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Anästhesiologie

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Der Titel dieses Artikels ist mehrdeutig. Für die medizinische Fachzeitschrift sieheDie Anaesthesiologie.
Chirurgen und Anästhesisten in Dresden (1956)
Ausbildung am Anästhesiesimulator

DieAnästhesiologie, teilweise auchAnaesthesiologie geschrieben, ist als Wissenschaft von derAnästhesie[1] einmedizinisches Fachgebiet. Es umfasst die Anästhesie (Zustand eines medizinisch kontrollierten vorübergehenden Gefühls- oder Bewusstseinsverlusts) im engeren Sinne (Vollnarkose,Regional- undLokalanästhesie) einschließlich der Aufrechterhaltung der lebenswichtigen Funktionen währendoperativer unddiagnostischer Eingriffe sowie dieIntensivmedizin, dieNotfallmedizin und dieSchmerztherapie.[2] Als „fünfte Säule“ ist inzwischen diePalliativmedizin hinzugekommen. Aufgrund ihrer zahlreichen Schnittstellen mit anderen Fachgebieten ist die Anästhesiologie durch eine hoheInterdisziplinarität gekennzeichnet.

Anästhesiologie umfasst gemäß einer Definition desAmerican Board of Anesthesiology aus den 1980er Jahren unter anderem:

  • die Herbeiführung von Schmerzfreiheit während chirurgischer,geburtshilflicher,therapeutischer und diagnostischer Operationen und die Betreuung der davon betroffenen Patienten,
  • dasMonitoring und die Aufrechterhaltung derHomöostase in der perioperativen Phase sowie beim kritisch kranken, verletzten oder anderweitig ernsthaft kranken Patienten,
  • die Diagnose und Behandlung schmerzhafterSyndrome,
  • die Ausbildung in derHerz-Lungen-Wiederbelebung und deren Implementierung in der Klinik,
  • die Beurteilung derAtemfunktion und die Anwendung vonBeatmungstherapie in all ihren Formen,
  • die fachliche Aufsicht über und die Ausbildung von bei der Anästhesie, Beatmung und Behandlung kritisch Kranker mitwirkendem Personal,
  • die Erforschung von Grundlagen und die klinische Forschung zur Gewinnung von Erkenntnissen und Verbesserungsmöglichkeiten des Patientenwohls in Bezug auf physiologische Funktionen und Reaktionen auf Medikamente sowie
  • die administrative Mitwirkung in Krankenhäusern, medizinischen Ausbildungsstätten und ambulanten Einrichtungen insoweit diese notwendig zur Implementierung dieser Aufgaben sind.[3]

Wortherkunft und Bezeichnungen

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Anästhesiologie ist eine Zusammensetzung der altgriechischen Wörterἀναισθησίαanaisthesia, deutsch‚Gefühllosigkeit‘ undλόγοςlogos, deutsch‚Lehre‘ und bedeutet somit wörtlich die Lehre von der Gefühllosigkeit. Gemeint ist damit Schmerzfreiheit, ein Anliegen, aus dem sich das Fachgebiet von Anfang an ableitete und das noch heute seinen eigentlichen Kern darstellt. Indes spiegelt der historisch begründete BegriffAnästhesiologie bei Weitem nicht das aktuelle Gesamtspektrum des Fachgebietes wider.

Inzwischen ist die Verwendung des BegriffesAnästhesiologie – abgesehen von der Verwendung in offiziellen Bezeichnungen wieKlinik für Anästhesiologie – selbst im gehobenen allgemeinen Sprachgebrauch weitgehend unüblich und durch das kürzereAnästhesie ersetzt worden. Letzteres bezeichnet somit nicht nur ein (angestrebtes) Ergebnis der Bemühungen des Anästhesisten, sondern auch das Fachgebiet selbst.

