Zahlreiche Werke dergriechischen Kunst stellen (bevorzugt auf Vasen) ab ca. 550 v. Chr. Amazonen als wagemutige Kämpferinnen undReiterkriegerinnen dar. Im 4. Jahrhundert v. Chr. waren Darstellungen des „Amazonenkampfes“(Amazonomachie) beliebt. Zwei Waffen sind den Darstellungen von Amazonen ab dem letzten Drittel des 5. Jahrhunderts v. Chr. eigentümlich: dieLabrys, eine auch alsAmazonenaxt bezeichnete Doppelaxt, sowie diePelte, ein kleiner, halbmondförmiger Schild. Die typische Kleidung der Amazonen besteht aus einem kurzenChiton, der oft die rechte Brust unbedeckt lässt.[3]
Seit der Antike ist die Herleitung des Namens umstritten und bis heute ungeklärt.[4] Eine Reihe antiker Autoren führten die griechische Bezeichnung „Amazone“ aufa-mazos (ἀμαζός „brustlos“) zurück.[5] Denn die Amazonen sollen ihren kleinen Töchtern die rechte Brust verstümmelt haben, damit diese später den Bogen ungehindert abschießen konnten.[6] Allerdings wurden Amazonen in den griechischen Darstellungen gewöhnlich mit zwei Brüsten wiedergegeben und nachPhilostrat wurden sie nur nicht an der Brust gestillt.[7]
Andere Erklärungen leiteten den Namen vona-maza (ἀμᾶζα „brotlos“) her.[8] Hierzu passt die Bemerkung desAischylos, der sie in seinenSchutzflehenden alskreoboros (κρεοβόρος „mit Fleisch gefüttert“) bezeichnet.
Ebenfalls wurde an eine Herleitung vonzone (ζώνη „Gürtel“ vonζώννυμι „gürten“) gedacht.Ama-zone bedeutete demnach etwa „wohlgegürtet“ und hätte auf die Tracht der Amazonen angespielt, die sich so auch im Mythos vom Raub des Gürtels derHippolyte durchHerakles widerspiegelt.[9] Erwogen wurde auch eine Zusammensetzung aushama undzosai (ἅμα ζῶσαι) im Sinne von „zusammen lebend“.[10]
Griechische Mythologie, Geschichtsschreibung und Dichtung
Eines der ältesten schriftlich festgehaltenen Werke Europas, dieIlias des antiken DichtersHomer (vermutlich 8. Jahrhundert v. Chr.), schildert zwei Ereignisse, die sich vor demTrojanischen Krieg ereigneten und bei denen Amazonen in Erscheinung traten. Homer setzte die Mythen um die Amazonen als bekannt voraus, folglich gab es sie schon vor seiner Zeit:
Im Zusammenhang mit dem Bellerophon-Mythos kämpft der griechische HeldBellerophon, Großvater der vor Troja kämpfenden BrüderGlaukos undSarpedon, bei seinem Aufenthalt in Lykien unter anderem gegen Amazonen.[11]
Priamos, der König vonTroja (Ilion), kämpft in seiner Jugend auf Seiten derPhryger, als diese am FlussSangarios von Amazonen angegriffen werden.[12]
Karte des Kaukasus-Gebirges mit den Siedlungsgebieten vonSarmaten und rechts oben der Amazonen (anonymerKupferstich aus London, um 1770)DasSchwarze Meer undKleinasien
ImEposAithiopis, das an die Dichtungen Homers anschließt und dessen Original vermutlich vonArktinos von Milet stammt, aber nicht erhalten ist, wird folgendes Ereignis berichtet: Während des Trojanischen Krieges, als die Amazonen bereits nicht mehr so mächtig waren, sollen sie unter ihrer KöniginPenthesilea den Trojanern zu Hilfe gekommen sein und die Griechen in arge Bedrängnis gebracht haben. Mit großen Anstrengungen und durch das Eingreifen des HeldenAchill siegten die Griechen. Penthesilea fiel im Kampf gegen den beinahe unverwundbaren Achill.[13]
Der HistorikerHerodot schrieb im 5. Jahrhundert v. Chr. in seinenHistorien, dass die zwischenKaspischem undSchwarzem Meer ansässigenSauromaten (Vorgänger derSarmaten) aus einer Vermischung vonSkythen und Amazonen entstanden seien.[14] Herodot beschrieb auch aus seiner Sicht ungewöhnliche Bräuche derLykier, die in Südwest-Kleinasien lebten.[15] Die Lykier benannten sich noch zu Herodots Zeit nach ihren Müttern, hatten also einematrilineare Abstammungsregel. Außerdem richtete sich derStatus eines Kindes nach dem Ansehen seiner Mutter. War sie aus dem Bürgerstand, bekamen automatisch auch ihre Kinder Bürgerrechte, selbst wenn der Vater einSklave war. War ihre Mutter hingegen unfrei, so bekamen auch die Kinder keine Bürgerrechte, selbst wenn der Vater ein angesehener Bürger war. Dies deutet auf eine hohe Stellung der Frau in dem TeilLykiens, den Herodot bereiste. Diemutterrechtlichen Regelungen könnten Herodot auf die Idee gebracht haben, es handele sich hierbei um Nachfahren der mythischen Amazonen.
