Arnold Ruge

Arnold Ruge (*13. September1802 inBergen auf Rügen; †31. Dezember1880 inBrighton) war eindeutscher Schriftsteller. 1848/1849 gehörte er derFrankfurter Nationalversammlung an, wo er die demokratische Linke vertrat.
Leben
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Opposition im Vormärz
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Ruge war der Sohn des Gutsverwalters Christoph Arnold Ruge und dessen Ehefrau Catharina Sophia Wilken († Oktober 1847); der spätere MedizinalratLudwig Ruge war sein Bruder. Nachdem Ruge 1821 mit 19 Jahren inStralsund seine Schulzeit erfolgreich mit demAbitur abgeschlossen hatte, begann er noch im selben Jahr an derUniversität Halle Philosophie zu studieren. 1822 wechselte er mit demselben Fach an dieUniversität Jena und blieb dort bis 1823. Anschließend ging er an dieUniversität Heidelberg, wo er im Frühjahr 1824 als „Mitglied einer geheimen verbotenen Verbindung“ verhaftet und verurteilt wurde. Ruge war führendes Mitglied im geheimenJünglingsbund gewesen, der Anfang 1824 verraten wurde. Er war 1821 Mitglied derHalleschenBurschenschaft, 1822 Mitglied derJenaischen Burschenschaft und 1823 Mitglied derHeidelberger Burschenschaft geworden.[1]
Nach einem Jahr Untersuchungshaft inKöpenick wurde Ruge 1826 durch dasOberlandesgerichtBreslau zu einer 15-jährigen Festungsstrafe in der FestungKolberg verurteilt. Dort saß Ruge bis zu seiner Begnadigung durch den König im Frühjahr 1830 ein. Bereits während dieser Haftstrafe studierte er eifrig die altenKlassiker, übersetzteTheokrit,Aischylos undSophokles im Versmaß des Originals und verfasste verschiedene Texte, die sich dem StilJean Pauls, aber auch englischenHumoristen anlehnten.
Nach seiner Freilassung 1830 erhielt Ruge eine Anstellung am KöniglichenPädagogium derFranckeschen Stiftungen zuHalle und bereits im darauffolgenden Jahr konnte er sich mit „Die Platonische Ästhetik“ habilitieren. Bis 1836 war er dort auch als Privatdozent tätig. Am 25. Mai 1832 heiratete RugeLouise Düffer († 1833).
Ruge heiratete 1834 in zweiter Ehe Agnes Wilhelmine Nietzsche (1814–1899). Sie hatte einen Sohn Richard (1835–1905). Mit Agnes hatte er zwei Töchter, Hedwig (1837–1910) und Francisca (1849–1939) und einen Sohn, Arnold (1843–1912).
Als Privatdozent begann sich Ruge in vielen Artikeln in den „Blättern für litterarische Unterhaltung“ fürPressefreiheit,Volkssouveränität u. ä. einzusetzen und wurde schon bald zum Mittelpunkt derJunghegelianer. In diese Zeit fiel auch seine Bekanntschaft mitTheodor Echtermeyer, mit dem er ab Januar 1838 dieHallischen Jahrbücher für deutsche Kunst und Wissenschaft begründete, die ziemlich schnell zum bedeutendsten kritischen Organ des Junghegelianismus wurden. Wichtige Mitarbeiter waren dabei u. a.Ludwig Feuerbach,David Friedrich Strauß,Hermann Franck und dieBrüder Grimm.
Als im Frühjahr 1841 die preußische Regierung die „Jahrbücher“ wegen deren liberaler Richtung zensierte und verbot, verlegte Ruge die Redaktion von Halle nachDresden und änderte den Titel inDeutsche Jahrbücher für Wissenschaft und Kunst. InnenministerJohann Paul von Falkenstein entzog jedoch auch dieser Zeitschrift die Konzession. Ruge ließ sich daraufhin in derSchweiz nieder und ließ seine „Jahrbücher“ dort erscheinen.
Aufenthalt in Paris und Zürich
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]1843 ging Ruge nachParis, wo er gemeinsam mitKarl Marx dieDeutsch-Französischen Jahrbücher herausgab. 1844 verfasste er unter dem Pseudonym „Ein Preuße“ mehrere Artikel für die ExilzeitschriftVorwärts! vonHeinrich Börnstein. Im März 1844 hatten Marx und Ruge wegen unüberbrückbarer Differenzen ihre Zusammenarbeit beendet. ImSchlesischen Weberaufstand, in dem Marx undHeinrich Heine den Vorboten einer neuen Ära erblickten, sah Ruge nur eine lokale Hungerrevolte. Er lehnte die Utopie desKommunismus ab und setzte sich für eine demokratische Republik ein. AuchGerman Mäurer, der sich besonders für dieDemokratie und gegen das Ungleichgewicht zwischen Arm und Reich einsetzte, gehörte in Paris zu seinen Freunden.[2]
Ab Anfang September 1846 lebte und wirkte Ruge inZürich, wo er sehr eng mitJulius Fröbel zusammenarbeitete. Unter seiner maßgeblichen Mitarbeit wurden die „Junius-Briefe“ veröffentlicht („Junius“ war das Pseudonym von Fröbel). In Zürich legte Ruge auch den Grundstein seiner später in Mannheim veröffentlichten Werkausgabe.
Im Frühjahr 1847 kehrte Ruge nach Deutschland zurück und ließ sich in Leipzig als Buchhändler nieder. An seine Buchhandlung war ein kleiner Verlag angeschlossen, der unter Ruges Leitung nun vermehrt Schriften zum politischen Tagesgeschehen veröffentlichte. Als einer der wichtigeren Titel ist hierDie Akademie – ein philosophisches Taschenbuch zu nennen, das 1848 erschien. Weitere Autoren dieses Verlags warenGustav Freytag,Julius Fröbel,Friedrich Gerstäcker,Friedrich Hebbel,Georg Herwegh,Moritz Hartmann undLudwig Seeger.
Deutsche Revolution
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Die Freundschaft mitLudwig Feuerbach wurde für Ruge bald richtungsweisend für seine politische Einstellung. 1848 begrüßte Ruge dieFebruarrevolution in Frankreich und wünschte sich eine solche politische Änderung auch für Deutschland. Um für eine derartige Forderung eine Plattform zu haben, gründete Ruge die ZeitschriftDie Reform, die von Anfang an das Sprachrohr der deutschenDemokratie wurde.
Nach Ausbruch derMärzrevolution von 1848 wurde er für Breslau in dieFrankfurter Nationalversammlung gewählt, wo er seinen Platz auf deräußersten Linken nahm. In diesem Amt trat er kaum hervor; nennenswert scheint vor allem seine Forderung nach der Selbstbestimmung vonPolen undItalien in der Sitzung vom 29. Juli 1848. Auch schlug er einen Völkerkongress der großen Nationen Europas vor, der Streit auf friedliche Weise schlichten und eine allgemeine Abrüstung einleiten sollte. Der Historiograph der Revolution,Veit Valentin, sah darin einen Vorläufer desVölkerbund-Gedankens.[3]
Doch bald schon zog sich Ruge politisch enttäuscht zurück und ging nach Berlin. Infolgedessen wurde er von der Nationalversammlung als ausgeschieden erklärt. In Berlin wurde er Mitglied desDemokratischen Vereins und war im Oktober 1848 maßgeblich an der Entstehung des Wahl- und Parteiprogramms einer radikal-demokratischen Partei für Deutschland beteiligt. Um dieselbe Zeit, im Oktober 1848, wohnte er demDemokratenkongress in Berlin bei, um seine ZeitungReform zum Organ der Demokratie erheben zu lassen. Der eintretendeBelagerungszustand hatte aber das Verbot dieser Zeitung zur unmittelbaren Folge und Ruge musste am 21. Januar 1849 die Stadt verlassen.
Flucht ins Ausland
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Ruge kehrte nach Leipzig zurück und engagierte sich dort bei den Ereignissen derMärzrevolution. Nach deren Niederschlagung flüchtete Ruge – inzwischen zur Fahndung ausgeschrieben – zusammen mit seiner Familie überBrüssel undOostende nach Brighton. Von dort holte ihnGiuseppe Mazzini nachLondon, um zusammen mit ihm,Lajos Kossuth undAlexandre Ledru-Rollin an einer bürgerlich-demokratisch ausgerichteten Opposition zu arbeiten. DiesesComitato Europeo hatte die Errichtung einer gesamteuropäischen Republik zum Ziel. Die politische Polizei des Deutschen Bundes, die Namenslisten anlegte und international austauschte, hielt Ruge für gefährlicher als den ebenfalls beobachteten Marx.[4]
Ab 1866 zog sich Ruge immer mehr von der politischen Zielsetzung zurück; wie auch andere Paulskirchenlinke[5] hielt er die PolitikOtto von Bismarcks für zukunftsweisend. In derSchlacht von Königgrätz am 3. Juli 1866 sah Ruge – nach eigenem Bekunden – „den Beginn der preußischen Zukunft Europas“. Auf persönlichen Wunsch Bismarcks wurde für Ruge ab 1877 für seine Verdienste um die preußische Politik ein jährlicherEhrensold von 3000Reichsmark ausgelobt.
Im Alter von über 78 Jahren starb Arnold Ruge am 31. Dezember 1880 in Brighton. Dort fand er auch seine letzte Ruhestätte. Ein Großteil von Ruges Nachlass wird vomInternationalen Institut für Sozialgeschichte inAmsterdam verwaltet.
Werke
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Neben seinem eigenen schriftstellerischen Werk (s. Liste) hat sich Ruge auch durch seine Übersetzungen um die Literatur verdient gemacht. Hier sind vor allemHenry Thomas Buckle(Geschichte der Zivilisation),Fernando Garrido(Das heutige Spanien) undHenry Bulwer-Lytton(Lord Palmerston) oder Eugène Ténot (Paris im December 1851. Historische Studie über den Staatsstreich) zu nennen. Ruge benutzte oftPseudonyme, mit denen er seine Veröffentlichungen zeichnete; neben „Dr. Adolph“, „M. Karlstein“, „Agnes W. Stein“ ist vor allem „R. Durangelo“ zu nennen, einAnagramm seines Namens.
- Acht Reden über Religion. Berlin 1875
- Aufruf zur Einheit. Berlin 1866
- Aus früherer Zeit. Autobiographie. Berlin 1863–67 (4 Bde.)
- Bianca della Rocca. Historische Erzählung. Berlin 1869
- Briefwechsel und Tagebuchblätter aus den Jahren 1825–1880. Berlin 1885–86 (2 Bde.)
- Geschichte unsrer Zeit seit denFreiheitskriegen. Leipzig 1881
- Juniusbriefe. Leipzig 1867
- Der Krieg. Berlin 1867
- Die Loge des Humanismus. Leipzig 1851
- Manifest an die deutsche Nation. Hamburg 1866
- Die neue Welt. Trauerspiel. Leipzig 1856
- Novellen aus Frankreich und der Schweiz. Leipzig 1848
- Der Novellist. Stralsund 1839
- Revolutionsnovellen. Leipzig 1850
- Schill unddie Seinen. Trauerspiel. Stralsund 1830
- Unser System. Leipzig 1850
- Zwei Doppelromane in dramatischer Form. Berlin 1865
- Zwei Jahre in Paris. Leipzig 1846 (2 Bde.)
Literatur
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- Conrad Bursian:Arnold Ruge. In:Biographisches Jahrbuch für Alterthumskunde. 4. Jg., 1881, S. 25–33 (Digitalisat).
- Robert Boxberger: Ruge, Arnold. In:Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 29, Duncker & Humblot, Leipzig 1889, S. 594–598.
- Helmut Reinalter: Ruge, Arnold. In:Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 22, Duncker & Humblot, Berlin 2005,ISBN 3-428-11203-2, S. 236–238 (Digitalisat).
- Warren Breckman:Arnold Ruge: Radical Democracy and the Politics of Personhood, 1838-1843. In: Ders.:Marx, the Young Hegelians and the Origins of Radical Social Theory: Dethroning the Self.Cambridge University Press, NY 1999.
- Lars Lambrecht (Hrsg.):Arnold Ruge (1802–1880). Beiträge zum 200. Geburtstag. Peter Lang, Frankfurt am Main u. a. 2002,ISBN 3-631-50443-8.
- Wolfgang Ruge:Arnold Ruge 1802–1880, Fragmente eines Lebensbildes, hrsg. vonFriedrich-Martin Balzer, Pahl-Rugenstein, Bonn 2004,ISBN 3-89144-359-5.
- Helmuth Reinalter:Arnold Ruge (1802–1880). Vom Radikalen Burschenschafter zum achtundvierziger Demokraten. In: Helmut Bleiber,Walter Schmidt,Susanne Schötz (Hrsg.):Akteure eines Umbruchs. Männer und Frauen der Revolution von 1848/49. Fides, Berlin 2003,ISBN 3-931363-11-2, S. 563–617.
- Helmuth Reinalter (Hrsg.):Die Junghegelianer: Aufklärung, Literatur, Religionskritik und politisches Denken. Peter Lang, Frankfurt am Main 2010,ISBN 978-3-631-60385-7.
- Julian Schmidt:Arnold Ruge. In:Die Grenzboten 10, II. Sem., III. Bd. (1851), S. 161–178.
- Martin Hundt (Hrsg.):Der Redaktionsbriefwechsel der Hallischen, Deutschen und der Deutsch-Französischen Jahrbücher (1837–1844). 3 Bde., Akademie Verlag, Berlin 2010,ISBN 978-3-05-004513-9.
- Helmut Reinalter:Arnold Ruge (1802–1880). Junghegelianer, politischer Philosoph und bürgerlicher Demokrat. Königshausen & Neumann. Würzburg 2020,ISBN 978-3-8260-7120-1.
- Martin Küster:„Demagoge“ Arnold Ruge – Gefangener auf Schloss Köpenick. In: Heimatverein Köpenick e.V. (Hrsg.):Von Copnic nach Köpenick – neue Streifzüge durch seine Geschichte. Trafo, Berlin 2014 (Schriftenreihe des Heimatvereins Köpenick e.V.),ISBN 978-3-86465-036-9, S. 179–183.
- Stefan Walter:Demokratisches Denken zwischen Hegel und Marx: Die politische Philosophie Arnold Ruges. Eine Studie zur Geschichte der Demokratie in Deutschland. Droste Verlag, Düsseldorf 1995.
Weblinks
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- Literatur von und über Arnold Ruge im Katalog derDeutschen Nationalbibliothek
- Literatur über Arnold Ruge in derLandesbibliographie MV
- Arnold Ruge im Internet Archive
- ca. 19 Werke als eingescannte PDFS bei hegel.net
- Arnold Ruge. In:Deutsche Biographie (Index-Eintrag).
- Franz Ulrich Nordhausen:Leipzig’s Wühler und Wühlerinnen, Daguerreotypen und Vereinsgestalten. Selbstverlag, 1849, S. 19, 22.
- BArch NY 4114
Einzelnachweise
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- ↑Helge Dvorak:Biographisches Lexikon der Deutschen Burschenschaft. Band I:Politiker. Teilband 5:R–S. Winter, Heidelberg 2002,ISBN 3-8253-1256-9, S. 143–145.
- ↑Max Morsches, Peter Lückerath:German Mäurer als Demokrat und Frühsozialist. In:Heimat zwischen Sülz und Dhünn, Geschichte und Volkskunde in Bergisch Gladbach und Umgebung, Heft 18, 2012.
- ↑Jörg-Detlef Kühne:Revolution und Rechtskultur. Die Bedeutung der Revolutionen von 1848 für die Rechtsentwicklung in Europa. In:Die Revolutionen von 1848 in der europäischen Geschichte. Ergebnisse und Nachwirkungen. Beiträge des Symposions in der Paulskirche vom 21. bis 23. Juni 1998.Historische Zeitschrift. Beihefte, neue Reihe, Band 29, 2000, S. 57–72, hier S. 69–71.
- ↑Wolfram Siemann:1848/49 in Deutschland und Europa. Ereignis, Bewältigung, Erinnerung. Schöningh, Paderborn u. a. 2006, S. 226.
- ↑Frank Möller:Vom revolutionären Idealismus zur Realpolitik. Generationswechsel nach 1848? In:Generationswechsel und historischer Wandel,Historische Zeitschrift. Beihefte, Neue Reihe, Band 36, 2003, S. 71–91, hier S. 77.
Personendaten | |
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NAME | Ruge, Arnold |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Schriftsteller |
GEBURTSDATUM | 13. September 1802 |
GEBURTSORT | Bergen auf Rügen |
STERBEDATUM | 31. Dezember 1880 |
STERBEORT | Brighton |
- Autor
- Mitglied der Frankfurter Nationalversammlung
- Literatur (19. Jahrhundert)
- Literatur (Deutsch)
- Novelle
- Politische Literatur
- Übersetzer aus dem Altgriechischen
- Übersetzer aus dem Englischen
- Übersetzer aus dem Spanischen
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- Person (Pommern)
- Person (Franckesche Stiftungen)
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- Gestorben 1880
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