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Betazerfall

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Betazerfall oderβ-Zerfall, auchBetaübergang, ist einradioaktiver Vorgang. Beim β-Zerfall (gesprochen: Beta-Minus) wandelt sich einNeutron in einem Atomkern (oder ein freies Neutron) in ein Proton um, wobei einElektron und einAntineutrino ausgesandt werden. Beim β+-Zerfall wandelt sich ein Proton in ein Neutron um, unter Aussendung einesPositrons und einesNeutrinos. Die dabei entstehenden Elektronen und Positronen haben hohe Energien (in der Größenordnung105 … 106eV) und werdenBetateilchen genannt.

Betazerfall erfolgt aufgrund derschwachen Wechselwirkung. Beschrieben aufQuark-Niveau ist Betazerfall die Umwandlung einesDown-Quarks in einUp-Quark bzw. umgekehrt.

Der Name stammt von der ersten Einteilung der ionisierenden Strahlen aus radioaktiven Prozessen inAlphastrahlen, Betastrahlen undGammastrahlen, die in dieser Reihenfolge steigende Durchdringungsfähigkeit von Materie zeigen. Das Wort „Zerfall“ entsprach der damaligen Annahme, die Elektronen seien Bestandteile des Mutterkerns.

Betazerfall von Atomkernen

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Voraussetzungen

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Nuklidkarte mit radioaktiven Zerfallsarten: stabile Kerne sind schwarz dargestellt; oberhalb befinden sich Kerne mit Protonen­überschuss, unterhalb Kerne mit Neutronenüberschuss, die sich durch β+-Zerfall oder Elektronen­einfang (blau) bzw. β-Zerfall (rot) umwandeln. Bei sehr schweren Kernen trittα-Zerfall (gelb) auf.

Damit einAtomkern stabil oder langlebig ist, müssen die Zahl der positiv geladenenProtonenZ{\displaystyle Z} und die Zahl der elektrisch neutralenNeutronenN{\displaystyle N} in einem ausgewogenen Verhältnis stehen. Für leichtere Kerne ist die Zahl von Protonen und Neutronen ungefähr gleich (NZ=02{\displaystyle N-Z=0\ldots 2} fürA35{\displaystyle A\leq 35}, außer1H und3He). Bei schwereren Kernen ist aufgrund der elektrostatischen Abstoßung der Protonen ein immer größerer Überschuss an Neutronen erforderlich; beim schwersten stabilen Kern, dem Blei-208, ist das VerhältnisN/Z=126:821,54{\displaystyle N/Z=126:82\approx 1{,}54}. Wenn dieses Verhältnis nicht optimal ist, ist es energetisch günstig, dass sich durch Betazerfall ein Neutron in ein Proton umwandelt oder umgekehrt.

Die Umwandlung eines Neutrons in ein Proton nennt man β-Zerfall. Bei diesem Prozess entsteht ein negativ geladenes Elektron (sonst wäre das Gesetz derLadungserhaltung verletzt) und entsprechend derLeptonenzahlerhaltung zusätzlich ein Elektron-Antineutrino. Beim β+-Zerfall wandelt sich ein Proton in ein Neutron um und es entstehen einPositron und ein Elektron-Neutrino. Bei beiden Zerfallsvorgängen wandelt sich der Kern in einen Atomkern mit derselbenMassenzahl, aber um Eins geänderterOrdnungszahl um. Der entstehende Kern (Tochterkern) ist nahezu gleich schwer wie der Mutterkern, denn Proton und Neutron haben ähnliche Massen und auch derMassendefekt beider Kerne ist ähnlich. Der Tochterkern gehört aber zu einem anderen chemischen Element. Solche Atomkerne nennt manIsobare.

Ein Betazerfall ist möglich, wenn dieAtommasse des Mutternuklids größer ist als die Summe aus der Atommasse des Tochternuklids und der Masse des Betateilchens, da dann die Differenz der Massen aufgrund derÄquivalenz von Masse und Energie als kinetische Energie der Teilchen freigesetzt werden kann. Wenn die Isobare in beide Richtungen des Periodensystems leichter sind, dann kann der Atomkern sowohl durch β als auch β+ zerfallen. Dies tritt zum Beispiel beiKalium-40 auf, das sowohl zuCalcium-40 als auch zuArgon-40 zerfallen kann. Wegen der Erhaltung von Energie und Impuls (sieheKinematik (Teilchenprozesse)) erhalten das leichte Betateilchen und das fast masselose (Anti-)Neutrino den weitaus größten Teil der Energie. Beim schweren Tochterkern verbleibt nur ein sehr kleiner Anteil von einigen eV.

