Berlin-Frage

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springenZur Suche springen
Dievier Sektoren Berlins nach Beschluss derKonferenz von Jalta
Nach der 1958 in derBerlin-Krise vonNikita Chruschtschow entwickelten und vomOstblock vertretenenDrei-Staaten-Theorie sollte neben derBundesrepublik Deutschland (blau) und derDDR (rot) die „entmilitarisierte Freie StadtWest-Berlin“ (gelb) existieren
Der Streit um die Berlin-Frage kurz vor einerEskalation: Sowjetische und amerikanische Panzer stehen sich kurz nach demMauerbau am 27. Oktober 1961 amCheckpoint Charlie drohend gegenüber
Schild am ehemaligenGrenzübergang Bornholmer Straße (bis 1990)

AlsBerlin-Frage wird der umstrittene Sonderstatus der nachbedingungsloser Kapitulation zum Ende desZweiten Weltkriegs durch dieSowjetunion besetzten und durch Beschlüsse derAlliierten später geteiltenViersektorenstadtBerlin imgeteilten Deutschland der Zeit von 1945 bis 1990 bezeichnet. Sie war Teil derdeutschen Frage und ist in dieser geschichtlichen Epoche zu betrachten.

Inhaltsverzeichnis

Dimensionen

[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]

Die Berlin-Frage kann in fünf Dimensionen unterteilt werden:

Historische Entwicklung

[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]

Kennzeichnende Ereignisse und Abschnitte im Umgang mit der Berlin-Frage waren:

Restbestände des Vier-Mächte-Status Berlins unter Mitwirkung der Sowjetunion blieben bis 1990:

Der Viermächtestatus in Ost-Berlin

[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]

Wurde der Status durch die Sowjetunion und die DDR anfangs noch voll anerkannt, so erfolgte ab den 1950er Jahren ein schrittweiser Abbau der Merkmale desViermächtestatus. Im Einzelnen waren dies:

Interessenlagen

[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]

Bundesrepublik Deutschland

[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]

Die Bundesrepublik Deutschland wie auch derBerliner Senat (West) hielten stets am Ziel derdeutschen Wiedervereinigung fest und betrachteten dieBesatzung undTeilung Deutschlands und Berlins als vorübergehendes Kapitel der Geschichte. Solange die Wiedervereinigung jedoch politisch unrealistisch erschien, wurden die Bindungen zwischen der Bundesrepublik und West-Berlin so eng wie möglich gehalten, um ein Abdriften West-Berlins in den Einflussbereich der Sowjetunion zu verhindern. Dies führte unter anderem zu einer großzügigen Subventionierung West-Berlins durch die Bundesrepublik, beispielsweise durch dieBerlinzulage. Zudem setzte sich die Bundesregierung fürReiseerleichterungen ein, um West-Berlinern Verwandtenbesuche nach Ost-Berlin und in die DDR sowie die Benutzung derTransitwege nach Westdeutschland zu erleichtern.

Groß-Berlin“ (also Berlin als Ganzes) wurde vomGrundgesetz schon 1949 alsLand der Bundesrepublik Deutschland genannt, denn „aufgrund der engeren Fassung dieses Schreibens (der drei westlichen Militärgouverneure betreffend die Genehmigung des Grundgesetzes vom 12. Mai 1949), in dem von einer Suspendierung desArtikel 23 nicht mehr die Rede war, setzte in der Bundesrepublik Deutschland die Auffassung sich durch, Artikel 23 sei nicht suspendiert und (West-)Berlin daher ein Land der Bundesrepublik (BVerfGE 7, 1 [7, 10])“.[3]

