Der LandesnameBelarus setzt sich aus den Bestandteilenbela- (slawisch für „weiß“) undRus (Name des mittelalterlichen ostslawischen Herrschaftsgebiets) zusammen. ZurEtymologie des WortesRus sowie zur historischen Bedeutung vonbela- in diesem Zusammenhang gibt es unterschiedliche Theorien. Vorherrschend ist die folgende Ansicht: Demnach lässt sichRus aus demaltfinnischenrūōtsi („die Ruderer“) herleiten und bezeichnet die skandinavischenWaräger;bela- wird als Bestandteil eines Systems zur Bezeichnung vonHimmelsrichtungen mit Hilfe von Farben angesehen (vgl. auch Benennungen wieSchwarze Rus oder dieRote Rus/Rotreußen), wobei sich die Farbe Weiß auf den Westen der ehemaligenKiewer Rus bezieht.[7]
Der NameBelaja Rus lässt sich in den Quellen seit dem 13. Jahrhundert nachweisen. Rus war derostslawische Name fürskandinavisch-slawische Herrschaftsgebiete wie das derKiewer Rus, zu der das Gebiet seit dem 9. Jahrhundert gehörte.
Die historischen deutschen Bezeichnungen für die Rus waren Russland,Reußen oderRuthenien, jedoch wurde ab der Mitte des 20. Jahrhunderts unmittelbar aus den ostslawischen Sprachen die FormRus übernommen. Der BegriffAlba Russia (Weiße Rus) wurde in mittelalterlichen Quellen lange Zeit verschiedenen Teilen der Rus zugeordnet: derRepublik Nowgorod, demGroßfürstentum Moskau oder dem östlichen Teil des heutigen Staatsgebiets von Belarus, im Gegensatz zurSchwarzen Rus für die Gegend rund umGrodno. Das farbliche Begriffspaar wurde darüber hinaus oft für verschiedene Gebiete und in verschiedenen Bedeutungen verwendet, bis der BegriffWeißrussland im 19. Jahrhundert einen festen Bezug zum ethnischen Siedlungsraum jenes Teils der Ostslawen entwickelte, die sich bis zu denTeilungen Polen-Litauens als kulturell und sprachlich unterschiedliche Gruppe im Machtbereich Litauens ausprägten.
Früher wurde das Land auchWeißruthenien und imSprachgebrauch in der DDRBelorußland genannt. Die Historikerin Diana Siebert meint, die „eigentlich beste Bezeichnung Weißruthenien“[8] sei historisch zu belastet und nicht mehr zur Verwendung geeignet. Während desZweiten Weltkriegs wurde in derNS-Sprache der Begriff „Weißruthenien“ verwendet (sieheGeneralbezirk Weißruthenien), was das Bemühen des Reichsministers für die besetzten Ostgebiete,Alfred Rosenberg, widerspiegelte, die Weißrussen möglichst stark von denGroßrussen zu unterscheiden.[9]
Diedeutschsprachigen traditionellen Benennungen „Weißrussland“, „Weißrussen“, „weißrussisch“ stehen in der Kritik:[10] So wird argumentiert, dassWeißrussland eine politische, kulturelle und sprachliche Abhängigkeit vonRussland bzw.Großrussland suggeriere. Anhänger dieser Position plädieren für die BezeichnungBelarus und versuchen, auch das Adjektivbelarusisch (mit einem „s“) zu popularisieren.[11][12]
Gegner dieser Sichtweise argumentieren, dass „Weiß-“ lediglich eine Übersetzung vonbela- darstelle, und Schreibungen wie „Belarusen“ anstelle von „-russen“ zudem auch eine Änderung der Aussprache von stimmlosem zu stimmhaftem „s“ und eine Verlängerung des kurzen /ʊ/ erfordere. Außerdem müsse dann auchRussland mit seineretymologischen Anknüpfung an dieRus hinterfragt werden, da diese Bezeichnung das heutige Russland als einzigen semantisch „unmarkierten“ Nachfolger der mittelalterlichen Rus erscheinen lasse.[10]Ähnliche Kontroversen um die Benennung bzw. Schreibung des Landes, seiner Bewohner und der Nationalsprache sind auch in anderen Sprachen, darunter Russisch, Englisch und Schwedisch, ausgetragen worden.[10]
Eine Ende Januar 2020[13] gegründeteBelarusisch-Deutsche Geschichtskommission empfiehlt, als LandesnameBelarus mit Betonung auf-rus und als Adjektivbelarusisch (stattbelarussisch) in deutschsprachigen Texten zu verwenden; damit werde deutlich, dass es sich bei derRepublik Belarus um einen souveränen Staat handelt, der nicht Teil Russlands ist.[14] Zahlreiche deutschsprachigeNachrichten- und Presseagenturen sowie Medien übernahmen dies und verwenden seither insbesondere als Landesnamen zunehmendBelarus,[11][15][16][17][18] wenngleich sie das Adjektiv oftbelarussisch schreiben.
Die offiziellen belarusischen Stellen sowie die österreichische und schweizerische Diplomatie verwenden in offiziellen deutschsprachigen Texten den NamenBelarus.[19][20] In Deutschland hingegen galt auf offizieller Ebene die Regelung, dass im zwischenstaatlichen VerkehrBelarus, im innerstaatlichen Verkehr und auf Landkarten hingegen die BezeichnungWeißrussland verwendet wird. Die Regelung zum innerstaatlichen Verkehr wurde Anfang Oktober 2021 gestrichen. Seither wird in Deutschland im amtlichen Gebrauch ausschließlichBelarus verwendet,[21] wenngleich das Adjektivbelarussisch und die Bezeichnung der StaatsangehörigenBelarussen geschrieben werden.[22]
Die größte Ausdehnung des Landes vom Westen nach Osten beträgt 650 km – von Nord nach Süd sind es 560 km. Unter den europäischen Staaten ist Belarus flächenmäßig an 13. Stelle und der größte Binnenstaat, der vollständig inEuropa liegt.
DieStaatsgrenzen zu Russland und derUkraine sind je etwa 1000 km lang, dieGrenze zu Polen rund 400 km, diezu Litauen rund 680 km und diezu Lettland 173 km. Der Grenzverlauf ist unregelmäßig und folgt nur nach Polen teilweise Gewässern (Bug), vornehmlich verläuft die Grenze aber überSumpf- undHügelland.
Entfernungen von der Hauptstadt Minsk zu den Hauptstädten der Nachbarstaaten:
Im Süden liegen die historische LandschaftPolesiens und diePrypjatsümpfe (belarusischPrypjazkija baloty). 30 Prozent des Landes sind bewaldet. Die höchste Erhebung ist dieDsjarschynskaja Hara (345 m) im Belarussischen Höhenrücken, die tiefsten Flussniederungen liegen etwa 50 Meter über dem Meer.
Belarus ist am stärksten von derNuklearkatastrophe von Tschernobyl (1986) betroffen. Sie hat rund ein Viertel der Landesfläche, besonders im Osten und Süden, kontaminiert.Die Auswirkungen der Atomkatastrophe von 1986 sind noch heute spürbar. Im Jahr 2024 meldeten die weißrussischen Behörden, dass noch immer 12 Prozent der Landesfläche kontaminiert seien.[23] DasPolessische Staatliche Radioökologische Schutzgebiet ist eineSperrzone (eine Fläche von 2162 km2) an derGrenze zur Ukraine.
Belarus gliedert sich in sechs Verwaltungsgebiete (belarusischWoblasz) mit 118 Bezirken (Rajone). Die Hauptstadt Minsk hat einen Sonderstatus und gehört keiner der Woblasze an.
Belarus hatte 2024 9,1 Millionen Einwohner.[27] Die Einwohnerzahl sank um 0,8 %. Zum Bevölkerungsrückgang trug ein Sterbeüberschuss (Geburtenziffer: 9,2 pro 1000 Einwohner[28] vs. Sterbeziffer: 15,5 pro 1000 Einwohner[29]) bei. Die Anzahl der Geburten pro Frau lag 2022 statistisch bei 1,5, die der Region Europa und Zentralasien betrug 1,7.[30] DieLebenserwartung der Einwohner von Belarus ab der Geburt lag 2022 bei 73,1 Jahren[31] (Frauen: 78,4[32], Männer: 68,1[33]). DerMedian des Alters der Bevölkerung lag im Jahr 2021 bei 40,2 Jahren.[34]
Im Jahre 2017 waren 11,4 % der Bevölkerung im Ausland geboren, die meisten davon in Russland.[35][36]
Das Staatsvolk bilden die ostslawischenBelarussen mit etwa 83 Prozent der Gesamtbevölkerung. Neben ihnen gibt es 8,3 ProzentRussen, 3,1 ProzentPolen[37] und 2,4 ProzentUkrainer.
Belarus liegt im Zentrum des ursprünglichenjüdischen Ansiedlungsgebietes desZarenreiches. Diejüdische Minderheit war daher ehemals sehr stark vertreten und bildete vor dem Zweiten Weltkrieg die zweitgrößte Bevölkerungsgruppe, in manchen Städten mit einem Anteil von über 50 Prozent sogar die Bevölkerungsmehrheit. In Folge desHolocausts fiel die jüdische Minderheit auf belarussischem Gebiet jedoch auf rund 1,9 Prozent der Bevölkerung (etwa 150.000) im Jahr 1959. Diese Zahl sank in den Folgejahren weiter, vor allem durch Abwanderung nach Israel, stark beschleunigt nach der Öffnung des Landes zwischen 1989 und 1992. 2009 wurden nur noch 12.926 (0,1 Prozent) Juden gezählt.
Der Minderheit der muslimischenTataren gehören ebenfalls etwa 0,1 Prozent der Bevölkerung an.
Bevölkerung von Belarus nach Volksgruppen 1959–2019
DieAmtssprachen des Landes sindBelarussisch undRussisch. Seit der Unabhängigkeit hat die Bedeutung des Belarussischen zwar zugenommen, das Russische bestimmt das öffentliche Leben jedoch nach wie vor, besonders in den Städten. Verbreitet ist auch dieTrassjanka, eine mündliche Mischform aus belarussischer und russischer Sprache. Durch die große polnische Minderheit im Land und auch aus historischen Gründen besitzt dasPolnische ebenfalls noch eine gewisse Verbreitung, vor allem im Westen des Landes. Aufgrund einer langanhaltenden Assimilation sprechen heute viele belarussische Polen aber nicht mehr Polnisch, sondern entweder Russisch oder Belarussisch.Faktisch ist Russisch die dominierende Sprache des Landes, etwa 75 Prozent der Bevölkerung nutzen es inzwischen als Hauptumgangssprache und nur noch knapp 12 Prozent das Belarussische.[40] Das Russische ist für alle Volksgruppen des Landes, einschließlich der Belarussen, die meistgenutzte Umgangssprache.[41] Unter der ethnisch belarussischen Bevölkerung gaben beim Zensus von 2009 rund 60 Prozent an, bevorzugt Russisch zu sprechen, 26 Prozent zogen das Belarussische vor.[41] Der Anteil der belarussischen Muttersprachler ist allerdings deutlich höher als der Anteil derer, die bevorzugt Belarussisch sprechen.