Die offizielle Facharztbezeichnung istFacharzt für Anästhesiologie (inÖsterreich:Facharzt für Anästhesiologie und Intensivmedizin), im täglichen Gebrauch ist meist die (von „Anästhesie“ abgeleitete und die Tätigkeit[4] beschreibende) KurzformAnästhesist üblich; umgangssprachlich wird häufig auch der für Laien besser verständliche frühere BegriffNarkosearzt für den die Anästhesie oder ein „Stand-by“ (die ausschließliche Überwachung der Vitalfunktionen, während der sich häufig auch der Einsatz von Anästhestika ergibt und damit im Rahmen dieseranästhesiologischen Betreuung[5] ein Übergang zur Analgesie, Sedierung oder Analgosedierung[6]) durchführenden Arzt benutzt. Der umfassendere BegriffAnästhesiologe als Berufsbezeichnung ist hingegen weitgehend aus dem deutschen Sprachgebrauch verschwunden. EinAnästhesist arbeitet mit examiniertem medizinischem Assistenzpersonal zusammen, das ihm gegenüber fachlich weisungsgebunden ist (Krankenpflegepersonen,Medizinische Fachangestellte); der Anteil speziell ausgebildeterFachpflegekräfte für Anästhesie und Intensivpflege bzw.Anästhesietechnischer Assistenten steigt dabei in den letzten Jahren an.

Tätigkeitsgebiete

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Wie bereits oben erwähnt, umfasst das Fachgebiet derAnästhesiologie neben den Kerngebieten Anästhesie und Intensivmedizin im Wesentlichen die Notfallmedizin, die akute und chronische Schmerztherapie sowie die Palliativmedizin:[7]

  • Anästhesie mit Vorbereitung und Durchführung vonAllgemein- undRegionalanästhesieverfahren sowie die unmittelbare postoperative Überwachung imAufwachraum, was als sogenanntesperioperatives Management zusammengefasst wird. Während chirurgischer Eingriffe geht es in der modernen Anästhesie nicht nur um die „Ausschaltung“ von Schmerzen und Stress, sondern auch um eine lückenlose Überwachung aller Körperfunktionen. Atmung, Kreislauf, teilweise auch Anästhesietiefe und Grad der Muskelerschlaffung werden kontinuierlich überwacht und entsprechend den Erfordernissen der Operationsphase von Anästhesisten gesteuert.
  • Intensivmedizin[8] aufIntensivtherapiestationen dient zur Intensivüberwachung und -behandlung von Patienten, derenVital- oder Organfunktionen in lebensbedrohlicher Weise gestört oder gefährdet sind und durch intensive therapeutische Verfahren unterstützt oder aufrechterhalten werden müssen. In der Intensivmedizin werden schwerstkranke Patienten im Rahmen lebensbedrohlicher Infektionen, nach Unfällen, großen chirurgischen Eingriffen und bei Versagen lebenswichtiger Organe aus anderen Ursachen von Spezialisten des Fachgebietes der Anästhesie und Intensivmedizin medizinisch behandelt.
  • Notfallmedizin zum Erkennen drohender oder eingetretenerNotfallsituationen, Behandlung von Notfällen sowie Wiederherstellung und Aufrechterhaltung akut bedrohterVitalfunktionen. Das breite Spektrum der zu versorgenden Notfälle verlangt umfassende Kenntnisse derInneren Medizin, derNeurologie, traumatologischenErstversorgung, aber auch Kompetenz in der Absolvierung von Kinder- oder geburtshilflichen Einsätzen.
  • Schmerztherapie von chronischen und akuten Schmerzen (z. B. postoperativ). Akute Schmerzen, zum Beispiel nach Verletzung oder Operation haben eine Schutz- und Alarmfunktion für den menschlichen Organismus. Chronische Schmerzen haben diese Schutzfunktion jedoch verloren und können mit schwerwiegenden Funktionsstörungen des Körpers einhergehen. Sowohl akute als auch chronische Schmerzen müssen adäquat behandelt werden. In beiden Fällen können eine medikamentöse Therapie,Physiotherapie und psychologische Verfahren (z. B. Entspannungstechniken, Schmerzbewältigungsstrategien bis hin zurPsychotherapie) sowie periphere und zentrale Nervenblockaden helfen. Ebenso können komplementärmedizinische Methoden sinnvoll sein und angewendet werden.
  • Durch die zunehmende Alterung der Gesellschaft gewinnt diepalliativmedizinische Linderung von Leiden neben der kurativen Medizin immer größere Bedeutung und ergänzt die klassische Schmerztherapie.
  • Bearbeitung des wissenschaftlichen Umfeldes des Fachgebietes

Facharzt-Weiterbildung

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Weiterbildung in Deutschland