Bei leichten und mittelschweren Kernen ist der Betazerfall die einzige Art vonRadioaktivität; bei sehr schweren Kernen ist auch eine Kernumwandlung durch Alphazerfall möglich. Beim Alphazerfall und vor allem bei derKernspaltung entstehen leichtere Kerne, bei denen das optimale VerhältnisN/Z{\displaystyle N/Z} kleiner ist. Daher ist bei natürlichenZerfallsreihen und bei Kernspaltung der β-Zerfall vorherrschend.

Beta-Minus-Zerfall (β)

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Nuklide mit einem Überschuss anNeutronen zerfallen über den β-Prozess. Ein Neutron des Kerns wandelt sich in einProton um und sendet dabei ein Elektron (e{\displaystyle \mathrm {e} ^{-}}) sowie einElektron-Antineutrino (ν¯e{\displaystyle {\overline {\nu }}_{e}}) aus. Elektron und Antineutrino verlassen den Atomkern, da sie Leptonen sind und nicht derstarken Wechselwirkung unterliegen. Da sich nach dem Zerfallsprozess ein Neutron weniger, aber ein Proton mehr im Kern befindet, bleibt dieMassenzahlA{\displaystyle A} unverändert, während sich dieKernladungszahlZ{\displaystyle Z} um 1 erhöht. Das Element geht also in seinen Nachfolger imPeriodensystem über.

Schreibt man wie üblich MassenzahlenA{\displaystyle A} oben und KernladungszahlenZ{\displaystyle Z} unten an die Symbole, kann demnach der Zerfall des Neutrons durch folgende Reaktionsgleichung beschrieben werden:

01n11p+e+ν¯e{\displaystyle {}_{0}^{1}\mathrm {n} \to {}_{1}^{1}\mathrm {p} +\mathrm {e} ^{-}+{\overline {\nu }}_{e}}

Bezeichnet X das Mutter- und Y dasTochternuklid (ohne Kennzeichnung der Ladung des Atoms, die hier keine Rolle spielt), so gilt für den β-Zerfall allgemein:

ZAXZ+1AY+e+ν¯e{\displaystyle {}_{Z}^{A}\mathrm {X} \to {}_{Z+1}^{A}\mathrm {Y} +\mathrm {e} ^{-}\mathrm {+} {\overline {\nu }}_{e}}.

Ein typischer β-Strahler ist198Au. Hier lautet die Reaktionsgleichung:

 79198Au 80198Hg+e+ν¯e{\displaystyle {}_{\ 79}^{198}\mathrm {Au} \to {}_{\ 80}^{198}\mathrm {Hg} +\mathrm {e} ^{-}+{\overline {\nu }}_{e}}

Die meist hohe Energie des erzeugten Elektrons verhindert einen sofortigen Einfang in einen der hoch liegenden freien Zustände desselben Atoms. Besonders bei hochgeladenen schweren Ionen kann jedoch direkt ein Übergang in einen solchen gebundenen Zustand stattfinden, dieser Prozess wirdgebundener Betazerfall genannt.[1]

Die Umwandlungs- bzw. Zerfallsenergie ist:

E0=(m(Z,A)m(Z+1,A))c2{\displaystyle E_{0}=(m(Z,A)-m(Z+1,A))\cdot c^{2}}

In der Literatur zur Betazerfallsspektroskopie wurde dieser Zerfall früher auch Negatronenzerfall genannt („Negatron“ für Elektron).[2]

Beta-Plus-Zerfall (β+)

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Der β+-Zerfall tritt bei protonenreichen Nukliden auf. Hierbei wird ein Proton des Kerns in ein Neutron umgewandelt. Dabei wird zusammen mit einem Positron (Positronenstrahlung) ein Elektron-Neutrino ausgesendet. Wie beim β-Zerfall bleibt die Massenzahl unverändert, jedoch verringert sich die Kernladungszahl um 1, das Element geht also in seinen Vorgänger im Periodensystem über.