In einer angeblich vom athenischenLogographenLysias Anfang des 4. Jahrhunderts v. Chr. verfassten Grabrede für Gefallene imKorinthischen Krieg heißt es, dass die Amazonen einst Töchter des Ares gewesen seien, am Thermodon lebten und im Gegensatz zu ihren Nachbarvölkern bereits Waffen aus Eisen benutzten. Letzteres sowie der Umstand, dass sie die ersten gewesen seien, die auf Pferden ritten, verschaffte ihnen gegenüber ihren Nachbarvölkern Vorteile, die sie – gepaart mit heldenhaftem Mut, mit dem sie Männern glichen – nutzten, große Gebiete zu unterwerfen. Ein Angriff auf Athen endete jedoch für die Amazonen mit einer Niederlage.[16]
In derArgonautensage, deren älteste vollständig erhaltene VersionApollonios von Rhodos im 3. Jahrhundert v. Chr. verfasste, wagen die Argonauten auf dem Weg nachKolchis nicht, an bestimmten Abschnitten der kleinasiatischen Schwarzmeerküste anzulegen, an denen die Amazonen gelebt haben sollen.
Amazone in Hosen mit Schild und Köcher (attischesAlabastron, um 470 v. Chr.)
Der GeschichtsschreiberDiodor hielt sich im 1. Jahrhundert v. Chr. längere Zeit in Ägypten auf. Er schrieb über Amazonen in Nordwest-Afrika, die lange vor den kleinasiatischen Amazonen gelebt und unter ihrer KöniginMyrina ganz Nordafrika unterworfen haben sollen.[17] Dieselibyschen Amazonen wurden bereits von Herodot erwähnt. In einem späteren Abschnitt seines Werks hielt Diodor die Unterscheidung zwischen kleinasiatischen und libyschen Amazonen nicht aufrecht. So sollen es kleinasiatische Amazonen gewesen sein, die einige Inseln derÄgäis angriffen und später Athen belagerten.
Der Geograph und HistorikerStrabon schreibt gegen Ende des 1. Jahrhunderts v. Chr. in seinerGeographie, die Hauptstadt der Amazonen seiThemiskyra am FlussThermodon im kleinasiatischen Teil desPontos-Gebiets gewesen. Er zweifelt dabei Schilderungen an, die Amazonen hätten viele Völker unterworfen und sogar Athen angegriffen. Strabon kritisiert ferner, dass die alten Quellen keine oder nur unglaubwürdige Auskünfte darüber gäben, wohin die Amazonen gezogen sind, nachdem sie aus dem Gebiet um den Thermodon vertrieben worden waren.[18] Auch zweifelt er an den Berichten, dass die Amazonenkönigin ThalestrisAlexander den Großen aufgesucht habe, da sie sich bezüglich der Herkunft der Amazonenkönigin widersprächen und die „glaubwürdigsten“ Autoren diese Sage nicht erwähnten.[19] An anderer Stelle seines Werks geht Strabon ausführlich auf Amazonen ein, die im nördlichen Kaukasus gelebt haben sollen, nach älteren Quellen, die Strabon zitiert, nördlich der kaukasischenAlbaner oder als Nachbarn derGargarier, inKeraunien.[20] Die Amazonen in dieser Region lebten die meiste Zeit des Jahres unter sich, betrieben Ackerbau, Vieh- und Pferdezucht, gingen auf die Jagd und tätigten Kriegsgeschäfte. An zwei Monaten im Frühling träfen sie sich mit den Gargariern auf einem Berg, der beide Gebiete trennt, und zeugten mit ihnen bei Dunkelheit Kinder. Waren alle Amazonen schwanger, verließen sie die Garganer. Die aus diesen Verbindungen gezeugten Mädchen zögen die Amazonen selber auf, die Jungen übergäben sie den Gargariern.[21] Die Gargarier seien laut ungenannten Quellen, auf die sich Strabon stützt, zusammen mit den Amazonen aus Themiskyra in die Gegend gewandert und anschließend von ihnen abgefallen. Nachdem man einige Zeit gegeneinander Krieg geführt hatte, schlossen sie Frieden miteinander und kamen überein, dass beide Völker für sich leben und man nur gemeinsam Kinder zeugt.[22] Das Gebiet der Amazonen, die Strabon beschreibt, durchzog ein Fluss namens Mermadalis, der im weiteren Verlauf noch andere Regionen durchfloss, bis er insAsowsche Meer mündete.[22]
Griechische Erzählungen erwähnen auch verschiedeneInseln, auf denen zeitweise Frauen ohne Männer gelebt haben sollen. Dort hätten die Frauen nur zu bestimmten Zeiten mit Männern benachbarter Siedlungen Kontakt, um von ihnen geschwängert zu werden. Diese Frauengemeinschaften werden aber nicht durchgängig alsAmazonen bezeichnet. So sollen beispielsweise die MittelmeerinselnLesbos undLemnos[24] zeitweise solche „Fraueninseln“ gewesen sein. Über die Frauen von Lemnos wurde gesagt, sie hätten sich gegen ihre Männer erhoben und imLemnischen Frevel alle gleichzeitig ermordet.
Zwei Amazonen im Kampf mit einem Griechen (Relief ausAthen, 4. Jahrhundert v. Chr.)
ImdorischenHerakles-Mythos wird die AmazonenköniginHippolyte vonHerakles erschlagen, der ins Amazonenland aufgebrochen war, um den Zaubergürtel (oder Waffengurt) der Königin zu erlangen. Obwohl beide Seiten keine kriegerischen Absichten hatten, kam es durch ein Missverständnis zum Kampf. In dessen Verlauf tötete Herakles die Königin und weitere Amazonen. Aus Ehrfurcht vor dem starken Helden händigen die Amazonen Herakles den Gürtel daraufhin aus.[25] In einer anderen Version tötet Herakles die Königin nicht, sondern tauscht ihre gefangen genommene SchwesterMelanippe gegen den Gürtel ein.[26]
ImathenischenTheseus-Mythos wird Hippolyte im Rahmen einesBrautraubs vonTheseus entführt, dem König von Athen, der sie mit nach Athen nimmt und dort zu seiner Frau macht. (In manchen Versionen heißt die EntführteAntiope und ist die Schwester von Hippolyte.) Aus Rache dringen die Amazonen daraufhin nach Griechenland ein, plündern einige Städte an der Küste und belagern Athen. Bei den Kämpfen wird Hippolyte getötet.
Es gibt eine Reihe vonGründungsmythen, in denen Amazonen eine Rolle spielen: So gründeten sie die StädteKyme undMyrine in derAiolis.[3] Die AmazoneSmyrna gründete an der kleinasiatischen Küste die gleichnamige Stadt (heuteIzmir) und die AmazoneAnaia ihre Stadt etwa 100 Kilometer südlich, nahe der heutigen türkischen KüstenstadtKuşadası. Der naheliegendeTempel der Artemis in Ephesos soll ursprünglich von der AmazonenköniginOtrere erbaut worden sein. Die Amazonin Kleite, Amme und Magd von Penthesilea, soll eine Stadt gleichen Namens inBruttium (dem heutigenKalabrien) gegründet haben,[27] vermutlich in der Nähe der heutigen GemeindeCleto. Ob diese Legende mit der mythischen Gründung vonKaulon in Verbindung gebracht werden kann, wie oft angenommen wird – einer Tradition nach war Kleite Mutter des GründersKaulos –, ist strittig.[28] Die griechische KolonieSinope an der kleinasiatischen Schwarzmeerküste soll, gemäß einer – allerdings erst aufAndron von Teos (spätes 4. Jahrhundert v. Chr.) zurückgehenden – Legende, nach einer dem Wein sehr zugeneigten Amazone namens Sanape benannt worden sein.[29]
Es war in der Antike üblich, sich bedeutungsvolle Götter, Personen, Gruppen oder Völker aus derMythenwelt alsAhnen zu wählen, um die eigene Bedeutung zu erhöhen (Herkunftssagen). Solche „fiktiven“Stammbäume (Genealogien) beriefen sich auf eine ältere Vergangenheit, als es der Wirklichkeit entsprach, ohne dadurch mit tatsächlichen historischen Personen oder Volksgruppen in Konflikt zu geraten.
