Barde

AlsBarden (altkeltischBardos, irisch und schottisch-gälischBard, walisischBardd, bretonischBarzh) bezeichnet man im engeren SinneDichter undSänger deskeltischen Kulturkreises. Im weiteren Sinne können auch singende Dichter aus anderen Kulturen oder, in übertragenem Gebrauch, moderne Sänger so genannt werden. Die früheste Erwähnung keltischer Barden findet sich beiDiodorus Siculus undStrabo, die sie gemeinsam mit denDruiden undVates erwähnen. Bekannt wurden aus der Literatur der BardeOssian ausJames Macphersons gleichnamiger Dichtung und der BardeTroubadix alsComicfigur in derAsterix-Serie vonRené Goscinny undAlbert Uderzo.
Antike
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Poseidonios sieht in den Barden Höflinge der keltischen Fürsten und vergleicht sie mit den griechischenRhapsoden. Die Barden erscheinen hauptsächlich als Dichter, Sänger, Musiker (auf der „Krotta“ oder Leier) und Lobpreiser, ihre genaue Beziehung zu Druiden und Vaten bleibt im Dunkeln. Jedoch sind sich die Autoren dahingehend einig, dass den Barden nicht das Recht zustand, den Göttern zu opfern, weshalb sie nicht zur Priesterklasse zu zählen sind. Der griechische PhilologeHesychios von Alexandria schreibtΒαρδοί ἀοιδοί παρά Γαλάταις (Bardoí aoidoì parà Galátais „Die Barden sind die Sänger der Galater“ [i. e. Kelten][1]) und der römische GrammatikerSextus Pompeius Festus sagt von ihnen:
- Bardus Gallice cantor appellantur, qui virorum fortium laudes canit.
- („Die Gallier bezeichnen als Barden den Sänger, der das Lob tapferer Männer singt.“)[1]
Spätantike und frühes Mittelalter
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]In der Spätantike verlieren sich Berichte über keltische Barden. Es ist nicht klar, inwiefern sie in dergallo-römischen und romano-britischen Epoche eine wichtige Rolle gespielt haben. Teilweise wird ein Einfluss der Barden auf die Dichter derVölkerwanderungszeit angenommen; jedoch bleiben schriftliche Quellen hier eine genaue Erklärung schuldig. Die frühe irische Sage erwähnt Barden als Musiker und Dichter an den Höfen der irischen Könige. Sie treten allerdings in ihrem Ansehen hinter die Angehörigen derFilid zurück bzw. teilweise verschwimmen beide Berufsbezeichnungen. Es ist nicht klar, ob die überlieferten höfischen Berufe wie derCainte („Sänger“),Cruitire („Harfner“),Scélaige („Geschichtenerzähler“) oderCorrguinecht („Satiriker“) Angehörige der Barden oderFilidh oder überhaupt gänzlich andere Berufszweige bezeichnen. DerCríth Gablach („Der gegabelte Kauf“) kennt jedoch die Unterscheidung zwischen unfreien und freien Barden (Doebaird undSoerbaird) sowie ein Gradsystem, das den sieben Graden der Weisheit bei denFilidh entspricht:
sóerbaird | doebáird |
rigbárd ("königlicher Barde") | culbárd ("Schutzbarde") |
anruth báirdne ("Meister des Bardentums") | sruthbárd ("Fluss-Barde") |
sruth di aill ("Flut des Felsens") | bárd lorge ("Ast-Barde") |
tigernbárd ("Fürstenbarde") | driseoc oder drisbárd ("Stachel-Barde") |
admall ("sehr langsamer") | cromluatha ("schneller Kreis") |
túathbárd ("Stammesbarde") | sirti ui ("Reisender Dichter") |
bóbárd ("Vieh-Barde") | rindaid ("Verletzender") |
bárd áne ("Adelsbarde") | longbárd ("Gefäß-Barde") |
Im britannischen Frühmittelalter tauchen die Barden wieder in der schriftliche Überlieferung auf, als der Barde zu einem Hofbeamten wird. In Wales, wo die Barden als Orden unter dem NamenBardd Teulu organisiert waren, war es jedemPencerdd (gelehrter Poet), der neun Jahre lang studiert hatte, gestattet, einen Barden auszubilden.
Hochmittelalter
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Das Hochmittelalter gilt als Hochzeit des schriftlich überlieferten Bardentums. Der Barde wurde in Wales und anderen Orten Britanniens der Titel eines Hofbeamten. In Irland wurden zahlreiche Bardenschulen gegründet, wodurch die keltische Dichtung und Musik einen großen Aufschwung erfuhr. Ab dem 12. Jahrhundert gab es große Dichtertreffen, die sogenanntenEisteddfoddau; die Barden dieser Zeit waren unter dem Namengogynfeirdd („frühe Dichter“) bekannt.