Die Umwandlung des Protons in ein Neutron lässt sich darstellen als:

11p01n+e++νe{\displaystyle {}_{1}^{1}\mathrm {p} \to {}_{0}^{1}\mathrm {n} +\mathrm {e} ^{+}+\nu _{e}}

Mit den gleichen Bezeichnungen wie oben lässt sich der allgemeine β+-Zerfall beschreiben als:

ZAXZ1AY+e++νe{\displaystyle {}_{Z}^{A}\mathrm {X} \to {}_{Z-1}^{A}\mathrm {Y} +\mathrm {e} ^{+}+\nu _{e}}

Der Beta-Plus-Zerfall kann nur auftreten, wenn die Umwandlungsenergie des ÜbergangsZAXZ1AY{\displaystyle {}_{Z}^{A}\mathrm {X} \to {}_{Z-1}^{A}\mathrm {Y} } mindestens 1022 keV[3] beträgt. Dies ist die doppelteRuheenergie eines Elektrons oder Positrons, denn das Positron muss erzeugt werden, und außerdem ist die Umwandlungsenergie als Massendifferenz zwischen Ausgangsatom (Ordnungszahl Z) und Endatom (Ordnungszahl Z-1) definiert, die jeweils als neutral angenommen werden; das Endatom hat ein Elektron weniger als das Ausgangsatom.[4] Die Umwandlungs- bzw. Zerfallsenergie ist:

E0=(m(Z,A)m(Z1,A)2me)c2{\displaystyle E_{0}=(m(Z,A)-m(Z-1,A)-2m_{\mathrm {e} })\cdot c^{2}}

mitme{\displaystyle m_{\mathrm {e} }} der Elektronenmasse.

Das am häufigsten vorkommendeprimordiale Nuklid, bei dem (unter anderem) β+-Zerfall auftritt, istKalium-40, allerdings ist der Zerfall sehr selten. Die Zerfallsgleichung ist:

1940K1840Ar+e++νe{\displaystyle {}_{19}^{40}\mathrm {K} \to {}_{18}^{40}\mathrm {Ar} +\mathrm {e} ^{+}+\nu _{e}}

In den natürlichenZerfallsreihen kommt β+-Zerfall nicht vor, weil die schwereren Kerne einen größeren Neutronenüberschuss haben, der nach α-Zerfällen durch β-Zerfall abgebaut wird.

Elektroneneinfang (ε)

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Ein Konkurrenzprozess zum β+-Zerfall ist derElektroneneinfang (auch ε-(Epsilon)Zerfall oder K-Einfang genannt). Er wird zu den Betazerfällen gezählt, obwohl keine Betastrahlung entsteht. Auch hier wandelt sich ein Proton des Kerns in ein Neutron um, während ein Elektron aus einer kernnahen Schale derAtomhülle vernichtet und ein Neutrino erzeugt und emittiert wird:

ZAX+eZ1AY+νe{\displaystyle {}_{Z}^{A}\mathrm {X} +\mathrm {e} ^{-}\to {}_{Z-1}^{A}\mathrm {Y} \mathrm {+} \nu _{e}}

Die in der Atomhülle entstehende „Lücke“ führt zur Emission eines charakteristischen Röntgenphotons oder zur Emission vonAuger-Elektronen.[5]

Elektroneneinfang tritt bei jedem β+-Strahler als weitererZerfallskanal auf. Alleiniger Zerfallskanal ist er dann, wenn die Umwandlungsenergie des ÜbergangsZAXZ1AY{\displaystyle {}_{Z}^{A}\mathrm {X} \to {}_{Z-1}^{A}\mathrm {Y} } kleiner als 1022 keV ist. Der Elektroneneinfang erfordert keine Mindestenergie, es muss nur die Ruheenergie des Radionuklidatoms größer als die des Tochteratoms sein.

Auch der Elektroneneinfang beweist, dass Hüllenelektronen und Beta-Elektronen dieselbe Teilchenart sind.

Der Name K-Einfang kommt daher, dass meist ein Elektron aus der innerstenSchale der Atomhülle, der K-Schale eingefangen wird.

