| Basisdaten | |
|---|---|
| Bezirkshauptstadt | Erfurt |
| Fläche | 7.349 km²[1] |
| Einwohner | 1.240.400 (1989)[1] |
| Bevölkerungsdichte | 169 Ew./km² |
| Bezirksnummer | 09 |
| Kfz-Kennzeichen | L, F |
| Gliederung 1990 | |
| Stadtkreise | 2 |
| Kreise | 13 |
| Gemeinden | 727 |
| Karte | |
DerBezirk Erfurt war ein auf Fläche und Bevölkerungszahl bezogen mittelgroßerBezirk im Südwesten derDeutschen Demokratischen Republik, der zwischen 1952 und 1990 bestand. Der landwirtschaftlich und industriell geprägte Bezirk wurde infolge derVerwaltungsreform von 1952 aus dem nordwestlichen Teil des bis dahin bestehendenLandesThüringen und RandbereichenSachsen-Anhalts gebildet. Bezirksstadt warErfurt. Mit derWiedervereinigung Deutschlands am 3. Oktober 1990 ging das Territorium im BundeslandThüringen auf.[2]
Der Bezirk Erfurt umfasste ein Gebiet von 7325 km², das sich über Nordthüringen und große Teile Mittelthüringens erstreckte. Das Gebiet schließt dieNaturräumeThüringer Becken mit demEichsfeld, Teile desSüdharzes und desThüringer Waldes ein.
Angrenzende Bezirke waren im Norden derBezirk Magdeburg, im Nordosten derBezirk Halle, im Osten und Südosten derBezirk Gera, im Süden derBezirk Suhl. Im Westen und Nordwesten verlief dieinnerdeutsche Grenze mit den angrenzenden BundesländernHessen im Westen undNiedersachsen im Nordwesten.
Bei der Bildung der thüringischen Bezirke im Vorfeld derVerwaltungsreform von 1952 stellte sich heraus, dass in keinem der zu bildenden Bezirke ein charakteristischer Wirtschaftszweig dominieren würde. Auch wurde die Zusammenfassung eines zusammenhängenden Naturraums in einem gemeinsamen Bezirksgebiet ausgeschlossen. Der Zuschnitt der Bezirksgebiete aus dem vormaligen Land Thüringen erfolgte daher durch unterschiedliche verwaltungstechnische, ökonomische, geografische, sicherheitspolitische und kulturhistorische Gründe, wobei im Gegensatz zu einigen anderen Bezirken ökonomische und geografische Aspekte nicht allzu stark in den Vordergrund traten. Ein zwischenzeitlich diskutierter Thüringer „Kalibezirk“ konnte bedingt durch die Streulage derKalilagerstätten im Südharz- undWerra-Revier nicht realisiert werden. Die Wahl von Erfurt zu einer Bezirksstadt stand aufgrund der städtischen Größe bereits zu Beginn der Neugliederung des Staatsgebietes fest. Zudem hatte Erfurt den Vorteil einer relativ zentralen Lage im Bezirk vorzuweisen.
Der Bezirkstag Erfurt mit seinen 75 Abgeordneten bestätigte in seiner ersten Sitzung am 1. August 1952 den durch dieSED zuvor bestimmten Vorsitzenden des Rates des BezirkesWilly Gebhardt.[2]
Die Streiks im Zusammenhang mit dem Volksaufstand des17. Juni 1953 dauerten im Bezirk Erfurt bis zum 19. Juni. Größtes Zentrum des Aufstandes war die Bezirksstadt, kleinere Zentren warenRheinmetall Sömmerda,Gotha,Nordhausen,Mühlhausen undWeimar. Nach der Niederschlagung der Aktivitäten wurden aus den Bezirken Erfurt und Gera vier Menschen zwischen dem 18. und 20. Juni 1953standrechtlich erschossen. Da die SED im Bezirk Erfurt bereits früh mit jungen Funktionären besetzt war, die nicht mehr aktiv gegen denNationalsozialismus gekämpft hatten, und ältere Parteimitglieder fortwährend weniger Funktionen innehatten, befand sich die Partei im Bezirk nach dem 17. Juni 1953 in einer Krisensituation. Einige junge Verantwortliche waren von der Situation überfordert; unter anderem wurden in Sömmerda der Erste Sekretär der SED-Kreisleitung, Herrmann Stange, und der Vorsitzende des Rates des Kreises des Amtes enthoben.[2]
Seit 1958 standAlois Bräutigam an der Spitze der SED-Bezirksleitung, der als enger VertrauterWalter Ulbrichts galt. Politische Erfahrung sammelte er zuvor als Erster Sekretär der SED-Kreisleitung vonArnstadt zwischen 1949 und 1950, von Weimar 1950 bis 1951, der SED-Stadtleitung Erfurt 1953 und 1954 sowie drei Jahre an der Spitze der Gebietsparteiorganisation der SDAG Wismut. Im Laufe seiner Amtsführung kamen seine Tätigkeit und sein Führungsstil, ebenso wie der einiger Kreissekretäre der Partei, zunehmend in Kritik, so dass im April 1980 Bräutigams Amtszeit beendet wurde. Nachfolger wurde der bisherige Zweite SED-Bezirkssekretär von Neubrandenburg,Gerhard Müller.
