Die ursprünglichen Araber sind die Ureinwohner derArabischen Halbinsel bzw. Arabiens, während die Araber aus anderen Teilen der arabischen Welt, wie die aus derLevante oder ausNordafrika, hauptsächlich Völker sind, die nach derislamischen Expansion sprachlich arabisiert wurden und sich teilweise genetisch mit Arabern vermischten. Daher werden sie oft ungeachtet ihrer jeweiligen unterschiedlichen Geschichte und Kultur ebenfalls als Araber bezeichnet. Seit der islamischen Expansion haben in der Arabischen Welt vielfältig gemischte Ehen und kulturelle Anpassungsprozesse stattgefunden, weshalb heute Araber aus verschiedenen arabischen Ländern teilweise ähnliche soziale, religiöse und andere kulturelle Lebensformen aufweisen.
Nachdem die Bedeutung des BegriffsAraber in unterschiedlichen Kulturen und Zeiten stark voneinander abweicht, ist eine eindeutige Zuweisung nur im entsprechenden Kontext möglich. Für Araber gelten Fremde, die nicht korrekt Arabisch sprechen, alsʿAdscham. Nicht zu den Arabern gezählt werden Ethnien wieBerber,Kurden,Turkmenen,Suryoye, sowie andere Minderheiten, die in arabischen Ländern leben. Viele von ihnen beherrschenArabisch und seine regionalenDialekte alsZweitsprache.
Zur Herkunft des Wortesʿarab existieren mehrere Ansätze. Einige führen es zurück auf diesemitische Wurzel für „Westen“, die von den BewohnernMesopotamiens auf die Völker westlich desEuphrattals angewandt wurde; auchAbar für „reisen, weiterziehen“ wird als möglich angenommen.
Die Bibel liefert imBuch Jeremia Kapitel 25, Vers 24 eine weitere Herkunftsmöglichkeit. Dort heißt es: „… alle Könige Arabiens und alle Könige des Völkergemischs, welche in der Wüste wohnen“. Die hebräische Wortwurzel ajin-resch-bet hat auch die Bedeutung „vermischen“. Mit dem WortÄräb wird das Völkergemisch bezeichnet, welches in der Wüste wohnt.
Wie die Araber werden auch die Hebräer, als ausZentralarabien fortziehendeNomaden, alsSemiten bezeichnet. Beide Bezeichnungen „Araber“ und „Hebräer“, könnten von dem Wort ʿabara abstammen, das in beiden Sprachen für das nomadische „Umherwandern“ steht. Das arabischeʿibri und dashebräische’ivri bedeuten noch heute „hebräisch“,ʿarabī („arabisch“) könnte eine für Araber typischeMetathese sein.أعرابي /aʿrābī undعربي /ʿarabī:aʿrābī bezeichnet Nomaden, währendʿarabī für die Bewohner der Städte steht.
Die ältesten Überlieferungen des Begriffes stammen von denAssyrern (Inschrift aus dem Jahr 853 v. Chr. unterSalmanassar III., 858–824 v. Chr.), aus derGenesis (10. Kapitel) und vonAischylos (Prometheus).
In den assyrischen Texten tauchen die BegriffeArabi,Arabu oderUrbi häufig als Bezeichnung für einen Landstrich oder für ein Volk auf, das in der nördlichen Region derArabischen Halbinsel lag bzw. lebte. Zu unterscheiden ist es vom Volk derSabäer, die imKönigreich Saba auf dem Staatsgebiet des heutigenJemen lebten.Herodot und viele andere griechische und lateinische Schriftsteller bezeichneten als Arabien die ganze Arabische Halbinsel und als Araber alle ihre Bewohner (einschließlich derer der ostägyptischen Wüste zwischenNil undRotem Meer).
Bei den Resten der im Süden der arabischen Halbinsel lebenden Stämme (Sabäer) wird der Begriff zum ersten Mal von Personen, die auf der arabischen Halbinsel leben, gebraucht. Als Araber werden dortBeduinen bezeichnet. Somit dient das Wort der Trennung der sesshaften von der nomadisierenden Bevölkerung.
In arabischer Sprache, aber noch innabatäischer Schrift verfasst, tauchte das Wort 'raber im frühen 4. Jahrhundert n. Chr. in einem Text der Grabinschrift von Namara auf und erzählt die Geschichte eines „Mannes ausQais“ (Imru al-Qais), der die Oberherrschaft über alle Nomaden in Nord- und Zentralarabien beanspruchte.
