanal sind die über das Internet frei zugänglichen Online-Kataloge (OPACs) der Bibliotheken. In diesen Katalogen sind sämtliche Medien samt ihrem Standort in der Bibliothek verzeichnet und für den Benutzer über Suchbegriffe auffindbar und bestellbar. In anderen Fällen erfolgt die Bestellung von Magazinbeständen über Formulare, die auf Papier ausgefüllt und abgegeben werden. Aufgrund der Bestellung entnehmen Mitarbeiter der Bibliothek das Buch von seinem Standort im Magazin und legen es zur Abholung durch den Benutzer bereit. Dieser Vorgang wird als Ausheben bezeichnet.
Neben dem Magazinbestand gibt es fast immer auch einen für die Benutzer zugänglichen Bereich, in dem Medien benutzt und durchgesehen werden können (Freihandaufstellung). Ein Teil dieser frei aufgestellten Bestände wird häufig gebraucht (etwaNachschlagewerke oderTageszeitungen) und ist daher nicht entleihbar, sondern nur zur kurzen Benutzung an Ort und Stelle gedacht (Präsenzbestand). Zum nicht entleihbaren Bestand zählen auch besonders alte und wertvolle Medien. Nicht in der jeweiligen Bibliothek vorhandene Medien können zum Ankauf vorgeschlagen oder überFernleihe von anderen Bibliotheken bestellt werden.
Den Benutzern stehen generellLesesäle zur Verfügung, oft auch Computerarbeitsplätze mit Internetzugang oder sogar eigeneKabinen. Weiters finden sich fast immerKopiergeräte undBuchscanner, in Öffentlichen Bibliotheken auch Wiedergabegeräte fürMusik-CDs undDVDs.
In der Regel haben Medien eine bibliothekseigene Nummer (Signatur), anhand derer der Standort des Exemplars leicht gefunden werden kann. Die für Benutzer zugänglichen Bestände sind meist in einer bestimmtenOrdnung aufgestellt.
In jüngerer Zeit werden die Nutzungsformen von Bibliotheken verändert bzw. erweitert. Die nicht-textbasierte Wissensvermittlung steht bspw. inMakerspaces im Vordergrund. Die verschiedenen Funktionen von Bibliotheken (z. B. „Dritter Ort“ für Begegnungen) sind Diskussionsgegenstand der Bibliotheksbranche. Zu den neuen Nutzungsformen zählen auch die Gamingangebote.[12]
Bibliotheken geben ein Vielfaches an dem aus, was sie durch Benutzungsgebühren,Mahngebühren, die Bereitstellung von technischer Infrastruktur (etwaKopierer) und kleinere Services verdienen können. Unter den Ausgaben bildet der Personalaufwand den mit Abstand größten Posten, darauf folgt die Anschaffung neuer Medien. Finanziert werden Bibliotheken vom Unterhaltsträger. Der bedeutendste Unterhaltsträger ist die öffentliche Hand, wobei derBund, dieLänder wie auchGemeinden Bibliotheken finanzieren. Dazu kommen Träger wieStiftungen öffentlichen Rechts undKörperschaften des öffentlichen Rechts. Ein wichtiger Bibliotheksträger im deutschsprachigen Raum ist auch die Kirche, weitere sind:Vereine, Unternehmen,Stiftungen bürgerlichen Rechts und einzelne Personen.[13]
Zu den zentralen Arbeitsvorgängen einer Bibliothek zählen die Erwerbung und Aussonderung von Medien, die Katalogisierung von Medien und die Ausleihe von Medien. Dazu kommt dieRetrodigitalisierung der vorhandenen Medien und die Förderung vonLese- undInformationskompetenz.
Die Erwerbung (Akzession) dient der Anschaffung neuer Medien. Die deutschen Bibliotheken haben 2012 rund 399 Millionen Euro für die Erwerbung ausgegeben. In kleineren Bibliotheken wird die Erwerbung oft von einem einzigenBibliothekar durchgeführt oder nur nebenbei mitbetreut, in größeren hingegen, besteht meist eine eigene Erwerbungsabteilung. Nach der Erwerbung werden die Neuzugängeerschlossen, d. h. in einen durchsuchbarenBibliothekskatalog eingetragen. Der gegenteilige Vorgang zur Erwerbung, bei dem überflüssige Medien ausgesondert werden, ist dieDeakzession. Erwerbung und Deakzession werden zusammen gelegentlich als Bestandsaufbau, Bestandsmanagement oder Bestandsentwicklung bezeichnet. Im Rahmen der Erwerbung wird der Bibliotheksbestand nicht nur durch Ankäufe vergrößert, sondern auch durchPflichtexemplare,Schenkung, Tausch und Lizenzierung. Um auch seltene Bücher einmal pro Staat verfügbar zu machen, arbeiten Bibliotheken in Erwerbungskooperationen zusammen.