Die Verbreitung der beiden Sprachen schwankt von Region zu Region. Im Allgemeinen ist das Belarussische in ländlichen Gebieten stärker verbreitet als in Städten. Die Region mit dem höchsten Anteil der belarussischsprachigen Bevölkerung ist dieMinskaja Woblasz, in der rund 39 Prozent der Bevölkerung Belarussisch und 56 Prozent Russisch als Hauptumgangssprache angeben. Am stärksten dominiert das Russische in der Hauptstadt Minsk, wo weniger als 6 Prozent bevorzugt Belarussisch und mehr als 82 Prozent Russisch sprechen.[41]
Von 1990 an war das Belarussische für einige Jahre die alleinige Amtssprache des Landes, bis das Russische 1995 nach einem Referendum wieder den Status einer gleichberechtigten Amtssprache erhielt. In dieser kurzen Zeit war das Russische in bisher beispiellosem Maße zurückgedrängt worden. 1994 waren nur noch knapp 5 Prozent aller Schulen russischsprachig und die belarussische Regierung hatte sich ab 1990 die Verdrängung des Russischen aus „sämtlichen Sphären der belarussischen Gesellschaft“ bis zum Jahr 2000 zum Ziel gesetzt.[42] Umfragen zeigten jedoch, dass diese Sprachpolitik nur auf wenig Zustimmung in der Bevölkerung traf. Beim Referendum von 1995 sprachen sich schließlich 86,8 Prozent der Wähler für eine Wiedereinführung des Russischen als Amtssprache aus.[43]
In der Volkszählung von 2009 gaben 60 Prozent Belarussisch als Muttersprache an, aber nur 26 Prozent gaben an, die Sprache zu Hause zu sprechen. Im Jahr 2017 besuchten bei sinkender Tendenz nur 13 Prozent der Volksschüler eine Schule in belarussischer Sprache und in der Zentralbibliothek nahmen zu Beginn des Jahres 2019 Bücher in Belarussisch nur marginalen Raum ein. 2019 war vermehrt von der Sprache und ihrer Rolle im absehbaren „Unabhängigkeitskampf“ (Drehbuchautor Andrej Kurejtschyk) mit Russland die Rede.[44][45]
Römisch-katholisch sind die meistenPolen undLitauer sowie die Belarussen im Westen und Norden des Landes. Nach der offiziellen Statistik (s. o.) bilden sie 12 Prozent der Kirchenangehörigen, also knapp 7 Prozent der Bevölkerung, nach eigenen Angaben der katholischen Kirche allerdings zwischen 10 Prozent[47] und 14 Prozent[48]. Es gibt eine kleine Minderheitgriechisch-katholischer Christen von etwa 10.000 Gläubigen. DieLetten und dieRoma wie dieJerli (auchSinti,Lovara,Manusch undKalderasch) bekennen sich vorwiegend zum evangelisch-lutherischen Christentum. Belarus war eines der schwerpunktmäßig betroffenen Gebiete desHolocausts. Vorher lebte hier eine große jüdische Bevölkerungsgruppe; seit 1989 wanderte ein großer Teil der Nachkommen überlebender Juden aus.
Belarus unterhält ein für denpostsowjetischen Raum einzigartiges Sozialsystem, das beim Volk für einige Zustimmung für die autokratische Landesführung sorgt. Gleichzeitig gestaltete sich dessen Finanzierung im Jahr 2018 zunehmend schwieriger.[49]
Einige tausend junge Belarussen studieren inDeutschland und eine etwas größere Zahl inRussland oder Ländern desWestens.
Mit den erstgenannten drei Hochschulen hat der Internationale Hilfsfonds[50] von EU und Deutschland Partnerschaften in den Westen eröffnet. Die oft beklagte Isolation war für Belarus schon zu Zeiten derSowjetunion schmerzhaft. Seit der Unabhängigkeit des Landes wuchs die Hoffnung der Universitäten auf Kooperationen, was aber wegen der autoritären Staatspolitik kaum gelang.
Die 1992 gegründete einzige Privatuniversität, dieEuropäische Humanistische Universität, musste im August 2004 auf staatlichen Druck geschlossen werden. Sie hatte, größtenteils aus westlichen Mitteln finanziert, Europastudien, Sprach- undPolitikwissenschaften angeboten. Auch dasInstitut für Deutschlandstudien befand sich dort. Die Hochschule wurde im Juni 2005 imExil inVilnius (Litauen) wieder eröffnet.
Die Gesundheitsausgaben des Landes betrugen im Jahr 2021 6,6 % des Bruttoinlandsprodukts.[51] Im Jahr 2019 praktizierten in Belarus 44,3 Ärztinnen und Ärzte je 10.000 Einwohner.[52]
Zum 1. April 2004 wurden offiziell 5751HIV-Infektionen, 107AIDS-Fälle und 439 AIDS-Tote in der Republik Belarus gemeldet. HIV tauchte 1996 zum ersten Mal unter den spritzenden Drogenabhängigen inSwetlahorsk (Homelskaja Woblasz) auf. Bis September 1998 waren in derselben Stadt 2173 HIV-Fälle offiziell registriert. Dies macht 81 Prozent aller gemeldeten Fälle im gesamten Land zu dieser Zeit aus. Die Zahl der infizierten Drogenabhängigen stieg auf 74 Prozent. HIV-Tests sind Pflicht für Blutspender, Gefängnisinsassen, Patienten mit sexuell übertragbaren Krankheiten, Drogenabhängige undProstituierte. Die HIV-Fälle, in denen die Ansteckungsursache dokumentiert wurde, listen für das Jahr 2003 auf, dass sich 76 Prozent (im Vorjahr: 64 Prozent) durch nicht sterilisierte Spritzen beim Drogenkonsum und 23 Prozent (im Vorjahr 35 Prozent) durchheterosexuelle Kontakte infiziert haben. Im Jahr 2002 lebten von den 319 dokumentierten Fällen einer heterosexuellen Ansteckung 52 Prozent mit Risikopartnern, hauptsächlich Drogenabhängigen. Wie auch in Russland ist die Krankheit nicht im gesamten Land gleich verbreitet, sondern zeigt die höchsten Zahlen in der Homelskaja Woblasz (3380 Fälle, oder 224,5 auf 100.000 Einwohner) und in Minsk (823 Fälle, oder 47,3 auf 100.000 Einwohner).
Das Gesundheitswesen in Belarus ist im weltweiten Vergleich leicht überdurchschnittlich entwickelt. Die WHO hat im Januar 2019 das Verzögern oder Auslassen von Impfungen zur Bedrohung der globalen Gesundheit erklärt. Insbesondere der fehlende Impfschutz gegen Masern birgt bei international steigenden Fallzahlen ein hohes Risiko. In Belarus waren im Mai 2021 26,6 % aller über 15-Jährigen Raucher. 5 % der Neugeborenen waren untergewichtig.[53]
Eine Folge der Nuklearkatastrophe von Tschernobyl war der Anstieg vonSchilddrüsenkrebsfällen, der sich bereits drei bis vier Jahre nach der Katastrophe durch einen Anstieg bei Kindern zeigte. Weiter zeigte sich, dass auch bei Jugendlichen und Erwachsenen das Risiko für Schilddrüsenkrebs in Abhängigkeit der Exposition mitJod-131 signifikant anstieg. Während Vertreter der Atomwirtschaft von lediglich 4000 zusätzlichen Fällen Schilddrüsenkrebs durch die Nuklearkatastrophe ausgehen, errechnete der Wissenschaftliche Ausschuss der Vereinten Nationen zur Untersuchung der Auswirkungen der atomaren Strahlung (UNSCEAR) eine kollektive Schilddrüsendosis von etwa 2,4 Mio. Personen-Gray für ganz Europa.[54] Ein Viertel des Territoriums wurde verstrahlt, große Flächen mussten gesperrt, 140.000 Menschen umgesiedelt werden. Ein Viertel des Wirtschaftswaldes, etliche Minerallagerstätten und viele Industriebetriebe gingen verloren. Ein Fünftel der landwirtschaftlichen Nutzfläche des Landes wurde kontaminiert und führte zur Räumung großer Gebiete vor allem um die StadtHomel. Dort haben viele Kinder höhere Cäsiumwerte als in nicht kontaminierten Gebieten, mancherorts acht bis zehn Mal höhere Werte. Es sollen nur Pflanzen angebaut werden, die keine oder wenig radioaktive Nuklide anreichern wie Raps, Mais und Weizen. ImRajon Chojniki, wo auf ehemals verseuchten Böden Weizen angebaut und Milchwirtschaft betrieben wird, hat das Strahleninstitut im Frühjahr 2020 20 bis 30 Becquerel pro Kilogramm Körpergewicht bei den Kindern gemessen. Hauptursache sei vor allem der Verzehr von Beeren und Pilzen aus den Wäldern.[55]
Nach der Katastrophe wurde in verschiedenen Ländern eine Reihe privaterHilfsorganisationen gegründet, die den Kindern aus den vomradioaktiven Niederschlag betroffenen Gebieten Erholungsaufenthalte bieten. Dadurch wird dasImmunsystem der Kinder weniger belastet und die Völkerverständigung gefördert. Von Belarus und von der Deutschen Botschaft werden diese Erholungsaufenthalte unterstützt.
Das im Süden von Belarus gelegene GebietPolesien gilt als eine mögliche Urheimat derSlawen insgesamt. Im frühen Mittelalter war der Großteil des heutigen Belarus vonostslawischen Stämmen besiedelt, darunter dieDregowitschen, dieRadimitschen und diePolotschanen. Im Nordwesten lebtenbaltische Stämme. Der Landstrich wurde Teil derKiewer Rus, des ersten ostslawischen Großstaates. Zu dessen Bestandteilen auf dem Gebiet von Belarus zählten dasFürstentum Polozk (belaruss.:Polazk) und dasFürstentum Turow-Pinsk (belaruss.:Turau-Pinsk). Bis 1240 zerstörte derMongolensturm aus dem Osten die Kiewer Rus.
Aus der Kiewer Rus entstanden mehrere Volksgruppen:
Auf dem Gebiet der heutigenUkraine entstand dasFürstentum Galizien-Wolhynien, das sich von den nördlichen Hängen der Karpaten über das heutige Ostgalizien und Wolhynien erstreckte. Dieses Reich bestand bis in die Mitte des 14. Jahrhunderts und bildete den Grundstein für die spätere ukrainische Volksgruppe, fiel dann aber unter litauisch-polnische Herrschaft.
Auf dem Gebiet von Belarus bildete sich allmählich diebelarussische Volksgruppe heraus.
Großrussland fiel bis 1480 unter mongolisch-tatarische Herrschaft, bis es sich unter Moskauer Führung von dieser lösen konnte.