So sind nachHamilton Gibb Araber solche Menschen, „für die die Mission des Propheten Mohammed und die Erinnerung an das Arabische Reich das zentrale historische Faktum sind und die darüber hinaus die arabische Sprache und ihr kulturelles Erbe als ihre gemeinsame Wurzel betrachten und an ihr festhalten.“
Prähistorische, anthropologische und philologisch-linguistische Forschungen haben auf der Arabischen Halbinsel neben den semitischen Arabern eine alte Jägerbevölkerung von teilweise afrikanischer Abstammung und eine dunkelhäutige Restbevölkerung indischer Herkunft nachgewiesen.
Die Bedeutung des Begriffes Araber unterlag einem gewissen Wandel:
Invorislamischer Zeit wurden die Araber in Wüstenaraber oder Beduinen (aʿrāb) auf der einen und die sesshaften Araber (ʿarab) auf der anderen Seite unterteilt. Die Wüstenaraber werden imKoran eher negativ dargestellt. So heißt es inSure 9:97: „Die Beduinen (aʿrāb) sind mehr (als die seßhaften Araber) demUnglauben und derHeuchelei ergeben und eher geneigt, die Gebote, die Gott auf seinen Gesandten (als Offenbarung) herabgesandt hat, zu übersehen.“
Darüber hinaus unterschied man dienördlichenAdnan-Stämme von densüdlichenQahtan-Stämmen. Die größte Konzentration der Araber war auf der arabischen Halbinsel zu finden, es gab aber aucharabische Stämme im Nil-Tal, im Römischen Reich und imPerserreich.
In der Zeit des ProphetenMohammed hat sich an der Unterteilung nichts geändert. Die Sprache wurde aber einheitlicher, denn der Koran wurde in der städtischen Sprache von Mekka und Umgebung niedergeschrieben, was dazu führte, dass viele Dialekte verschwanden.
Zur Zeit derAusbreitung des islamischen bzw. arabischen Weltreichs galten als Araber alle Arabisch sprechenden Menschen, die zu einem arabischen Stamm oder zu dessen Nachfahren gehörten. Die Unterscheidung zwischen den Arabern und denNichtarabern innerhalb des Staates war einfach, da die Vermischung der Völker noch am Anfang stand. Eine strikte Trennlinie zwischen den Menschen wurde aber nicht beabsichtigt.
In der Blütezeit des islamischen Weltreichs breiteten sich Islam und arabische Sprache mit mehr oder weniger Druck von den erobernden Arabern auf die unterworfene Bevölkerung aus, wodurch die Araber im biologischen Sinne in der Masse der Unterworfenen aufgingen. Dabei spielte eine wichtige Rolle, dass KalifAbd al-Malik 705 angeordnet hatte, dass das Verwaltungsschriftgut nur noch auf Arabisch verfasst werden sollte. Trotzdem blieb die Ausbreitung der arabischen Sprache im Ganzen hinter jener des Islams zurück (vor allem Persien, Afghanistan und die Hochgebirgsländer der Berber wurden nicht erfasst); in Einzelfällen war es aber auch umgekehrt: die langfristig beim Christentum verbleibenden Bevölkerungsgruppen in Ägypten (Kopten) und Syrien wechselten zur arabischen Sprache. Die Großgruppenidentitäten bezogen sich in dieser Zeit primär auf die Religion, auch auf die Region (z. B. Ägypter, Bürger von Damaskus) und auf den Gegensatz Nomaden–Sesshafte; der Begriff „Araber“ wurde zu einer Bezeichnung für rückständige Beduinen auf der Arabischen Halbinsel.[1]
Am Ende desersten Abbasidenstaates (13. Jahrhundert) setzt sich imOkzident zur Bezeichnung der Einwohner der islamischen Welt die BezeichnungSarazenen durch. Zum ersten Abbasidenuntergang kam es im Jahre 1258 in Bagdad durch die Mongolen. Der zweite Untergang erfolgte im Jahre 1517 in Kairo durch die Osmanen.
