Bibelbewegung

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MitBibelbewegung wird in der theologischen Wissenschaft die im 19. und frühen 20. Jahrhundert aufkommende Neubesinnung auf dieBibel als Ausgangspunkt des Glaubens im Bereich derrömisch-katholischen Kirche im deutschen Sprachraum bezeichnet, welche gemeinsam mit derJugendbewegung, derLiturgischen Bewegung und derÖkumenischen Bewegung als Wegbereiterin des2. Vatikanischen Konzils gilt. Mit der Bibelbewegung begann eine neue Dimension der Bibelfrömmigkeit und der Bibelpastoral, bedingt durch die intensive Verbreitung der Bibel in den jeweiligen Landessprachen.

Die Bibelbewegung war mitverantwortlich für eine Öffnung der katholischen Kirche hin zurÖkumene, welche zur Klärung und Vertiefung des gemeinsamen Verständnisses der Bibel in den verschiedenen Kirchen undkirchlichen Gemeinschaften geführt hat.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

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Bereits im 18./19. Jahrhundert begannen deutsche Theologen (u. a.Leander van Eß) damit, die Bibel aufgrund des griechischen Urtextes neu und unabhängig von derLutherbibel ins Deutsche zu übersetzen, wobei eine möglichst wortgenaue Übersetzung unter Berücksichtigung exegetischer Erkenntnisse im Mittelpunkt stand. Bereits in dieser Zeit erfolgte allerdings eine Zusammenarbeit mit den protestantischenBibelgesellschaften.Parallel besannen sich Theologen wieJohann Michael Sailer,Christoph von Schmid undGeorg Michael Wittmann auch in der Pastoral auf ein besseres Verständnis und eine bessere Verbreitung der Bibel als Instrument zur Verkündigung. Insbesondere ihrem Wirken in der Priesterausbildung verdankte sich eine neue Vertiefung der Volksfrömmigkeit in Form der Bibelfrömmigkeit des 19. Jahrhunderts.

PapstLeo XIII. würdigte diese Entwicklung 1893 in seinerEnzyklikaProvidentissimus Deus und betonte darin die Wichtigkeit der biblischen Exegese für dieKatechese und die Rezeption des Glaubens. Diese leitete er daraus ab, dass letztlich Gott selbst als Urheber der biblischen Offenbarung angenommen werden kann, der durch den Geist inspiriert Menschen zur Verfassung der biblischen Bücher angetrieben hat. Der Papst betonte freilich zugleich die alleinige Deutungshoheit der kirchlichen Autorität hinsichtlich des Inhalts und der Bedeutung der biblischen Texte.

Aufgrund dieser theologischen Aufwertung kam es insbesondere im deutschsprachigen Raum zu einem Aufbruch an biblischen Initiativen.Paul Wilhelm von Keppler gab eine neue Bibelausgabe heraus. In Deutschland (Stuttgart 1933), der Schweiz (1935) und in Österreich (1966) wurden katholischeBibelwerke ins Leben gerufen. Aus diesen resultierte 1969 die Gründung der Katholischen Bibelföderation (derzeitiger Präsident:Vincenzo Paglia).

Das deutsche Katholische Bibelwerk wurde dabei am 22. September 1933 ausdrücklich unter dem BegriffKatholische Bibelbewegung alseingetragener Verein gegründet, musste aber die Bezeichnung 1938 ändern, weil der Begriff „Bewegung“ ausschließlich für nationalsozialistische Zielsetzungen reserviert war.[1]

Gleichzeitig entstanden zahllose pastorale Initiativen zur Bibelintegration in das Glaubens- und Gemeindeleben der Kirche. Dadurch wurden besonders derReligionsunterricht und die katechetische Verkündigung, aber auch Homiletik und Spiritualität von Priestern und Laien stark beeinflusst.

Als „Magna Charta“ der neueren katholischen Bibelwissenschaft wurde schließlich die 1943 veröffentlichte Enzyklika PapstPius XII. unter dem TitelDivino afflante Spiritu bezeichnet,[2] mit welcher der Papst insbesondere diehistorisch-kritische Exegese als wichtiges Instrument der Bibelforschung hervorhob und sie zum notwendigen Werkzeug der Ermittlung von Sinn und Gehalt der biblischen Bücher erklärte.

Auswirkungen

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Ausgehend insbesondere von der positiven Betonung der Bibel in den vorgenannten beiden Enzykliken betonte auch das 2. Vatikanische Konzil 1965 in der Dogmatischen Konstitution über die göttliche OffenbarungDei Verbum die Bibellesung als Mitte der christlichen Existenz.[3]

Dieser Wertung folgten in allen Ländern der Erde intensive biblische Forschungen, zahllose Bibelübersetzungen und eine vollständige Reform der liturgischen Bücher und Leseordnungen.

In Deutschland folgte aus der Bibelbewegung letztlich 1979 dieEinheitsübersetzung der Heiligen Schrift, welche hinsichtlich des Neuen Testaments und der Psalmen auch in ökumenischer Zusammenarbeit mit der Evangelischen Kirche in Deutschland erarbeitet wurde.

Nicht nur in den Religionsunterricht, auch in den Pfarralltag und in das Leben der geistlichen Gemeinschaften fanden schließlich auch bibelpastorale Neuerungen wie Bibelkreise, Bibelteilen und besondere Bibel-Lesepläne Eingang.

Literatur

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  • Peter Scheuchenpflug:Bibelbewegung. In:Walter Kasper (Hrsg.):Lexikon für Theologie und Kirche. 3. Auflage.Band 2. Herder, Freiburg im Breisgau 1994,Sp. 402 f. 
  • Peter Scheuchenpflug:Die katholische Bibelbewegung im frühen 19. Jahrhundert. Echter, Würzburg 1997,ISBN 3-429-01966-4.
  • Joseph Ratzinger (Hrsg.), George Lindbeck, Raymond E. Brown:Schriftauslegung im Widerstreit. (Quaestiones disputatae 117). Herder, Wien 1989,ISBN 3-451-02117-X.
  • Paul-Gerhard Müller:Die Bedeutung Pius XII. für die Bibelwissenschaft. In: Johannes Horstmann (Hrsg.):Pius XII., Theologische Linien seines Pontifikates: Bibelwissenschaft, Liturgie, Friedensethik. (Akademievorträge Bd. 36). Katholische Akademie, Schwerte 1991,ISBN 3-927382-06-X, S. 19ff.
  • Manfred Eder:Kirchengeschichte. 2000 Jahre im Überblick. 2. Auflage. Patmos, Ostfildern 2010,ISBN 978-3-491-70411-4, S. 212.

Einzelnachweise

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  1. Beschreibung des Bibelwerks (Memento desOriginals vom 21. Juli 2012 imInternet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäßAnleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.bibelwerk.de
  2. Paul-Gerhard Müller:Die Bedeutung Pius XII. für die Bibelwissenschaft. In: Johannes Horstmann (Hrsg.):Pius XII., Theologische Linien seines Pontifikates: Bibelwissenschaft, Liturgie, Friedensethik. (Akademievorträge Bd. 36). Katholische Akademie, Schwerte 1991,ISBN 3-927382-06-X, S. 19ff.
  3. DV 21-26
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