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Anästhesisten sind in Deutschland Fachärzte (Gebietsarzt für Anästhesiologie und Intensivmedizin, die genaue Bezeichnung variiert zwischen den Bundesländern). Der erste Facharzt für Anästhesie der BRD warWerner Sauerwein vomBürgerhospital Saarbrücken. Er erhielt seine Facharzt-Anerkennung am 27. Mai 1953.[9] Parallel zur bzw. im Anschluss an dieFacharztweiterbildung können verschiedeneZusatz-Weiterbildungen erworben werden (z. B. die Zusatzbezeichnungen Spezielle Intensivmedizin,Notfallmedizin undSchmerztherapie). Informationen zu Facharzt- und Zusatzweiterbildungen sowie eine Übersicht zu Weiterbildungsstätten bieten derBerufsverband Deutscher Anästhesisten (BDA)[10] und dieDeutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI).[11][12]

Hauptartikel:Facharzt für Anästhesiologie

Weiterbildung in Österreich

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Die Ausbildung dauert sechs Jahre, wobei es notwendig ist, innerhalb dieses Zeitraums sechs MonateInnere Medizin, sechs MonateChirurgie sowie ein Jahr Intensivmedizin zu absolvieren. Sie muss mit der praktischen und theoretischen Facharztprüfung abgeschlossen werden. Der Berufstitel lautetFacharzt für Anästhesiologie und Intensivmedizin. DieÖGARI bietet Informationen für junge Anästhesisten an, die vor ihrer Facharztprüfung stehen.[13]

Weiterbildung in der Schweiz

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In der Schweiz dauert die Weiterbildung zum Anästhesisten fünf Jahre, gegliedert in vier bis viereinhalb Jahre fachspezifische sowie sechs bis zwölf Monate nicht-fachspezifische Weiterbildung (Intensivmedizin). Zudem ist der Besuch eines zweitägigen Kurses in Notfallmedizin erforderlich. Die Weiterbildung wird mit einer Prüfung, die einen mündlichen sowie einen schriftlichen Teil (schriftliche Prüfung derEuropean Society of Anaesthesiology) umfasst, abgeschlossen.[14] Zur Teilnahme an der Prüfung ist ein schweizerisches oder anerkanntes ausländischesArztdiplom Voraussetzung. Mit erfolgreichem Abschluss von Weiterbildung und Prüfung wird der TitelFacharzt für Anästhesiologie verliehen.[15]

Weiterbildung in den USA

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Die Weiterbildung besteht aus insgesamt vier Jahren, von denen ein Jahr in einem anderen Fachgebiet abgeleistet werden muss. Nach der Weiterbildung ist man board eligible und kann sich nach bestandener schriftlicher und mündlicher Prüfung board certified nach der American Board of Anesthesiology (ABA) oder der American Osteopathic Board of Anesthesiology (AOBA) nennen. Seit 1999 sind die Zertifikate nur noch zehn Jahre gültig. Danach kann in einem Jahr Fellowship eine subspecialty certification in pain medicine, pediatric anesthesiology, cardiovascular anesthesiology und critical care medicine erworben werden.

Weiterbildung in anderen Ländern

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In England wird die Weiterbildung überwacht vom Royal College of Anaesthetists. Die Weiterbildung dauert mindestens sieben Jahre. In Australien und Neuseeland wird die Weiterbildung vom Australian and New Zealand College of Anaesthetists überwacht.

Eine umfassende europäische (und damit supranationale) Qualifikation kann mit dem Examen der europäischen Fachgesellschaft für Anästhesiologie (European Society of Anaesthesiology) belegt werden, deren Kurzbezeichnung in fast allen Ländern im Anschluss an den Namen geführt werden kann (DESA =Diploma of the European Society of Anaesthesiology, früher DEAA =Diploma of the European Academy of Anaesthesiology). Die Europäische Akademie für Anästhesiologie hat das sogenannte Europäische Diplom für Anästhesiologie 1984 eingeführt.[16] Dieses von einem privaten Verein verliehene Diplom wird von den deutschen Landesärztekammern nicht als Facharztqualifikation anerkannt.

Geschichte

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Narkotiseur, rechts im Bild (1922)

Am 30. März 1842 wurde die ersteÄtheranästhesie durchCrawford Williamson Long angewendet. Wenige Jahre später, am 16. Oktober 1846, wurde die erste öffentliche und erfolgreiche Ätheranästhesie von dem ZahnarztWilliam Thomas Green Morton in Boston ausgeführt, der sich nach seinem Erfolg ganz der Anästhesiologie widmete. Die erste Ätheranästhesie im deutschsprachigen Raum nahmHermann Askan Demme am 23. Januar 1847 in Bern vor.

