Mirza Abu Zafar Siraj-ud-din Muhammad, als HerrscherBahadur Shah II. oder unter seinem DichternamenBahadur ShahZafaranhörenⓘ/? (geb.24. Oktober1775 inDelhi; gest.7. November1862 inRangun) war der letzte, nur noch nominell regierendeGroßmogul, und kurzzeitig im Jahr 1857Kaiser von Indien. Bahadur Shah II. gilt als berühmterSufi-Dichter in der SpracheUrdu.
Bahadur Shah war der zweite Sohn vonAkbar Shah II. und seiner Frau Lalbai. Er wuchs imRoten Fort in Delhi auf und überlebte dabei die Plünderung Delhis durch den AfghanenGhulam Qadir im Jahr 1788. Sein Großvater GroßmogulShah Alam wurde von Ghulam Qadir geblendet, konnte aber letztlich wieder auf den Thron gelangen. Er musste als Folge derMarathenkriege einen weiteren Machtverlust hinnehmen und starb 1806.
Sein Nachfolger, Bahadurs Vater Akbar Shah II., war im Wesentlichen nur noch nomineller Herrscher desMogulreiches, dem einst ein Konglomerat aus Reichsprovinzen, untergeordnetenFürstenstaaten und halbautonomen Städten und Dörfern zugeordnet war, hatte seinen beherrschenden Einfluss auf den indischen Subkontinent bereits im 18. Jahrhundert verloren. Nach wie vor galt jedoch der imRoten Fort inDelhi residierende Großmogul sowohl der indischen Bevölkerung als auch den indischen Provinzen und Staaten als nomineller Souverän. Dementsprechend hatte dieBritische Ostindien-Kompanie sich noch zu Beginn des 19. Jahrhunderts auf offiziellen Papieren und Münzen als Vasall des Großmoguls bezeichnet und dem in Delhi ansässigen Vertreter der Kompanie die strikte Anweisung gegeben, dem Mogul mit dem Respekt zu begegnen, der dem obersten Herrscher von Hindustan zustand.[1] Bereits ab den 1830er Jahren begann sich die britische Politik in diesem Punkt zu ändern. So überreichte die Britische Ostindien-Kompanie ab 1832 das zeremonielle Geschenk (nazr) nicht mehr, das die Verpflichtungen der Kompanie gegenüber dem Großmogul öffentlich unterstrichen hätte. Hochrangige Vertreter der Kompanie verzichteten nun auf den Antrittsbesuch beim Großmogul, wenn sie in Delhi weilten. Auf den Rupien, die die Ostindien-Kompanie ab 1835 herausgab, wurde der Name des Großmoguls entfernt.
Nachdem der ursprüngliche Thronfolger Mirza Jahangir von den Briten aus Delhi exiliert worden war, wurde Bahadur Shah nach dem Tod seines Vaters am 28. September 1837 Shah Großmogul.[2] Während das kulturelle Leben in Delhi unter seiner Herrschaft blühte, war er allerdings politisch nahezu einflusslos. Bis 1857 demonstrierten eine Reihe von Maßnahmen und Ereignissen dem Großmogul und seinem Hofstaat, welche Bedeutungslosigkeit ihnen die Briten mittlerweile beimaßen. Ab 1850 war es allen britischen Untertanen untersagt, Titel und Ehrungen seitens des Großmoguls anzunehmen.[3] Der Einflussbereich von Bahadur Shah beschränkte sich letztlich auf seinen Palast, dasRote Fort in Delhi. Kein indischer Fürst durfte ihn hier ohne die Erlaubnis vonThomas Metcalfe, den ranghöchsten Vertreter der Kompanie vor Ort aufsuchen.[4] Metcalfe versuchte auch die Thronfolge zu beeinflussen. Üblich war es, dass der Großmogul unter seinen Söhnen denjenigen bestimmte, der aus seiner Sicht der am meisten geeignete Nachfolger war. Zu den von ihm verfolgten Zielen gehörte die Sicherstellung, dass nach dem Tod von Bahadur Shah II. die Herrschaftsrolle derMogule erlöschen sollte (sogenannteDoctrine of Lapse). Bahadur Shah dagegen versuchte, seinen LieblingssohnMirza Jawan Bakht alsThronfolger durchzusetzen. Der Tod von Metcalfe im Jahre 1853 wird gelegentlich auf eine Vergiftung im Auftrag vonZinat Mahals, der Mutter von Mirza Jawan Bakht, zurückgeführt.