Mit Müller waren Hoffnungen für einen moralischen Neuanfang verbunden. Er setzte neue Richtlinien bei der ideologischen Ausrichtung der Parteimitglieder in seinem Bezirk durch. Anlässlich desKarl-Marx-Jahres 1983 setzte Müller in den beiden katholisch dominierten KreisenHeiligenstadt undWorbis Maßstäbe, die zentrale Vorgaben übertrafen. So sollten sich nicht nur parteieintrittswillige Bürger klar zum Sozialismus bekennen und daher aus der Kirche austreten, sondern zudem Funktionäre der SED selbst. Der Kurs nahm offenbar kaum Rücksicht auf das Verhältnis zwischen SED und Kirche. Müller wurde daraufhin aus Berlin eine Änderung der Strategie angeordnet. Die mit der Person verbundenen Hoffnungen konnten spätestens um 1985 kaum noch aufrechterhalten werden.[2]
Unterdessen begann der Bau zahlreicherPlattenbaugebiete in Erfurt und anderen kleineren Städten. Unzureichende Kommunikation zwischen den Bauämtern verbunden mit Zeitdruck führten oftmals zur Situation, dass Wohnungen erst verspätet oder gar nicht bezogen werden konnten, da Teile derInfrastruktur zum Termin der Fertigstellung noch nicht vorhanden waren. Gleichzeitig wurden Mitte der 70er JahreRekonstruktionsmaßnahmen eingeleitet, bei denen die Bezirke für Bauten inOst-Berlin und die Kreisstädte für die Bezirksstädte aufkommen sollten. Diese Programme konnten die Problematik des kontinuierlichen Verfalls derAltbausubstanz nicht lösen. Anfang der 80er Jahre hatte der Bezirk rund 44 Prozent Anteil von über 80 Jahre alter Bausubstanz am gesamten Wohnungsbestand, mithin einen vergleichsweise hohen Wert. Davon sperrte die Staatliche Bauaufsicht rund 4800 Wohnungen aufgrund des mangelhaften Bauzustandes, 1300 galten als schwer vermietbar. Besonders prekär war die Lage in Erfurt, Weimar, Mühlhausen, Gotha,Bad Langensalza undArnstadt. Teile von Altbauvierteln waren zum Abriss vorgesehen, was in vielen Fällen mangels finanzieller Mittel ausblieb.
Der Rat des Bezirks Erfurt vergab denKunstpreis des Rates des Bezirks Erfurt.
Nach derFriedlichen Revolution und im Prozess derWiedervereinigung Deutschlands wurde der Bezirk Erfurt aufgelöst und der Freistaat Thüringen wiedergegründet.
Durch die Siegelordnung der DDR vom 28. Mai 1953 verloren alle regionalen Wappen ihre Bedeutung als Marke bzw. Siegel. Jedoch wurden die Wappen der Städte und Kreise weiterhin an Gebäuden, oder in Publikationen verwendet, ohne eine amtliche Funktion zu erfüllen. Das in einigen Büchern verwendete Wappen des Bezirkes Erfurt zeigt in Wirklichkeit das Wappen der StadtErfurt. Amtlich war das Siegelwappen der DDR. Erst durch die Kommunalverfassung der DDR vom 17. Mai 1990 konnten Gemeinden und Kreise wieder ausdrücklich Wappen führen und sie als Siegel verwenden.
Zum bedeutendsten Politiker in der Gründungs- und Aufbauphase des Bezirkes Erfurt wurdeErich Mückenberger, er war 1949 bis 1952 Erster Sekretär der SED-Landesleitung in Thüringen und 1950 auch Kandidat des Politbüros geworden. Mit der Gründung des Bezirkes Erfurt wurde er dessen Erster Sekretär.
Der SED gehörten in der Bezirksparteiorganisation Erfurt im Jahr 1989 über 156.000 Mitglieder und Kandidaten an. Der Posten des Bezirkssekretärs wurde häufig von Männern besetzt, die zuvor durch einen autoritären Führungsstil aufgefallen waren. Im Zeitraum von 1958 bis 1980 warAlois Bräutigam, ein enger Vertrauter vonWalter Ulbricht, der Erste SED-Bezirkssekretär. Ihm folgte 1980 der zuvor imBezirk Neubrandenburg in der dortigen Parteihierarchie aufgestiegene SED-PolitikerGerhard Müller. Müllers Entmachtung fand in den Sitzungen vom 8. bis 11. November 1989 statt.
