Amorphes Eis

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Amorphes Eis ist eine Form von festemWasser, welche dadurch ausgezeichnet ist, dass die Wassermoleküle in diesemEis wie in einemGlas unregelmäßig angeordnet sind, also keineFernordnung besteht. Hierdurch unterscheidet sich amorphes Eis von den rund zwanzig bekannten kristallinen Eisformen.

Die auf der Erde vorherrschende feste Form von Wasser istEis Ih, das eine regelmäßigehexagonale Kristallstruktur besitzt. Iminterstellaren Raum hingegen gelten dieamorphen Formen als dominant.[1]

Wie auch beikristallinem Eis gibt es verschiedene Formen amorphen Eises, dieser Umstand wird Polyamorphismus genannt. Die verschiedenen amorphen Formen werden anhand ihrer Dichte unterschieden:

  • niederdichtes amorphes Eis (LDA)
  • mitteldichtes amorphes Eis (MDA)[2]
  • hochdichtes amorphes Eis (HDA) und
  • sehr-hochdichtes amorphes Eis (VHDA).

Inhaltsverzeichnis

Formen

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Niederdichtes amorphes Eis (LDA)

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Niederdichtes amorphes Eis oderlow-density amorphous ice (LDA) ist die am längsten bekannte Form von amorphem Eis.

Eine Möglichkeit,amorphe Materialien zu erzeugen, besteht darin, diese so schnell abzukühlen, dass das Material keine kristalline Struktur ausbilden kann (sieheVitrifizierung). Durch Kondensation von Wasserdampf auf einem abgekühlten Kupferstab konnte mit Hilfe desDebye-Scherrer-Verfahrens schon im Jahr 1935 gezeigt werden, dass sich unterhalb derGlasübergangstemperatur von Wasser (etwa 130 K bei 1 bar) ein Festkörper ohne kristalline Struktur bildet.[3] Diese Form wurde zunächstamorphous solid water (ASW) genannt.

Weitere Herstellungsmöglichkeiten wurden 1980 entwickelt, bei welchen einen-Heptan-Wasser-Emulsion in eine tiefkalte Flüssigkeit gesprüht wird, oder ein Wasser-Aerosol mit Überschallströmung auf eine tiefkalte Kupferplatte gesprüht wird. Dabei werden Kühlraten von 106 bis 107 K/s erreicht. Diese Form wird aufgrund ihrer Herstellung alshyperquenched glassy water (HGW) bezeichnet.[4]

Eine dritte Möglichkeit besteht darin, HDA (siehe unten) bei Umgebungsdruck aufzuwärmen. Diese Form wandelt sich bei etwa 120 K in niederdichtes amorphes Eis um.[5]

Diese drei Arten der Erzeugung, die alle zu einer Dichte von etwa 0,94 g/cm3 führen, wurden zunächst als unterschiedliche Formen erachtet. Johari u. a. publizierten 1996, dass ASW und HGW eine Glasübergangstemperatur von 135 K bei Umgebungsdruck besitzen, während diese für LDA bei 129 K liege.[6] Neueren Erkenntnissen zufolge dürften allerdings alle drei Erzeugungsarten zur selben Form amorphen Eises führen, die als LDA bezeichnet wird.[7][8]

Hochdichtes amorphes Eis (HDA)

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1984 entdeckten Physiker umOsamu Mishima eine weitere Form amorphen Eises, die sich statt durch eine Temperaturänderung durch Kompression herstellen lässt. Sie zeigten, dass bei einer Temperatur von 77 Kelvin und einem Druck von 10 kbar hexagonales Eis gewissermaßen „schmilzt“ und in einen glasartigen, amorphen Zustand wechselt.[9] Diese Form amorphen Eises hat eine höhere Dichte von 1,17 g/cm3 und wird daher auchHigh-density amorphous ice (HDA) genannt. HDA und LDA lassen sich durch Änderung von Druck bzw. Temperatur ineinander überführen. Hierbei wurde ein scharfer Übergang beobachtet.[5]

Sehr-Hochdichtes amorphes Eis (VHDA)

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Auch diese Form wurde 1996 von Mishima entdeckt, als er HDA bei Drücken zwischen 1 und 2 GPa auf 160 K erwärmte. Die erhaltene Form besitzt eine Dichte von 1,26 g/cm3very-high density amorphous ice (VHDA).

Anfänglich wurde VHDA nicht als eigene Form angesehen, bis 2001 Lörting u. a. dies vorschlugen.[10]

Anwendung von amorphem Eis

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Bei derKryo-Elektronenmikroskopie werden wasserhaltige biogene Proben durch tiefkalte Flüssigkeiten wieflüssigem Stickstoff oder flüssigemHelium vitrifiziert. So können die nativen Strukturen der Proben erhalten bleiben, ohne durch Eiskristalle verändert zu werden.

Einzelnachweise

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  1. Jenniskens, Peter;Blake, David F.: Structural Transitions in Amorphous Water Ice and Astrophysical Implications'. In:Science 65 (1994), S. 753–755
  2. [1]
  3. Burton, E.F.;Oliver, W.F.: The crystal structure of ice at low temperatures. In:Proc. R. Soc. London Ser. A 153 (1935), S. 166–172
  4. Brüggeler, Peter;Mayer, Erwin: Complete Vitrification in pure liquid water and dilute aqueous solutions. In:Nature 288 (1980), S. 569–571
  5. abMishima, Osamu;Calvert, L. D.;Whalley, Edward: An apparently first-order transition between two amorphous phases of ice induced by pressure. In:Nature 314 (1985), S. 76–78
  6. Johari, Gyan P.;Hallbrucker, Andreas;Mayer, Erwin: Two calorimetrically Distinct States of Liquid Water Below 150 Kelvin. In:Science 273 (1996), S. 90–92
  7. Bowron, Daniel T.;Finney, John L.;Kohl, Ingrid; u. a.: The local and intermediate range structures of the five amorphous ices at 80 K and ambient pressure. In:J. Chem. Phys. 125 (2006), S. 194502–1-194502-14PDF
  8. Elsäßer, Michael S.;Winkel, K.;Mayer, Erwin;Lörting, Thomas: Reversibility and isotope effect of the calorimetric glass → liquid transition of low-density amorphous ice. In:Phys. Chem. Chem. Phys 12 (2010) 708–712PDF
  9. Mishima, Osamu;Calvert L.D.;Whalley, Edward: "Melting ice" I at 77 K and 10 kbar: a new method of making amorphous solid.Nature 310 (1984), S. 393–395
  10. Lörting, Thomas;Salzmann, Christoph G.;Kohl, Ingrid; u. a.: A second distinct structural "state" of high-density amorphous ice at 77 K and 1 bar.Phys. Chem. Chem. Phys. 3 (2001) S. 2810–2818PDF

Literatur

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  • Angell, C. Austen: Amorphous Water. In: Annu. Rev. Phys. Chem. 55 (2004), S. 559–583
  • Mishima, Osamu;Stanley, H. Eugene: The relationship between liquid, supercooled and glassy water. Nature 396 (1998), S. 329–335PDF
  • Mishima, Osamu: Polyamorphism in water. InProc. Jpn. Acad., Ser. B. 86 (2010), S. 165–175Downloadseite
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