Expansion des Großfürstentums Litauen (rosa bis grün) mit den genauen Jahren der Erwerbung
Im 13./14. Jahrhundert kam das belarussische Gebiet zumGroßfürstentum Litauen, das in der Zeit weit nach Osten und Süden expandierte. Seit 1307 gehörte auch das Fürstentum Polozk zum litauischen Großfürstentum.[56] Das heutige Belarus wurde zumeist durch Bündnisbildung unter litauischer Oberhoheit gegen denDeutschen Orden, gegen die mongolische Hegemonie derGoldenen Horde und gegen andere Rus-Fürstentümer, oft verbunden mit Heiratsbeziehungen und manchmal durch dynastischenErbfall, gewaltfrei in das litauische Großfürstentum integriert. Besonders die StadtNawahrudak und die zahlreichen durch Erbteilung entstandenen Nachfolgestaaten des Fürstentums Polazk und desFürstentums Turau-Pinsk, die zusammen den größten Teil des heutigen Belarus umfassten, integrierten sich weitgehend friedlich, die Fürstentümer bestanden noch länger unter litauischer Hegemonie weiter, außer nach dynastischem Erbfall.[57] Neben den Siedlungsgebieten derbaltischen Stammesverbände derLitauer bildeten auch belarussische Gebiete das „eigentliche Litauen“, den Kern des Großfürstentums Litauen, das von den „dazugehörigen Landesteilen“, den im Laufe der Zeit dazugewonnenen Gebieten, unterschieden wurde.[58] Große litauische Feldzüge und Eroberungen fanden südlich, in der heutigen Ukraine und östlich, im heutigen Zentralrussland statt. Ausnahmen waren frühe litauische Kriegszüge im 12. Jahrhundert im Nordwesten und zeitweilige Konflikte (neben Bündnisphasen) mit Fürstentümern, deren Zentren außerhalb von Belarus lagen, die aber Randgebiete von Belarus umfassten: mit demFürstentum Galizien-Wolhynien, das in den Westen des Landes reichte, mit demFürstentum Smolensk, das in die östliche Peripherie reichte und demFürstentum Tschernigow-Perjaslawl, das in den Südosten reichte, Smolensk und Perejaslawl wurden von Litauen erobert.
Die Großfürsten Litauens führten den Titelmagnus dux Littwanie, Sarmathie et Rusie (= Großfürst Litauens,Sarmatiens und der Rus) und beanspruchten durch die Übernahme des Großfürsten-Titels vom erobertenGroßfürstentum Kiew die Würde des bevorrechtigtenSenior-Großfürsten, des Oberhauptes aller ostslawischen, orthodoxen Fürstentümer, die aus derKiewer Rus entstanden waren. Nur wenige Jahrzehnte später entstand mit demGroßfürstentum Moskau ein Konkurrent um diesen Anspruch, aus dem sich Russland entwickelte. Im Großfürstentum Litauen selbst folgte eine Blütezeit der ostslawisch-orthodoxen Sprache und Kultur, die in der belarussischen Geschichtsschreibung als „Goldenes Zeitalter“ charakterisiert wird.[59] Die beiden Völker (Belarussen und Litauer) bezeichneten sich selber aufgrund ihrer staatlichen Zugehörigkeit in ihren Sprachen als „Litauer“ (litauisch:lietuvis bzw. slawisch/ruthenisch:litwin), aber nur die ostslawischeRuthenische Sprache, eine frühe Form desBelarussischen, auch Altbelarussisch genannt, nicht die erst im 16. Jahrhundert zur Schriftsprache entwickelteLitauische Sprache, war die Kanzlei- und Schriftsprache des Großfürstentums Litauen.
Grenzen Polen-Litauens nach der Union von Lublin im Jahr 1619 mit den beiden Reichsteilen Königreich Polen (hellbraun), Großfürstentum Litauen (lila) und den lehnsabhängigen LändernHerzogtum Preußen (hellgrau),Herzogtum Kurland und Semgallen (violett) undHerzogtum Livland (dunkelgrau) mit den aktuellen Grenzen zum Vergleich.
Schon 1386 erbte der litauische Großfürst Jogaila über seine Ehefrau, die polnische ThronerbinHedwig von Anjou, auch den polnischen Königsthron, den er unter dem polonisierten ThronnamenWładysław II. Jagiełło bestieg, und bis 1572 beherrschte die nach ihm benannte Dynastie derJagiellonen inPersonalunion das Königreich Polen und das Großfürstentum Litauen. Unter dem zunehmenden Druck Russlands und bei absehbarem Aussterben der Jagiellonen wurde die Personalunion durch den Adel Polens und Litauens 1569 in derUnion von Lublin zu einerRealunion, dem DoppelstaatPolen-Litauen, eineAdelsrepublik mit Wahlkönigtum, erweitert. Kurz vor der Union von Lublin wurden auch die internen Grenzen verändert, der litauische Reichsteil trat südliche Gebiete in der Ukraine an den polnischen Reichsteil ab,[60] behielt aber die belarussischen Gebiete. Anhand dieser Grenzen entwickelte sich die ethnische Auseinanderentwicklung der drei ostslawischen Ethnien christlich-orthodoxer Religion weiter: dieBelarussen entwickelten sich aus den ostslawischen Bewohnern des litauischen Reichsteils, dieUkrainer aus denen des polnischen Reichsteils und dieRussen aus den Bewohnern des rivalisierenden Großfürstentums Moskau, späterZarentum Russland. Im litauischen Reichsteil blieb die Ruthenische/Altbelarussische Sprache noch bis 1697 die Kanzlei- und Amtssprache. In diesem Jahr beschloss der regierende Adel des großfürstlich-litauischen Reichsteils die Beschlusscoaequatio jurium (= Mitgleichstellung im Recht), durch den er sich in den Adel des königlich-polnischen Reichsteils integrierte und mit ihm rechtlich gleichstellte und dabei auch die bisher übliche Ruthenische als offizielle Sprache durch das im anderen Reichsteil übliche Lateinische und Polnische ersetzte.[61]
Mit der ersten und zweitenTeilung Polens gelangte das Gebiet des heutigen Belarus bis 1793 vollständig unter russische Herrschaft, was von der russischen Seite als eine Wiedervereinigung gesehen wurde. Der Anschluss der Weißen Rus wurde durchKatharina die Große unter das Motto „Отторженная возвратихъ“ – „ich habe das Entrissene zurückgeholt“ gestellt. Im 19. Jahrhundert bemühten sich die Behörden desRussischen Kaiserreiches undallrussische Ideologen, anstelle von Belarus die Bezeichnung „Westrussland“ zu etablieren.[62] In ihrer Sicht war Belarus „kein Gebiet mit einer eigenen traditionellen Kultur, sondern vielmehr ein Teil Rußlands“.[63]
Im 19. Jahrhundert verfolgten die russischen Behörden eine strengeRussifizierungspolitik im Land, die nicht nur darauf abzielte, die Muttersprache der lokalen Bevölkerung auszurotten, sondern auch die Identität vollständig auszulöschen. Das bekannteste Beispiel sindMurawjows zahlreiche Verbrechen gegen das belarussische Volk Mitte des 19. Jahrhunderts. Sein Satz: „Was das russische Bajonett nicht vermochte, können die russische Schule und der russische Priester vermochten“, wurde zu einem geflügelten Wort. Er unterdrückte auch den nationalen Befreiungsaufstand derKastus Kalinouski.
DerRat der Belarussischen Volksrepublik ist bis heute aktiv und eine der ältesten Exilregierungen der Welt. In den Jahren 1919/1920 war Belarus zwischen dem wieder entstandenenpolnischen Staat und Sowjetrussland umkämpft und wurde 1920 nach dem Sieg der polnischen Truppen über dieRote Armee teilweise an Polen angegliedert. Aus dem sowjetischen Teil wurde dieWeißrussische Sozialistische Sowjetrepublik gebildet, die 1922 Gründungsmitglied derSowjetunion wurde. Ebenso wie der sowjetische Teil war auch der polnische Teil mehrheitlich belarussisch besiedelt. In derVossischen Zeitung aus dem Jahr 1929 findet sich ein Situationsbericht über Land und Leute unter der Überschrift:Grenzland unterm Sowjetstern, der das neue Nationalbewusstsein ins Zentrum rückt.[65]
Zu Beginn des Zweiten Weltkriegs wurde 1939 als Folge des kurz davor geschlossenenMolotow-Ribbentrop-Paktes der zuvorzu Polen gehörende Landesteil von sowjetischen Truppen besetzt und in die Belarussische SSR eingegliedert. Im Sommer 1941 wurde ganz Belarus von derWehrmacht erobert. Anfangs begrüßten viele Bewohner der Belarussischen SSR die Invasion, da sie sich an die deutsche Besetzung 1918 erinnerten und diese der sowjetischen und der polnischen Herrschaft vorzogen.[66] Doch die deutsche Besatzungsherrschaft richtete große materielle Zerstörungen an und führte zum Tod von ca. 25 Prozent der Bevölkerung, darunter fast der gesamten jüdischen Bevölkerung des Landes.[67] Belarus war von 1941 an mit über 1000 Gruppen ein Hauptgebiet des sowjetischenPartisanenkampfes gegen die deutschen Besatzer. Während der deutschen Besatzungszeit wurde in Belarus derWeißruthenische Zentralrat (Bielaruskaja Centralnaja Rada – BCR) installiert, eineMarionettenregierung, die historische belarussische Staatsembleme benutzte. Vorsitzender des BCR warRadasłaŭ Astroŭski. Dieser „Staat“ verschwand nach dem Rückzug der deutschen Ostfront 1944. Ab Ende 1943 eroberte die Rote Armee das Land zurück; es galt im Sommer 1944 als vollständig von der deutschen Besatzung befreit.
Etwa 8–9 Prozent aller ermordeten europäischen Juden stammten aus Belarus. Fast alle Städte des Landes waren völlig zerstört. Die Industriebetriebe waren um 85 Prozent, die Industriekapazität um 95 Prozent, die Saatfläche um 40–50 Prozent, der Viehbestand um 80 Prozent zurückgegangen. Nach Kriegsende gab es drei Millionen Obdachlose. Vor dem Zweiten Weltkrieg lebten in Belarus zehn Millionen Menschen. Erst gegen Ende der 1980er Jahre war die belarussische Bevölkerung wieder auf diese Vorkriegszahlen gewachsen.
Pjotr Mironowitsch Mascherow, der von 1965 bis 1980 der Vorsitzende des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei der Weißrussischen SSR (BSSR) war, betrieb eine Politik der Industrialisierung und prägte die Entwicklung von Belarus im Sowjetsystem.[68]
Stark betroffen ist Belarus durch die Nuklearkatastrophe am 26. April 1986 im ukrainischenTschernobyl, in deren Folge weite Teile des Landes durchradioaktiven Niederschlag kontaminiert wurden.
