Andre Geim



SirAndre Konstantin Geim[1] (russischАндре́й Константи́нович Гейм/Andrei Konstantinowitsch Geim; wiss. TransliterationAndrej Konstantinovič Gejm; deutsch:Andre Konstantinowitsch Geim; *21. Oktober1958 inSotschi,Russische SFSR,Sowjetunion[2]) ist einniederländisch-britischerPhysikerrusslanddeutscher Herkunft.[3][2][4] Im Jahre 2010 wurde ihm zusammen mitKonstantin Novoselov für seine Forschungen amKohlenstoff-AllotropGraphen derNobelpreis für Physik zuerkannt.[5][6]
Eine weitere seiner bemerkenswerten wissenschaftlichen Leistungen ist die Entwicklung einesbiomimetischenAdhäsivs, welches später in der englischen Fachpresse unter dem Namengecko tape bekannt wurde.[7]Ebenso bekannt sind seine Experimente mit Hilfe vondiamagnetischer Schwebetechnik, die den sogenannten „schwebenden Frosch“ hervorbrachten.[8][9] Für den „schwebenden Frosch“ erhielt er denIg-Nobelpreis des Jahres 2000 im Fach Physik. Damit ist er die einzige Person, die zugleich Nobel- (2010) und Ig-Nobelpreisträger ist.
Leben
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Geims Eltern – Konstantin Alexejewitsch Geim (1910–1998) und Nina Nikolaijewna Bayer (* 1927) – waren beide Ingenieure. Seine Vorfahren gehörten bis auf einejüdische Urgroßmutter derrusslanddeutschen Minderheit an. Geims Großvater Nikolai Bayer war Professor für Kartographie an derUniversität Charkiw in der Ukraine gewesen und hatte nach demErsten Weltkrieg kurzzeitig ein politisches Amt in derUkrainischen Volksrepublik unterPetljura innegehabt. Der Vater war bis zum Zeitpunkt desdeutschen Überfalls auf die Sowjetunion 1941 Lehrer für Mathematik und Physik an derUniversität Saratow. Wegen ihrer politischen „Vergehen“ und ihrer ethnischen Herkunft verbrachten sowohl Vater als auch Großvater viele Jahre als Zwangsarbeiter im sibirischenGulag.[3][10]
Andre Geim wuchs sechs Jahre inSotschi auf und zog mit seinen Eltern dann in das nahegelegeneNaltschik am Fuß desKaukasusgebirges, wo er die Schule besuchte. Insbesondere der Mathematikunterricht an der dortigen Schule habe einen extrem hohen Standard gehabt.[10] Nach dem Schulabschluss im Alter von sechzehn Jahren mit sehr gutem Abschlusszeugnis bewarb sich Geim um die Aufnahme in dieNationale Forschungsuniversität für Kerntechnik „MIFI“. Obwohl er die Prüfungsthemen der Aufnahmeprüfung nach eigenem Empfinden gut löste, bestand er die Prüfung nicht. Auch hatte er das Gefühl, viel schwierigere Prüfungsfragen erhalten zu haben, als bisher üblich waren. Nach einem Jahr intensiver Vorbereitung, in dem er bezüglich des mathematischen Könnens alle seine Lehrer überflügelte, trat Geim zur Wiederholungsprüfung am MIFI an. Bei der schriftlichen Prüfung fiel ihm auf, dass alle Prüflinge in seinem Raum entweder jüdisch klingende oder nicht-russische Namen hatten, während andere Prüfungsgruppen nur aus Russen bestanden. Geim und alle seine Mitkandidaten aus demselben Raum bestanden die Prüfung nicht, obwohl Geim nach eigenem Empfinden die gestellten Aufgaben gut hatte lösen können. Enttäuscht von dieser ethnischen Diskriminierung (die ethnische Zugehörigkeit war zu Sowjetzeiten im Personalausweis und allen offiziellen Dokumenten vermerkt[11]), bewarb er sich amMoskauer Institut für Physik und Technologie und musste sich dort einer erneuten Aufnahmeprüfung unterziehen. Im Prüfungsgespräch wurde er gefragt, ob er Deutsch spreche, was er verneinte, worauf die Bemerkung „Dann ist er kein richtiger Deutscher!