Innerhalb Deutschlands kam die erste erfolgreiche Ätheranästhesie am 24. Januar 1847 durchHeinrich Eduard Weikert undCarl Friedrich Eduard Obenaus inLeipzig zur Anwendung. Am selben Tag bediente sich auchJohann Ferdinand Heyfelder inErlangen dieser neuartigen medizinischen Technik, erzielte dabei (im Gegensatz zu weiteren, ab dem nächsten Tag durchgeführten Narkosen) jedoch keine ausreichende Narkose. Mit seiner Forderung eines „Gehülfen“, der sich während einer Operation voll und ganz der Anästhesieführung und dem Patienten widmen solle, ist Heyfelder ein Vorläufer des modernen Anästhesisten.[17]

Ab 1847 war der ArztJohn Snow in Londoner Krankenhäusern ausschließlich als Narkotiseur tätig. Weitere Spezialisten für die Anästhesie und damit Pioniere der Anästhesiologie als eigenständiges Fachgebiet gab es in England seit der Mitte des 19. Jahrhunderts (DieSociety of Anaesthesists wurde dort 1893 gegründet[18][19]). In Deutschland erfolgte diese Entwicklung erst relativ spät. Der „Berufsverband deutscher Anästhesisten“ hatte sich 1952 in Salzburg konstituiert.[20] Einer der ersten Narkosespezialisten Deutschlands war der Hamburger Ernst von der Porten.

Die Durchführung von Narkosen ab 1846 war zunächst (und blieb teilweise bis nach 1970) vor allem die Aufgabe von Chirurgen und auch speziell ausgebildeter Pflegepersonen. Chirurgische Wegbereiter der Anästhesie in Deutschland waren unter anderemArthur Läwen (1910) undAlbert Lezius (1950). Nachdem die Bedeutung der Anästhesie nach dem Krieg stark gestiegen war, wurde am 10. April 1953 dieDeutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI) gegründet. Nur wenige Wochen später, am 27. Mai 1953, beendete der erste Facharzt für Anästhesie seine Ausbildung.

Zu den während Narkose oder der nach einer in Narkose durchgeführten Operation anästhesiologischen Tätigkeiten gehört unter anderem die zur Aufrechterhaltung der Körperfunktionen gegebenenfalls notwendige Gabe von Blut und Blutprodukten. Seit 1914 wird, erstmals durch den Belgier Albert Hustin (1882–1967), durch Citrat ungerinnbar gemachtes Blut (Citratblut) zurBluttransfusion verwendet. Bei der postoperativen intensivmedizinischen Behandlung kann zudem eineDialysebehandlung erforderlich sein, die ebenfalls im Rahmen des anästhesiologischen Berufsfeldes indiziert und ggf. durchgeführt wird.[21][22]

An der Mayo-Klinik in Rochester wurde 1923 die erste selbständige Anästhesie-Abteilung eingerichtet.[23]

Eine der ersten Fachzeitschriften für Anästhesiologie erschien mitCurrent Researches in Anaesthesia and Analgesia ab 1922 in den USA. Im Jahr 1928 erschien die erste deutschsprachige Fachzeitschrift für AnästhesieDer Schmerz[24] und im selben JahrNarkose und Anästhesie. Die beiden Zeitschriften wurden 1929 zusammengelegt zuSchmerz, Narkose und Anästhesie, dem ersten deutschsprachigen anästhesiologischen Organ. In Frankreich erschienAnesthésie et Analgésie erstmals 1935. Im Jahr 1940 erschien in den USA die erste Ausgabe vonAnesthesiology und in England 1945Anaesthesia. Die in Deutschland, Österreich und der Schweiz erscheinende ZeitschriftDer Anaesthesist wird seit 1952 publiziert.[25]