Frühe Neuzeit
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Auf die mittelalterlichen Bardenschulen oder Bardenwettstreite der Renaissance geht u. a. das walisischeEisteddfod zurück, ein jährlich stattfindendes großes Musik- und Literaturfestival. In der Neuzeit wurden in Wales, Cornwall und der Bretagne Bardenvereinigungen (Gorsedd) gegründet, um Traditionen in Dichtung und Musik zu pflegen und diekeltische Sprache wiederzubeleben. Des Weiteren übernahm dasmoderne Druidentum den Begriff „Barde“, um ihren ersten Grad (°1) vor demOvaten (°2) und Druiden (°3) zu bezeichnen.
Archäologische Nachweise
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Der archäologische Nachweis der Barden gestaltet sich schwierig. Aus derHallstattzeit sindSitulen erhalten, die Musiker zeigen, welche aufLyra,Panflöte (Syrinx) Einzel- und Doppelhornpfeife spielen. Jedoch ist nicht völlig geklärt, ob es sich bereits um keltische Musiker und somit um Barden handelt. DieLa-Tène-Zeit kennt einige Darstellungen von Menschen mit Saiteninstrumenten, wie die Skulptur vonPaule-Saint-Symphorien in derBretagne, bei denen es sich um musische Gottheiten oder um Barden handeln könnte.Weitere keltische Instrumente, die nachgewiesen wurden, sindKnochenflöten, Knochenpfeifen undNaturtrompeten (aus Horn, Ton oder Bronze) sowie die alsCarnyx bekannte „Kriegstrompete“. Es wurden aus keltischer Zeit auchSchellen,Rasseln,Glöckchen undKlapperbleche gefunden. In Frankreich, in Malemort (Corrèze), wurden Fragmente einer eisenzeitlichen Tontrommel aus der Zeit zwischen dem 1. Jahrhundert v. Chr. und dem 1. Jahrhundert n. Chr. gefunden.[2]
Aus dem Mittelalter sind hingegen zahlreicheHarfen und andere Instrumente erhalten geblieben. Dazu gehören dieCruith (oderChrotta), verschiedene Formen derCroth (oderRotte), dieClairseach und dieTelyn (eine walisische Dreichor-Harfe). Ferner gab es verschiedene Varianten von Flöten wieDoppelflöte und Dreifachflöte, dieBuinne (Rohrblattinstrument, Flöte, Jagdhorn?) und eine Form derBlockflöte und dieStoc oderSturgan, eine Form derTrompete. Andere Quellen erwähnen außerdem Instrumente, die derOboe und derKithara geähnelt haben könnten. Im Mittelalter wurde außerdem erstmals derTinne oderDudelsack vom Festland eingeführt, der sich in verschiedenen Varianten schnell verbreitete und wohl die alten Hornpfeifen und dieKarnyx in ihrer Funktion ersetzte.
Erwähnenswert ist auch derTimpan (Tiompán)[3], ein 3–8 saitiges Zupf- und Streichinstrument, das einer Lyra, eventuell sogar einemBanjo geähnelt haben könnte.
Musik und Dichtung
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Aus der Antike und Spätantike sind keinerlei Überlieferungen über bardische Musik und Dichtkunst erhalten. Anhand der Darstellungen auf Situlen und Steinplastiken wäre der Barde der Antike vor allem ein Solist gewesen, der seinen eigenen Gesang auf dem Saiteninstrument begleitete. Doch zeigen hallstattzeitliche Situlen auch das Zusammenspiel verschiedener Instrumente wie z. B. Syrinx, Lyra und Hornpfeifen. Anhand verschiedener etymologischer Bezeichnungen für Gesang wie „Galan“ und „Barditus“ nimmt man unterschiedliche Gesangsstile an, die von Stimmlagen vomBariton bis zumFalsett ausgeführt wurden. Eine Interpretation der altkeltischen Musik wird u. a. von der Wiener GruppeImbraxton bzw. dem NachfolgeprojektCantlon betrieben. Der BriteJohn Kenny ist der erste neuzeitliche Interpret der die altkeltische Carnyx wieder gebraucht.
Nach der irischen Sage werden unterschiedliche musikalische Gattungen und bardische Dichtungsstile genannt, die sich voneinander durch zunehmende ,Dunkelheit‘ unterschieden.
Aus dem Mittelalter sind zahlreiche bardische Lieder und Gedichte aus Britannien und Irland erhalten geblieben, die eine ausgefeilte Dichtung mit verschiedenen anspruchsvollenReim- undStabreim-Schemata bezeugen. Da mittelalterliche Partituren nicht erhalten blieben, bleibt die Beschreibung der musikalischen Stilistik auf historische Quellen angewiesen. Laut Zeitgenossen war die irische Harfenmusik des Mittelalters von raschen Tempi geprägt, kraftgeladen, von großer Präzision und ausgefeilter Komposition. Einen Überrest alter keltischer Gesänge stellt möglicherweise derSean-nós-Gesang dar. Im Alpenraum wird auch dasJodeln mit der keltischen Kultur in Verbindung gebracht.
