Shōgun

Shōgun, auchSchogun,[1] (japanisch将軍, vollständiger Titel征夷大将軍Seii Taishōgun, in etwa „Barbaren unterwerfender großer General“/„Generalissimus“) war vom 12. Jahrhundert bis 1867 einjapanischer Militärtitel für Anführer aus dem Kriegeradel derSamurai. Ursprünglich entsprach ein Shōgun ungefähr einem europäischenHerzog und wurde nur zeitweilig in Notfällen im Kampf gegen dieEmishi auf diese mit besonderen Vollmachten versehene Position berufen.Minamoto Yoritomo gelang es dann nach dem Ende derHeian-Zeit, sich diesen Titel 1192 vomKaisererblich übertragen zu lassen.[2]
DasShōgunat bezeichnete zunächst nur den Haushalt, später auch den Verwaltungsapparat des Shōgun. Im Japanischen bezeichnete es sich selbst alskōgi (公儀, wörtlich „offizielle Angelegenheiten“, also „Zentralregierung“); ab dem 19. Jahrhundert wurde es als Abgrenzung vom zunehmend als souverän angesehenen Kaiserhof alsbakufu (幕府, wörtlich „Zeltregierung“ im Sinne von „Militärregierung“) bezeichnet.[3] Dasbakufu blieb das dominierende politische Zentrum des Landes, bis es nach der Niederlage desTokugawa-Shōgunats imBoshin-Krieg im Laufe derMeiji-Restauration 1868 mitsamt dem bis dahin bestehenden Ständestaat abgeschafft wurde.
Nara- und Heian-Zeit
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Bereits in derNara-Zeit und derHeian-Zeit (709–1184) gab es Anführer aus dem Kriegeradel derSamurai, die den Titel eines Shōguns führten. Als erster von ihnen giltKose no Maro 709 alsMutsu Chintō Shōgun (陸奥鎮東将軍).Sakanoue no Tamuramaro (758–811) war der erste, der den später üblichen TitelSeii Taishōgun (征夷大将軍) führte. Shōgun entsprach von der Position her ungefähr einem europäischenHerzog und wurde nur zeitweilig in Notfällen im Kampf gegen dieEmishi im Norden auf diese mit besonderen Vollmachten versehene Position berufen.
Kamakura-Shōgunat (1192–1333)
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Etwa um 1150 war die Macht in Japan faktisch in der Hand derKlosterkaiser, offiziell abgedankter Regenten, die dem amtierendenTennō nur repräsentative Aufgaben überließen. Dies hatte Auseinandersetzungen zwischen rivalisierenden Familien des Hochadels zur Folge. Der Klosterkaiser griff auf die Unterstützung einiger Samurai-Familien zurück, erwies sich nach dem Sieg aber als weniger dankbar, als es sich diese Familien gewünscht hatten. Dies führte zumGempei-Krieg (1180–1185), nach dessen Ende die Samurai der RegionKamakura faktisch die Macht in Japan übernommen hatten. Am 21. August 1192 wurdeMinamoto no Yoritomo (1147–1199) vom Tennō zumSeii Taishōgun ernannt, womit dasKamakura-Shōgunat begründet war. Der Titel des Shōgun wurde an die Nachfolger vererbt, und die Stadt Kamakura wurde Residenzstadt des Shōgunats. DieProvinzen wurden unter Aufsicht derShugo gestellt, der Vorgänger der späterenDaimyō. Diese wurden aus mächtigen Familien ausgewählt oder der Titel wurde nach einer erfolgreichen Schlacht einem General verliehen.
Nach Minamotos Tod im Jahr 1199 übernahm der Klan seiner WitweHōjō Masako die Macht. Dabei blieben die Minamoto die Shōgune, während die Hōjō im Hintergrund die tatsächliche Macht ausübten. Diese Situation versuchte der Kaiser imJōkyū-Krieg zu beenden. Die Rebellion blieb erfolglos und die Hōjō festigten ihren Einfluss, so dass es ihnen möglich war, den Nachfolger des Shōguns selbst zu ernennen.
In den Jahren 1274 und 1281 wehrten die Shōgune zwei Invasionsversuche der Mongolen unterKublai Khan ab. Traditionell forderten die Samurai Belohnungen für ihren Dienst. Da durch die Verteidigung des Landes keine Kriegsbeute abfiel, konnte das Shōgunat diese nur in geringem Umfang gewähren.