Ein Schritt auf dem Weg zur modernen Intensivbehandlung undIntensivmedizin als Säulen der Anästhesiologie war 1949 das erste Behandlungszentrum für Vergiftungen amBispebjerg Hospital in Kopenhagen. Zur Intensiv- und Notfallmedizin, die auch während und nach chirurgischen Eingriffen durch Anästhesisten angewendet wird, gehört die Aufrechterhaltung des Kreislaufs und Regulation des Blutdrucks der Patienten. Künstliche bzw. gesteuerte Blutdrucksenkungen, etwa als kontrollierte Hypotension während neurochirurgischer Operationen, erfolgten 1950 durch Hale Enderby in England mitHexamethonium, 1951 durch die Schweizer F. Gross und H. J. Bein mit dem Ganglienblocker Azumethonium (eine alsPendiomid gehandelte quaternäre Ammoniumbase[26]) und durchStanley J. Sarnoff in den USA mit Trimethaphan (Arfonad). Ebenfalls 1951 publizierten P. Huguenard und H. Laborit in Frankreich ihr Konzept der artifiziellen Hibernation (Herbeiführung eines „künstlichen Winterschlafs“ zur medikamentösen Dämpfung der Körperreaktionen und Verminderung des Sauerstoffbedarfs von Intensivpatienten[27]). Die erste als Beatmungsstation ausgelegte Intensivpflegestation wurde 1952 in Dänemark zur künstlichen Beatmung von Patienten einer Poliomyelitiepidemie eingerichtet.[28]

Die erste Lehrkanzel und das erste Institut für Anästhesiologie im deutschen Sprachraum wurde 1959 in Innsbruck durch Bruno Haid eingerichtet.[29][30] An derUniversität Mainz wurde 1960 ein außerordentlicherLehrstuhl für Anästhesiologie mitRudolf Frey eingerichtet. Sechs Jahre später erhieltKarl Horatz amUniversitätsklinikum Hamburg-Eppendorf den ersten deutschen Lehrstuhl des Faches.[31] MitPeter Lawin initiierte er die Intensivmedizin in Deutschland. In Österreich gehörten nach dem Zweiten WeltkriegOtto Mayrhofer-Krammel und in der SchweizWerner Hügin zu Pionieren des Fachs.

Zu den im deutschen Sprachraum weitverbreiteten praxisorientierten Anästhesiekurzlehrbüchern gehören das 1974 erschieneneKompendium der Anästhesiologie von Johannes Eichler (1920–1998) sowie der von M. Reinhard und R. Schäfer 1993 herausgegebeneKlinikleitfaden Anästhesiologie.[32]

Der ersteWeltkongress für Anaesthesiologie fand 1955 im holländischen Scheveningen statt, wo zugleich auch derWeltbund der Anaesthesiegesellschaften (WFSA) gegründet wurde, der zweite 1960 in Toronto in Kanada, der dritte 1964 in São Paulo und der vierte 1968 in London. Der1. Europäische Kongreß für Anaesthesiologie wurde 1962 in Wien ausgerichtet, der zweite 1966 in Kopenhagen und der dritte 1970 in Prag.[33] Seit 2012 findet in Deutschland alljährlich im Oktober der Weltanästhesie-Tag statt.[34] Ärzte undKliniken bieten mit Aktionen und Events rund um diesen Tag Aufklärung zu bestimmten Themen des Fachgebiets. Schwerpunktthemen des Weltanästhesie-Tages 2015 waren die beiden Säulen „Narkose“ und „Notfallmedizin“.[35]

Im Jahr 1967 eröffnete dieWorld Federation of Societies of Anesthesiologists (WFSA)[36] in Caracas/Venezuela das erste Internationale Anästhesie-Ausbildungszentrum.[37]

Zu einer der Säulen der Anästhesiologie gehört die Notfallmedizin und insbesondere die Anwendung von Verfahren derHerz-Lungen-Wiederbelebung. Dieäußere Herzmassage als Methode der Wiederbelebung wurde 1960 von dem ElektroingenieurWilliam B. Kouwenhoven mit den Medizinern James R. Jude und G. G. Knickerbocker in den USA entwickelt.[38]

Stark vertreten sind Anästhesisten auch bei der „Woche der Wiederbelebung“, die seit 2013 im Rahmen der Kampagne „Ein Leben retten. 100 Pro Reanimation“ jedes Jahr im September mit Unterstützung desBundesgesundheitsministeriums stattfindet. Ziel dieser Kampagne und der Aktionswoche ist es, dieLaienreanimationsrate inDeutschland zu erhöhen.[39]