“ fiel und er die Aufnahmeprüfung letztlich bestand. Während seiner späteren akademischen Ausbildung sah sich Geim wiederholt ethnischer Diskriminierung ausgesetzt und wurde als „Faschist“ bzw. „verdammter Jude“ beschimpft. Er sei erst im Alter von 32 Jahren zum ersten Mal als „Russe“ bezeichnet worden. Anlässlich der Nobelpreisverleihung 2010 wurde Geim gefragt, welcher Nationalität er sich zugehörig fühle (Russe-Brite-Deutscher-Niederländer-Jude). Er bezeichnete sich dabei als „Europäer“.[10]
Ab 1976 studierte er am Moskauer Institut für Physik und Technologie und schloss sein Studium 1982 ab. 1987 graduierte er zumKandidaten der Wissenschaften am Institut fürFestkörperphysik derRussischen Akademie der Wissenschaften inTschernogolowka. Danach arbeitete er zunächst alsPost-Doktorand bei V. T. Petrashov am Institut für Probleme der Mikroelektronik Technologie (IPTM) in Tschernogolowka. Nach der Auflösung der staatlichen Strukturen der Sowjetunion wechselte er 1990 an dieUniversity of Nottingham. Weitere Postdoc-Stationen waren dieUniversity of Bath, kurzzeitig Kopenhagen und erneut Nottingham, bevor er 1994 zurRadboud-Universität Nijmegen wechselte. Berufungen zum Professor an die Universitäten Nijmegen und Eindhoven lehnte Geim ab, da er das niederländische Universitätssystem „too hierarchical and full of petty politicking“ („zu hierarchisch und voll von kleinlicher Personalpolitik“) fand.[3] Geim kehrte nach Großbritannien zurück und nahm 2001 einen Ruf derUniversität Manchester an. Derzeit ist er Direktor desManchester Centre for Mesoscience and Nanotechnology and chair of condensed matter physics.[12] Er hält ebenfalls den Titel desLangworthy Research Professor, einen Titel, den früher u. a.Ernest Rutherford,Lawrence Bragg undPatrick Blackett innehatten.
2004 gelang es Andre Geim, die ersten zweidimensionalen Kristalle aus Kohlenstoffatomen herzustellen (Graphene). Für diese Entdeckung wurde Geim im April 2009 mit dem mit 750.000Euro dotiertenKörber-Preis ausgezeichnet. Am 5. Oktober 2010 erhielt Geim zusammen mitKonstantin Novoselov den Nobelpreis für Physik „für grundlegende Experimente mit dem zweidimensionalen Material Graphen“ zugesprochen.[13]
Als 2013 anlässlich des Thronjubiläums vonElisabeth II.Regius Professuren gestiftet werden sollten, fiel die Wahl der Jury auf die Abteilung für Physik an der Universität Manchester. Andre Geim wurde der ersteRegius Professor of Physics, während Novoselov die Langworthy-Professur übernahm.
Geim ist Autor von mehr als 300 wissenschaftlichen Artikeln inPeer-reviewed-Zeitschriften, darunter über 35 in den ZeitschriftenNature undScience (Stand 2011). Seinh-Index ist größer als 100; über 20 seiner Publikationen wurden mehr als 1000 Mal zitiert und vier davon mehr als 10.000 Mal.[1]
Auszeichnungen
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- 2000:Ig-Nobelpreis mitMichael Berry[9]
- 2007: Mott Medal
- 2007: Mitglied derRoyal Society
- 2008: EuroPhysics Prize zusammen mitKonstantin Novoselov
- 2009:Körber-Preis für die Europäische Wissenschaft
- 2010:John J. Carty Award
- 2010:Nobelpreis für Physik zusammen mitKonstantin Novoselov
- 2010: Kommandeur imOrden vom Niederländischen Löwen[14]
- 2012: Ritterschlag alsKnight Bachelor im Rahmen derNew Year Honours durch KöniginElisabeth II.; er wurde damit in denAdelsstand erhoben.
