Im Gegensatz zu früheren Zeiten wird die Astronomie als Naturwissenschaft heute streng abgegrenzt von derAstrologie, die aus Stellung und Lauf der Gestirne auf irdische Geschehnisse schließen will. Die Abgrenzung erfolgt auch, da die Astrologie einePseudowissenschaft ist – während die Astronomie auf empirischer Basis die Beschaffenheit, Bewegungen und Beziehungen von Himmelskörpern untersucht. Dennoch werden, wohl wegen der Ähnlichkeit beider Bezeichnungen, Astrologie und Astronomie von Laien nicht selten verwechselt.
An den Universitäten wurde die Astronomie um etwa 1800 zu einer eigenen Studienrichtung, wird heute aber oft demPhysikstudium zugeordnet. In der deutschen Hochschulpolitik wird sie seit 2018 gemeinsam mit derAstrophysik nicht mehr alsKleines Fach, sondern als mittelgroßes Fach eingestuft.[2]
Tagundnachtgleiche von der prähistorischen Stätte bei Pizzo Vento[3] beiFondachelli-Fantina,SizilienFlammarions Holzstich wurde oft für eine authentische Darstellung eines mittelalterlichen Weltbildes gehalten (Illustration inCamille Flammarion:La forme du ciel, Paris 1888)PlanetSaturn, Aufnahme der Raumsonde Cassini 2004
Die Astronomie gilt als eine der ältesten Wissenschaften. Ihre Anfänge liegen im Nachdenken über die Himmelserscheinungen, in der kultischen Verehrung derGestirne und im Erarbeiten vonKalender bzw. Zeitbestimmung.[4] In einem jahrtausendelangen Prozess – besonders gut erkennbar in der HimmelskundeMesopotamiens undGriechenlands – trennten sich zunächst Astronomie und („Natur“)-Religion, später Astronomie und Meteorologie, in der Frühmoderne dann Astronomie undAstrologie.[5] Wesentliche Meilensteine für unser Wissen über das Weltall waren die Erfindung desFernrohrs vor etwa 400 Jahren, das diekopernikanische Wende[6] vollendete, sowie später im 19. Jahrhundert die Einführung derFotografie undSpektroskopie.
Seit den 1960er-Jahren haben Astronomen mit der unbemannten und bemanntenRaumfahrt die Möglichkeit, die Erdatmosphäre zu überwinden und ohne ihre Einschränkungen zu beobachten – also ohneLuftunruhe und in allen Bereichen deselektromagnetischen Spektrums. Dazu kommt erstmals die Möglichkeit, die untersuchten Objekte direkt zu besuchen und dort andere als nur rein beobachtende Messungen durchzuführen. Parallel dazu werden immer größereTeleskope für bodengebundene Beobachtungen gebaut.
Die astronomische Wissenschaft gliedert sich nach den untersuchten Objekten und der Art der Forschung, die entweder theoretischer oder beobachtender Natur ist. Zu den wichtigsten grundlegenden Fachgebieten zählen diebeobachtende Astronomie, dieAstrophysik, dieAstrometrie und dieHimmelsmechanik. Dietheoretische Astronomie hingegen entwickelt analytische und numerisch-physikalische Modelle zur Beschreibung von Himmelskörpern und kosmischen Phänomenen.
Die bedeutendsten Untersuchungsgebiete der Astronomie umfassen:
DieKosmologie hat Entwicklung und Struktur des gesamten Universums zum Gegenstand und untersucht mit Hilfe derQuantenphysik das Universum auch im atomaren und subatomaren Bereich,
während dieKosmogonie die Entstehung des Universums beinhaltet. Letztere kann als Teildisziplin der Kosmologie verstanden werden.
Die bis etwa 1900 vorherrschenden Methoden derklassischen Astronomie sind weiterhin als Basis für andere Teilgebiete unentbehrlich. Sie erforschen alsPositionsastronomie mittelsastrometrischer Verfahren, der Himmelsmechanik undStellarstatistik den Aufbau des Weltalls und katalogisieren die Himmelskörper (v. a. durchSternkataloge,Bahnbestimmungen undEphemeriden). Im Gegensatz zu diesen überwiegend geometrischen Verfahren erforscht dieAstrophysik mit ihren heute sehr vielfältigen Beobachtungstechniken die Physik der astronomischen Objekte und des ferneren Weltalls. Daneben kann dieRaumfahrt alsexperimentelle Astronomie angesehen werden, und die Kosmologie alstheoretische Disziplin.
Mit der Astronomie sehr eng verbunden sind diePhysik und dieMathematik; die Fachgebiete haben sich vielfach befruchtet und sind auch im Astronomie-Studium als Einheit zu sehen. Das Universum erweist sich in vielen Fällen als Laboratorium der Physik, viele ihrer Theorien können nur in seinen Weiten und an heißen, energiereichen Objekten getestet werden. Nicht zuletzt waren die aufwändigen Berechnungen der Astronomie Triebfeder der modernennumerischen Mathematik und derDatenverarbeitung.