Vor dem Hintergrund desKlimawandels und der medizinischen Relevanzplanetarer Gesundheit wurde 2020 die Berücksichtigung derCO2e-Emissionsreduktion bei der Durchführung von Anästhesien aufgeworfen. So seien insbesonderevolatile Anästhetika wieDesfluran zu vermeiden.[40] Im Rahmen einerEU-Verordnung zufluorierten Treibhausgasen vom Februar 2024 wurde die Nutzung von Desfluran ab dem 1. Januar 2026 EU-weit verboten, es sei denn die Verwendung anderer Anästhetika ist aus medizinischen Gründen nicht möglich.[41]

Museum

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Auf dem Gelände derBonner Universitätskliniken wurde im Jahr 2000 auf 300 m² mit dem Horst-Stoeckel-Museum[42] eines der wenigen Museen zu diesem Fachgebiet eröffnet.[43][44]

Literatur

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  • Gottfried Benad, Manfred Schädlich:Grundriß der Anästhesiologie. VEB Verlag Volk und Gesundheit Berlin, 1989,ISBN 3-333-00063-6. 
  • Alfred Doenicke, D. Kettler, W. F. List, J. Radke, J. Tarnow (Hrsg.):Anästhesiologie. 7., völlig überarbeitete Auflage. Springer, Berlin 1995,ISBN 3-540-57635-5.
  • Rudolf Frey,Otto Mayrhofer, mit Unterstützung von Thomas E. Keys und John S. Lundy:Wichtige Daten aus der Geschichte der Anaesthesie. In: R. Frey,Werner Hügin, O. Mayrhofer (Hrsg.):Lehrbuch der Anaesthesiologie und Wiederbelebung. Springer, Heidelberg/Basel/Wien 1955; 2., neubearbeitete und erweiterte Auflage. Unter Mitarbeit von H. Benzer. Springer-Verlag, Berlin/Heidelberg/New York 1971.ISBN 3-540-05196-1, S. 13–16.
  • Michael Heck, Michael Fresenius:Repetitorium Anaesthesiologie. Vorbereitung auf die anästhesiologische Facharztprüfung und das Europäische Diplom für Anästhesiologie. 3., vollständig überarbeitete Auflage. Springer, Berlin/Heidelberg/New York u. a. 2001,ISBN 3-540-67331-8.
  • Jürgen Schüttler (Hrsg.):50 Jahre Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin: Tradition und Innovation. Springer-Verlag, Berlin/Heidelberg/New York 2003,ISBN 3-540-00057-7, insbesondere S. 182–296 (Die vier Säulen der Anästhesiologie) und S. 298–569 (Die Etablierung der Anästhesiologie in Deutschland).
  • Christoph Weißer:Anästhesiologie. In:Werner E. Gerabek u. a. (Hrsg.):Enzyklopädie Medizingeschichte. De Gruyter, Berlin 2005,ISBN 3-11-015714-4, S. 55.

Weblinks

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Commons: Anaesthesiology – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: Anästhesiologie – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

