Gänsevögel
Gänsevögel | ||||||||||||
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![]() Graugänse (Anser anser) | ||||||||||||
Systematik | ||||||||||||
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Wissenschaftlicher Name | ||||||||||||
Anseriformes | ||||||||||||
Wagler, 1831 |
DieGänsevögel (Anseriformes) bilden eineOrdnung derVögel (Aves). Die Gruppe umfasst unter anderem die umgangssprachlich alsGänse,Enten undSchwäne bezeichneten Vögel, aber auch beispielsweise dieWehrvögelSüdamerikas. Gänsevögel gehören zu den bedeutendsten Vogelgruppen in den Feuchtgebieten der Erde.
Merkmale
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Gänsevögel haben im Allgemeinen einen prallen festen Körper mit vergleichsweise kleinem Kopf, der oft an einem langen Hals sitzt. Der Schnabel ist (außer bei den Wehrvögeln) breit und abgeflacht; an seiner Spitze befindet sich oft eine Verhärtung, die dem Abzupfen von Pflanzenmaterial dient, während sich an den Kanten kleine aus Horn bestehende „Zähnchen“, dieLamellen, befinden, die dabei helfen, essbare Partikel aus dem Wasser auszufiltern.
Ein weiteres charakteristisches Merkmal sind die Schwimmhäute zwischen den drei nach vorne weisenden Zehen, die allerdings bei den Wehrvögeln und derSpaltfußgans (Anseranas semipalmata) stark zurückgebildet sind. Wie schon der Name andeutet, werden sie zur schnellen Fortbewegung im Wasser genutzt.
DasGefieder ist wasserdicht und bei vielen Arten, insbesondere bei den Männchen, sehr farbenprächtig. Es wird einer beständigen Pflege durch ein wasserabweisendes Öl unterzogen, das von einer auf dem Rumpf gelegenen und durch den Schnabel stimulierten Drüsesezerniert und dann durch Putzen der Federn über den ganzen Körper verteilt wird. Bei derMauser verlieren die meisten Arten alle Federn gleichzeitig; die Männchen zeigen in dieser Zeit meist eine sehr unauffällige Gefiederzeichnung, die ihnen in ihrem flugunfähigen Zustand zur Tarnung vor Fressfeinden dient. Die Wärmeisolation wird durch eine dicke Lage von Daunenfedern und eine unter der Haut gelegenen Fettschicht gewährleistet.
Im Gegensatz zu anderen Vogelgruppen, bei denen die Männchen entweder gar keinen oder nur einen einfach gebautenPenis besitzen, sind bei den Gänsevögeln dieKopulationsorgane sehr gut entwickelt.
Flug
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Die meisten Gänsevögel sind ausgezeichnete Flieger; dieStreifengans (Anser indicus) ist sogar der höchstfliegende Vogel überhaupt. Zahlreiche Arten legen alsZugvögel ausgedehnte Wanderungen zwischen ihren Brutplätzen und Überwinterungsgebieten zurück, die viele tausend Kilometer lang sein können. Etliche prähistorische und einige in historischer Zeit ausgestorbene Arten, vor allem Inselendemiten wie dieMoa-Nalos auf Hawai'i, haben allerdings sekundär ihre Flugfähigkeit eingebüßt.
Lebensraum und Ernährung
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Gänsevögel leben meist nah am Wasser, in Sümpfen und Mooren, den Mündungsgebieten oder Uferregionen von Flüssen oder an Küstengewässern. Manche Arten verbringen den Großteil ihres Lebens auf dem offenen Meer und kehren nur zum Brüten an Land zurück. Gruppen, insbesondere Familienverbände, von Enten oder Gänsen werden in derJägerspracheSchof oderSchoof genannt.
Die meisten suchen ihre Nahrung auf oder nahe der Wasseroberfläche, andere tauchen nach Wasserpflanzen, während insbesondere Gänse, Schwäne und Wehrvögel sich auch an Land unter anderem von Gräsern und Kräutern ernähren, die sie abäsen. Gänsevögel schlucken regelmäßig kleine Steinchen, die im muskulösen Magen alsGastrolithen zur Zerkleinerung der Nahrung dienen.
Stammesgeschichte
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Der älteste Gänsevogel stammt nach erneuter Bestätigung aus demMaastrichtium und gehört zur GattungVegavis, mitVegavis iaai als einziger bekannter Art.[1] Ein ebenfalls früher Vertreter der Gänsevögel,Presbyornis, stammt aus demPaläozän.Presbyornis ist nach den Analysen von Livezey näher mit den Entenvögeln als mit den Wehrvögeln verwandt.[2] Der fossile Vogel wurde zunächst für einen Verwandten derSäbelschnäbler oder derFlamingos gehalten, ehe ihn Harrison und Walker 1976 in die Nähe der Gänsevögel stellten.[3] Erst imOligozän tauchen weitere fossile Gänsevögel auf, doch scheinen sie in dieser Zeit rar gewesen zu sein. ImMiozän kam es zu einer explosivenRadiation mit Herausbildung der heute bekannten Typen.
