Witiza leistete unterPippin dem Jüngeren undKarl dem Großen Militärdienst. Auf dem ersten Feldzug Karls des Großen gegen denLangobardenkönigAistulf musste er zusehen, wie sein Bruder ertrank. Nach diesem Erlebnis trat er im Jahr 773 oder 774 in das KlosterSt. Seine bei Dijon ein und nahm denOrdensnamen Benedikt an (nach seinem VorbildBenedikt von Nursia). Im Jahr 782 kehrte er in seine südfranzösische Heimat zurück und gründete dort dasKloster St. Sauveur in der GemeindeAniane. Im Süden desFrankenreichs regierte damalsLudwig der Fromme als Unterkönig, mit dem Benedikt eng zusammenarbeitete. Als Ludwig Nachfolger seines Vaters Karls des Großen alsKaiser des fränkischen Reichs wurde, nahm er Benedikt mit an dieAachener Königspfalz. Gemeinsam setzten Benedikt und Ludwig in den Folgejahren das von Karl dem Großen begonnene Werk fort, die Mönche vereinheitlicht unter derRegula Benedicti in dieReichskirche einzugliedern. DasAachener Konzil (816–819) schrieb die Regel und eine von Benedikt verfassteConsuetudo, dasCapitulare monasticum, als alleinverbindliche Mönchsregel fest. Daneben entschied das Konzil auch die deutliche Trennung zwischenMönch undKanoniker.
Diese Entscheidungen waren die entscheidende Grundlage für die spätere Form und Bedeutung derbenediktinischen Orden. Um zu demonstrieren, dass die Reform keinen Bruch mit dermonastischen Tradition darstelle, veranlasste Benedikt zwei Sammlungen, erstens denCodex regularum, eine umfangreiche Sammlung von Mönchsregeln und regelartigen Texten, darunter dieVita desPachomios,[1] zweitens dieConcordia regularum, eine thematisch geordnete synoptische Anordnung der Bestimmungen der verschiedenen Regeln.[2]
Mit Unterstützung Ludwigs des Frommen gründete Benedikt in den Jahren 816/817 die AbteiInda (späterReichsabtei Kornelimünster). Sie sollte als eine Art Musterkloster im Sinne der von Benedikt von Nursia aufgestellten Regeln und Reformen fungieren.[3] Benedikt von Aniane verstarb in der Abtei in Kornelimünster am 11. Februar 821.
Auf Bitten Indener Mönche verfasste Ardo Smaragdus († 843) dieVita Benedicti, die angesichts einer dürftigen Quellenlage trotzhagiographischerTopoi eine unverzichtbare Quelle darstellt.[4] Im 18. Jahrhundert wurde dem Kloster Kornelimünster das Privileg gewährt, einen Gedenktag (mit Hl. Messe) zu Ehren des Benedikt jährlich zu feiern. Unter Abt Hyacinth von Suys († 1745) wurde vergebens nach einem Grab des Benedikt durch Ausgrabungen im Umfeld der Klosterkirche gesucht. Von 1888 bis 1902 fanden weitere, teils ausführliche, Grabungen statt, aber sie blieben ergebnislos.[5]
Benedikt von Aniane wird in derrömisch-katholischen und in derorthodoxen Kirche alsHeiliger verehrt. Sein Gedenktag ist der 11. Februar, gelegentlich wird auch der 12. Februar genannt.[6]
Umstritten ist in der Forschung, welche Bedeutung Benedikt von Aniane neben anderen Akteuren für die monastische Reform derkarolingischen Renaissance zukommt. Zuletzt wurde diese stark relativiert und sogar die Verwendung des Begriffs „anianische Reform“ kritisiert.[7] Doch ist zu beachten, dass in Fulda noch um 840Brun Candidus von Fulda in seiner Vita des AbtesEigil umfangreiche Zitate aus dem Textkorpus des Benedikt von Aniane platziert und auf die Reform des Klosters durch Mönche „aus dem Westen“ hinweist, das als Zeugnis für ein anhaltendes Reformbewusstsein zu werten ist.[8]
Pius Engelbert:Benedikt von Aniane und die karolingische Reichsidee. In:Studia Anselmiana. Band 103, 1990,ZDB-ID 423829-1, S. 67–103.
Pius Engelbert (Hrsg. und Kommentar):Der Codex regularum des Benedikt von Aniane. Faksimile der Handschrift Clm 28118 der Bayerischen Staatsbibliothek München. EOS Verlag, Sankt Ottilien 2016,ISBN 978-3-8306-7757-4.
Dieter Geuenich:Anmerkungen zur sogenannten „anianischen Reform“. In:Dieter Bauer u. a. (Hrsg.):Mönchtum, Kirche, Herrschaft 750–1000. Festschrift für Josef Semmler zum 65. Geburtstag. Thorbeck, Sigmaringen 1998, S. 99–112 (mgh-bibliothek.de [PDF; 837 kB]).