Bis auf die allerkleinsten verfügen Bibliotheken – wie andere Betriebe auch – über eineAufbauorganisation, die in einemOrganigramm veranschaulicht werden kann. Auch wenn diese Struktur nicht mehr die einzige ist, gliedern sich noch viele Bibliotheken unterhalb der Bibliotheksleitung grob in drei traditionelle Hauptabteilungen:
Bibliotheksleitung
Zentralabteilungen und Stabsstellen
Erwerbungsabteilung
Katalogisierungsabteilung
Benutzungsabteilung
Dazu kommen übergreifende Zentralabteilungen wie etwa die IT-Abteilung und die direkt der Bibliotheksleitung unterstehendenStabsstellen. Stabsstellen können temporär eingerichtet werden (etwa zur Durchführung einer Ausstellung oder Einführung einer neuen Software) oder dauerhaft bestehen (etwa für dieÖffentlichkeitsarbeit oder dieProvenienzforschung). Benutzer treten meist nur mit der Benutzungsabteilung in direkten Kontakt. Neben der sogenannten „funktionalen“ Gliederung ist auch eine „fachliche“ Unterteilung möglich, die sich nicht daran orientiert, welche Funktion eine Abteilung erfüllt, sondern daran, mit welchen Themengebieten sich eine Abteilung beschäftigt. So bestehen oft eigene Abteilungen etwa für geisteswissenschaftliche oder naturwissenschaftliche Literatur, die innerhalb dieser Bereiche sämtliche Arbeitsvorgänge (Erwerbung, Katalogisierung) selbst abwickelt.[14]
DieAblauforganisation eines Betriebs bestimmt die Reihenfolge der einzelnen Arbeitsschritte, in Bibliotheken spricht man auch vom sogenannten Geschäftsgang. Ein häufig zu findender Ablauf ist die Wanderung der neuen Medien durch folgende Arbeitsschritte (von oben nach unten):
Erwerbung (mit den Schritten Auswahl, Bestellung, Lieferkontrolle, Verrechnung und Inventarisierung)
Katalogisierung (mit den Schritten Formalkatalogisierung und Sachkatalogisierung)
Technische Bearbeitung (mit den Schritten Binde-, Pflegearbeiten und Etikettierung)
In Deutschland wird dieGesetzgebung vom Bund und den Ländern ausgeübt. Für dieRechtsprechung sind in erster Linie die Länder zuständig, erst die obersten Gerichte sind Bundeseinrichtungen. In Österreich und Deutschland sind die Gemeinden nicht gesetzlich dazu verpflichtet, eine Bibliothek zu unterhalten, in Finnland, Dänemark und Großbritannien hingegen schon. In Deutschland sind die Gemeindebibliotheken meist Teil derStadtverwaltung, seit den 1980er Jahren kommen vereinzelt aber auch dieRechtsformenEigenbetrieb,Gemeinnützige GmbH undGmbH vor. Diese sindprivatrechtlich konstituiert, werden aber von den Gemeinden finanziert. Im Gegensatz zu Deutschland und Österreich gibt es in den USA ein Bibliotheksförderungsgesetz, denLibrary Services and Construction Act.[15]
Die Gesamtheit aller Bibliotheken bildet das Bibliothekswesen. Die in einer Bibliothek arbeitenden Menschen sindBibliothekare und Fachangestellte für Medien- und Informationsdienste und die wissenschaftliche Disziplin für die Organisation und Funktionvon Bibliotheken und anderen Informationseinrichtungen. Der entsprechende Ausbildungsgang ist dieBibliothekswissenschaft. Der Geschäftsgang in einer Bibliothek heißtBibliotheksverwaltung und optimierende Tätigkeiten nach innen und außen werden als „Bibliotheksmanagement“ bezeichnet.
Im Jahre 2015 gab es nach derDeutschen Bibliotheksstatistik inDeutschland 7623Öffentliche Bibliotheken mit insgesamt 9117 Standorten.[16] Im gleichen Berichtszeitraum existierten 254Wissenschaftliche Bibliotheken, die über 741 Standorte verfügten.[16]
In der Antike besaßen bereits dieÄgypter Büchersammlungen, aus denen uns die bis 1866 v. Chr. datierbarenPapyrusrollen bekannt sind. Zur Zeit dergriechischen Demokratie finden sich vereinzelte Spuren aufPrivatbibliotheken, über die erste öffentliche Büchersammlung, die vonPeisistratos zu Athen angelegt wurde, herrschen Zweifel. Nach dem Untergang der Demokratie wurde die griechische Kultur im Zuge desHellenismus in andere Länder übermittelt, infolgedessen wurden auch Bibliotheken gegründet, die wohl größte war die von denPtolemäern gestiftetealexandrinische Bibliothek. Im Verlauf der Völkerwanderung wurden zahlreiche der alten Bibliotheken zerstört, oftmals über Jahrtausende angesammeltes Wissen wurde stark vermindert. ImMittelalter sorgten meist Mönche durch Abschreiben für die Überlieferung antiker Schriften, wodurch sie sich in denKlosterbibliotheken erhalten haben.