Am 25. August 1991 verkündete das Parlament der Belarussischen Sozialistischen Sowjetrepublik die Unabhängigkeit von Belarus von der Sowjetunion.[69] Erster Präsident war von 1991 bis 1994Stanislau Schuschkewitsch. Ihn lösteAljaksandr Lukaschenka ab, der seitdemdiktatorisch regiert. Lukaschenkas Politik wird von Kritikern als undemokratisch, autoritär und marktfeindlich beschrieben, das Parlament hat eine rein dekorative Funktion. Das Land ist in Europa wirtschaftlich und politisch stark isoliert. Seine wichtigsten politischen und wirtschaftlichen Partner sind Russland,Iran undVenezuela. Mit Russland wurde eine Zoll- und Verteidigungsgemeinschaft gegründet, eine weitergehendeUnion mit gemeinsamer Währung und gemeinsamer Außenpolitik wird seit den 1990er-Jahren ohne große Fortschritte immer wieder angekündigt. Alle Präsidentschaftswahlen seit 2001 (9. September 2001,19. März 2005,19. Dezember 2010,11. Oktober 2015 und9. August 2020) wurden von zahlreichen internationalen Beobachtern als undemokratisch bezeichnet. 2020 wurde die aussichtsreichste OppositionskandidatinSwjatlana Zichanouskaja vor der Wahl massiv eingeschüchtert; sie sah sich nach der Wahl gezwungen, Belarus zu verlassen. Nach der Wahl 2020 gab es monatelang trotz massiver Staatsgewalt und tausenden FestnahmenProteste in Belarus.Den mutmaßlichen Ergebnisfälschungen derPräsidentschaftswahl in Belarus 2020 folgtenwochenlange landesweite Proteste und Streiks gegen Lukaschenkas Regierung. Die Demonstrationen wurden mit äußerster Brutalität niedergeschlagen. Das Büro desHohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte sprach im September 2020 davon, dass man Berichte von über 450 dokumentierten Fällen von Folter und Misshandlungen erhalten habe.[70] Seither haben die Proteste nachgelassen, die Lage derMenschenrechte hat sich aber noch weiter verschlimmert.[71]
Insbesondere im Zusammenhang mit derPräsidentschaftswahl im Jahr 2020 kam es zuheftigen Protesten und Streiks, die sich gegen die Ausrufung von Staatspräsident Lukaschenka als erneutem Sieger der Wahl richteten. Die Führung des Landes antwortete mit Festnahmen von ca. 6700 Demonstranten und massiver Polizeigewalt. Am 7. September wurdeMaryja Kalesnikawa, eine der drei Kandidatinnen, und am 9. September der RechtsanwaltMaksim Snak, beide führende Mitglieder imKoordinierungsrat der Proteste, von Maskierten ohne Kennzeichen auf offener Straße entführt. Inzwischen wurde bekannt, dass sie sich seither in Untersuchungshaft befinden. Als Kalesnikawa in die Ukraine abgeschoben werden soll, wehrt sie sich erfolgreich dagegen, indem sie ihren Ausweis zerstört. Es gibt gegen die Haft der Oppositionellen auch diplomatische Proteste der EU-Staaten.[72]Die OppositionskandidatinSwjatlana Zichanouskaja floh nach Litauen. Eine Verfassungsänderung wurde schließlich von Präsident Lukaschenka ins Spiel gebracht, um den Protesten zu begegnen.
Ein Zwischenfall, der international für Aufsehen sorgte, ereignete sich am 23. Mai 2021, als eine Passagiermaschine der irischen FluggesellschaftRyanair umgeleitet wurde (sieheRyanair-Flug 4978). Das Flugzeug, welches auf dem Weg vonAthen nachVilnius war, wurde kurz vor Verlassen des belarussischen Luftraumes aufgrund einer erfundenen Bombendrohung durch belarussische Behörden nach Minsk umgeleitet. An Bord befanden sich nachlitauischen Angaben 171 Passagiere, darunter der im Exil lebende belarussische OppositionelleRaman Pratassewitsch. Am Flughafen wurden er und seine ebenfalls an Bord befindliche FreundinSofia Sapega festgenommen. DasKomitee für Staatssicherheit der Republik Belarus stufte Pratassewitsch als „Terrorist“ ein, weil er über die Proteste gegen das Regime von Aljaksandr Lukaschenka berichtet.[73]
Der Vorfall zog internationale Empörung nach sich. Dutzende Politiker forderten die sofortige Freilassung Pratassewitschs. Die Europäische Union beschloss Sanktionen und stoppte Investitionen im Wert von ca. 3 Milliarden Euro in Belarus. Zudem wurden ein von derNATO überwachtes EU-weites Start- und Landeverbot für belarussische Flugzeuge und ein Verbot, den EU-Luftraum zu nutzen, verhängt.[74]
Die JournalistenorganisationReporter ohne Grenzen hat beim litauischen Generalstaatsanwalt Strafanzeige gegen Aljaksandr Lukaschenka wegen „Entführung eines Flugzeugs mit krimineller Absicht“ gemäß Artikel 251 und 252-1 des litauischen Strafgesetzbuches erstattet.[75]
Als Reaktion auf die Verhängung der EU-Sanktionen lässt Aljaksandr Lukaschenka entsprechend einer früheren Drohung Flüchtlinge aus dem Irak, Afghanistan und Syrien in das Land einfliegen, um diese sodann die Grenze zur EU passieren zu lassen (Belarus-Route). Die baltischen Staaten Litauen und Lettland riefen aufgrund des enormen Zustroms an Flüchtlingen den Notstand aus und schlossen ihre Grenzen zum Nachbarland, Litauen beschloss zudem im August 2021 den Bau eines 550 Kilometer langen Grenzzauns.[76]Belarus ist zumindest indirektam russischen Überfall auf die Ukraine beteiligt. Am 24. Februar 2022 griffen russische Truppen die Ukraine an. Der Aufmarsch zuvor fand auch auf dem Gebiet von Belarus statt, und von Belarus aus überschritten russische Truppen dann die Grenze.
Präsident Lukaschenka kam 1994 nach einemfragwürdigen Wahlkampf ins Amt. Laut der damaligenbelarussischen Verfassung war die Amtszeit des Präsidenten auf zwei Perioden begrenzt. Diese Einschränkung wurde mit einemReferendum im Oktober 2006 abgeschafft, weswegen Lukaschenka auch an den Präsidentschaftswahlen2006,2010,2015 und2020 teilnehmen konnte.
Das Vertretungs- und Gesetzgebungsorgan der Republik Belarus ist das Parlament – die Nationalversammlung. Es setzt sich auszwei Kammern, derRepräsentantenkammer und demRat der Republik zusammen. Die Repräsentantenkammer besteht aus 110 Abgeordneten, die in allgemeiner, freier, gleicher, direkter und geheimer Wahl gewählt werden sollen. Der Rat der Republik ist die Kammer der territorialbezogenen Vertretung. Für jedeWoblasz und die Stadt Minsk werden je acht Abgeordnete des Rats der Republik in geheimer Abstimmung gewählt. Acht Mitglieder werden vom Präsidenten berufen.
Bei derPräsidentschaftswahl 2006 einigten sich die belarussischenOppositionsparteien aufAljaksandr Milinkewitsch als gemeinsamen Kandidaten. Milinkewitsch suchte durch politische Besuche in Russland undEU-Ländern Unterstützung im Ausland. Die Wahlen wurden von der Ankündigung des Geheimdienstes begleitet, mit lebenslanger Haft und sogarTodesstrafen gegen Gegner der Regierung vorzugehen, die am Wahltag auf der Straße die Lage zu destabilisieren drohten.[79][80] Nachdem Lukaschenka laut offiziellen Angaben 81 Prozent der Stimmen erhalten hatte, demonstrierten nach Schließung der Wahllokale mehr als 10.000 Menschen auf dem zentralenOktoberplatz inMinsk und forderten Neuwahlen, da sie das Wahlergebnis für gefälscht hielten.[81] Milinkewitsch, der angeblich nur sechs Prozent der Stimmen erhielt, bezeichnete die Wahl alsFarce.[82]
DerPräsidentschaftswahl 2010 war zunächst eine Phase relativer Annäherung derEU an Minsk vorausgegangen. So wurde Belarus 2009 in die Programme derÖstlichen Partnerschaft der EU aufgenommen.[83] Das Ergebnis der Präsidentschaftswahl 2010 lag mit 79,67 Prozent erneut in einem Bereich, in dem Wahlfälschung angenommen wurde. Es folgten Proteste, die niedergeschlagen wurden. Viele Oppositionelle, darunter auch die KandidatenAndrej Sannikau,Mikalaj Statkewitsch,Jaraslau Ramantschuk undUladsimir Njakljajeu, wurden in diesem Zuge verhaftet.[83] Die Beziehungen zur EU und ihren Mitgliedsstaaten haben sich infolgedessen erheblich abgekühlt.
Bei derPräsidentschaftswahl 2015 erhielt Amtsinhaber Lukaschenka angeblich rund 83,5 Prozent der Stimmen,[85] jedoch wurden auch bei dieser Wahl internationale Standards nicht eingehalten.[86] Neben Lukaschenka traten drei weitere Kandidaten an, von denen jedoch keiner mehr als fünf Prozent der Stimmen erreichte.[85] Zwei Monate vor der Wahl hatte Lukaschenka fünf gewaltlose politische Gefangene begnadigt, darunter auch einen der Präsidentschaftskandidaten der Wahl 2010,Mikalaj Statkewitsch.[85]
Bei derParlamentswahl 2016 zogen erstmals seit 20 Jahren zwei oppositionelle Kandidatinnen – eine Unabhängige und eine Vertreterin derVereinigten Bürgerpartei –, ins Parlament ein.[87] Bei derWahl 2019 erhielt die Opposition keinen einzigen Parlamentssitz.
DiePräsidentschaftswahlen 2020 fanden am 9. August statt. Noch am selben Tag wurde gemeldet, dass Lukaschenka mehr als 80 % der Stimmen erhalten hätte. Selbst Mitglieder der staatlichen Wahlkommission gaben jedoch zu, dass die Wahl gefälscht war. In manchen Wahllokalen, in denen offiziell Lukaschenka gewann, wurde geschätzt, dass die GegenkandidatinSwetlana Tichanowskaja 90 % der Stimmen erhielt.[88] Nach der Wahl kam es zuMassenprotesten. Tichanowskaja floh zwei Tage nach der Wahl ins benachbarte Litauen und lebt seitdem dort.