FormaleVolksvertretung war derBezirkstag des Bezirkes Erfurt. Er tagte letztmals am 18. Mai 1990.[2]
Der Bezirk Erfurt wies eine vielschichtige Industrie- und Landwirtschaftsstruktur auf, weshalb er seinerzeit alsIndustrie-Agrar-Bezirk charakterisiert wurde. Damit hatte Erfurt im Gegensatz zu einigen anderen Bezirken keinen dominierenden Wirtschaftszweig, lediglich die Anteile der einzelnen Industriebranchen verschoben sich.
Die breit gefächerte Industriestruktur des Bezirkes umfasste hauptsächlich denMaschinen- undFahrzeugbau,Elektrotechnik,Elektronik,Feinmechanik,optische Geräte, Kali- undSteinsalzabbau,Zement-,Lederwaren-,Möbel- undTextilproduktion,Nahrungsmittelindustrie und die ab den 80er Jahren beginnende Produktion vonMikroelektronik. Rund 25 % der industriellen Produktion stellte die Bezirksstadt selbst.
Profilbestimmende landwirtschaftliche Produkte warenWeizen,Zuckerrüben,Gemüse undObst. Zudem betrieb man intensiveRinderzucht.Die Grundlagen für landwirtschaftliche Nutzung waren vor allem im Thüringer Becken gegeben, die KreiseBad Langensalza,Erfurt,Sömmerda undWeimar behielten bis 1990 ihre landwirtschaftliche Prägung.
Der Bezirk umfasste zweiStadtkreise sowie 13Landkreise:
| ehm. Kreis- nummer (TGS) | Kreis | Bevölkerung am 03.10.1990 | Anzahl der Gemeinden | Fläche (ha) am Jahres- ende 1990 | Kreis-Nr. von 1990 bis 1994 (AGS) | ||
| insgesamt | männlich | weiblich | |||||
| 0932.. | Erfurt, Stadtkreis | 210474 | 99141 | 111333 | 1 | 10800 | 16001 |
| 0931.. | Weimar, Stadtkreis | 60542 | 28518 | 32024 | 1 | 5100 | 16005 |
| 0902.. | Apolda | 47074 | 22053 | 25021 | 40 | 24298 | 16012 |
| 0901.. | Arnstadt | 63873 | 30495 | 33378 | 46 | 50161 | 16013 |
| 0903.. | Eisenach | 111618 | 53753 | 57865 | 69 | 70841 | 16016 |
| 0904.. | Erfurt-Land | 46367 | 22756 | 23611 | 50 | 53349 | 16018 |
| 0905.. | Gotha | 138724 | 66111 | 72613 | 63 | 76833 | 16020 |
| 0906.. | Heiligenstadt | 42069 | 20142 | 21927 | 59 | 38553 | 16022 |
| 0907.. | Langensalza | 45067 | 21777 | 23290 | 44 | 50661 | 16026 |
| 0909.. | Mühlhausen | 88690 | 42379 | 46311 | 50 | 57379 | 16029 |
| 0910.. | Nordhausen | 105902 | 50759 | 55143 | 68 | 71421 | 16031 |
| 0911.. | Sömmerda | 64555 | 31092 | 33463 | 47 | 55585 | 16038 |
| 0912.. | Sondershausen | 52615 | 25313 | 27302 | 49 | 59802 | 16039 |
| 0913.. | Weimar-Land | 43842 | 21197 | 22645 | 86 | 54332 | 16043 |
| 0908.. | Worbis | 75132 | 36408 | 38724 | 54 | 55786 | 16044 |
| 09 | Bezirk Erfurt | 1196544 | 571894 | 624650 | 727 | 734901 | zum Land Thüringen |
Die größten Städte im Bezirk waren 1984:
| Stadt | Einwohner |
|---|---|
| Erfurt | 214.955 |
| Weimar | 63.641 |
| Gotha | 57.673 |
| Eisenach | 51.044 |
| Nordhausen | 47.176 |
| Mühlhausen | 43.286 |
| Arnstadt | 29.851 |
| Apolda | 28.725 |
| Sondershausen | 23.693 |
| Sömmerda | 23.455 |
Mit der Wiedererrichtung der Länder auf dem Gebiet der DDR im Jahre 1990 wurden die Bezirke aufgelöst. Der Bezirk Erfurt wurde dem LandThüringen zugeordnet.
Mit derKreisreform, die in Thüringen zum 1. Juli 1994 umgesetzt wurde, entstanden aus den bisherigen Kreisen größere Verwaltungseinheiten.