In ihrem Unmut wandten sich vor allem derAshikaga- und derNitta-Klan wieder mehr dem Kaiser zu. Dies machte sich schließlich der TennōGo-Daigo (1288–1339) zunutze, um das Shōgunat 1333 zu stürzen und mit einer Restauration der kaiserlichen Macht (derKemmu-Restauration) zu beginnen, die aber nur wenige Jahre Bestand hatte, vor allem aufgrund unterschiedlicher Interessen Go-Daigos und der Ashikaga.
Kemmu-Restauration (1333–1336)
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Tennō Go-Daigo machte 1333 seinen SohnPrinz Moriyoshi (auch bekannt als Prinz Morinaga) zumSeii Taishōgun und übertrug ihm die Befehlsgewalt über das Militär. Der SamuraiAshikaga Takauji (1305–1358) lehnte sich gegen Prinz Moriyoshi auf und entmachtete ihn. Prinz Moriyoshi wurde 1335 von Ashikaga Takaujis jüngerem Bruder Ashikaga Tadayoshi getötet. Der Restaurationsversuch des Tennō Go-Daigo scheiterte 1336 endgültig, und der Kaiserhof spaltete sich in die Nord- und die Süd-Dynastie. Die Auseinandersetzung dauerte bis zum Jahr 1392, als die Dynastien unter Führung vonAshikaga Yoshimitsu vereinigt wurden.
Muromachi- oder Ashikaga-Shōgunat (1338–1573)
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Ashikaga Takauji, der imKyōto-Stadtteil Muromachi residierte, wurde 1338 zum Shōgun und begründete dadurch dasMuromachi- oderAshikaga-Shōgunat. Er gilt als Opportunist, der sein Verhalten ständig der aktuellen Situation anpasste, und als eine der kontroversesten Figuren der japanischen Geschichte. Die nachfolgende Zeit ist durch Machteinbußen der Zentralregierung gekennzeichnet, in deren Verlauf die ländlichenSamurai immer stärker wurden. Die Schwäche der Shōgune führte im Jahr 1467 unterAshikaga Yoshimasa (1436–1490) zum 11 Jahre dauerndenŌnin-Krieg. Danach waren sowohl das Shōgunat als auch der Tennō politisch bedeutungslos geworden. Der mit dem Ōnin-Krieg beginnende Zeitabschnitt wurde zur „Periode der Krieg führenden Provinzen“ (Sengoku Jidai, 1467–1568).
Nachdem ab dem Jahr 1543portugiesische Händler Feuerwaffen in Japan eingeführt hatten, nutzte FürstOda Nobunaga (1534–1582) diese neue Technik, um eine Reichseinigung zumindest Zentraljapans zu erzwingen. Nach der Befriedung seiner eigenen Provinz Owari erhob Nobunaga auch Ansprüche auf Nachbarprovinzen und marschierte 1568 in die Hauptstadt Kyōto ein. Zunächst unterstützte er den 15. und zugleich letzten Ashikaga-ShōgunAshikaga Yoshiaki (1537–1597), enthob ihn aber nach Illoyalitäten 1573 aller Ämter, womit das Shōgunat erlosch.
Azuchi-Momoyama-Zeit (1573–1603)
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Auf das Muromachi-Shōgunat folgte die Azuchi-Momoyama-Zeit (1573–1603).Oda Nobunaga einte 30 der damals 68 Provinzen, starb aber im Jahr 1582 durch Verrat, ohne ein neues Shōgunat zu begründen. Im Kampf um Nobunagas Nachfolge setzte sich der aus einfachen Verhältnissen stammende MilitärführerToyotomi Hideyoshi (1536–1598) durch, eine der herausragendsten Persönlichkeiten der japanischen Geschichte. Er reformierte das Reich zu Gunsten der Samurai.
Tokugawa- oder Edo-Shōgunat (1603–1867)
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Nach Hideyoshis Tod gelangte der aus dem Osten Japans stammendeTokugawa Ieyasu (1543–1616) an die Macht, der auch heute noch in einer Vielzahl vonShintō-Schreinen verehrt wird. Ieyasu wurde 1603 vom Tennō zum neuenSeii Taishōgun ernannt. Gegenüber fremden Staaten wurde der Shōgun mit dem TitelTaikun (大君, dt. „großer Gebieter“) bezeichnet, auf den das heutigeTycoon zurückgeht. Er baute im vorher unbedeutenden FischereihafenEdo (dem heutigenTokio) ein Verwaltungszentrum auf, das zur faktischen Hauptstadt des Shōgunats wurde und dem Tokugawa-Shōgunat den NamenEdo-Zeit verlieh. Seine Nachfolger vollendeten die Reichseinigung, und Japan erlebte unter den insgesamt 15 Tokugawa-Shōgunen die längste ununterbrochene Friedenszeit seiner Geschichte. Allerdings schottete sich das Land zugleich immer mehr nach außen hin ab: Starke Handelsbeschränkungen und ein absolutes Ausreiseverbot für Japaner und Einreiseverbot für Ausländer (mit Ausnahme kleiner Niederlassungen auf der vorNagasaki gelegenen InselDejima (Niederländer und Chinesen), der Insel Tsushima (Koreaner), und dem Hafen Satsuma (für Handel über dieRyūkyū-Inseln))[4] führten Japan in die Isolation.