DieParlamentswahl 2024 war eine Scheinwahl, bei der keine oppositionellen Kandidaten mehr zugelassen waren.[89]
Amnesty International dokumentierte 2010 drei Todesurteile und diverse Verletzungen des Rechts auf freie Meinungsäußerung und des Versammlungs- und Demonstrationsrechts.[90] Auch 2019 wurden noch Todesurteile ausgesprochen.[91]
Im Jahr 2024 berichtete die MenschenrechtsorganisationWjasna, dass es in Belarus mehr als 1400 politische Gefangene gibt. Laut einem belarussischen Journalisten sind es bis zu zehnmal so viele. Manche politischen Gefangenen seien mit dem Ablauf ihrer Haftzeit erneut verurteilt worden.[92]In den Gefängnissen sind sie häufig Folter und sonstiger unmenschlicher Behandlung ausgesetzt.[93] Einige kommen dadurch zu Tode. Zu den politischen Gegnern, die Lukaschenka einsperren oder gar verschwinden ließ, gehören unter anderemAndrej Sannikau,Sjarhej Zichanouski (der kurz nach seiner Ankündigung, zurPräsidentschaftswahl 2020 anzutreten, verhaftet wurde),Wiktar Babaryka undMaryja Kalesnikawa.[92] Zwischen Mai 2023 und Februar 2024 starben mindestens fünf politisch Inhaftierte an Haftbedingungen, so am 20. Februar 2024 der Oppositionspolitiker Ihar Lednik.[94]
Im Verlauf derProteste gegen die Herrschaft Lukaschenkas 2020 setzten Sicherheitskräfte Blendgranaten, Gummigeschosse und Tränengas ein. Am 10. August 2020 wurde der Demonstrant Aljaksandr Tarajkouski erschossen, der mit erhobenen Händen auf Spezialeinheiten zugegangen ist. Die eingesetzten Blendgranaten hinterließen Risswunden am ganzen Körper und die Druckwelle der Explosion verursachte Schädel-Hirn-Traumata. Mehreren Menschen wurden dadurch Gliedmaßen abgerissen. Drei Gefangene erlitten imIsolationszentrumOkrestino oder auf dem Weg dorthin Verletzungen, welche auf sexualisierte Gewalt schließen lassen. Die Betroffenen wurden mit intramuskulären Blutungen des Enddarms, einer Analfissur und Blutungen sowie einer Schädigung der Schleimhaut des Enddarms ins Krankenhaus eingeliefert.[95] Im Oktober 2020 erklärte Lukaschenka, man werde keine Gefangenen machen und drohte: „Wenn jemand einen Militärangehörigen berührt, muss er mindestens ohne Hände weggehen.“[96] Laut der MenschenrechtsorganisationAmnesty International berichteten einige Festgenommene, dass ihnen auch Vergewaltigung angedroht worden sei. In Videos schilderten Frauen und Männer, dass sie kaum zu essen bekamen und in sehr engen Zellen stehend zusammengepfercht worden seien. Mehrere Entlassene mussten sofort ins Krankenhaus gebracht werden.[97]
In der Nacht vom 13. auf den 14. August 2020 nahmen Angehörige von in der Haftanstalt Okrestino inhaftierten Personen die Geräusche unaufhörlicher Schläge auf, die auf der Straße deutlich zu hören waren. Auf den Aufnahmen sind auch mehrere Stimmen zu hören, die vor Schmerz schreien und um Gnade betteln. Ein entlassener Insasse berichtete, dass diejenigen, welche die Beamten anbettelten, nicht geschlagen zu werden, noch stärker verprügelt worden seien.[98]
Am 1. September 2020 sprach das Büro desHohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte (UNHCHR) davon, dass man seit dem Tag der Präsidentschaftswahl Berichte zu über 450 dokumentierten Fällen von Folter und Misshandlungen erhalten habe. Dazu gehörten auch Fälle von Gewalt gegen Frauen und Kinder sowie sexueller Missbrauch und Vergewaltigung mit Schlagstöcken.[99] Gemäß dem UNHCHR waren sowohl männliche als auch weibliche Häftlinge Vergewaltigung und anderen Formen sexueller und geschlechtsspezifischer Gewalt ausgesetzt. Die vom UNHCHR überprüften Krankenakten weisen aufLäsionen und andere Verletzungen der männlichen Genitalien hin, die mit gewaltsamem Verdrehen und Vergewaltigung einhergehen. Auch psychische Gewalt, einschließlich Vergewaltigungsdrohungen, wurde gegen Inhaftierte angewandt.[100]
Am 11. Oktober geriet eine Videoaufnahme an die Öffentlichkeit, auf der zu sehen ist, wie Gefangene in Okrestino durch die Reihen von Polizei- und Sicherheitskräften gejagt und dabei kontinuierlich geschlagen werden.[95]
Im Januar 2021 wurde eine Tonaufnahme veröffentlicht, in welcher der Kommandeur der internen Truppen und stellvertretende Innenminister von Belarus Mikalaj Karpjankou Sicherheitskräften erzählt, sie könnten Demonstranten verkrüppeln, verstümmeln und töten, damit diese ihre Aktionen verstünden. Dies sei gerechtfertigt, da jeder, der auf die Straße gehe, an einer Art Guerillakrieg teilnehmen würde. Zudem spricht er die Errichtung von Lagern an, die von Stacheldraht umgeben sein sollen und in denen die Demonstranten festgehalten werden, bis sich die Lage beruhigt hat. Eine Sprecherin des Innenministeriums stempelte die Audiodatei als Fälschung ab.[101][102] Eine phonoskopische Untersuchung der Audioaufnahme bestätigte allerdings, dass die Stimme auf der Aufnahme Karpjankou gehört.[103] DieOrganisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa zeigte sich über die Äußerungen besorgt.[104] Nach Angaben vonRadio Free Europe/Radio Liberty soll in den Tagen vom 13. bis zum 15. August 2020 tatsächlich ein solches Lager nahe der StadtSluzk genutzt worden sein. Viele der dort inhaftierten Personen sollen aus dem GefängnisOkrestina inMinsk gebracht worden sein.[105]
Einschränkung der Meinungs-, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit
Laut Amnesty werden Menschenrechtler, Gewerkschafter, Umweltaktivisten sowie Angehörige und Vertreter sexueller Minderheiten verfolgt.[106] Auch wird das „Verschwinden“ von Oppositionellen wieJuryj Sacharanka,Dsmitryj Sawadski,Wiktar Hantschar undAnatol Krassouski angeprangert. Nachdem diverse Oppositionelle wegen regimekritischer Äußerungen auf Demonstrationen verhaftet worden waren, begann die Opposition Schweigemärsche durchzuführen. Um diesen entgegenzuwirken, wurde ein Gesetz erlassen, das „nicht sanktionierte Handlungen oder nicht sanktionierte Tatenlosigkeit“ seit September 2011 unter Strafe stellt.[107][108] Mit dem 6. Januar 2012 traten neue Regelungen im Internetverkehr in Kraft: Benutzeröffentlich zugänglicher Internetlokalitäten müssen registriert und deren Verkehr protokolliert werden; jegliche Internetgeschäfte müssen über belarussische Server abgewickelt werden. Vollstreckt wird das Gesetz durch Polizei, Steuerbehörden und Staatssicherheitsorgane.[109][110] Im August 2012 wurden 14 politische Gefangene gezählt.[111]
Die belarussische Führung hat eine rechtliche Anordnung auf den Weg gebracht, die den geheimdienstlichen Behörden ermöglicht, die Bürger ohne ernstzunehmende Beweislage zu überwachen. Mit Hilfe des Spähprogramms SORM (System of Operative-Investigative Measures) können staatliche Organe an Telefon- und Internetdaten der Nutzer gelangen. Die Aktivitäten zivilgesellschaftlicher Organisationen und Menschenrechtler werden dadurch massiv eingeschränkt.[112]
Die Lage der Menschenrechte im Land wird international wieder durch dieProteste in Belarus 2020 thematisiert, nachdem Oppositionelle zum Beispiel durch die SpezialeinheitOMON verhaftet oder beispielsweise imOkrestino-Gefängnis, einem derIsolationszentren des Landes interniert, verprügelt und gefoltert worden waren.
Seit die Europäische Union (EU) 1991 Belarus als unabhängigen Staat anerkannt hat, wurden die gegenseitigen Beziehungen ausgebaut. Nach dem Amtsantritt von Aljaksandr Lukaschenka 1994 verschlechterte sich das Verhältnis. Trotz Vorbehalten, die sich auf das Demokratiedefizit von Belarus beziehen, wurde 1995 einStabilisierungs- und Assoziierungsabkommen unterzeichnet. Im Mai 2009 hat die EU Belarus in die Östliche Partnerschaft aufgenommen. Angesichts der sich nach Ansicht der Verantwortungsträger der EU zunehmend verschlechternden Lage der Menschenrechte, der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit in Belarus verhängte derRat der Europäischen Union im Juni 2011 ein Waffenembargo und ein Exportverbot für Materialien, die zu interner Repression verwendet werden könnten, und erweiterte die Liste der Personen, denen die Einreise verwehrt wird.[119] Auch zeigte sich die EU besorgt über Einschränkungen der Medienfreiheit und Nichtbeachtung diplomatischer Immunitäten. Die Lage in Belarus werde von der EU weiterhin genau verfolgt.[120]
2012 kam es zu einem diplomatischen Streit zwischen Schweden und Belarus. Der Streit hat offenbar mehrere Hintergründe. Schweden kritisiert offen die undemokratischen Zustände in Belarus und unterstützt die Opposition. Zum Beispiel traf der schwedische Botschafter Oppositionelle. Hinzu kam eine Aktion mit Teddybären, welche die belarussische Führung düpierte. Schwedischen Medienberichten zufolge war Anfang Juli 2012 ein Leichtflugzeug von Litauen aus unerkannt in den belarussischen Luftraum geflogen. Über der Kleinstadt Iwianiec wurden demnach an Fallschirmen Hunderte Teddybären abgeworfen, an denen Schilder mit Bürger- und Menschenrechtsforderungen befestigt waren. Kurz darauf begannen die diplomatischen Querelen zwischen Schweden und der belarussischen Führung. Diese verwies den schwedischen Botschafter des Landes. Die 28 EU-Länder zeigten sich zur Folge solidarisch mit Schweden und bestellten die belarussischen Botschafter in ihren Staaten zu Gesprächen ein, um gegen die Schließung der schwedischen Botschaft in Minsk zu protestieren.[121]
Zwischen Deutschland und Belarus bestand ab 2008 bis mindestens 2011 eine sicherheitspolitische Zusammenarbeit, bei der Sicherheitskräfte Lukaschenkas in Deutschland geschult wurden. Fast 400 Grenzschützer, leitende Milizionäre und Kriminaltechniker wurden von deutschen Beamten zudem direkt in Belarus geschult und 2010 beobachteten belarussische Sicherheitskräfte deutsche Polizisten mehrere Tage im Einsatz beimCastor-Transport ins niedersächsische Gorleben.[122] Anfang 2011 kam es zu einem politischen Eklat zwischen beiden Ländern, nachdem Lukaschenka kurz nach seiner Wiederwahl als Präsident im Dezember 2010 Deutschland beschuldigte, angesichts landesweiter Proteste sich gemeinsam mit Polen an vermeintlichen Umsturzplänen gegen ihn beteiligt zu haben. Der deutsche AußenministerGuido Westerwelle bezeichnete diese Vorwürfe als haltlos und verlangte eine klare Positionierung der EU im Hinblick auf die Inhaftierung der Oppositionellen im Land.[123]
Infolge der Polizeigewalt als Reaktion auf die Proteste der Bevölkerung gegen das verkündete Ergebnis derPräsidentschaftswahl 2020 kam es zu erheblichen Spannungen im Verhältnis der Europäischen Union und Belarus. Zahlreiche Staats- und Regierungschefs bzw. Außenminister der EU verurteilten die Gewaltanwendung scharf. Von der Europäischen Union wird Lukaschenka seit der mutmaßlich gefälschten Präsidentschaftswahl 2020[124] nicht mehr als legitimes Staatsoberhaupt anerkannt.[125]
Im GUS-Raum gilt Belarus nach Russland als jenes Land, in dem die sowjetische Vergangenheit am deutlichsten zu spüren ist. Hier befanden sich einst nicht nur führende Industriewerke des Sowjetimperiums, sondern bedingt durch die Lage im Grenzgebiet zum kapitalistischen Westen auch eine große Militärinfrastruktur, die unter anderem überAtomwaffen verfügte. Daher spielt das Land heutzutage aus russischer Perspektive als strategischePufferzone zwischen Russland und denNATO-Mitgliedstaaten eine entscheidende Rolle.[126]
Über viele Jahre war die Loyalität von Belarus zu Russland „erkauft“ worden.[127] Nach wiederholten Zerwürfnissen imRussisch-Belarussischen Energiestreit im Jahre 2007, die sich um die Themen Gaspreise, Energiepolitik und Öltransit drehten, wird die russisch-belarussische Integration von vielen Beobachtern für faktisch tot angesehen. Die Beendigung der Vorzugsbehandlung durch Russland bei den Rohstofflieferungen führte bis zum Ende des Jahres zu einer starken Annäherung von Belarus an Venezuela.