Da ersteres offensichtlich Theorie bleiben musste, beschränkte dieBundesregierung sich notgedrungen auf „Berlin (West)“ und versuchte, wenigstens den Westteil der Stadt politisch und wirtschaftlich so eng wie möglich einzubinden. Eine vollständige rechtliche Integration scheiterte jedoch amVorbehalt der vier Mächte, was dazu führte, dass sich West-Berlin bis 1990 in einigen wichtigen Punkten von einem gewöhnlichen Bundesland unterschied: Beispielsweise wurden BerlinerBundestags­abgeordnete nicht direkt vom Volk gewählt, sondern vomAbgeordnetenhaus entsandt; sie hatten in der damaligenBundeshauptstadtBonn kein Stimmrecht, sondern eine beratende Funktion. Darüber hinaus unterlagen West-Berliner Bürger im Rahmen des Viermächteabkommens nicht der bundesdeutschenWehrpflicht. DieAußerparlamentarische Opposition (APO) thematisierte – auch durch heftige Protestaktionen – die Frage, ob West-Berliner Behörden Amtshilfe zur Durchsetzung dieser Wehrpflicht in West-Berlin durchführen dürfen.[4]

Die BezeichnungWest-Berlin war allgemein üblich, aber im amtlichen Sprachgebrauch, insbesondere in der Schreibweise „Westberlin“, verpönt. Stattdessen wurde stetsBerlin (West) oder kurzBerlin geschrieben, während der Ostteil der StadtOst-Berlin genannt werden durfte. Dadurch sollte einer sprachlichen Entwicklung entgegengewirkt werden, die den Eindruck erzeugen könnte, bei den beiden Stadthälften handele es sich um eigenständige Städte, was dem Gedanken der Wiedervereinigung abträglich gewesen wäre. Die Debatte um die politisch korrekte Bezeichnung für Berlin ähnelte dabei prinzipiell der um dieAbkürzung „BRD“.

Deutsche Demokratische Republik

[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]

Die DDR hingegen nahm Ende der 1950er Jahre von ihrem Ziel einer Wiedervereinigung unter sozialistischem Vorzeichen Abstand und war bemüht, die Teilung Deutschlands und Berlins zu festigen. Diese Bestrebungen fanden ihren Höhepunkt im Bau der Berliner Mauer 1961. Die von der DDR als lästiger Fremdkörper im eigenenStaatsgebiet empfundene „Insel“ West-Berlin, die zunehmend als Schlupfloch fürDDR-Flüchtlinge diente, sollte abgeschottet werden. Während dieDDR-Regierung Ost-Berlin widerrechtlich, aber von den Besatzungsmächten geduldet zur „Hauptstadt der DDR“ erklärte, bestand sie stets darauf, dass die „Selbständige politische Einheit Westberlin“ kein Bestandteil der Bundesrepublik Deutschland sei.

ImSprachgebrauch in der DDR wurde also der Ostteil „Berlin, Hauptstadt der Deutschen Demokratischen Republik“ oder kurz „Berlin“ genannt, während der Westteil „Selbständige politische Einheit Westberlin“ oder einfach „Westberlin“ hieß, immer ohne Bindestrich geschrieben. Es sollte so der politisch erwünschte Eindruck von einem „eigentlichen“ Berlin im Osten und einem fremdartigen Gebilde westlich davon erzeugt werden.

Im westdeutschen Sprachgebrauch wurde bis Ende der 1960er Jahre vielfach von der Regierung inPankow oder kurz von „Pankow“ gesprochen, wenn von der DDR-Führung die Rede war. Hierdurch sollte vermieden werden, von der Regierung in (Ost-)Berlin zu sprechen und damit in der Berlin-Frage deren amtliche Position mit ihrer Bezeichnung „Berlin, Hauptstadt der DDR“ zu unterstützen.

Westmächte

[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]

DieWestmächteUSA,Großbritannien und Frankreich betrachteten sich als Schutzmächte der Freiheit West-Berlins. Ihr Ziel war es, ihren Einflussbereich in Berlin zu sichern und eine Vereinnahmung West-Berlins durch die Sowjetunion zu verhindern. Zu diesem Zweck waren sie bereit, die Integration Ost-Berlins in die DDR und damit die Teilung der Stadt hinzunehmen, die mit einer Stabilisierung ihrer eigenen Machtposition im Westteil einherging. Insbesondere ihre Untätigkeit gegenüber dem Mauerbau 1961 wurde den Westmächten von vielen Berlinern verübelt und als Verrat an der Idee der Einheit und Freiheit Berlins wahrgenommen.