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  1. Hans Anton Adams, Eberhard Kochs, Claude Krier:Heutige Anästhesieverfahren – Versuch einer Systematik. In:AINS – Anästhesiologie, Intensivmedizin, Notfallmedizin, Schmerztherapie. 36. Jahrgang, Nr. 5, Mai 2001, S. 262–267, hier: S. 262.
  2. Sinngemäße Definition der deutschenBundesärztekammer in der(Muster-)Weiterbildungsordnung vom Mai 2003 in der Fassung vom 28. März 2008. Abgerufen am 21. Juni 2025. 
  3. Richard J. Kitz, Leroy D. Vandam:A History and the Scope of Anesthetic Practice. In: Ronald D. Miller (Hrsg.):Anesthesia. 2. Auflage.Band 1. Churchill Livingstone, New York/Edinburgh/London/Melbourne 1986,ISBN 0-443-08328-2,S. 3–25,hier: S. 15 f (englisch, 3 Bände, Erstausgabe: 1981). 
  4. Hans Anton Adams, Eberhard Kochs, Claude Krier:Heutige Anästhesieverfahren – Versuch einer Systematik. In:AINS – Anästhesiologie, Intensivmedizin, Notfallmedizin, Schmerztherapie.Band 36,Nr. 5, 2001,S. 262–267,hier S. 262–264,doi:10.1055/s-2001-14470. 
  5. Vgl. auch Oliver Detsch, Eberhard Kochs:Bedeutet Anästhesie immer auch Analgesie? In:Schweizerische Rundschau für Medizin.Band 86, 1997,S. 1549–1553. 
  6. Hans Anton Adams, Eberhard Kochs, Claude Krier:Heutige Anästhesieverfahren – Versuch einer Systematik. In:AINS – Anästhesiologie, Intensivmedizin, Notfallmedizin, Schmerztherapie. Jahrgang 36, Heft 5, Mai 2001, S. 262–267, hier: S. 265 und 267.
  7. ÖGARI - Österreichische Gesellschaft für Anaesthesiologie, Reanimation und Intensivmedizin. In: www.oegari.at. Archiviert vom Original am 8. Juli 2016; abgerufen am 8. Juli 2016. 
  8. Vgl.Peter Lawin †, H. W. Opderbecke:Die Entwicklung der Intensivmedizin im Rahmen der Anästhesiologie in der Bundesrepublik Deutschland. In:Jürgen Schüttler (Hrsg.):50 Jahre Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin. Tradition und Innovation. Unter Mitwirkung von Michael Goerig, Heike Petermann, Jochen Schulte am Esch und Wolfgang Schwarz. Springer-Verlag, Berlin 2003,ISBN 3-540-00057-7, S. 233–259.
  9. Schüttler, 50 Jahre Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin, S. 87
  10. Berufsverband Deutscher Anästhesisten e. V. Abgerufen am 19. Februar 2015.
  11. Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin e. V. Abgerufen am 19. Februar 2015.
  12. Informationsseite des BDA zur Nachwuchskampagne "Mein Pulsschlag". Abgerufen am 19. Februar 2015.
  13. ÖGARI - Österreichische Gesellschaft für Anaesthesiologie, Reanimation und Intensivmedizin. In: www.oegari.at. Abgerufen am 8. Juli 2016. 
  14. Schweizerisches Institut für ärztliche Weiter- und Fortbildung SIWF:WeiterbildungsprogrammFacharzt für Anästhesiologie vom 1. Januar 2013 (Memento vom 18. Mai 2015 imInternet Archive). Abgerufen am 7. Mai 2015.
  15. Weiterbildungsordnung (WBO). (PDF; 143 kB) 21. Juni 2000 (letzte Revision: 28. September 2017). In: fmh.ch. SIWF, abgerufen am 2. September 2018. 
  16. Europäisches Diplom für Anästhesiologie. In:Anästhesie Intensivtherapie Notfallmedizin. Band 21, Nr. 1,m 1986, S. 49 (Mitteilungen der European Academy of Anästhesiology).
  17. Ulrich von Hintzenstern, Wolfgang Schwarz:Frühe Erlanger Beiträge zur Theorie und Praxis der Äther- und Chloroformnarkose. Teil 1:Heyfelders klinische Versuche mit Äther und Chloroform. In:Der Anaesthesist. Band 45, Heft 2, 1996, S. 131–139.
  18. Rudolf Frey, Otto Mayrhofer:Wichtige Daten aus der Geschichte der Anaesthesie. 1971, S. 14.
  19. H. Orth, I. Kis:Schmerzbekämpfung und Narkose. In: Franz Xaver Sailer, Friedrich Wilhelm Gierhake (Hrsg.):Chirurgie historisch gesehen. Anfang – Entwicklung – Differenzierung. Dustri-Verlag, Deisenhofen bei München 1973,ISBN 3-87185-021-7, S. 1–32, hier: S. 25.
  20. H. Orth, I. Kis:Schmerzbekämpfung und Narkose. 1973, S. 23.
  21. Rudolf Frey, Otto Mayrhofer:Wichtige Daten aus der Geschichte der Anaesthesie. 1971, S. 15.