Diese Politik hatte zur Folge, dass eine Reihe der Würdenträger am Hof des Großmoguls bereit war, die Aufständischen des 1857 ausgebrochenen Sepoy-Aufstandes zu unterstützen.
Das Foto vonRobert Christopher Tytler zeigt Bahadur Shah II. im Alter von 82 Jahren kurz vor seiner Verurteilung in Delhi 1858. Es ist möglicherweise die einzige Fotografie, die je von einem Mogulkaiser gemacht wurde.
Bahadur Shah Zafar II. war zwar nominell der Anführer desantibritischen Aufstands von 1857 gesehen, spielte aber keine aktive Rolle. Die Unterstützung der Aufständischen wurde außerdem nicht von allen Angehörigen des Hofes des Großmoguls geteilt. Die britische Seite wurde unter anderem von Zafars LieblingsfrauZinat Mahal unterstützt, die damit auch die Hoffnung verbunden haben mag, dass die Briten die Thronfolge ihres SohnesJawan Bakht sichern würden. Jawan Bakht übernahm im Gegensatz zu seinem älteren HalbbruderMirza Mughal während des Aufstands niemals eine aktive Rolle.[5] Im Zuge des Aufstandes wurde Delhi besetzt und Bahadur Shah II. im Mai 1857 zumKaiser von Indien proklamiert.
Am 14. September begann die britische Rückeroberung von Delhi, die sich bis zum 20. September hinzog. Das Versteck von Bahadur Shah auf dem Areal desHumayun-Mausoleums wurde von einem seiner Schwiegersöhne verraten und der Großmogul von dem britischen OffizierWilliam Hodson gefangen genommen. Zwei seiner Söhne sowie einer seiner Enkel wurden unmittelbar nach der Gefangennahme von William Hodson erschossen.[6] Bahadur Shah II. wurde im März 1858 im Alter von 82 Jahren von einemKriegsgericht der Mitschuld an der Revolte schuldig gesprochen, abgesetzt und nachRangun im britisch besetzten TeilBirmas verbannt, wo er am 7. November 1862 starb.
Das verbliebene Territorium des Mogulreichs wurde am 2. August 1858 gemeinsam mit allen anderen Territorien unter direkter Kontrolle der Britischen Ostindien-Kompanie mit Wirkung zum 1. November der neu gegründeten KolonieBritisch-Indien übereignet. Die britische KöniginVictoria nahm im Jahr 1876 in Anknüpfung an die Großmogule den Titel einerKaiserin von Indien an.
Ursula Beisinger:Die Ursprünge des Aufstandes von 1857 in Oudh. Frankfurt am Main 1959, (Frankfurt am Main, Universität, Dissertation, vom 16. Dezember 1959).
Christopher Hibbert:The great mutiny. India 1857. Reprinted edition. Penguin Books, London u. a. 1988,ISBN 0-14-004752-2.
Mahdi S. Husain: Bahadur Shah Zafar: And the War of 1857 in Delhi. Aakar Books 2006,ISBN 978-81-87879-91-6
Lawrence James:Raj. The Making of British India. Abacus, London 1997,ISBN 0-349-11012-3.
Tapti Roy:The politics of a popular uprising. Bundelkhand in 1857. Oxford Univ. Press, Delhi u. a. 1994,ISBN 0-19-563612-0.
P. J. O. Taylor:What really happened during the mutiny. A day-by-day account of the major events of 1857–1859 in India. Oxford University Press, New Delhi u. a. 1999,ISBN 0-19-565113-8.
Surendra Nath Sen:Eighteen fifty-seven. With a foreword by MaulanaAbul Kalam Azad. Ministry of Information & Broadcasting, Delhi 1957.
↑Bahadur Zafar, Paul Smith (Übers.):Bahadur Shah Zafar - Sufi Poet & Last Mughal Emperor & his Circle of Poets: Zauq, Ghalib, Momin, Shefta, Dagh. Selected Poems. New Humanity Books, 2017.