Formell hielten sie jedoch an ihrer Auffassung des die gesamte Stadt umfassendenViermächte-Status fest. So blieb während der gesamten Zeit der Teilung der Platz des sowjetischen Abgesandten in derAlliierten Kommandantur symbolisch frei. Sie bestanden auf der Freizügigkeit westalliierter Militärangehöriger in ganz Berlin. Gegen Verletzungen des Viermächte-Status von östlicher Seite (z. B. Militärparaden der NVA auf Ost-Berliner Boden) reagierten sie mit diplomatischen Protestnoten. Die Botschaften der Westmächte und der meistenNATO-Staaten in Ost-Berlin hießen „Botschaftbei der DDR“ (statt „… in der DDR“), um zu betonen, dass sie sich nicht auf dem Territorium der DDR befänden.[5]

Die Verteidigung West-Berlins hatte nicht nurhumanitäre Gründe. Für die Westmächte, insbesondere für die USA, fungierte West-Berlin während desOst-West-Konflikts als wichtiger Außenposten innerhalb desOstblocks, der sich auch hervorragend fürSpionagezwecke eignete (z. B. auf demTeufelsberg).

Sowjetunion

[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]

Diese Funktion als Außenposten desWestens missfiel der Sowjetunion. Bis zurEntspannung der Lage in den 1960er Jahren versuchte die Sowjetunion, die West-Alliierten aus Berlin zu verdrängen und die gesamte Stadt in ihren Einflussbereich zu integrieren. Die Sowjetunion verstieß damit, vor allem durch die Eingliederung Ost-Berlins in die DDR, erheblich gegen den Viermächtestatus der Stadt. Höhepunkte dieser Politik waren dieBerlin-Blockade 1948/49 und dasBerlin-Ultimatum 1958, das zur Berlin-Krise führte.

Später akzeptierte die Sowjetunion die Präsenz der Westmächte, bestand jedoch genau wie die DDR stets darauf, dass West-Berlin ein eigenständiges politisches Gebilde sei und kein Teil der Bundesrepublik. Die Sowjetunion und die DDR protestierten regelmäßig und erfolglos gegen die Präsenz von Bundesbehörden in West-Berlin und dessenWestintegration, wobei sie dasVierseitige Abkommen von 1971 dahingehend auslegten, dass die Westsektoren Berlins kein Bestandteil (konstitutiver Teil) der Bundesrepublik Deutschland seien und auch nicht von ihr regiert werden können.

Dennoch nahm die Sowjetunion weiterhin einen Teil ihrerBesatzungsrechte in West-Berlin wahr, namentlich in Form von Patrouillenfahrten sowjetischer Militärangehöriger und durch Teilnahme an der Bewachung desKriegsverbrechergefängnisses Spandau.

Siehe auch

[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]

Literatur

[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]
  • Wolfgang Heidelmeyer, Günther Hindrichs (Hrsg.):Die Berlin-Frage. Politische Dokumentation 1944–1965. Fischer Bücherei KG, Frankfurt am Main 1965.
  • Ernst R. Zivier:Der Rechtsstatus des Landes Berlin. Eine Untersuchung nach dem Viermächte-Abkommen vom 3. September 1971. 3. Auflage, Berlin Verlag, Berlin 1977,ISBN 3-87061-173-1.

Weblinks

[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise

[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]
  1. Beleg zur NVA-Präsenz nach 1961 (Memento vom 1. Oktober 2007 imInternet Archive) im Bundesarchiv
  2. § 7 Abs. 1 Satz 2 desGesetzes über die Wahlen zu den Volksvertretungen der Deutschen Demokratischen Republik (Wahlgesetz) vom 24. Juni 1976 imGesetzblatt der DDR, Teil I Nr. 22 vom 29. Juni 1976, S. 301 ff. (Digitalisat).
  3. Ingo von Münch,Grundgesetz-Kommentar, Rn. 8 zu Art. 23 GG (a.F.).
  4. Vgl. dazuRepublikanischer Club undIDK
  5. Einpacken und woanders aufbauen – Wie die DDR im Westen nach neuen Partnern sucht. In:Der Spiegel.Nr. 9, 1985,S. 34–43 (online). 
Normdaten (Sachbegriff):GND:4005750-1(lobid,OGND,AKS)
Abgerufen von „https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Berlin-Frage&oldid=253626355
Kategorien: