Amurriter
DieAmurriter oderAmoriter (sumerische Landesbezeichnung:KUR MAR.TUKI;akkadisch:Amurrum) waren einantikes Volksemitischer Sprache ausVorderasien. Sie sind vor allem im Gebiet des mittlerenEuphrat nachweisbar. Bevor sie sich am Euphrat niederließen, waren sie Kleinviehnomaden.
Etymologie
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Der sumerische NameMartu leitet sich von der Redewendungtum-mar-tu ab, was sinngemäßSöhne des Windes bedeutet und sich auf die Herkunft bezieht.[1] Allgemein wehte der Wind zumeist aus Westen und Süden, weshalb sie auch alsSöhne des Westens/Südwestens/Südens galten.[2] Im übertragenen Sinn bezog sich die Benennung auf das Einwanderungsgebiet der Nomaden.[2] Die Ausdrücke sind historisch zu verstehen, ohne dass deshalb immer derselbe Stamm gemeint war. Die Benennung stellte somit eine allgemeine Bezeichnung für semitische Stammesgruppen an der südlichen und westlichen GrenzeMesopotamiens dar.[2]
Geschichte
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Die Anfänge
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Erstmalige Erwähnung finden die Amurriter bei Kämpfen unter dem akkadischen KönigNaram-Sin um 2.240 v. Chr., der sie im nordsyrischen Raum bekämpfte und versuchte, sie in das Reich vonAkkad einzugliedern. Offensichtlich gelang diese Eingliederung nicht, da Naram-Sins NachfolgerŠar-kali-šarri weitere kriegerische Auseinandersetzungen mit ihnen hatte und sie in einer Schlacht im Gebirge Basar schlug. Zu dieser Zeit waren die Amurriter noch Nomaden, die in keinem festgelegten Gebiet wohnten. Ihr vermehrtes Eindringen und die gleichzeitigen Auseinandersetzungen mit denGutäern beschleunigten den Untergang des Akkadischen Reichs, das schon zuvor an Stabilität verloren hatte. In sumerischen Erwähnungen der 3. Dynastie vonUr werden sie als unzivilisierte Krieger beschrieben:
„Im Umkreis von Sumer und Akkad erhoben sich fürwahr die Martubeduinen, die, die keine Gerste kennen, doch war fürwahr die Mauer vonUruk wie ein Vogelnetz über die Steppe gespannt.“
Erste Dynastiegründungen
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Im weiteren Verlauf drangen die Amurriter immer weiter nach Mesopotamien vor und mischten sich vielerorts in politische Streitigkeiten der jeweiligen Stadtstaaten ein. Dies geschah zunächst durch diverse Raubzüge durch die Regionen, um sich dann mit den jeweiligen Herrschern friedlich zu arrangieren. Später stiegen sie selbst zu Herrschern in vielen Landesteilen auf.
Sie sind für mehrere dynastische Neugründungen verantwortlich, zum Beispiel inAleppo,Qatna,Mari,Babylon,Assur und die älteste Dynastie vonLarsa unterGungunum ab 1932 v. Chr.
Das Palastarchiv von Mari nennt etwa 6.000 männliche und weibliche amurritische Namen. Es gibt zwar mehrereamurritische Lehnwörter, aber Schriftsprache wurde das Amurritische nie.
Die Namen der Mari-HerrscherJaḫdun-Lim,Sumu-jamam undZimri-Lim im19. Jahrhundert v. Chr. zeigen eindeutig die amurritische Herkunft. Obwohl sie sich mit der sumerisch-akkadischen Tradition verbunden fühlten, wurden über Generationen hinweg die ursprünglichen Namen bzw. Namensanhänge benutzt.
Späterer Verlauf
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Bekanntester Amurriter ist der Herrscher von Babylon,Hammurapi, der um 1770 v. Chr. Mari eroberte und einen amurritischen Herrscher einsetzte. Die Gesetzessammlung der Amurriter (Auge um Auge, Zahn um Zahn) ist eine Kulturleistung, die ihren Widerhall in derBibel erfährt:Auge für Auge, Zahn für Zahn.
Spätestens ab dem frühen 14. vorchristlichen Jahrhundert bildeten die Amurriter in der nördlichen Levante einen KleinstaatAmurru, der wechselweise unabhängig,hethitisch, bzw.ägyptisch war.
IhrPantheon zeigt Gemeinsamkeiten mit dem derUgariter, sieheUgaritische Mythologie.
Die Amurriter in der Bibel
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Die Amurriter heißen imTanachAmoriter und werden 88-mal erwähnt, 20-mal davon in einer Aufzählung verschiedener VölkerKanaans (z. B.Jos 11,3 EU). Sie gelten mit anderen Völkern als vorisraelitischeEinwohner Kanaans und Nachfahren der biblischen PersonKanaan, also Hamiten. WährendAbram selbst noch einen respektvollen Umgang mit Amoritern pflegte, gehörte deren Land zu dem, welches ihm verheißen wurde. Daher führten seine Nachkommen bei derLandnahme Kämpfe auch gegen die Amoriter (z. B.Num 21,21ff EU). Dabei werden sie ungenau lokalisiert, sowohl im Norden (Dtn 3,8f EU) als auch im Süden Kanaans (Gen 14,7 EU) oder im Gebirge Judas (Jos 10,5ff EU), so dass die Amoriter wohl zumSynonym für verschiedene vorisraelitische Stämme geworden waren, an die nur noch dunkle historische Erinnerungen bestanden. Sie galten gleichsam alsstereotyper Feind der Vorzeit (z. B.Am 2,9 EU) und wurden mit der gesamten vorisraelitischen Bevölkerung gleichgesetzt (z. B.Ri 1,34ff EU).
Siehe auch
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Literatur
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- Immanuel Benzinger: Amorraioi. In:Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft (RE). Band I,2, Stuttgart 1894, Sp. 1876.
- Dietz Otto Edzard:Geschichte Mesopotamiens. C.H.Beck Verlag, München 2004,ISBN 3-406-51664-5.
- Harald Haarmann:Lexikon der untergegangenen Völker. C.H.Beck Verlag, München 2005,ISBN 3-406-52817-1.
- Gebhard J. Selz:Sumerer und Akkader. C.H.Beck Verlag, München 2005,ISBN 3-406-50874-X.
- Michael P. Streck:Das amurritische Onomastikon der altbabylonischen Zeit. (= Alter Orient und Altes Testament, Band 271) Ugarit-Verlag, Münster 2000,ISBN 3-927120-87-1.
Anmerkungen und Einzelnachweise
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- ↑Zumeist dieHerkunft aus Südwesten, da dieWindrose in Mesopotamien nicht den heutigen Gegebenheiten entsprach, sondern auf den Verlauf von Euphrat und Tigris übertragen wurde, die in Südmesopotamien nicht direkt im Nord-Süd-Richtung verliefen; außerdem entsprach der Ausdruck der mythologischen Windrichtungen (Westen und Süden).
- ↑abcVgl.Dietz-Otto Edzard: Die Nomaden in der altbabylonischen Zeit. In: Elena Cassin,Jean Bottéro,Jean Vercoutter (Hrsg.):Die Altorientalischen Reiche I. Vom Paläolithikum bis zur Mitte des 2. Jahrtausends (=Fischer Weltgeschichte. Band 2). Fischer Taschenbuch, Frankfurt am Main 1965, S. 167.
- ↑Auch unter dem TitelLugalbanda und der Gewittervogel bekannt.