- 2012: Aufnahme in dieNational Academy of Sciences
- 2013:Copley Medal derRoyal Society
- 2023:Morris Loeb Lecture
Weblinks
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- Homepage an der Manchester University. In: physics.manchester.ac.uk. Abgerufen am 26. Januar 2018
- Videos von und über Andre Geim im AV-Portal derTechnischen Informationsbibliothek
Fußnoten
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- ↑abOne-page Curriculum Vitae. (doc) In: physics.manchester.ac.uk. Abgerufen am 26. Januar 2018.
- ↑abLebenslauf vom 7. Juli 1976. Archiviert vom Original am 20. Juli 2011; abgerufen am 6. Oktober 2010 (russisch).
- ↑abcA physicist of many talents. In:Physics World. Februar 2006,S. 8 (englisch,physicsworld.com [PDF; abgerufen am 26. Januar 2018]).
- ↑Student's Certificate. Archiviert vom Original am 20. Juli 2011; abgerufen am 20. Juli 2011.
- ↑K. S. Novoselov et al.:Electric Field Effect in Atomically Thin Carbon Films. In:Science. Band 306, 2004, S. 666,doi:10.1126/science.1102896
- ↑It’s a thinner winner. 19. Oktober 2006, archiviert vom Original am 23. April 2008; abgerufen am 20. Juli 2011.
- ↑BBC News:Gecko inspires sticky tape. 1. Juni 2003
- ↑High Field Magnetic Laboratory an der Radboud-Universität Nimwegen:The Frog That Learned to Fly
- ↑abMichael Berry, Andre Geim:Of Flying Frogs and Levitrons. In:European Journal of Physics.Band 18, 1997,S. 307–313,doi:10.1088/0143-0807/18/4/012 (iop.org [PDF; abgerufen am 26. Januar 2018]).
- ↑abcAutobiography. Abgerufen am 7. März 2013 (englisch).
- ↑Карта сервера: Гейм, Андрей Константинович (Memento vom 10. Oktober 2010 imInternet Archive)
- ↑nanotech.net:Andre Geim
- ↑The Nobel Prize in Physics 2010: Andre Geim, Konstantin Novoselov. Nobelstiftung, abgerufen am 7. März 2013 (englisch).
- ↑ANP: Lintje voor Nobelprijswinnaars. In: Brabants Dagblad. 24. November 2010, archiviert vom Original am 10. März 2012; abgerufen am 10. September 2011 (niederländisch).
Personendaten | |
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NAME | Geim, Andre |
ALTERNATIVNAMEN | Гейм, Андрей Константинович (russisch); Geim, Andrei Konstantinowitsch (russisch, transkribiert); Gejm, Andrej Konstantinovič (wissenschaftliche Transliteration) |
KURZBESCHREIBUNG | russisch-niederländisch-britischer Physiker |
GEBURTSDATUM | 21. Oktober 1958 |
GEBURTSORT | Sotschi |
- Nobelpreisträger für Physik
- Physiker (20. Jahrhundert)
- Physiker (21. Jahrhundert)
- Hochschullehrer (University of Manchester)
- Träger des Ordens vom Niederländischen Löwen (Kommandeur)
- Träger der Copley-Medaille
- Knight Bachelor
- Mitglied der National Academy of Sciences
- Mitglied der Royal Society
- Person (Radboud-Universität Nijmegen)
- Wolgadeutscher
- Russlanddeutscher
- Sowjetbürger
- Russe
- Niederländer
- Brite
- Geboren 1958
- Mann