Systematik
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]DieMonophylie der Gänsevögel ist seit langem unbestritten. Dass die äußerlich abweichendenWehrvögel in diese Gruppe gehören, wurde bereits 1863 vonWilliam Kitchen Parker aufgrund morphologischer Übereinstimmungen vermutet. Spätere Analysen bestätigten dies und zeigten, dass die Wehrvögel dieSchwestergruppe aller anderenrezenten Gänsevögel sind.[2][4]
Die beiden OrnithologenStorrs Lovejoy Olson undAlan Feduccia nahmen dieMorphologie des fossilenPresbyornis zum Anlass, eine Verwandtschaft der Gänsevögel zu den Regenpfeiferartigen zu vermuten.[5] Andere Wissenschaftler lehnten diese Theorie ab, da sie nur auf einer einzigenSynapomorphie beruhe.[2] Weitere mögliche Verwandtschaftsverhältnisse wurden zu denHühnervögeln, denSchreitvögeln und denFlamingos hergestellt. Ein Schwestergruppenverhältnis zwischen Gänse- und Hühnervögeln findet derzeit die meisten Unterstützer, das gemeinsame Taxon wirdGalloanserae genannt.
Man unterscheidet elf Familien der Gänsevögel, von denen acht ausgestorben sind. Von den übrigen drei haben zwei zusammengenommen nur vier Arten, und der überwältigende Rest von 174 Arten zählt zur Familie der Entenvögel.
- Wehrvögel (Anhimidae)
- Spaltfußgänse (Anseranatidae)
- Entenvögel (Anatidae) mit Gänsen, Schwänen und Enten.
- Vegavis aus demMaastrichtium, mitVegavis iaai als einziger bekannte Art. Somit ältester Vertreter der Gänsevögel. Gilt zudem als frühester oder sogar der früheste bekannte moderne Vogel (Kronengruppe).
- Presbyornithidae mit vier fossilen Arten desPaläozäns undEozäns, die zur GattungPresbyornis gezählt werden. Sie gehören zu den ältesten bekannten Gänsevögel.
- Die Anachronornithidae mitAnachronornis als einziger Gattung wurden ebenfalls auf das Paläozän und Eozän datiert. Sie vermitteln morphologisch zwischen Spaltfußgänsen und Entenvögeln.[6]
- Romainvillidae, einzige bekannte Art istRomainvillia stehlini aus dem Eozän/Oligozän, gänsegroß, vermittelt morphologisch zwischen Spaltfuß- und Pfeifgänsen.
- Cygnopteridae mit drei Arten in der GattungCygnopterus aus dem Oligozän undMiozän; sie wurden oft für fossile Schwäne gehalten, verdienen nach Ansicht des OrnithologenBradley C. Livezey aber den Rang einer eigenen Familie.
- Brontornithidae mit der einzigen bekannten GattungBrontornis, einem flugunfähigen Riesenvogel aus dem Miozän von Südamerika, der in vielen, vor allem älteren Publikationen aber den „Terrorvögeln“ (Phorusrhacidae) zugeordnet wird.
- Paranyrocidae mit der einzigen bekannten ArtParanyroca magna, einem schwanengroßen Vogel des Miozäns Nordamerikas.
- Donnervögel (Dromornithidae), riesige, flugunfähige Vögel mit sieben fossilen Arten vom Oligozän bis zumPleistozän Australiens.[7]
- Garganornis ballmanni (Incertae sedis), eine großwüchsige, terrestrische Art aus dem späten Miozän von Süditalien (Gargano).[8]
Literatur
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- Janet Kear (Hrsg.):Ducks, Geese and Swans. Oxford University Press, 2005,ISBN 0-19-854645-9.
Weblinks
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Einzelnachweise
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- ↑Christopher R. Torres, Julia A. Clarke, Joseph R. Groenke, Matthew C. Lamanna, Ross D. E. MacPhee, Grace M. Musser, Eric M. Roberts, Patrick M. O’Connor:Cretaceous Antarctic bird skull elucidates early avian ecological diversity. In:Nature.Band 638,Nr. 8049, Februar 2025,ISSN 1476-4687,S. 146–151,doi:10.1038/s41586-024-08390-0 (nature.com [abgerufen am 10. Februar 2025]).
- ↑abcBradley C. Livezey:A phylogenetic analysis of basal Anseriformes, the fossil Presbyornis, and the interordinal relationships of waterfowl. In:Zoological Journal of the Linnean Society. 1997, Nr. 121, S. 361–428.
- ↑C.J.O. Harrison, C.A. Walker:Birds of the British Upper Eocene. In:Zoological Journal of the Linnean Society. 1976, Nr. 59, S. 323–351.
- ↑Carole Donne-Goussé, Vincent Laudet, Catherine Hänni:A molecular phylogeny of anseriformes based on mitochondrial DNA analysis. In:Molecular Phylogenetics and Evolution. 2002, Band 23, Nr. 3, S. 339–356.
- ↑S.L. Olson, A. Feduccia:Presbyornis and the origin of Anseriformes (Aves: Charadriomorphae). In:Smithsonian Contributions to Zoology. 1980, Nr. 323, S. 1–24.
- ↑Peter Houde, Meig Dickson und Dakota Camarena (2023):Basal Anseriformes from the Early Paleogene of North America and Europe. Diversity. 15(2); 233.DOI: 10.3390/d15020233
- ↑Peter F. Murray:Magnificent Mihirungs: The Colossal Flightless Birds of the Australian Dreamtime. Indiana University Press, 2003,ISBN 0-253-34282-1.
- ↑Hanneke J. M. Meijer. 2014A Peculiar Anseriform (Aves: Anseriformes) from the Miocene of Gargano (Italy). C. R. Palevol. 13(1); 19–26.doi:10.1016/j.crpv.2013.08.001