Die Organisation des Edo-Bakufu unter dem Shōgun sah vereinfacht wie folgt aus:[5]
- Großkanzler (大老,tairō): 1 Person, zeitweilig
- Kanzler (老中,rōjū): 3–5 Personen im Monatswechsel
- Finanz-Kommissar (勘定奉行,kanjō bugyō): 3–5 Personen
- Hauptbeobachter (大目付,ōmetsuke): 3–5 Personen
- Edo-Stadtkommissar (町奉行,machi bugyō): 2 Personen im Monatswechsel
- u.v.m.
- Kanzler-Assistenten (若年寄,wakatoshiyori): 3–5 Personen
- Wachabteilung (書院番頭,shoin bantō): 4–10 Personen
- Beobachter (目付,metsuke): unter 10 Personen
- u.v.m.
- Tempel- und Schreinkommissar (寺社奉行,jisha bugyō), 3–5 Personen im Monatswechsel
Das Ende der Edo-Periode wurde durch die Ankunft einesUS-amerikanischen Flottengeschwaders unter KommodoreMatthew Perry (1794–1858) im Jahr 1854 eingeläutet. Gestützt auf die militärische Übermacht durch überlegene Feuerwaffen (Kanonenbootpolitik), erzwang Perry eine Öffnung des japanischen Reichs für den Handel. Die Nachgiebigkeit des Shōguns führte zu Auseinandersetzungen im Lande: DieTozama Daimyō und der Hofadel unter FührungIwakura Tomomis setzten sich für eine Wiederherstellung des Kaisertums unter dem Schlagwort „Ehret den Kaiser, vertreibt die Barbaren!“ (sonnō jōi) ein. In einem Staatsstreich zwangen sie den seit 1865 regierenden ShōgunTokugawa Yoshinobu (1837–1913) nach nur zwei Herrschaftsjahren 1867 zur Aufgabe. Yoshinobu widerrief dies Anfang 1868, wurde aber in derSchlacht von Toba-Fushimi (südlich von Kyōto) trotz zahlenmäßiger Überlegenheit vernichtend geschlagen und dankte endgültig ab. Die siegreiche Seite verhalf dem erst 15-jährigen TennōMutsuhito (1852–1912) zu seinen vollen Rechten als Staatsoberhaupt. Als kaiserlicheRegierungsdevise für die neue Epoche wurdeMeiji (etwaerleuchtete Regierung) gewählt. Die Wiederherstellung der kaiserlichen Macht wirdMeiji-Restauration genannt, auch wenn es den Reformern keineswegs um eine Wiederherstellung des alten Systems ging, sondern um eine Neugestaltung Japans auf allen Ebenen zu einer Nation, die dem starken Westen gewachsen war. Das neue Schlagwort hieß nun „Japanischer Geist – westliches Wissen!“ (wakon yōsai).
Siehe auch
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Literatur
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- Wolfgang Schwentker:Die Samurai. C. H. Beck, München 2003,ISBN 3-406-47988-X.
Weblinks
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Einzelnachweise
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- ↑Duden | Shogun, Schogun | Rechtschreibung, Bedeutung, Definition, Herkunft. In: www.duden.de. Abgerufen am 19. Dezember 2016.
- ↑Bruno Lewin (Hrsg.):Kleines Handbuch der Japankunde. Otto Harrassowitz-Verlag, Wiesbaden 1968, S. 432ff.
- ↑Hiroshi Watanabe:A History of Japanese Political Thought, 1600-1901 International House of Japan, S. 51ff.
- ↑Vgl. Yoko Nagazumi:Ayutthaya and Japan: Embassies and Trade in the Seventeenth Century. In: Mark Caprio u. a. (Hrsg.):Japan and the Pacific, 1540-1920. Ashgate Varium, Aldershot, S. 241.
- ↑Yanagimachi Takanao (Hrsg.): Edojidai-kan, Shogakukan 2002,ISBN 4-09-623021-9, S. 59.