Im Januar 2008 hat das Land den Bau seines erstenKernkraftwerks auf den Weg gebracht, um seine Abhängigkeiten von Russland zu verringern. Bauen soll es jedoch ein russisches Unternehmen.[128] Der Bau des Ersten Blocks desbelarussischen Kernkraftwerks begann im November 2013 und am 7. November 2020 ging es offiziell in Betrieb.[129]
Im Jahr 2020 hat Belarus turnusmäßig den Vorsitz in der erst 2014 gegründetenEurasischen Wirtschaftsunion, zu der auch Russland gehört, und seit 2015 den Beobachterstatus in derShanghaier Organisation für Zusammenarbeit, der ebenfalls Russland angehört. Im Januar 2017 erhöhte Belarus temporär die Transitpreise für russisches Erdöl, nachdem die beiden Staaten monatelang über eine Nachzahlung von rund 300 Millionen Dollar für Erdgas gestritten hatten.[130]
Im Vorfeld derPräsidentschaftswahl 2020 wurden 33 mutmaßlicheSöldner der paramilitärischen russischenGruppe Wagner in Minsk festgenommen, die regelmäßigverdeckte Operationen für den russischen Geheimdienst durchführt. Lukaschenka warf Russland daraufhin vor, Belarus militärisch destabilisieren zu wollen.[131][132] Dies ist auch deshalb interessant, weil er bisher als enger VerbündeterPutins galt. In letzter Zeit, insbesondere seitdem russischen Einmarsch in die Ukraine, habe sich dieses Verhältnis jedoch verschlechtert, so Beobachter. Lukaschenka befürchte möglicherweise, dass Russland versuchen könnte, sich als Nächstes Belarus einzuverleiben und ihn danach abzusetzen. Tatsächlich besteht sogar bereits seit 1997 ein von ihm unterzeichnetes Abkommen, welches einen Zusammenschluss beider Länder vorsieht. Lukaschenka distanzierte sich jedoch später davon.[133][134][135]
Nach denProtesten in Belarus 2020–2021 wurde Russland zum letzten Verbündeten des Lukaschenka-Regimes und nutzte dies um eine weitgehende Angleichung von Belarus zu erzwingen.[136] Im November 2021 wurde eine gemeinsame Militärdoktrin, eine Vereinheitlichung der Wirtschaftsgesetzgebung sowie der Renten- und Steuersysteme zwischen beiden Staaten als Schritte zu einem Unionsstaat vereinbart.[137] Infolgedessen unterstützte Belarus auch den russischen Überfall auf die Ukraine 2022.
Nach der Unabhängigkeit bestanden weitgehend problemfreie Beziehungen zur Ukraine. Mit dem Beginn des Russisch-Ukrainischen Konflikts 2014 und der russischenAnnexion der Krim versuchte Belarus, eine Vermittlerrolle einzunehmen.[138] Belarus erkannte zuerst weder die Annexion der Krim noch die russischenMarionettenrepubliken imDonezbecken an. Lukaschenko distanzierte sich öffentlich von Russlands Politik unterWladimir Putin und der russische Einfall im Nachbarland sorgte auch in Belarus für Besorgnis.[139] Unter der Vermittlerrolle von Belarus wurden im Februar dieMinsker Friedensabkommen unterzeichnet, welche denKrieg im Donbas beenden sollten. Die Bestimmungen der Abkommen wurden jedoch von beiden Seiten nicht umgesetzt. Die Beziehungen zwischen Belarus und der Ukraine blieben in der Folge kooperativ und beide Länder führten ihre engen Handelsbeziehungen weiter.[140]
Die innenpolitische Bedrängung durch die Proteste sorgte dafür, dass sich Lukaschenka Russland als letztem Verbündeten zuwendete und zunehmend zu dessen Marionette wurde. Im Februar 2022 marschierten russische Truppen von Belarus aus in die Ukraine ein.[142] Als Reaktion auf die Unterstützung Russlands wurden die diplomatischen Beziehungen zwischen beiden Ländern eingefroren, jedoch nicht abgebrochen.
ZwischenVenezuela und Belarus wurden seit dem ersten Besuch des PräsidentenHugo Chávez im Jahr 2006 wirtschaftliche und diplomatische Beziehungen vertieft. Auf diplomatischer Ebene befürworten beide Staaten eine multipolare Weltordnung, um die hegemoniale Stellung derUSA zu begrenzen. Belarus unterstützt Venezuela unter anderem mit Rüstungsgütern und dem Transfer militärischer Technik beim Umbau der Streitkräfte.
Die Wirtschaftskooperation umfasst u. a. die Bereiche Energie, Handel und Landwirtschaft. So entstanden in Venezuela u. a.Joint Ventures zur Förderung von Öl und Gas, den Bau von Traktoren, Autobussen und Lastwagen. Zudem engagiert sich Belarus inVenezuela im Wohnungsbau. Venezuela dient Belarus auch als Zentrum für den Handel mit anderen Staaten Lateinamerikas. Der Wert der wirtschaftlichen Zusammenarbeit betrug 2009 rund 200 Millionen US-Dollar, wobei ein erheblicher Ausbau geplant ist.[143]
Nach dem Tod Chávez’ rief Lukaschenka eine dreitägige Staatstrauer aus und kündigte an, eine Straße inMinsk nach ihm zu benennen und eine Büste zu dessen Ehren zu errichten.[144]
In Belarus findetZensur statt. Eine freie Berichterstattung von staatlichen oder privaten Medien ist aufgrund von Repressionen gegen Personen oder das jeweilige Medium kaum möglich; das Fernsehen und die meisten Druckerzeugnisse sind fest in der Hand des Regimes. Unabhängige Informationen verbreiten vor allem Nachrichten-Seiten im Internet oder Medien, die aus dem Exil arbeiten. Seit Beginn der Massenproteste im August 2020 wurden hunderte Journalisten vorübergehend festgenommen und einige zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Im Oktober 2020 verloren sämtliche Korrespondenten aus dem Ausland ihre Akkreditierungen, dutzende unabhängiger Nachrichtenseiten wurden gesperrt.[150] Die Situation der Pressefreiheit im Land wird von Reporter ohne Grenzen als „sehr ernst“ eingestuft. In derRangliste der Pressefreiheit 2023 belegt Belarus Platz 157 von 180 Ländern und Territorien.[150] In Belarus sitzen drei Blogger undBürgerjournalisten in Haft.[151]
Auf dem Zeitungsmarkt spielt neben privatenZeitungen die staatliche Presse eine wichtige Rolle. Die mit Abstand auflagenstärksteTageszeitung ist die inrussischer Sprache erscheinende Zeitung Belarus Sewodnja (dt.: Belarus heute), auch bekannt unter ihrem früheren Namen Sowetskaja Belorussija (dt.: Sowjet-Bealrus). Die seit 1927 erscheinende Zeitung hatte 2019 eine Auflage von mehr als 190.000 Exemplaren; Herausgeberin ist die Verwaltung des Präsidenten von Belarus.
Die meisten jüngeren Menschen wendeten sich seit den 2010er Jahren von den staatlichen Medien und Nachrichtenflüssen ab und nutzen das Internet zur Informationsbeschaffung. Stark genutzt wurden der oppositionelle, aktivistische Social-Media-KanalNexta und das Portaltut.by. Im Jahr 2019 wurde tut.by von 62,58 % aller belarussischen Internetnutzer[152] mit einer monatlichen Besuchsrate von rund 200 Mio. gelesen.[153] Mittlerweile sind beide Medienprojekte von belarussischen Behörden verboten.[154]
Aus Polen senden mehrere Sender nach Belarus. Das in Warschau ansässigeEurapejskaje Radyjo dlja Belarussi (ERB;Europäisches Radio für Belarus) wurde von emigrierten belarussischen Journalisten aufgebaut und sendet seit 2006 mit Hilfe lokaler UKW-Stationen an der Grenze von Polen, Litauen und der Ukraine aus nach Belarus. Daneben wird auch ins Netz gestreamt und viaHot Bird 6 übertragen. AusBiałystok im Polnisch-Belarusischen Grenzgebiet sendet der polnische staatliche HörfunksenderBelaruskaje Radyjo Razyja inbelarussischer Sprache für Belarus.
Die Streitkräfte von Belarus wurden am 20. März 1992 offiziell gebildet und umfassten anfangs die Truppen desBelarussischen Militärbezirks derSowjetunion ohne strategische Einheiten. Am 4. Februar 1992 ratifizierte das Parlament denStrategic Arms Reduction Treaty (Vertrag zur Verringerung der strategischen Nuklearwaffen). Bis Dezember 1995 wurden 63Interkontinentalraketen vom TypRS-12M Topol (NATO-Code: SS-25 Sickle) aus Belarus abgezogen. Die letzten beiden einsatzfähigen mobilen Regimenter mit rund 18 Atomraketen wurden bis Ende 1996 nach Russland verlegt. Am 19. Dezember 1997 wurde einVertrag zwischen der Republik Belarus und der Russischen Föderation über militärische Zusammenarbeit und dasAbkommen über die gemeinsame Gewährleistung regionaler Sicherheit im Militärbereich abgeschlossen. Am 22. Januar 1998 erfolgte auf einer Sitzung des Höchsten Rats derRussisch-Belarussischen Union inMoskau die Einigung über eine Konzeption für die gemeinsame Verteidigungspolitik. Seit der Streitkräftereform 2001 gibt es zwei Territorialkommandos inHrodna (vormals der Sitz der 28. Armee) undBaryssau (vormals 65. Armee). Im Rahmen einer gemeinsamen GUS-Luftabwehr unterhält Russland eine Radarstation nahe demMilitärflugplatz Baranawitschy imRajon Hanzawitschy. Außerdem haben beide Seiten ihre Rüstungsindustrien sowie -exporte eng aufeinander abgestimmt.
Belarus gab 2017 knapp 1,2 Prozent seiner Wirtschaftsleistung oder 631 Millionen US-Dollar für seine Streitkräfte aus.[155]
Dieser Artikel oder nachfolgende Abschnitt ist nicht hinreichend mitBelegen (beispielsweiseEinzelnachweisen) ausgestattet. Angaben ohne ausreichenden Beleg könnten demnächst entfernt werden. Bitte hilf Wikipedia, indem du die Angaben recherchierst undgute Belege einfügst.
Alter Belarussischer Rubel im Gegenwert von etwa 100 Euro (Stand: März 2015)
Nach demZerfall der Sowjetunion wurde die belarussischeWirtschaft nicht in eineMarktwirtschaft umgewandelt; die Regierung bevorzugtPlanwirtschaft.Industrie und Landwirtschaft sind größtenteils in Staatshand. Belarus hatte 2019 gegenüber Russland einHandelsbilanzdefizit von über 9 Milliarden US-Dollar. Die Regierung Russlands hat beschlossen, bei der Exportbesteuerung vonRohöl bis 2024 die Preisnachlässe für russische Rohöllieferungen nach Belarus abzuschaffen. Das verteuert Belarus’ Öleinfuhren.[156] Zudem ist derÖlpreis am Weltmarkt 2021 erheblich gestiegen.
Typisches Wohnhaus auf dem Land (hier inNjaswisch)
Ende 2006 übernahm das russische UnternehmenGazprom für 2,5 Milliarden US-Dollar einen 50-Prozent-Anteil an dem belarussischen Energie- und GasunternehmenBeltransgaz.
Die belarussische Industrie zählte um 2012 rund 600 staatliche Unternehmen, die 30 Prozent der gesamten Produktion erzeugen. 2009 wurde mit demIWF eine Pilot-Privatisierung von fünf der größten Staatsbetriebe vereinbart. Über hundert staatliche Großbetriebe in Industrie, Bauwirtschaft und Transportsektor wurden in Aktiengesellschaften überführt, darunter das Erdöl verarbeitende Kombinat Naftan-Polimir, der Fahrzeug- und RüstungsproduzentMinski Awtomobilny Sawod (MAZ), dieMinsker Traktorenwerke (MTS) und das Stahlwerk inSchlobin. Federführend bei der Privatisierung war bis zu seiner Entlassung im August 2018Andrej Kabjakou.[157]
DieNationalbank der Republik Belarusemittiert denBelarussischen Rubel. Sie ist seit 1996 nicht mehr unabhängig, sondern dem Präsidenten der Republik Belarus gegenüber rechenschaftspflichtig.[158] Nach jahrelanger starker Inflation wurden im Jahr 2000 drei Nullen gestrichen und im Juli 2016 vier Nullen (insgesamt also 10.000.000 zu 1).
Belarus-Traktor
Belarus war von derRezession seit 2009 betroffen und versuchte zeitweise, den Kurs seiner Landeswährung durch einen hohenLeitzins zu stützen.[159] Der Rubel verlor im Laufe des Jahres 2014 ungefähr die Hälfte seines Wertes; es kam zu Panikkäufen und einem Run auf Wechselstuben. Die Behördenverboten daraufhin Preiserhöhungen.[160]
1990/91zerfiel die Sowjetunion; dasBruttoinlandsprodukt sank. 1996 begann eine Wachstumsphase; 2001 wurden in der Landwirtschaft und in der Industrie die Werte von 1990 wieder erreicht. Russland unterstützte Belarus zwischen 2002 und 2006 mit mindestens 6,5 Mrd. USD jährlich, was damals rund einem Sechstel des belarussischen BIP entsprochen hatte.[161]
DerStaatshaushalt umfasste 2016 Ausgaben von umgerechnet 20,9 Mrd.US-Dollar, dem standen Einnahmen von umgerechnet 21,2 Mrd. US-Dollar gegenüber. Daraus ergibt sich einHaushaltsüberschuss in Höhe von 0,6 Prozent desBIP.[166]
Belarus ist für den internationalen Tourismus wenig erschlossen.[169] Ähnlich wie für Russland benötigt man ein für den Besuchszweck (z. B. Privatbesuch, Tourismus, Geschäftsreise) passendes Visum, das nur in Verbindung mit weiteren Nachweisen wie einer Hotelbuchung oder einer formellen Einladung durch eine belarussische Person/Institution ausgestellt wird. Das Visum kann direkt bei der Botschaft der Republik Belarus in Berlin gegen Gebühr beantragt werden.[170] Eine weitere Möglichkeit besteht darin, den Vorgang der Visumbeschaffung durch ein Reisebüro abwickeln zu lassen. In den meisten Fällen ist diese Variante jedoch mit zusätzlichen Kosten verbunden.
Seit dem 27. Juli 2018 können Staatsangehörige von 74 Staaten Belarus bis zu 30 Tagenvisafrei bereisen, wenn sie über denNationalen Flughafen Minsk einreisen. Das betrifft unter anderem alle Staaten derEuropäischen Union und im deutschsprachigen Raum weiterhin dieSchweiz undLiechtenstein.[171] Außerdem können gewisse Gebiete rund um Hrodna (Grodno), insbesondere für einen Besuch desAugustów-Kanals, für maximal 10 Tage ohne Visum besucht werden, wobei ein Grenzübertritt auf dem Landweg möglich ist. Dies wurde offenbar am 7. August 2019 auf einVisafreies Gebiet “Brest-Grodno” mit bis zu 15 Tagen Aufenthalt ausgeweitet. Benötigt wird hierfür ein Dokument eines belarussischen Reiseveranstalters, über den touristische Dienstleistungen gebucht werden müssen.[172] Für alle anderen Grenzübergänge ist weiterhin ein Visum nötig, auch für Transitreisen, z. B. mit dem Zug von Berlin nach Moskau oder Richtung St. Petersburg (Stand Aug. 2020). Eine Einreise ohne Visum auf dem Landweg von Russland kommend auf nicht überwachten Grenzübergängen ist ebenfalls unzulässig. Auch von russischen Flughäfen ist keine visafreie Einreise möglich.[173]
Den touristischen Hauptanziehungspunkt stellt Minsk selbst dar; es verfügt über ein umfangreiches Netzwerk von kulturellen Einrichtungen mit 18 Museen und zwölf Theatern. Es gibt zudem zahlreiche interessante historische Orte und Baudenkmäler.
Belarus ist zwar aufgrund seiner Lage ein wichtigesTransitland zwischenMitteleuropa undRussland: 50 Prozent des russischen Erdöls fließen durch dieDruschba-Pipeline, die auf belarussischem Gebiet durch das UnternehmenGomel Transneft betreut wird, und 25 Prozent des Erdgases fließen über Pipelines des ehemals staatlichen Beltransgas-Verteilsystems, welches seit 2011 zur Gänze der russischenGazprom gehört.[178] Wegen der politischen Verhältnisse in Belarus weicht Russland jedoch zunehmend aufNordeuropa aus. 2005 wurde der Bau derNord Stream Pipeline durch die Ostsee von Russland nach Deutschland begonnen und 2011 fertiggestellt. Dadurch wurden die Gaslieferungen Russlands nach Westeuropa unabhängiger von Belarus.
Anfang 2007 forderte die belarussische Regierung von Russland Transitgebühren für die Benutzung der Ölpipelines nach Westeuropa. Mit dem Geld sollten die Verluste kompensiert werden, die durch die Erhöhung der Gaspreise durch den russischenGazprom-Konzern entstanden waren. Dieser Konflikt hatte ein Aussetzen der russisch-belarussischen Integrationspläne zur Folge.
Die Hauptverkehrsachse besteht aus einer von der staatlichen belarussischen EisenbahnBelaruskaja Tschyhunka betriebenen elektrifiziertenEisenbahnlinie. Die Eisenbahnstrecke erreicht aus Polen kommend die belarussische Grenze inNormalspur (1435 mmSpurweite) und führt vomBahnhof Brest-Zentralny in russischerBreitspur (1520 mm) weiter. Auch die Kupplungssysteme der Bahnen des westlichen Europa (Schraubenkupplung) und der Bahnen in Nachfolge der sowjetischen Staatsbahn (Mittelpuffer-Klauenkupplung) sind unterschiedlich, was im Bahnhof Brest einen Aufenthalt zum Auswechseln der Drehgestelle und Kupplungen erforderlich macht. Der Aufenthalt beläuft sich zwar oft auf einige Stunden, die eigentliche Tauschprozedur dauert aber nur ca. 20 Minuten.
Die Hauptverkehrsachse besteht aus einer parallel zur Eisenbahnmagistrale verlaufendenautobahnartig ausgebauten Fernstraße. Rund um Minsk besteht ein Schnellstraßenring mit Ausläufern nachLitauen/Hrodna und nachBabrujsk/Homel im Südosten des Landes. Außerdem sind nochPolazk überWizebsk undOrscha sowieMahiljou über Babrujsk an Minsk angeschlossen.
Den Osten des Landes durchquert in Nord-Süd-Richtung derDnepr (belarussischDnjapro), der über die Ukraine ins Schwarze Meer fließt. Im Süden wird Belarus in West-Ost-Richtung vomPrypjat durchquert, der von rechts in den Dnepr mündet und seit 1848 über denDnepr-Bug-Kanal mit der Ostsee verbunden ist. Belarus besitzt eine Handelsflotte, die in lettischen Ostseehäfen stationiert ist.
Bei Minsk befinden sich ein internationaler und ein nationalerFlughafen, daneben bestehen verschiedene Regionalflughäfen. Nationale Fluggesellschaft ist dieBelavia. Der internationaleFlughafen Minsk (Minsk-2, IATA-Code: MSQ) transportiert jährlich über eine Million Passagiere. Täglich zwischen 7:10 und 22:35 Uhr verbindet ein Pendelbus den internationalen Flughafen und die Hauptstadt mit stündlichen Abfahrten.
Ein weiterer kulturell prägender Faktor war die jahrhundertelang bestehende großejüdische Bevölkerungsgruppe. Wahrscheinlich einer der bekanntesten Kulturschaffenden aus Belarus ist der MalerMarc Chagall, der inWizebsk geboren wurde und später lange Zeit inFrankreich lebte. AuchChaim Soutine war ein Maler aus Belarus, der inSmilawitschy geboren wurde. Bekannt wurde ferner die Schutzheilige von Belarus,Euphrosyne von Polazk.
Die größte staatseigeneNachrichtenagentur istBelTA. Belintersat ist der staatliche nationale Kommunikationssatellitenbetreiber von Belarus, er betreibtBelintersat 1, einen Kommunikationssatelliten.
Eine wichtige unabhängige nicht-staatliche Nachrichtenagentur istBelaPAN, eine wichtige unabhängige Website istTUT.BY.
Anfang 2023 wurde ein auf etwa ein Jahr zeitlich befristetes Gesetz in Kraft gesetzt, dasStraffreiheit beim Erstellen und Benutzen vonRaubkopien von Software, Musik und Filmen aus „unfreundlichen Ländern“ (solche, die im Zuge desrussischen Überfalls auf die UkraineSanktionen auch gegen Belarus verhängt hatten) garantiert. Raubkopierer sollen jedoch Zahlungen an die belarussische Patentbehörde abführen, wo Rechteinhaber von Medien das Geld sodann einfordern können. Das Gesetz ist eine Reaktion auf den Umstand, dass infolge des Überfalls viele westliche Medienprodukte nicht mehr legal erhältlich wurden.[181]
Neben einigen erhaltenen architektonischen Denkmälern aus der Epoche derKiewer Rus hat Belarus ein reiches kulturelles Erbe aus der Zeit der Zugehörigkeit zurpolnisch-litauischen Adelsrepublik zu bieten. Hierzu zählen bedeutende Schlösser im Westen des Landes wie dasSchloss Mir und barocke Kirchengebäude. AlsUNESCO-Weltkulturerbe zählen neben dem Schloss Mir derStruve-Bogen und die Residenz der FamilieRadziwiłł inNjaswisch. Hinzu kommt eine reiche Volkskultur.
Dieser Artikel oder Abschnitt bedarf einer grundsätzlichen Überarbeitung. Näheres sollte auf der Diskussionsseite, unter „Sport“, angegeben sein. Bitte hilf mit, ihn zuverbessern, und entferne anschließend diese Markierung.
Diebelarussische Nationalmannschaft nahm bisher fünfmal an einer Welt- und sechsmal an einer Europameisterschaft teil. In der Vergangenheit bescherte der HauptstadtclubSKA Minsk dem belarussischen Handballsport zumindest auf internationaler Vereinsebene große Erfolge. Bekannteste Handballer des Landes sindSjarhej Harbok – der nach 2012 für Russland spielte – und – der von 2005 bis 2013 für Deutschland spielende – Andrej Klimovets, die beide ihr Geld in der deutschenHandball-Bundesliga verdienten.
Thomas M. Bohn, Victor Shadurski (Hrsg.):Ein weißer Fleck in Europa … Die Imagination der Belarus als Kontaktzone zwischen Ost und West. transcript, Bielefeld 2011,ISBN 978-3-8376-1897-6.