Verschiedene Erzählungen erwähnen Amazonen ausdrücklich als Königinnen ihres Volkes, sogar alsHerrscherdynastie; sie regieren ohne männlichen Begleiter und treten in Begleitung ihrer Kriegerinnen auf. Die berühmtesten Amazonenköniginnen sind:
Hippolyte, Tochter von Otrere und Ares, Teil desTheseus- und desHerakles-Mythos, dort istAntiope ihre Schwester und zu ihrem Gefolge gehörtAlkippe, die einzige erwähnte Amazone mit abgelegtem Keuschheitsschwur
Penthesilea, tötet ihre Schwester Hippolyte bei einem Jagdunfall, kommt den schwer bedrängtenTrojanern mit ihren Kriegerinnen zu Hilfe, wird vonAchill besiegt, der sich in die Sterbende verliebt
Myrina, Leiterin einer militärischen Expedition inLibyen, besiegt die Atlanter, schließt ein Bündnis mit dem Herrscher Ägyptens und erobert weitere Städte und Inseln
Thalestris, die letzte namentlich genannte Amazonenkönigin, trifft 330 v. Chr. einigen Sagen nach den griechischen Eroberer Alexander den Großen; ihr Gebiet liegt amThermodon, anderen Versionen zufolge an der Kaspischen Pforte, südlich des Kaspischen Meeres.[30]
Amazonenkampf(Amazonomachie) auf einemrömischenSteinsarg (um 200 n. Chr.)
Kämpfe zwischen Amazonen und Griechen waren in derKaiserzeit und derSpätantike ein beliebtes Motiv auf römischenSarkophagen.[31] Der DichterVergil erwähnte die Amazonen und ihre KöniginPenthesilea um 20 v. Chr. in seinem EposAeneis.[32] Der BiographSueton ließ um 110 n. Chr.Gaius Iulius Caesar in seinenKaiserviten sagen, dass die Amazonen „einst einen großen Teil Asiens beherrschten“.[33]
Diealtägyptische ErzählungÄgypter und Amazonen ist als Unterhaltungsroman in zwei bruchstückhaften Fassungen aus römischer Zeit aufPapyrus erhalten. Die Geschichte handelt von historischen Personen aus dem 7. Jahrhundert v. Chr.: Der ägyptische FürstPetechonsis führte gemeinsam mitassyrischen Truppen einen Kriegszug in das „Land der Frauen“, das imVorderen Orient lag und bis an die GrenzenIndiens gereicht haben soll. Petechonsis bekämpfte anfänglich die dortigen Amazonen, verliebte sich dann aber in ihre KöniginSarpot und unterstützte sie in einem Bündnis gegen die einfallende indische Armee. Diese Erzählung soll in Ägypten unabhängig von griechischen Einflüssen entstanden sein.[34]
Um einen realen Kern in den Amazonenmythen ausmachen zu können, fehlen ausführliche zeitgenössische Schriftquellen. Homer erwähnt die Amazonen nur in wenigen Sätzen,assyrische Quellen liefern keinerlei Hinweise auf Amazonen.
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offenbar wurde viel rumeditiert, so dass die ursprünglichen – sicher auch nicht perfekten – Aussagen nicht mehr stimmig sind; Belege aus Leonhards Werk und der Kritik dazu wären auch wünschenswert. Da auf Nordostanatolien und hethitische Quellen eingegangen wird, könnte man in diesem Abschnitt vielleicht auch die Thesen von Cornelius erwähnen.
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Walther Leonhard stellte 1911 die These auf, die Amazonen seien mit dem Volk derHethiter inKleinasien gleichzusetzen, da bei diesen die Frauen rechtlich den Männern gleichgestellt waren, fürindogermanische Völker sehr ungewöhnlich.[35] Mit dieser Gleichsetzung wollte er zwei Probleme lösen: Einerseits waren die Hethiter ein mächtiges reales Volk, das jedoch in griechischen Quellen nicht erwähnt wird – andererseits spielten die Amazonen eine große Rolle in Schrifttum und Kunst der Griechen, sind aber weder archäologisch noch in zeitgenössischen, beispielsweise hethitischen oder assyrischen Quellen nachweisbar.
Gegen die Gleichsetzung der Amazonen mit den Hethitern spricht vor allem, dass das Kerngebiet der Hethiter in Zentral-Anatolien lag und nicht imPontos-Gebiet am Schwarzen Meer. Außerdem zogen hethitische Frauen nachweislich nicht mit in den Kampf. Die Theorie Leonhards gilt daher als nicht haltbar. Außerdem finden sich in hethitischen Originaltexten aus den Archiven ihrer HauptstadtḪattuša und der HafenstadtUgarit keinerlei Hinweise auf Amazonen oder auf Kriegerinnen. Diese Texte werden aber ins 15. bis 13. Jahrhundert v. Chr. datiert, in jene Zeit, in der die meisten griechischen Mythen spielen dürften. Hethitische Texte beinhalten allerdings meist nur wenige – zum Beispiel für Verträge oder Annalen relevante – Angaben zu Sitten und Gesellschaftsstrukturen von Nachbarvölkern. Die geopolitische Situation in Kleinasien ist anhand der hethitischen Quellen, vor allem für den Nordwesten und Nordosten Anatoliens, noch unsicher.