Barden in der Gegenwartskultur
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]DieComicfigur Troubadix aus den französischenAsterix-Comics vonRené Goscinny undAlbert Uderzo ist eine karikierte Verkörperung des historischen keltischen Barden.Im übertragenen Sinne – und in manchen Sprachen wie demRussischen – bezeichnet man auchLiedermacher als Barden. So bezeichnet sich auch ein Open-Air-Musikfestival in Nürnberg alsBardentreffen. Gelegentlich spricht man auch bei singenden Komikern wieOtto Waalkes von „Blödelbarden“. Die Potsdamer BandHasenscheisse besingt die Barden in einem LiedDie Waden eines Barden auf dem AlbumFür eine Handvoll Köttel.
Die ukrainische Entsprechung eines Barden ist derKobsar.
Berühmte Barden
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Irland
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- Owen Roe O’Sullivan (1748–1782)
- Dallán Forgaill
- Dómhnall Mac Mhuirich (um 1745)
- Fearflatha Ó Gnímh (um 1540–1640)
- Turlough O’Carolan (1670–1738)
Schottland
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- Rob. Mackay (1714–78)
Wales
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- Blwchbardd (6. Jahrhundert)
- Cadwallon (6. Jahrhundert)
- Cian (Gwenith Gwawd) (6. Jahrhundert)
- Dafydd ab Gwilym (um 1320–1370)
- Talhearn Tad Awen (6. Jahrhundert)
Pseudo- und Halbhistorische Barden
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Sagenhafte, mythische und fiktive Barden
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- Abhcan (Barde und Hafner desDagda aus der irischen Sage)
- Belenus (keltischer Gott derGallier, trägt als Gott derKithara-Spieler den Beinamen „Cithareus“)
- Coirpre (Barde und Satiriker derTuatha de Danaan aus der irischen Sage)
- Gentraiges, Goltraiges und Suatraiges (Drei Brüder, Söhne desNechtan, die drei Formen irischer Dichtung repräsentieren)
- Grannus (Keltischer Gott der Heilung und der heißen Quellen der mit einer Lyra als Sänger dargestellt wurde)
- Uaithne (Barde der Tuathe de Danaan und Sänger des Dagda)
- Beedle (Barde aus Joanne K Rowlings BuchDie Märchen von Beedle dem Barden)
- Troubadix (Barde aus der ComicreiheAsterix der Gallier)
- Rittersporn (Barde ausAndrzej SapkowskisGeralt-Saga)
Siehe auch
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- Keltische Religion
- Keltenideologie
- Orden der Barden, Ovaten und Druiden ein neodruidischer Orden
- Skalde
Literatur
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- Dublin Penny Journal. Band 1, Nr. 3, 14. Juli 1832
- Meyers Konversationslexikon. 1888
- Evans:Specimens of the ancient Welsh poetry. London 1764
- Jones, Williams, Owen:Myvyrian archaiology of Wales. 3 Bände. 1801–1807, neue Ausgabe 1862
- Williams:As barddoniath Cymraeg. Solgelly 1828
- Skenes:Four ancient books of Wales. 2 Bände. Edinburgh 1869
- Brooke:Reliquies of Irish poetry. Dublin 1789, neue Auflage von Seymour, 1816
- Hardiman:Irish minstrelsy. 2 Bände. 1831
- James MacKillop:Oxford Dictionary of celtic Mythology. Oxford University Press, 1998
- La Villemarqué:Sammlung altbretonischer Bardengesänge. 2. Auflage, 1846
- Caiseal Mór:Der Barde der grünen Insel. Roman. Aus dem Englischen vonMichaela Link. www.knaur.de, Originalausgabe:Carolan’s Concerto. 1999.
- Myles Dillon,Nora Kershaw Chadwick:Die Kelten. Kindlers Kulturgeschichte. Von der Vorgeschichte bis zum Normanneneinfall.ISBN 3-89340-058-3.
- Helmut Birkhan:Kelten. Versuch einer Gesamtdarstellung ihrer Kultur. Österreichische Akademie der Wissenschaften, Wien 1999,ISBN 3-7001-2609-3.
Weblinks
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- Imbraxton – Musik der Eisenzeit
- The Encyclopedia of Traditional Celtic Music
- CELT – Corpus of Electronic Texts
- Bardic Poetry Database
Einzelnachweise
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- ↑abBernhard Maier:Kleines Lexikon der Namen und Wörter keltischen Ursprungs. C.H. Beck OHG, München 2003,ISBN 3-406-49470-6, S. 31.
- ↑Clodoré-Tissot Tinaig:La musique aux Âges du Bronze et du Fer en Europe. Thèse de doctorat de l’université de Paris I Panthéon-Sorbonne. In:Bulletin de la Société préhistorique française, Band 104, Nr. 3, 2007, S. 589–592.
- ↑Ann Buckley (1978). What was the Tiompán? A problem in ethnohistorical organology. Evidence in Irish literature, S. 53–88, Jahrbuch für Musikalische Volks- und Völkerkunde, ix.