Unter dem Einfluss der europäischen Vorstellung von Nationen, die sich auf eine gemeinsame Sprache gründen, kam dann Anfang des 20. Jahrhunderts bei arabischen Intellektuellen die Vorstellung einer Gemeinsamkeit der Araber auf und als Folge davon ein panarabischer Nationalismus.[2]
In der Bibel (z. B. 1 Chron 1, 29-33) werden die Araber als die NachkommenIsmaels beschrieben. Diese Vorstellung war auch bei den Arabern selbst verbreitet. Eine Überlieferung, dieal-Azraqī in seinerGeschichte Mekkas unter Berufung aufIbn Ishāq anführt, besagt, dass Gott die Araber aus den Nachkommen der beiden Ismael-Söhne Qaidār und Nābit hervorgehen ließ.[3]
Die proto-arabischen Stämme stammen von derautochthonensemitisch-sprachigen Bevölkerung derArabischen Halbinsel ab. Zeugnisse dieser proto-arabischen Kultur sind die antiken ZentrenDilmun (viertes Jahrtausend v. Chr.) undThamūd (erstes Jahrtausend v. Chr.), sowie mehrerer Königreiche im Süden der Arabischen Halbinsel (sieheSabäer).[4][5]
Eine im Jahr 2019 imEuropean Journal for Human Genetics inNature veröffentlichte genetische Studie zeigte, dass Bevölkerungsgruppen inWestasien (Araber),Europäer, Nordafrikaner (Berber), Südasiaten (Inder) und einige Zentralasiaten eng miteinander verwandt sind und eindeutig von Afrikanern südlich der Sahara oder ostasiatischen Bevölkerungsgruppen unterschieden werden können.[6]
Die wichtigste Quelle zur frühen Geschichte der arabischen Stämme stellen dieassyrischen Inschriften und Reliefs dar. Sie berichten vor allem über Kriegszüge, geben jedoch auch Informationen über Alltagsleben und Religion. So sind auf den Reliefs des Nordwestpalastes von Niniveh aus der ZeitAššurbānipals Araber abgebildet, die zu zweit aufKamelen reiten und die assyrischen Truppen mit Pfeilen beschießen. Der vordere Reiter lenkt das Kamel, das nur mit einer einfachen, durch Riemen an Hals und Schweif befestigten Decke angetan ist, dabei mit einem Stab. Die Reiter haben schulterlanges Haar und einen kurzen Vollbart und sind nur mit einem voluminösen Lendenschurz bekleidet.
Hinsichtlich der religiösen Vorstellungen teilte der inBagdad wirkendeDoxographAbū ʿĪsā al-Warrāq (gest. 861/62) die vorislamischen Araber in vier Gruppen ein:
Eine Gruppe glaubte an den Schöpfergott, den Anfang der Welt und dieWiederauferweckung der Toten, negierte jedoch die Möglichkeit vonGottesgesandten. Sie verehrten Götzenbilder (aṣnām), um sich Gott (Allāh) anzunähern, wallfahrteten zu ihnen, brachten ihnen Schlachtopfer dar, führten für sie Opferzeremonien durch und nahmen für sie eine Einteilung in profan und heilig vor.
Eine zweite Gruppe bekannte sich zum Schöpfergott, negierte jedoch die Möglichkeit der Wiederauferweckung und Auferstehung.
Eine dritte Gruppe bestritt die Existenz eines Schöpfergottes, neigte zumAgnostizismus (taʿṭīl) und vertrat die Lehre von der schicksalhaften Zeit (dahr). Es ist diese Gruppe, die der Koran inSure 45:24 mit der Aussage zitiert: „Es gibt nur unser diesseitiges Leben. Wir sterben und leben und nur die Zeit läßt uns zugrunde gehen.“
Die arabisch-islamische Expansion (7.–8. Jahrhundert n. Chr.)
Im Zuge der islamischen Expansion breiteten sich die Araber im 7. und 8. Jahrhundert von ihrem ursprünglichen Gebiet auf der arabischen Halbinsel nach Nordafrika, Spanien, Palästina, Syrien und Persien aus.
Diese beiden Großmächte derSpätantike hatten sich bei ihrer Grenzverteidigung lange großteils auf arabische Stämme verlassen. Doch hatte der sassanidischeGroßkönigChosrau II. das Reich derLachmiden, deren HauptstadtHira im heutigen Südirak lag, bereits um 602 vernichtet. Wenig später hatten die Araber in einem kleineren Gefecht mit den Persern festgestellt, dass ihre leichte Reiterei den schwer gepanzerten sassanidischenKataphrakten gewachsen bzw. überlegen war.