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Wo bitte begegneten milesische Kolonisten an der Schwarzmeerküste Völkern mit matrilinearer Erbfolge? Bitte belegen!
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Einige Forscher gehen davon aus, dass die Amazonenmythen auf Erinnerungen an frühere Ereignisse gründen, bei denen Griechen im kleinasiatischen Raum auf mutterrechtlich organisierte und von Frauen regierte Völker getroffen seien und in Kämpfe verwickelt wurden.[36] Solche Kontakte müssten vor dem 8. vorchristlichen Jahrhundert stattgefunden haben, da dem Dichter Homer zu jener Zeit bereits frühere Erzählungen über Amazonen bekannt sind. Ab spätestens dem letzten Drittel des 7. Jahrhunderts v. Chr.[37] wurde die kleinasiatische Schwarzmeerküste von den Griechenbesiedelt, wobei sie auch älteren Völkern begegneten, die ihre Erbfolge über Mütter an Töchter regelten (Matri-Linearität) und bei denen der familiäre Wohnsitz bei der Frau lag (Matri-Lokalität).
1927 wurde in Semo-Awtschala, naheTiflis inGeorgien, das Grab einer 30 bis 40 Jahre alten Frau entdeckt, in dem sich neben anderenGrabbeigaben einbronzenes Schwert, eine Speerspitze aus Eisen sowie Überreste eines Pferdekopfs befanden.[38] Da sich am Schädel der Verstorbenen die Spuren einer schweren Hieb- oder Stichverletzung zeigten (welche die Frau offenbar zunächst überlebt hatte), wird vom Grab einer Kriegerin ausgegangen, die womöglich auch zu Pferde kämpfte. Das Grab wird auf den Beginn des 1. Jahrtausends v. Chr. datiert und wäre damit das älteste bisher bekannte Grab einer Kriegerin.[38] Da der Fundort südlich des Kaukasus nur wenige hundert Kilometer vom angeblichen Kernland der Amazonen der griechischen Mythen entfernt ist, könnte ein Zusammenhang mit diesen bestehen.
Verwundete Amazone, römische Kopie nach einem griechischen Original aus dem 5. Jahrhundert v. Chr.
Es wird für möglich gehalten, dass die realen Vorbilder für die Amazonen bei den Griechen Stämme derSkythen undSarmaten waren.
DerAnthropologeDavid W. Anthony schreibt 2007, dass rund 20 Prozent der skythischen oder sarmatischen „Kriegergräber“ am unterenDon und der unterenWolga weibliche Skelette enthielten, deren Kleidung der männlicher Krieger entsprach.[39]
Der russische Archäologe Leonid Jablonskij und die US-amerikanische ArchäologinJeannine Davis-Kimball konnten belegen, dass es zwischen dem 6. und 3. Jahrhundert v. Chr. in Südrussland, derUkraine und inKasachstan Völker gab, bei denen Frauen eine gesellschaftlich hohe Stellung einnahmen und mit Waffen kämpften. Sie fanden in Südrussland und der Ukraine zahlreicheKurgane skythischer und sarmatischer Frauen, die mit Waffen und Rüstungen begraben wurden. Ein wichtiger Fundort ist eineNekropole beiPokrovka, südwestlich vonSol-Ilezk amIlek gelegen. Zwischen etwa 600 und 300 v. Chr. wurden hier den weiblichen Gräbern mehr Waffenbeigaben als den männlichen beigefügt. Im letzten Drittel der Belegungsphase wurde die Gräberstadt von Sarmaten benutzt. Einige Waffen weisen Gebrauchsspuren auf, sind also wahrscheinlich benutzt worden. Wahrscheinlich handelt es sich bei der Nekropole in Pokrovka um die Gräber der vonHerodot genanntenSauromaten.
In weiteren Gräbern wurden 2500 Jahre alte Frauenskelette entdeckt, dieanatomisch auffällig waren. Ihre Oberschenkelknochen waren gebogen und ihre Steißbeine gestaucht, sie waren also wahrscheinlich schon in jungen Jahren viel geritten; Kriegsverletzungen wurden aber an den Skeletten nicht nachgewiesen. Unter den Grabbeigaben wurden Waffen gefunden. In einem Grab fanden sich nicht nur Schmuckstücke, wie Dutzende von Goldperlen, Goldbroschen und ein Ohrring, sondern auch mehr als 110 Pfeilspitzen; die Menge der Spitzen lässt Forscher vermuten, dass es sich bei der Toten um eine berittene Kriegerin handelte.