Auswahlregeln

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Beim Betazerfall von Atomkernen darf man Neutron und Proton nicht isoliert betrachten, sondern muss die Eigenschaften den gesamten Kerns vor und nach der Umwandlung des Nukleons berücksichtigen. Zum einen haben die Kerne unterschiedliche Bindungsenergien, es wird also je nach beteiligten Kernen weniger oder mehr Energie frei. Der β+-Zerfall ist ja überhaupt nur dann möglich, wenn der Tochterkern stärker gebunden ist; ein freies Proton kann nicht zerfallen. Des Weiteren spielt die Drehimpuls- undParitätserhaltung eine wesentliche Rolle.

Fermi- und Gamow-Teller-Übergänge

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Die emittierten Teilchen (Elektron und Antineutrino bzw. Positron und Neutrino) tragen denSpins = ½. Der GesamtspinS beider Teilchen ist somit entweder 0 (Fermi-Übergang) oder 1 (Gamow-Teller-Übergang).

Aufgrund der Drehimpulserhaltung gelten für die Änderung des Kernspins (Gesamtdrehimpuls des Kerns) I:

In beiden Fällen muss außerdem dieParität erhalten bleiben.

In der quantenmechanischen Rechnung lauten die Terme im Hamiltonoperator[6]

Dabei sindσ^{\displaystyle {\hat {\sigma }}} diePauli-Matrizen des Spinoperators undτ^{\displaystyle {\hat {\tau }}} des Isospinoperators (er bewirkt den Übergang von Proton zu Neutron und umgekehrt) und1^{\displaystyle {\hat {1}}} ist der Einheitsoperator im Spinraum.GV{\displaystyle G_{V}} ist die Vektorkopplungskonstante der schwachen Wechselwirkung (auch Fermi-Kopplungskonstante),GA{\displaystyle G_{A}} die Axialvektorkopplungskonstante (auch Gamow-Teller-Kopplungskonstante).[7] Die Fermi-Zerfälle wurden in den 1930er Jahren durch eine effektive Theorie der schwachen Wechselwirkung vonEnrico Fermi beschrieben, einige Jahre später ergänztenGeorge Gamow undEdward Teller einenAxialvektor-Term.

Dass auch bei Gamow-Teller-Übergängen die Parität erhalten bleibt, unterscheidet sie von ihren Analoga bei elektromagnetischen Dipolübergängen. Der Operator ist dort ein polarer Vektor und kein axialer.[6]

Unterdrückte Übergänge

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Zerfälle, die gegen die oben genannten Auswahlregeln verstoßen, sind möglich, wenn die emittierten Teilchen zusätzlichBahndrehimpuls>0{\displaystyle \ell >0} tragen. Wenn{\displaystyle \ell } ungerade ist, wechselt die Parität zwischen Ausgangs- und Endzustand; bei geradem{\displaystyle \ell } bleibt sie gleich. So ist zum Beispiel der Übergang von115In (JP=9/2+) nach115Sn (JP=1/2+) möglich, wenn der Bahndrehimpuls=4{\displaystyle \ell =4} beträgt. Ein Gamow-Teller-Übergang mit=3{\displaystyle \ell =3} ist nicht hinreichend, weil sich dann die Parität ändern müsste.

Solche Zerfälle sind aber deutlich unwahrscheinlicher, wie man sich wie folgt plausibel machen kann: Der Bahndrehimpuls ist nach klassischer Rechnung das Produkt aus radialem Abstand und ImpulsL=r×p{\displaystyle {\vec {L}}={\vec {r}}\times {\vec {p}}}. Die Impulse sind von der GrößenordnungE/c{\displaystyle E/c}, wobei die EnergieE{\displaystyle E} im Bereich von MeV liegt. Wegenc200MeVfm{\displaystyle \hbar c\approx 200\;\mathrm {MeV\cdot fm} } ist der betreffende radiale Abstand also von der Größenordnung102fm{\displaystyle 10^{2}\;\mathrm {fm} } – weit größer als der Kernradius, was die Überlappung der Wellenfunktion von Mutter- und Tochternukleon reduziert. Für jede Einheit von{\displaystyle \ell } ist der Zerfall um einen Faktor104103{\displaystyle 10^{-4}\ldots 10^{-3}} unterdrückt.[8] Man bezeichnet Zerfälle mit=1,2,3{\displaystyle \ell =1,2,3\ldots } als 1-fach, 2-fach, 3-fach… „behindert“[7] oder „verboten“.[8] Der im Beispiel aufgeführte vierfach verbotene Betazerfall von115In hat deshalb mit4.41e14 Jahren eine extrem hohe Halbwertszeit.