Dieter Geuenich:Gebetsgedenken und anianische Reform. Beobachtungen zu den Verbrüderungsbeziehungen der Äbte im Reich Ludwigs des Frommen. In: Raymund Kottje,Helmut Maurer (Hrsg.):Monastische Reformen im 9. und 10. Jahrhundert (= Konstanzer Arbeitskreis für Mittelalterliche Geschichte [Hrsg.]:Vorträge und Forschungen. Band 38). Thorbecke, Sigmaringen 1989,ISBN 3-7995-6638-4, S. 79–106.
Jakobus Kaffanke OSB (Hrsg.):Benedikt von Nursia und Benedikt von Aniane (= Weisungen der Väter, Bd. 26). Beuroner Kunstverlag, Beuron 2016,ISBN 978-3-87071-339-3.
Walter Kettemann:Subsidia Anianensia. Überlieferungs- und textgeschichtliche Untersuchungen zur Geschichte Witiza-Benedikts, seines Klosters Aniane und zur sogenannten „anianischen Reform“. Mit kommentierten Editionen der ‚Vita Benedicti Anianensis‘, ‚Notitia de servitio monasteriorum‘, des ‚Chronicon Moissiacense/Anianense‘ sowie zweier Lokaltraditionen aus Aniane. Duisburg, Univ., Diss., 2000,DNB1019186690; Online: 2008,urn:nbn:de:hbz:464-20080509-172902-8.
Thomas Richter, Oliver Kaftan (Hrsg.):Traditio legis: Schlaglichter auf 1200 Jahre Rezeptionsgeschichte der Gestalt des Benedikt von Aniane (= Studien und Mitteilungen zur Geschichte des Benediktinerordens und seiner Zweige Ergänzungsband 56). EOS, Sankt Ottilien 2022,ISBN 978-3-8306-8121-2
Josef Semmler:Reichsidee und kirchliche Gesetzgebung bei Ludwig dem Frommen. In:Zeitschrift für Kirchengeschichte. Band 71, 1960, S. 37–65.
Josef Semmler:Die Beschlüsse des Aachener Reformkonzils im Jahre 816. In:Zeitschrift für Kirchengeschichte. Band 74, 1963, S. 15–82.
Josef Semmler:Benedictus II. Una regula – una consuetudo. In: Willem Lourdaux, Daniel Verhelst (Hrsg.):Benedictine Culture 750–1050 (=Mediaevalia lovaniensia. Series 1. Studia 11). Leuven University Press, Leuven 1983,ISBN 90-6186-144-6, S. 1–49 (Scan in der Google-Buchsuche).
↑Ed. von Pierre Bonnerue:Benedictus. Concordia regularum (=Corpus Christianorum Continuatio Mediaevalis 168; 168A). Band 1–2. Brepols, Turnhout 1999 (1. Ausgabe von Hugues Menard, Paris 1638, auch in:MignePatrologia latina. Band 103, Sp. 713–1380). Vgl. zu beiden Sammlungen Gereon Becht-Jördens:Die Vita Aegil des Brun Candidus (=Fuldaer Hochschulschriften. Band 17). Knecht, Frankfurt a. M. 1992,ISBN 3-7820-0649-6, S. 42–44; Walter Kettemann:Subsidia Anianensia, passim (s.Literatur).
↑Paul Fabianek:Folgen der Säkularisierung für die Klöster im Rheinland. Am Beispiel der Klöster Schwarzenbroich und Kornelimünster. Verlag BoD, Norderstedt 2012,ISBN 978-3-8482-1795-3, S. 27.
↑Frank Pohle:Auf der Suche nach dem Grab Benedikt von Anianes. In: Thomas Richter, Oliver Kaftan (Hrsg.):Traditio legis: Schlaglichter auf 1200 Jahre Rezeptionsgeschichte der Gestalt des Benedikt von Aniane (= Studien und Mitteilungen zur Geschichte des Benediktinerordens und seiner Zweige Ergänzungsband).Nr.56. EOS, Sankt Ottilien 2022,ISBN 978-3-8306-8121-2,S.210–222.
↑Martyrologium Romanum. Saint-Brieuc 2004,S.147 (Latein,archive.org [abgerufen am 1. Oktober 2025]).
↑Vgl.Dieter Geuenich:Anmerkungen zur sogenannten „anianischen Reform“ (s.Literatur); Walter Kettemann:Subsidia Anianensia. S. 1–32; S. 41–51; S. 334–338 (s.Literatur).
↑Vgl. Gereon Becht-Jördens:Die Vita Aegil des Brun Candidus (=Fuldaer Hochschulschriften. Band 17). Knecht, Frankfurt a. M. 1992,ISBN 3-7820-0649-6, S. 44–48.