Davis-Kimball bringt die Amazonen als Motiv in dergriechischen Vasenmalerei ab dem 6. Jahrhundert v. Chr. damit in Verbindung, dass die Griechen zu jener Zeit von den Skythen und Sarmaten erfuhren. Daher seien die Amazonen ähnlich den Skythen (oder auchParthern) dargestellt worden, müssen deshalb aber nicht mit ihnen identisch sein. Es sei in der griechischen Kunst üblich gewesen, alte oder mythische Völker so darzustellen, wie zeitgenössische Völker aus ungefähr derselben Gegend bekleidet und bewaffnet waren.
Ethnologische undgenetische Untersuchungen von Davis-Kimball haben ergeben, dass sich die Spuren der Amazonen möglicherweise bis in dieMongolei nachweisen lassen, wo es nach Davis-Kimballs Forschungen genetische Nachfahren der Sarmaten und Skythen geben soll.
Der große südamerikanischeAmazonenstrom soll von den europäischen Entdeckern nach dortigen Amazonen-Völkern benannt worden sein (sieheName des Amazonas).
Von den Amazonen als geschickten Reiterinnen ist dasAmazonenspringen als Pferdesport von Springreiterinnen abgeleitet; Teilnehmerinnen an diesen nur Frauen vorbehaltenenSpringprüfungen werdenAmazone genannt (siehe auch das Berliner BronzestandbildAmazone zu Pferde sowie dieAmazone zu Pferde auf der Museumsinsel).
Von den mutigen Kriegerinnen ist die EhrenbezeichnungAmazonen für Frauen abgeleitet, die kämpferisch und selbstbewusst für ihre Angelegenheiten eintreten oder in früheren Zeiten eingetreten sind, teilweise auch als Anführerinnen (siehe auchGaddafisAmazonen-Garde).
Von den Sagen über Frauenherrschaft abgeleitet, wird die BezeichnungAmazonen auch aufsoziale Gruppen, Organisationen oder Gesellschaften übertragen, an denen nur Frauen teilnehmen oder in denen Frauen die alleinige Entscheidungsmacht besitzen (siehe dazuMatrilokalität,Matriarchat,Gynozentrismus).
Amazone vor derVilla Stuck in München, entstanden 1913 Nachguss von 1936
Imnationalsozialistischen Deutschland wurde in München zwischen 1936 und 1939 die Freiluft-RevueNacht der Amazonen aufgeführt, in der ein scheinbar emanzipiertes Frauenbild als weiblicher Teil der vom nationalsozialistischen Rassenwahn angestrebten „Neuen Rasse“ präsentiert wurde.
Auch in diebildende Kunst des 20. Jahrhunderts fanden die Amazonen Eingang. Deren Rolle in der Geschichte der Frauen machte diefeministische KünstlerinJudy Chicago deutlich: In ihrer KunstinstallationThe Dinner Party der späten 1970er-Jahre widmete sie den Amazonen eines der 39 Gedecke am Tisch.[40]
John Wate, Sebastian Peiter:Warrior Women: Die wahren Amazonen. Urban Canyons fürZDFinfo, 2017 (44:37 Minuten;onlineverfügbar bis 15. September 2021;YouTube-Kopie).
Victor Grandits:Die Amazonen. Auf der Spur antiker Kämpferinnen. Dok-Haus UG fürZDF, Deutschland 2013 (52 Minuten; Renate Rolle versusFlorian Knauß zu skythischen Frauengräbern in der Ukraine als Beleg eines Amazonen-Staates;Film in voller Länge auf YouTube: 111:47 Minuten).
Andreas David Mordtmann:Die Amazonen. Ein Beitrag zur unbefangenen Prüfung und Würdigung der ältesten Überlieferungen. Hahn’sche Hofbuchhandlung, Hannover 1862 (Digitalisat).
Manfred Hammes:Die Amazonen. Vom Mutterrecht und der Erfindung des gebärenden Mannes. Fischer Taschenbuch, Frankfurt 1981,ISBN 3-596-23043-8.
Josine H. Blok:The Early Amazons. Modern & Ancient Perspectives on a Persistent Myth. Brill, Leiden 1994,ISBN 90-04-10077-6 (englisch;Leseprobe in der Google-Buchsuche).
Gabriele Frohnhaus, Barbara Grotkamp-Schepers, Renate Philipp (Hrsg.):Schwert in Frauenhand. Weibliche Bewaffnung. Klartext-Verlag, Essen 1998,ISBN 3-88474-693-6.
Lyn Webster Wilde:Amazonen. Auf den Spuren kriegerischer Frauen und göttlicher Frauen. Europa-Verlag, Wien 2001,ISBN 3-203-84040-5.