Übererlaubte Übergänge

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Wenn Ausgangs- und Endkern die gleiche Schalenstruktur haben, also wenn im Einteilchenbild das umgewandelte Nukleon sich vorher und nachher in derselbenSchale befindet, ist der Überlapp der Wellenfunktionen von Ausgangs- und Endkern besonders groß. Solche Zerfälle haben eine besonders große Wahrscheinlichkeit, sie heißen „übererlaubte“(super allowed) Zerfälle.[8]

Energiespektrum

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Siehe auch:Energiespektrum der Betastrahlung

Die Energieverteilung von Beta-Strahlung (Beta-Spektrum) ist im Gegensatz zu Alpha-Strahlung kontinuierlich, da sich die beim Zerfall frei werdende Energie nicht auf zwei, sondern auf drei Teilchen – Atomkern, Elektron/Positron sowie Antineutrino/Neutrino – verteilt. Unter Erhaltung des Gesamtimpulses sind dadurch die Energien der einzelnen Teilchen nicht festgelegt (sieheKinematik (Teilchenprozesse)).

Doppelter Betazerfall

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Hauptartikel:Doppelter Betazerfall

In einigen Fällen besteht folgende Situation: Zu einem AtomkernZAX{\displaystyle {}_{Z}^{A}\mathrm {X} } gibt einen isobaren, stabileren KernZ±2 AY{\displaystyle {}_{Z\pm 2}^{\ \;A}\mathrm {Y} }, dessen Ordnungszahl sich um ±2 unterscheidet. Aber es ist keine Umwandlung durch zwei aufeinanderfolgende Betazerfälle möglich, weil der dazwischen liegende KernZ±1 AY{\displaystyle {}_{Z\pm 1}^{\ \;A}\mathrm {Y} '} eine höhere Energie hat. In diesem Fall müssen sich zwei Nukleonen gleichzeitig umwandeln. Solche doppelte Betazerfälle sind extrem unwahrscheinlich und wurden nur für einige wenige Nuklide nachgewiesen.

Zerfall des freien Neutrons

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Auch einfreies Neutron unterliegt demBeta-Minus-Zerfall. Dabei wandelt es sich in ein Proton, einElektron-Antineutrino und ein Elektron um, das als Betastrahlung nachgewiesen werden kann:

np+e+ν¯e{\displaystyle {\hbox{n}}\to {\hbox{p}}+{\hbox{e}}^{-}+{\overline {\nu }}_{\mathrm {e} }}

DieLebensdauer für diesen Zerfall beträgt 880,3 ± 1,1 Sekunden,[9] das sind knapp 15 Minuten. Dies entspricht einerHalbwertszeit von rund 10 Minuten. In normaler Umgebung auf der Erde (z. B. in Luft) wird jedes frei werdende Neutron in viel kürzerer Zeit durch einen Atomkern eingefangen; deshalb spielt dieser Zerfall hier keine praktische Rolle.

Inverser Betazerfall

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Beim inversen Betazerfall (IBD, inverse beta decay) wird ein Proton durch Reaktion mit einem Neutrino in ein Neutron umgewandelt:[10]

p+ν¯en+e+{\displaystyle \mathrm {p} +{\overline {\nu }}_{e}\to \mathrm {n} +\mathrm {e} ^{+}}

Mit diesem Prozess gelang 1956 der erste Neutrinonachweis (Cowan-Reines-Neutrinoexperiment). Er wird auch in späteren Neutrinodetektoren (insbesondere bei Experimenten mit Neutrinos niedriger Energie wie bei Experimenten mit Reaktor- und Geoneutrinos, zu Neutrinooszillationen und für die Suche nachsterilen Neutrinos) beobachtet. Für diesen Prozess ist eine Energiezufuhr von mindestens 1,806 MeV nötig, entsprechend dem Unterschied vorher/nachher bei den Massen der jeweiligen zwei Teilchen. Das Positron wird in typischen Neutrinoexperimenten im umgebenden Detektormaterial abgebremst undannihiliert mit einem Elektron, was zu einem Detektorsignal mit EnergieEγ=2511 keV+Eν¯e1806 keV=Eν¯e784 keV{\displaystyle E_{\gamma }=2\cdot 511~\mathrm {keV} +E_{{\overline {\nu }}_{\mathrm {e} }}-1806~\mathrm {keV} =E_{{\overline {\nu }}_{\mathrm {e} }}-784~\mathrm {keV} } führt; das Neutron wird nach einer kurzen Zeit derModeration (z. B. in Wasser) durch einen geeigneten Atomkern (wieCadmium-113) eingefangen und erzeugt dabei eine Gammastrahlung charakteristischer Energie (um 8 MeV).[11]

Als inverser Betazerfall wird aber auch der demElektroneneinfang entsprechende Reaktionsprozess bezeichnet:[12][13]

p+en+νe{\displaystyle \mathrm {p} +\mathrm {e} ^{-}\to \mathrm {n} +\nu _{\mathrm {e} }}

Er spielt eine Rolle in der Astrophysik bei Materie hoher Dichte (Neutronensterne, weiße Zwerge).

Beta-Zerfall als Prozess der schwachen Wechselwirkung

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Feynmandiagramm für den Zerfall einesNeutrons n inProton p, Elektron e undElektron-Antineutrino ν¯e{\displaystyle {\overline {\nu }}_{e}} vermittelt über einW-Boson W.

Der Beta-Zerfall erfolgt über dieschwache Wechselwirkung, eine der vier Grundkräfte der Natur, die sich fundamental von denKernkräften unterscheidet. Beim β-Zerfall wandelt sich auf der Ebene derElementarteilchen eines der beidend-Quarks des Neutrons (Quarkzusammensetzung: ddu), vermittelt durch einvirtuellesW-Boson, in ein u-Quark um, wodurch aus dem Neutron ein Proton (duu) wird. Dabei entstehen ein Elektron und ein Antineutrino. Beim β+-Zerfall wird umgekehrt eines der u-Quarks eines Protons mittels eines W+-Bosons in ein d-Quark umgewandelt.

Forschungsgeschichte

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Ernest Rutherford undFrederick Soddy entwickelten 1903 eine Hypothese, nach der die bereits 1896 vonAntoine Henri Becquerel entdeckteRadioaktivität mit der Umwandlung vonElementen verknüpft ist. Der Betazerfall wurde demnach als Quelle der Betastrahlung ausgemacht. Davon ausgehend formulierten 1913Kasimir Fajans und Soddy die sogenanntenradioaktiven Verschiebungssätze, mit denen die natürlichenZerfallsreihen durch aufeinanderfolgendeAlpha- und Betazerfälle erklärt werden. Die Vorstellung, dass die Betaelektronen selbst wie die Alphateilchen aus dem Kern stammten, verfestigte sich 1913 im Kreis von Ernest Rutherford.

In der Anfangszeit galt lange als allgemeiner Konsens, dass Beta-Teilchen wie Alphateilchen ein für jedes radioaktive Element charakteristisches diskretes Spektrum haben. Experimente vonLise Meitner,Otto Hahn undOtto von Baeyer mit Photoplatten als Detektoren, die 1911[14] und den Folgejahren veröffentlicht wurden, sowie verbesserte Experimente vonJean Danysz in Paris 1913 zeigten aber ein komplexeres Spektrum mit einigen Anomalien (besonders bei210Bi, damals „Radium E“ genannt), die auf einkontinuierliches Spektrum der Beta-Teilchen hinwiesen. Meitner hielt dies wie die meisten ihrer Kollegen zunächst für einen sekundären Effekt, also kein Kennzeichen der ursprünglich emittierten Elektronen. Erst die Experimente vonJames Chadwick im Labor vonHans Geiger in Berlin 1914 mit einem magnetischenSpektrometer und Zählrohren als Detektoren zeigten, dass das kontinuierliche Spektrum ein Kennzeichen der Betaelektronen selbst war.[15]

Um diese scheinbare Nichterhaltung der Energie (und eine ebenfalls auftretende Verletzung vonImpuls- undDrehimpulserhaltung) zu erklären, schlugWolfgang Pauli 1930 in einem Brief die Beteiligung eines neutralen, extrem leichtenElementarteilchens am Zerfallsprozess vor, welches er „Neutron“ taufte.Enrico Fermi änderte diese Bezeichnung 1931 inNeutrino (italienisch für „kleines Neutrales“), zur Unterscheidung von dem nahezu zeitgleich entdeckten wesentlich schwereren Neutron. 1933 publizierte Fermi die theoretische Beschreibung des Betazerfalls als Vier-Teilchen-Wechselwirkung (Fermi-Wechselwirkung). Der erste experimentelle Nachweis des Neutrinos gelang erst 1956 an einem der ersten großenKernreaktoren (sieheCowan-Reines-Neutrinoexperiment).

Die Identität der Beta-Teilchen mit atomaren Elektronen wurde 1948 vonMaurice Goldhaber undGertrude Scharff-Goldhaber nachgewiesen.[16] Der β+-Zerfall wurde 1934 vonIrène undFrédéric Joliot-Curie entdeckt. Der Elektroneneinfang wurde 1935 vonHideki Yukawa theoretisch vorhergesagt und 1937 erstmals vonLuis Walter Alvarez experimentell nachgewiesen.

Im Jahre 1956 gelang es mit einem vonChien-Shiung Wu durchgeführtenExperiment, die kurz zuvor vonTsung-Dao Lee undChen Ning Yang postulierteParitätsverletzung beim Betazerfall nachzuweisen.

Literatur

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  • Werner Stolz:Radioaktivität. Grundlagen – Messung – Anwendungen. 5. Aufl. Teubner, 2005,ISBN 3-519-53022-8.

Kernphysik

Weblinks

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Wiktionary: Betazerfall – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

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  1. F Bosch, D R Atanasov, C Brandau, I Dillmann, C Dimopoulou:Beta decay of highly charged ions. In:Physica Scripta. T156,doi:10.1088/0031-8949/2013/t156/014025 (iop.org). 
  2. Mayer-Kuckuck, Kernphysik, Teubner, 1979, S. 294
  3. H. Krieger, W. Petzold:Strahlenphysik, Dosimetrie und Strahlenschutz. Band 1. 3. Auflage, Teubner 1992,ISBN 978-3-519-23052-6, Seite 63
  4. Mayer-Kuckuck, Kernphysik, Teubner 1979, S. 294
  5. Mayer-Kuckuck, Kernphysik 1979, S. 295
  6. abZum Beispiel Enrico Fermi, Nuclear Physics, 1953, S. 81f
  7. abBethge, Walter, Wiedemann, Kernphysik, Springer 2008, S. 252
  8. abcB. Povh,K. Rith, C. Scholz, F. Zetsche:Teilchen und Kerne. 8. Auflage. Springer, Berlin 2009,ISBN 978-3-540-68075-8>
  9. K.A. Oliveet al. (Particle Data Group), Chin. Phys.C38, 090001 (2014):N Baryons Summary Table
  10. Spektrum Lexikon Physik, Inverser Betazerfall
  11. Borexino Collaboration: Observation of Geoneutrinos, Phys. Lett. B, Band 687, 2010, S. 299–304
  12. Andreas Müller, Betazerfall, Lexikon der Astronomie, Spektrum
  13. Sexl, Sexl, Weiße Zwerge- schwarze Löcher, Vieweg 1977, S. 55
  14. O. v. Baeyer, L. Meitner, O. Hahn:Magnetische Spektren der Beta-Strahlen des Radiums. In:Physikalische Zeitschrift. Band 12, 1911, S. 1099–1101 (Archivierte Kopie (Memento vom 8. Januar 2015 imInternet Archive) PDF).
  15. Chadwick:Intensitätsverteilung im magnetischen Spektrum der Betastrahlen von Radium B+C. In:Verhandlungen der Deutschen Physikalischen Gesellschaft. Band 16, 1914, S. 383–391.
  16. Maurice Goldhaber,Gertrude Scharff-Goldhaber:Identification of beta-rays with atomic electrons. In:Physical Review. Volume 73,Nr. 12, 1948,S. 1472–1473,doi:10.1103/PhysRev.73.1472. 
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