  22. Jörg Vienken:Calcium und Citrat. Stellgrößen für die Blutgerinnung in der Dialyse (Memento vom 20. November 2018 imInternet Archive). In:Spektrum der Dialyse. 30. Juni 2017.
  23. Paul Diepgen,Heinz Goerke:Aschoff/Diepgen/Goerke: Kurze Übersichtstabelle zur Geschichte der Medizin. 7., neubearbeitete Auflage. Springer, Berlin/Göttingen/Heidelberg 1960, S. 66.
  24. Carl Joseph Gauß,Hermann Wieland, Ernst von der Porten,Behrend Behrens (Schriftleitung):Der Schmerz. Deutsche Zeitschrift für Narkose und Anaesthesie. Zugleich Zentralorgan für Narkose und Anaesthesie. Band 1. Wilh. Kurt Kabitzsch Univ.-Verlagsbuchhandlung, Würzburg 1928.
  25. Rudolf Frey, Otto Mayrhofer:Wichtige Daten aus der Geschichte der Anaesthesie. 1971, S. 15.
  26. Paul Martini:Über das Wesen und die Behandlung des essentiellen Hochdrucks. In:Münchener Medizinische Wochenschrift. Band 95, Nr. 1, 2. Januar 1953, S. 33–42 (O. Bollinger-Vorlesung, gehalten in München am 11. Dezember 1952), hier: S. 36.
  27. Roche Lexikon Medizin:Künstliche Hibernation.
  28. Rudolf Frey, Otto Mayrhofer:Wichtige Daten aus der Geschichte der Anaesthesie. 1971, S. 15.
  29. Rudolf Frey, Otto Mayrhofer:Wichtige Daten aus der Geschichte der Anaesthesie. 1971, S. 15.
  30. H. Orth, I. Kis:Schmerzbekämpfung und Narkose. 1973, S. 26.
  31. Vgl. auchJürgen Schüttler (Redaktion):Die Geschichte der Lehrstühle für Anästhesiologie an den deutschen Medizinischen Fakultäten. In: Jürgen Schüttler (Hrsg.):50 Jahre Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin: Tradition und Innovation. Springer, Berlin/Heidelberg/New York 2003,ISBN 3-540-00057-7, S. 329–569.
  32. Meinolfus Strätling, A. Schneeweiß, Peter Schmucker:Medizinische Universität zu Lübeck: Klinik für Anästhesiologie. In:Jürgen Schüttler (Hrsg.):50 Jahre Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin: Tradition und Innovation. Springer, Berlin/Heidelberg/New York 2003,ISBN 3-540-00057-7, S. 479–486, hier: S. 481 und 484.
  33. Rudolf Frey, Otto Mayrhofer:Wichtige Daten aus der Geschichte der Anaesthesie. 1971, S. 15 f.
  34. Weitere Informationen zum Weltanästhesietag:Serviceseite von BDA und DGAI. Abgerufen am 19. Februar 2015.
  35. Weitere Informationen zum Thema Narkose:Informationsseite des BDA. Abgerufen am 19. Februar 2015.
  36. WFSA:Website.
  37. Rudolf Frey, Otto Mayrhofer:Wichtige Daten aus der Geschichte der Anaesthesie. 1971, S. 16.
  38. Rudolf Frey, Otto Mayrhofer:Wichtige Daten aus der Geschichte der Anaesthesie. 1971, S. 16.
  39. Webseite zur Kampagne des Bundesgesundheitsministeriums:„Ein Leben retten. 100 Pro Reanimation“. Abgerufen am 19. Februar 2015.
  40. S. Koch, S. Pecher:Neue Herausforderungen für die Anästhesie durch den Klimawandel. In:Der Anaesthesist.Band 69,Nr. 7, Juli 2020,ISSN 0003-2417,S. 453–462,doi:10.1007/s00101-020-00770-1. 
  41. Verordnung (EU) 2024/573 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. Februar 2024 über fluorierte Treibhausgase, zur Änderung der Richtlinie (EU) 2019/1937 und zur Aufhebung der Verordnung (EU) Nr. 517/2014, abgerufen am 4. November 2024
  42. Horst Stoeckel:Das Horst-Stoeckel-Museum für die Geschichte der Anästhesiologie in Bonn. In:Jürgen Schüttler (Hrsg.):50 Jahre Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin: Tradition und Innovation. Springer-Verlag, Berlin/Heidelberg/New York 2003,ISBN 3-540-00057-7, S. 175–181.
  43. Eckart Roloff, Karin Henke-Wendt:Gegen den Schmerz und für die Rettung von Leben. (Horst-Stoeckel-Museum für die Geschichte der Anästhesiologie) In:Besuchen Sie Ihren Arzt oder Apotheker. Eine Tour durch Deutschlands Museen für Medizin und Pharmazie. Band 1: Norddeutschland. Verlag S. Hirzel, Stuttgart 2015,ISBN 978-3-7776-2510-2, S. 114–116.
  44. Was ist und warum ein Anästhesiemuseum? In: anaesthesia-museum.uni-bonn.de. Archiviert vom Original am 25. Mai 2020; abgerufen am 2. August 2018. 
Normdaten (Sachbegriff):GND:4142321-5 (GND Explorer,lobid,OGND,AKS)
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