Jeannine Davis-Kimball:Warrior Women. An Archaeologist’s Search for History’s Hidden Heroines. Warner Books, New York 2002,ISBN 0-446-52546-4 (englisch;Materialien).
George Hinge:Herodot zur skythischen Sprache. In:Glotta. Band 81, 2005–2006, S. 86–115 (zur Wortherkunft des Namens „Amazonen“;reduzierte Fassung online).
Ahmet Ünal:Amazonların Eski Anadolu Kökenleri Hakkında Yeni Kaynak ve Gözlemler. New sources and observations on the Anatolian origin of the Amazons. In:Cerdrus. Band 1, 2013, S. 21–32.PDF beiAcademia.edu
Adrienne Mayor:The Amazons: Lives and Legends of Warrior Women across the Ancient World. Princeton University Press, Princeton 2016,ISBN 978-0-691-17027-5.
David Braund:Amazons: the history behind the legend. Cambridge University Press, Cambridge 2025,ISBN 9781108834490.
Fotoarchiv: Gods & Myths: Amazons. In: Warburg Institute Iconographic Database. Universität London, 2013, abgerufen am 28. September 2018 (englisch, über 200 Photos von Darstellungen von Amazonen in der Kunst).
Carlos Parada, Maicar Förlag: Amazons. In: Greek Mythology Link. 1997, abgerufen am 28. September 2018 (englisch, ausführliche, gut bebilderte Auflistung).
Jennifer Taylor: The Amazons: Introduction. In: Ancient Greek Civilizations. Minnesota State University, Mankato, 1999, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 3. Juni 2010; abgerufen am 28. September 2018 (englisch, erstellt zur Konferenz „Warrior Women of Ancient Greece: Myth or Reality?“).
Adam Olearius (1656):Von Tagesthan einer Tartarischen Landschafft und von den Amazonen. (= 6. Buch, 12. Kapitel vonVermehrte Newe Beschreibung Der Muscowitischen und Persischen Reyse: So durch gelegenheit einer Holsteinischen Gesandschafft an den Russischen Zaar und König in Persien geschehen.) Wolfenbütteler Digitale Bibliothek (WDB).
↑Erstmals so beschrieben beiHomer,Ilias 3,189 und 6,186:ἀντιάνειραι (=ἴσανδροι), „männergleich“; Homerisch hatἀντί die Bedeutung „gleich“; sieheWilhelm Pape:Handwörterbuch der griechischen Sprache. 3. Auflage. Vieweg & Sohn, Braunschweig 1914, Band 1, S.249.
↑abFriedrich Imhoof-Blumer:Die Amazonen auf griechischen Münzen. In: Hans von Fritze,Hugo Gaebler (Hrsg.):Nomisma. Untersuchungen auf dem Gebiet der antiken Münzkunde. Band 1, Olms, Darmstadt 1974,ISBN 3-487-05385-3, S. 1–18, hier S. 17–18 (Neuauflage, erstveröffentlicht 1907): „[…] der den Amazonen eigentümliche Schild, diePelta […] Wie aus dieser Zusammenstellung der Amazonentypen auf Münzen hervorgeht, bilden die deraiolisch-ionischen Städte, die alle ihre Namen von Amazonen ableiteten, die vornehmste Gruppe. Es sind Pitane, Kyma, Myrina, Aigai, Ephesos und Smyrna, wozu noch Phokaia kommt. Unter diesen ist Kyme die einzige, die das Bild dereponymen Amazone schon in hellenistischer Zeit führte, und Smyrna diejenige, die den Typus in beinahe ununterbrochener Folge vonDomitians bisGallienus Zeit am häufigsten variierte. […] Von den gewöhnlichen Kennzeichen der Amazonen, kurzerChiton, der die rechte Brust nackt läßt,Doppelaxt und Pelta […] Die Turmkrone […] bildet in römischer Zeit den ständigen Kopfschmuck der Amazonen; er kennzeichnet die Trägerin nicht als Stadtgöttin, sondern als Repräsentantin der Stadt […]“.
↑Ausführlich über die zahlreichen Hypothesen zur Etymologie: Josine H. Blok:The Early Amazons. Modern & Ancient Perspectives on a Persistent Myth. Brill, Leiden 1994, S. 21–37.
↑Isidor,origines 9,2,64; Themistagoras beiJohn Anthony Cramer:Anecdota Graeca e codicibus manuscriptis bibliothecarum Oxoniensium descripta. Band 1. 1835, S. 80 (Textarchiv – Internet Archive). Josine H. Blok:The Early Amazons. Modern & Ancient Perspectives on a Persistent Myth. Brill, Leiden 1994, S. 23 f. mit Anm. 6 zum Bezug desζωστήρ auf den Herakles-Mythos. Siehe zu diesem und die Verwendung vonζωστήρ für den Gürtel der Hippolyte auch Adolf Klügmann:Die Amazonen in der attischen Literatur und Kunst. Stuttgart 1875, S. 13 f. (Textarchiv – Internet Archive)
↑Karl Kerényi:Die Mythologie der Griechen. Band 2:Die Heroen-Geschichten. dtv, München 1984,ISBN 3-423-01346-X, S. 202–203.