Im Zuge des Humanismus erlebte die säkulare Bibliothek eine Renaissance, mit der Reformation nördlich der Alpen ein regelrechtes Wiederaufleben. Mit der Erfindung der Druckerpresse 1440 wurde die Buchherstellung zwar erleichtert, aber eine erhebliche Kostenersparnis trat für die Bibliothek erst mit der Konstruktion derPapiermaschine 1799 ein. Die ersten Bibliotheken, die ihre Leseräume der Allgemeinheit zugänglich machten, waren Anfang des 17. Jahrhunderts dieBodleian Library in Oxford und dieBiblioteca Ambrosiana in Mailand.Während desDreißigjährigen Krieges wurden viele Klosterbibliotheken an Fürstenhöfe verbracht oder sie bildeten den Grundstock neu gegründeter Universitätsbibliotheken. Mit dem Fall vonNapoléon Bonaparte wurden die meisten geplünderten Bibliotheksbestände wieder an den Ursprungsort zurückgebracht.
Dass Bibliotheken auch in demokratisch verfassten Staaten der politischen Einflussnahme unterliegen können, zeigte im Mai 2025 die abrupte Entlassung der Leiterin der USLibrary of CongressCarla Hayden durch Präsident Donald Trump. Sie war die erste Frau und die erste Afroamerikanerin in dieser Position.
Engelbert Plassmann u. a.:Bibliotheken und Informationsgesellschaft in Deutschland. Eine Einführung. 2. überarbeitete und erweiterte Auflage. Harrassowitz, Wiesbaden 2011,ISBN 978-3-447-06474-3.
Gerald Leitner, Franz Pascher:Öffentliche Büchereien in Österreich. Adressen. Daten. Analysen. Büchereiverband Österreichs, Wien 1998 (=BVÖ-Materialien. Band 5),ISBN 3-901639-04-7.
Franz Unterkircher, Rudolf Fiedler, Michael Stickler:Die Bibliotheken Österreichs in Vergangenheit und Gegenwart. Reichert, Wiesbaden 1980 (=Elemente des Buch- und Bibliothekswesens. Band 7),ISBN 3-88226-105-6.
↑Bibliothekarisches Grundwissen. De Gruyter / K. G. Saur, Berlin/München 2016,ISBN 978-3-11-032145-6,S.6.
↑Bibliothekswelten im Umbruch. Die Bibliothek im Internetzeitalter. Büro für Zukunftsfragen 2016 (f-21.de PDF).
↑Vgl. auch Christian Naser:Aufbau einer elektronischen Bibliothek zur Literatur des Mittelalters. In:Konrad Goehl,Johannes Gottfried Mayer (Hrsg.):Editionen und Studien zur lateinischen und deutschen Fachprosa des Mittelalters. Festgabe fürGundolf Keil zum 65. Geburtstag (=Texte und Wissen. Band 3). Königshausen & Neumann, Würzburg 2000,ISBN 3-8260-1851-6, S. 403–418.
↑Eine bis 1999 reichende Übersicht geben Gisela Ewert und Walther Umstätter:Die Definition der Bibliothek. In:Bibliotheksdienst 33, Heft 6, 1999,ISSN0006-1972, S. 957–971 (online (Memento vom 24. September 2015 imInternet Archive)).
↑Gisela Ewert, Walther Umstätter:Lehrbuch der Bibliotheksverwaltung. Hiersemann, Stuttgart 1997,ISBN 978-3-7772-9730-9, S. 10.
↑Bibliotheksportal: Gaming. 3. August 2017, abgerufen am 8. Februar 2018.
↑Engelbert Plassmann u. a.:Bibliotheken und Informationsgesellschaft in Deutschland. Eine Einführung. 2. überarbeitete und erweiterte Auflage, Harrassowitz, Wiesbaden 2011,ISBN 978-3-447-06474-3, S. 63–67.
↑Klaus Gantert, Rupert Hacker:Bibliothekarisches Grundwissen. 8. Auflage, Saur, München 2008,ISBN 978-3-598-11771-8, S. 53–56.
↑Engelbert Plassmann u. a.:Bibliotheken und Informationsgesellschaft in Deutschland. Eine Einführung. 2. überarbeitete und erweiterte Auflage, Harrassowitz, Wiesbaden 2011,ISBN 978-3-447-06474-3, S. 63–65.
↑abDeutsche Bibliotheksstatistik (DBS):Gesamtauswertung (Memento vom 21. Januar 2017 imInternet Archive), Stand 31. August 2016, mit dem Hinweis: „Die DBS erhebt trotz einer hohen Beteiligungsquote keinen Anspruch auf Vollständigkeit, da die Teilnahme freiwillig erfolgt.“