In den letzten Jahrzehnten ist auch die Zusammenarbeit der Astronomie mit der modernenGeologie und derGeophysik immer wichtiger geworden, da sich das Arbeitsgebiet derGeowissenschaften mit Teilen derPlanetologie deckt. DieMineralogie analysiert die Gesteine der Erde mit ähnlichen Methoden wie jene anderer Himmelskörper. DieKosmochemie als Teil derChemie untersucht die Entstehung und Verteilung der chemischen Elemente und Verbindungen im Universum und diechemische Evolution, dieAstrobiologie die Umstände von Entstehung, Ursprung und Existenz von Leben im Universum.
Des Weiteren kommt es zunehmend zu interdisziplinärer Forschung mit ursprünglich ehergeisteswissenschaftlich ausgerichteten Disziplinen der Wissenschaft:
Da sich die Astronomie außerdem im Rahmen derKosmologie mit den Fragen nach der Entstehung, der Entwicklung und dem Ende des Universums beschäftigt, gibt es darüber hinaus Schnittpunkte zuTheologie undPhilosophie.
Ein konkretes Beispiel für die Verbindung zwischen Theologie und Astronomie ist die Berechnung des Osterdatums, die über Jahrhunderte hinweg eine zentrale Herausforderung der Kalenderwissenschaft darstellte[7]. Seit demErstes Konzil von Nicäa Konzil von Nicäa im Jahr 325 n. Chr. gilt die Regel, Ostern am ersten Sonntag nach dem ersten Frühlingsvollmond zu feiern – eine Festlegung, die präzise astronomische Kenntnisse über Sonnen- und Mondzyklen voraussetzt.Im Zuge dergregorianischen Kalenderreform von 1582 wurde unter PapstGregor XIII. eine neue Schaltregel eingeführt, die das Sonnenjahr exakter abbildete[7]. Verantwortlich für die Umsetzung war der JesuitChristophorus Clavius, der auch als Wegbereiter der späterenVatikanischen Sternwarte gilt. Diese wurde 1891 unter PapstLeo XIII. gegründet und unterhält heute gemeinsam mit derUniversity of Arizona dasVatican Advanced Technology Telescope (VATT).
Ein weiteres Beispiel für die Verbindung von Astronomie und Mathematik ist dieGaußsche Osterformel, mit derCarl Friedrich Gauß um 1800 eine algorithmische Berechnung des Osterdatums entwickelte – sie findet bis heute Anwendung in kirchlichen und weltlichen Kalenderberechnungen.
Kurt Hopf:Von der Erde ins All – Das Weltall in Beispielen – Didaktische Materialsammlung auf CD-ROM für Kindergärten, Schulen, Sternwarten und Planetarien, COTEC-Verlag Rosenheim
Harry Nussbaumer:Das Weltbild der Astronomie. 2007,ISBN 978-3-7281-3106-5, 2., erweiterte und aktualisierte Auflage. vdf Hochschulverlag.
M. Wächter:Kleine Entdeckungsgeschichte(n) der Astronomie im Kontext von Zeitgeschichte und Physik, Verlag Königshausen und Neumann, Würzburg 2018,ISBN 978-3-8260-6511-8
R.A. Freedman, W.J. Kaufmann:Universe. Freeman, NY 2004,ISBN 0-7167-9884-0
Hans-Ulrich Keller:Kompendium der Astronomie: Einführung in die Wissenschaft vom Universum. Franckh-Kosmos, 6. aktual. & erw. Auflage, Stuttgart 2019,ISBN 978-3-440-16276-7
Edward Brooke-Hitching:Der Atlas des Himmels. Eine kleine Geschichte der Astronomie. Übersetzt von Lutz-W. Wolff. Knesebeck Verlag, München 2020,ISBN 978-3-95728-424-2
Lexikon der Alten Musik BR-Klassik:Astronomie in: br-klassik.de, 22. Dezember 2019; abgerufen am 29. Juli 2021 (Lexikonartikel mit zusätzlichem Audiobeitrag inkl. Musikbeispielen)
↑Kleine Fächer von A – Z. siehe bei: Ehemals kartierte Fächer / Mittelgroße Fächer. In: Portal Kleine Fächer. Johannes Gutenberg-Universität Mainz, abgerufen am 16. Juni 2023.
↑Dazu im Schöpfungsbericht derGenesis 1,14:Und Gott sprach: Lichter sollen am Himmelsgewölbe sein, um Tag und Nacht zu scheiden [...] und zur Bestimmung von Festzeiten, von Tagen und Jahren dienen [...].
↑Vgl. z. B. Ferenc Némethy:Astronomisches und medizinisches Doppelfragment zu Budapest. Untersuchung der lateinischen und der deutschen Handschrift im Kodex 19167/S. 91 der Semmelweis-Bibliothek für Geschichte der Medizin (mit kritischer Textausgabe). Würzburg 1998 (=Würzburger medizinhistorische Forschungen. Band 26)
↑Vgl. etwaFritz Krafft:Nicolaus Copernicus. Astronomie und Weltbild an der Wende zur Neuzeit. In: Hartmut Boockmann,Bernd Moeller, Karl Stackmann (Hrsg.):Lebenslehren und Weltentwürfe im Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit. Politik – Bildung – Naturkunde – Theologie. Bericht über Kolloquien der Kommission zur Erforschung der Kultur des Spätmittelalters 1983 bis 1987 (=Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in Göttingen: philologisch-historische Klasse. Folge III, Nr. 179). Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1989,ISBN 3-525-82463-7, S. 283–335.