↑Karl Kerényi:Die Mythologie der Griechen. Band 2:Die Heroen-Geschichten. dtv, München 1984,ISBN 3-423-01346-X, S. 130–131.
↑Heinrich Wilhelm Stoll:Die Sagen des classischen Alterthums. Erzählungen aus der alten Welt. Teubner, Leipzig 1868, S. 124–125 (Seitenansicht in der Google-Buchsuche).
↑Ausführlich zu dieser Frage und zu Kleite: Luisa Moscati-Castelnuovo:From East to West. The Eponymous Amazon Cleta. In: Gocha R. Tsetskhladze (Hrsg.):Ancient Greeks West & East. Brill, Leiden 1999, S. 163–178.
↑Zu Sanape sieheOtto Höfer:Sanape. In:Wilhelm Heinrich Roscher (Hrsg.):Ausführliches Lexikon der griechischen und römischen Mythologie. Band 1,1, Leipzig 1886, Sp. 308 (Digitalisat).; ansonsten ausführlich hierzu: David Braud:Myth and Ritual at Sinope. From Diogenes the Cynic to Sanape the Amazon. In: Dominique Kassab Tezgör (Hrsg.):Sinope, The Results of Fifteen Years of Research. Proceedings of the International Symposium, 7–9 May 2009. Brill, Leiden/Boston 2012, S. 11–23 (mit Verweis auf unter anderem – allerdings nicht direkt belegte – Amazonenrituale in Sinope); für eine späte Entstehung des Mythos: Askold I. Ivantchik:Die Gründung von Sinope und die Probleme der Anfangsphase der griechischen Kolonisation des Schwarzmeergebietes. in: Gocha R. Tsetskhladze (Hrsg.):The Greek colonisation of the Black Sea area. Franz Steiner Verlag, Stuttgart 1998, S. 299–305.
↑DazuChristian Russenberger:Der Tod und die Mädchen. Amazonen auf römischen Sarkophagen (=Image & Context. Band 13). De Gruyter, Berlin/Boston 2015,ISBN 978-3-11-029839-0 (zugleich Dissertation, Universität Zürich 2010).
↑Vergil,Aeneis 1,490–493 (Übersetzung von Edith und Gerhard Binder): „Den Zug der Amazonen […] führt die rasende Penthesilea, lodert inmitten Tausender; […] eine Kriegerin, und es wagt die Jungfrau, sich mit Männern im Kampf zu messen.“
↑Walther Leonhard:Hettiter und Amazonen. Die griechische Tradition über die „Chatti“ und ein Versuch zu ihrer historischen Verwertung. Teubner, Leipzig 1911.
↑So beispielsweiseEduard Meyer:Geschichte des Altertums. Band 1,1:Einleitung. Elemente der Anthropologie. 1884, Kapitel 20:Die Frauen und Kinder. Der Rat der Alten. Soziale Gliederung. (Nachdruck von 1965 auf zeno.org): „Kriegerische Organisationen der Frauen sind aus dem Altertum überliefert […] Gleichartige Sitten müssen in Kleinasien in alter Zeit vorgekommen sein und zu den dort lokalisierten Amazonensagen, sowie zu der Sage von dem Kampf mit Athen Anlaß gegeben haben.“
↑Zu den ältesten Funden in dermilesischen Kolonie Sinope, die das überlieferte Gründungsdatum 631 v. Chr. ungefähr bestätigen siehe:Ekrem Akurgal –Ludwig Budde:Vorläufiger Bericht über die Ausgrabungen in Sinope. Türk Tarih Kurumu Basımevi, Ankara 1956.
↑abHistorisches Museum der Pfalz (Hrsg.):Amazonen. Geheimnisvolle Krieger. Begleitbuch zur Ausstellung Speyer 2010/11. München 2010, S. 11.
↑David W. Anthony:The Horse, the Wheel, and Language. How Bronze-Age Riders from the Eurasian Steppes Shaped the Modern World. Princeton University Press, Princeton 2007,ISBN 0-691-05887-3, S. 329 (Zitatansicht in der Google-Buchsuche).
↑Components of the Dinner Party. Elizabeth A. Sackler Center for Feminist Art, Brooklyn Museum, New York, abgerufen am 25. Juni 2018.