Thomas M. Bohn, Rayk Einax, Julian Mühlbauer (Hrsg.):Bunte Flecken in Weißrussland. Erinnerungsorte zwischen polnisch-litauischer Union und russisch-sowjetischem Imperium. Harrassowitz, Wiesbaden 2013,ISBN 978-3-447-10067-0.
Thomas M. Bohn, Weißrussland oder Belarus? Die Weiße Ruß in Historiographie und Kartographie. Harassowitz, Wiesbaden 2025,ISBN 978-3-447-12380-8.
Dirk Holtbrügge:Weißrussland. Land zwischen Polen und Rußland. Beck, München 2002,ISBN 3-406-49282-7.
Evelyn Scheer:Weißrussland entdecken, Natur und Kultur von Brest bis zum Dnepr. Treschen, Berlin 2002,ISBN 3-928409-59-X.
Spezialisierte
Anastiasia Antipova:Die nationalsozialistische Sprachpolitik im besetzten Weißrussland 1941–1944 (= Linguistik international, Bd. 41). Lang, Berlin u. a. 2018,ISBN 978-3-631-74722-3.
Herbert Dederichs, Jürgen Pillath, Burkhard Heuel-Fabianek, Peter Hill, Reinhard Lennartz:Langzeitbeobachtung der Dosisbelastung der Bevölkerung in radioaktiv kontaminierten Gebieten Weißrusslands – Korma-Studie. VerlagForschungszentrum Jülich 2009,ISBN 978-3-89336-562-3.
Anja Obermann:Die Beziehungen der Europäischen Union zu nicht-demokratischen Staaten: Europäische Außenpolitik gegenüberAlgerien,Indonesien und Belarus. VDM-Verlag Dr. Müller, Saarbrücken 2007,ISBN 3-8364-4839-4.
Andreas Rostek (Hrsg.), Nina Weller (Hrsg.), Thomas Weiler (Hrsg.), Tina Wünschmann (Hrsg.):BELARUS!: Das weibliche Gesicht der Revolution. Edition fotoTAPETA, Berlin 2020,ISBN 978-3-940524-99-7.
Roland Scharff (Hrsg.):Belarus: Zwischenbilanz einer stornierten Transformation. Fachhochschule Osnabrück, Fachbereich Wirtschaft, Osnabrück 2001,ISBN 978-3-925716-67-6.
Silvia von Steinsdorff:Das politische System Weißrußlands (Belarus). In: Wolfgang Ismayr (Hrsg.):Die politischen Systeme Osteuropas, Opladen 2004, S. 429–468,ISBN 978-3-8100-4053-4.
Andrew Wilson:Belarus: The Last European Dictatorship. Neuauflage. Yale University Press, New Haven 2021,ISBN 978-0-300-25921-6.
Olga Shparaga:Die Revolution hat ein weibliches Gesicht: Der Fall Belarus. 7. Juni 2021,ISBN 978-3-518-12769-8.
Mark Brüggemann: Weißrussland/Belarus. In: Online-Lexikon zur Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa. Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, 25. August 2020; abgerufen am 4. Juli 2021.
↑Die Bezeichnung von Himmelsrichtungen mit Farben ist denTurksprachen zu verorten. Nach dem Zerfall der Kiewer Rus sollen dieTataren den westlichen Teil der ehemaligen Rus, der Bestandteil desGroßfürstentums Litauen wurde, als Weiße Rus bezeichnet haben. Als Rote Rus wurde der südliche Teil der Rus, der demKönigreich Polen zugeschlagen wurde, bezeichnet; die Schwarze Rus bezeichnete den nördlichen Teil, der zum Herrschaftsbereich derGoldenen Horde gehörte (sogenannterMoskowiterstaat), so Witold Mańczak:Biała, Czarna i Czerwona Ruś (Die weiße, schwarze und rote Rus’). In: International Journal of Slavic Linguistics and Poetics 19 (1975), S. 32–39, hier S. 35–39, zitiert im ArtikelWeißrussland/Belarus imOnline-Lexikon zur Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa, Anmerkung 1, abgerufen am 27. Juli 2024. In einer anderen Studie mit Vergleichen zu „Weiß-Ungarn“, „Rotkroaten“, „Schwarzbulgaren“ heißt es: „Das System ist letztlich chinesischen Ursprungs und durch Steppenvölker nach Europa vermittelt worden. Dabei entspricht dem Osten der azurne Drache, dem Süden der rote Vogel, dem Westen der weiße Tiger, dem Norden der schwarze Krieger und der Mitte der gelbe Drache.“ (Wobeischwarz undrot passen würden –weiß hingegen nicht.) Zitat in Nikolaos Trunte:Bолхомъ бо нашедшемъ на Словѣни на Дунаиския. Spuren eines vergessenen Volkes im Donaubecken. In: Bernhard Symanzik (Hrsg.):Studia philologica slavica. Festschrift für Gerhard Birkfellner zum 65. Geburtstag gewidmet von Freunden, Kollegen und Schülern (= Münstersche Texte zur Slavistik, Band 4). Lit, Münster 2006,ISBN 3-8258-9891-1, Bd. 2, S. 765–778, hier S. 776–777.
↑Diana Siebert:Bäuerliche Alltagsstrategien in der belarussischen SSR (1921–1941). Die Zerstörung patriarchalischer Familienwirtschaft. (= Quellen und Studien zur Geschichte des östlichen Europa, Band 52). Franz Steiner, Stuttgart 1998,ISBN 978-3-515-07263-2, S. 24, Anm. 34.
↑Vgl. Alexander Brakel:Unter Rotem Stern und Hakenkreuz. Baranowicze 1939 bis 1944. Das westliche Weißrussland unter sowjetischer und deutscher Besatzung (=Zeitalter der Weltkriege, Band 5). Ferdinand Schöningh Verlag, Paderborn u. a. 2009,ISBN 978-3-506-76784-4, S. 31.
↑Empfehlungen zur Schreibweise von Belarus in deutschsprachigen Texten. Stand Juli 2020, Pressemitteilung der Belarusisch-Deutschen Geschichtskommission auf geschichte-historyja.org,archivierte Kopie. (Memento vom 24. September 2021 imInternet Archive; PDF; 638 kB).
↑Origins and Destinations of the World’s Migrants, 1990–2017. In:Pew Research Center’s Global Attitudes Project. 28. Februar 2018 (englisch,pewglobal.org [abgerufen am 30. September 2018]).
↑Pawel Lojka:Der Zerfall der Kiewer Rus und das Fürstentum Polozk (9. bis 12. Jahrhundert). In: Dietrich Beyrau, Rainer Lindner (Hrsg.):Handbuch der Geschichte Weißrußlands. S. 69–79, hier S. 79.
↑Historisches Institut der Belarussischen Akademie der Wissenschaften (Hrsg.):„Вялікае Княства Літоўскае (энцыклапедыя).“ (belarussisch)(= „Das Großfürstentum Litauen (eine Enzyklopädie).“) Bd. 1: „Einführung und A–K.“ Minsk 2007, S. 8–12 (im Kapitel „гісторыя“=„Geschichte“).
↑Pawel Lojka:Die weißrussischen Territorien als Teil des Großfürstentums Litauen. In: Dietrich Beyrau, Rainer Lindner (Hrsg.):Handbuch der Geschichte Weißrußlands. S. 80–92, hier S. 88.
↑Rainer Lindner:Weißrußland im Geschichtsbild seiner Historiker. In: Dietrich Beyrau, Rainer Lindner (Hrsg.):Handbuch der Geschichte Weißrußlands. S. 25–48, S. 34.
↑Henads Sahanowitsch:Der Eintritt des Großfürstentums Litauen in die polnisch-litauische Adelsrepublik: Weißrußland im 16. und 17. Jahrhundert. In: Dietrich Beyrau, Rainer Lindner (Hrsg.):Handbuch der Geschichte Weißrußlands. S. 93–118, hier S. 95.
↑Henads Sahanowitsch:Weißrußland und die Agonie der Adelsrepublik. In: Dietrich Beyrau, Rainer Lindner (Hrsg.):Handbuch der Geschichte Weißrußlands. S. 106–118, hier besonders S. 111.
↑Rainer Lindner:Weißrußland im Geschichtsbild seiner Historiker. In: Dietrich Beyrau, Rainer Lindner (Hrsg.):Handbuch der Geschichte Weißrußlands. Vandenhoeck und Ruprecht, Göttingen 2001, S. 25–48, hier S. 26.
↑Zitiert nach Rainer Lindner:Weißrußland im Geschichtsbild seiner Historiker. In: Dietrich Beyrau, Rainer Lindner (Hrsg.):Handbuch der Geschichte Weißrußlands. Vandenhoeck und Ruprecht, Göttingen 2001, S. 26.
↑Mart Martin:The Almanac of Women and Minorities in World Politics. Westview Press Boulder, Colorado, 2000, S. 32.
↑David R. Marples:Die Sozialistische Sowjetrepublik Weißrußland (1917–1945). In:Dietrich Beyrau,Rainer Lindner (Hrsg.):Handbuch der Geschichte Weißrußlands. Vandenhoeck und Ruprecht, Göttingen 2001,ISBN 3-525-36255-2, S. 135–152, hier S. 149.
↑David R. Marples:Die Sozialistische Sowjetrepublik Weißrußland (1945–1991). In:Dietrich Beyrau,Rainer Lindner (Hrsg.):Handbuch der Geschichte Weißrußlands. Vandenhoeck und Ruprecht, Göttingen 2001,ISBN 3-525-36255-2, S. 166–177, hier S. 170.
↑Mitteldeutsche Zeitung 16. März 2006 19:19 Uhr:Lukaschenko droht Opposition vor der Wahl mit Gewalt. Zitat:„Demonstranten gegen die Staatsmacht würden als Terroristen verfolgt, sagte der Leiter des Geheimdienstes KGB, Stepan Sucharenko, am Donnerstag in Minsk. Auf Terrorismus stehen in Belarus 8 bis 25 Jahre Haft oder die Todesstrafe.“ „‚Wer am 19. März riskiert, auf die Straße zu gehen und die Lage zu destabilisieren, wird als Terrorist eingestuft‘, drohte Sucharenko […]“.
↑Barbara Oertel:Russland und Belarus: Blaupause zur Übernahme. In:Die Tageszeitung: taz. 21. Februar 2023,ISSN0931-9085 (taz.de [abgerufen am 15. April 2024]).
↑Yevhen Mahda:»Belarus – Ukraine« nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine: Ein unerwartetes Dreieck. In:Belarus-Analysen.Nr.66, 14. Juni 2023,S.2–6,doi:10.31205/BA.066.01 (laender-analysen.de [abgerufen am 18. Mai 2024]).
↑Nikolai Brushlinsky, Marty Ahrens, Sergei Sokolov, Peter Wagner: Welt-Feuer-Statistik Ausgabe Nr. 26-2021. (PDF) Tabelle 1.13: Personal und Ausstattung der Feuerwehren der Staaten in 2010–2019. WeltfeuerwehrverbandCTIF, 2021, abgerufen am 18. Februar 2022.
↑Nikolai Brushlinsky, Marty Ahrens, Sergei Sokolov, Peter Wagner: Welt-Feuer-Statistik Ausgabe Nr. 26-2021. (PDF) Tabelle 1.15: Anzahl der Jugendlichen in den Feuerwehren der Staaten in 2010–2019. Weltfeuerwehrverband CTIF, 2021, abgerufen am 18. Februar 2022.