Begünstigt wurden die Araber dabei durch die ungewöhnliche Schwäche ihrer Gegner: Die Oströmer stützten sich seit dem fünften Jahrhundert vielfach auf die teilweise christlichenGhassaniden, die südlich vonDamaskus herrschten. Doch waren sowohl Ostrom als auch Persien von einem langen Krieg erschöpft, den sich beide bis 629 geliefert hatten, siehe dazuHerakleios undRömisch-Persische Kriege. Beide Reiche waren ganz aufeinander fixiert und militärisch nicht auf einen Angriff der Araber eingerichtet. Kurz vor dem Tod des Kaisers Herakleios (610 bis 641), der die Sassaniden mit Mühe besiegt und so sein Reich noch einmal gerettet hatte, sollte dann die Hauptphase der arabisch-islamischen Expansion beginnen – ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, als die Römer die Zahlungen an ihre arabischen Verbündeten einstellten.[9]
Von etwa 1150 bis 1492 erfolgte ein allmählicher Niedergang des arabischen Weltreiches. Im Jahr 1258 eroberten die Mongolen Bagdad, 1492 wurde mit Granada das letzte maurische Reich durch die christlichen Spanier erobert.[10]
InSyrien, im Libanon und in der türkischen ProvinzHatay gibt es eine große Gemeinde derAlawiten (Nusairier).
Die Mehrheit der BevölkerungOmans zählt sich zu denIbaditen.
Zu den christlichen Arabern zählt ein Teil der Angehörigenaltorientalischer Kirchen, wie z. B. derkoptischen Kirche in Ägypten und im Sudan. In Syrien, Irak, Jordanien, Libanon und Palästina leben daneben auchorthodoxe und katholische Araber.
Ayad Al-Ani:Araber als Teil der hellenistisch-römischen und christlichen Welt. Wurzeln orientalistischer Betrachtung und gegenwärtiger Konflikte: von Alexander dem Großen bis zur islamischen Eroberung. Duncker & Humblot, Berlin 2014,ISBN 978-3-428-14119-7.
Manfred Kropp (Hrsg.):Die Geschichte der »reinen Araber« vom Stamme Qaḥṭān. Aus dem Kitāb našwat aṭ-ṭarab fī taʾrīḫ ǧāhiliyyat al-ʿArab des Ibn Saʿīd al-Maġribī. (=Heidelberger Studien zur Geschichte und Kultur des modernen Vorderen Orients, Bd. 4). Lang, Frankfurt am Main 1982,ISBN 3-8204-7633-4.
Alfred Schlicht:Die Araber und Europa. 2000 Jahre gemeinsamer Geschichte. Kohlhammer, Stuttgart 2008,ISBN 978-3-17-019906-4.
↑Jesper Eidema, Flemming Højlundb (1993):Trade or diplomacy? Assyria and Dilmun in the eighteenth century BC. In:World Archaeology. 24 (3): 441–448.doi:10.1080/00438243.1993.9980218.
↑Andrew J. Pakstis, Cemal Gurkan, Mustafa Dogan, Hasan Emin Balkaya, Serkan Dogan:Genetic relationships of European, Mediterranean, and SW Asian populations using a panel of 55 AISNPs. In:European Journal of Human Genetics.Band27,Nr.12, Dezember 2019,ISSN1018-4813,S.1885–1893,doi:10.1038/s41431-019-0466-6,PMID 31285530,PMC 6871633 (freier Volltext).
↑Zitiert inʿAbd al-Ǧabbār ibn Aḥmad:al-Muġnī fī abwāb at-tauḥīd wa-l-ʿadl, Band 5al-Firaq ġair al-Islāmīya. Ed. Maḥmūd Muḥammad Qāsim. al-Muʾassasa al-Miṣrīya al-ʿĀmma li-t-Taʾlīf, Kairo 1958. S. 156.Digitalisat
↑Siehe W. Montgomery Watt:Muhammad at Medina. Oxford University Press, 1962. S. 78–151 sowie Elias Shoufani:Al-Ridda and the Muslim Conquest of Arabia. University of Toronto Press, 1973. S. 10–48
↑Eine allgemeine und wichtige Gesamtdarstellung zur Lage des oströmischen Reiches im 7. Jahrhundert hat Haldon vorgelegt: John Haldon:Byzantium in the Seventh Century. 2. Aufl. Cambridge 1997.
↑Vgl. etwaPaul Diepgen,Heinz Goerke:Aschoff/Diepgen/Goerke: Kurze Übersichtstabelle zur Geschichte der Medizin. 7., neubearbeitete Auflage. Springer, Berlin/Göttingen/Heidelberg 1960, S. 16.
↑abSadullah Seyidoğlu:Türkiye Arapları (Muş, Bitlis, Siirt, Batman, Mardin Bölgeleri) üzerine sosyolojik bir inceleme. 2018 (edu.tr [abgerufen am 26. April 2021]).