al-Idrisi



Abu Abd Allah Muhammad ibn Muhammad ibn Abd Allah ibn Idris al-Idrisi,arabisch أبو عبد الله محمد بن محمد بن عبد الله بن إدريس الإدريسي,DMGAbū ʿAbd Allāh Muḥammad b. Muḥammad b. ʿAbd Allāh b. Idrīs al-Idrīsī, kurzMuhammad al-Idrisi und latinisiertDreses (* um1100 inCeuta (?); †1166 aufSizilien) war einKartograph,Geograph undBotaniker.
Er studierte an der Universität vonCórdoba und lebte in Sizilien am Hofe desNormannenkönigsRoger II. Seine Reisen führten ihn unter anderem nachSpanien,Nordafrika undVorderasien.
Kindheit und Jugend
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Muhammad al-Idrisi entstammte einer langen Reihe von Prinzen, Kalifen undSufis. Als direkter Nachfahre derHammudiden (1016–1058), die ihrerseits einen Nebenzweig derIdrisiden (789–985) bilden, konnte er seinen Stammbaum bis zumPropheten Muhammad zurückverfolgen.
Als sein Geburtsort galt lange ZeitCeuta, wohin seine Familie nach demFall von Málaga (1057) geflohen war und wo al-Idrisi um 1100 n. Chr. geboren sei. Neuere Forschungen deuten jedoch darauf hin, dass er irgendwann gegen Ende des 11. Jahrhunderts inSizilien oder Süditalien zur Welt kam.[1] Aufgrund der instabilen politischen Lage inAndalusien hatte al-Idrisis Vater Zuflucht in Sizilien gesucht, wo die regierenden Normannen (lautIbn Dschubair) „einige wenige arabische Familien tolerierten und förderten, um im Gegenzug von deren Wissen zu profitieren“. Ob al-Idrisi die ausgedehnten Reisen, die ihm nachgesagt werden, tatsächlich unternommen hat, ist ebenfalls fraglich: „Falls al-Idrisi Sizilien jemals verlassen hat, dann wahrscheinlich nur für Reisen ins muslimische Nordafrika und Spanien“.[2] Früher hieß es, seine Feldforschungen hätten ihn quer durchEuropa, vonPortugal über diePyrenäen, die französische Atlantikküste entlang bis insKönigreich Jórvík, aber auch nachUngarn und in die muslimische Welt geführt. Sein Beiname (nisba)al-Qurṭubī lässt vermuten, dass er inCórdoba studiert hatte. Auch ein Aufenthalt inConstantine, wo er gelehrt haben soll, ist wahrscheinlich.[1]
Al-Idrisi, der Geograph
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Nachhaltigen Ruhm erlangte al-Idrisi durch seine geographischen Studien. Er verwendete Angaben desClaudius Ptolemäus und früher islamischer Gelehrter, aber auch selbst Erfahrenes ohne die in den mittelalterlichenMappae mundi damals üblichen christologischen Themen. Seine Karten behandeln auch Gegenden, die seit der spätenAntike der Christenheit in Europa zur Erforschung und zum Wissenserwerb nicht mehr zugänglich waren. Als muslimisch-arabischer Bewohner eines Großreiches hatte al-Idrisi Zugang zu Gebieten wie Westafrika, der arabischen Halbinsel, Indien, China und Zentralasien. Entsprechend dem geographischen Schwerpunkt ist in seinen Schriften Nordeuropa vergleichsweise wenig detailliert dargestellt.
Seine Arbeiten inspirierten und beeinflussten muslimische Geographen wieIbn Battuta,Ibn Chaldun undPiri Reis ebenso wie die christlichen SeefahrerChristoph Columbus undVasco da Gama.
Tabula Rogeriana
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Sein HauptwerkNuzhat al-Muschtāq fī ichtirāq al-āfāq (arabisch نزهة المشتاق في اختراق الآفاق,DMGnuzhat al-muštāq fī iḫtirāq al-āfāq ‚Reise des Sehnsüchtigen um die Horizonte zu durchqueren‘) verfasste al-Idrisi von 1138 bis 1154 fürRoger II. von Sizilien. Darin unterteilt er die Welt in siebenKlimazonen und liefert neben genauen Karten detaillierte Beschreibungen der kulturellen, politischen und sozioökonomischen Bedingungen der jeweiligen Regionen. Ergänzt wird das Buch von einer Karte der damals bekannten Welt, die in eine massive Silberscheibe von zwei Metern Durchmesser eingraviert ist.
Darin verknüpfte al-Idrisi das Wissen, welches über die Jahrhunderte von islamischen Kaufleuten und Forschern überAfrika, denIndischen Ozean und denFernen Osten gesammelt worden war, mit den Informationen der normannischen Seefahrer über die nördliche Welt zur akkuratesten Landkarte derVormoderne. Während allerdings der eurasische Kontinent in seiner Gesamtheit dargestellt war, wurde vom afrikanischen Kontinent nur der nördliche Teil abgebildet. Außerdem fehlen Details desHorns von Afrika undSüdostasiens.Die Identifizierung der dokumentierten Orts- und Landschaftsnamen wird allerdings dadurch erschwert, dass sie überwiegend auf mündliche Auskünfte zurückgehen, die al-Idrisi mit arabischen Buchstaben festhielt.
Das Werk liegt nunmehr in der sorgfältig bestellten Edition derIstituto Italiano per il Medio e l'Estremo Oriente at Rome unter der Mitwirkung mehrerer Wissenschaftler vor:Opus Geographicum sive liber ad eorum delectationem qui terras peragrare studeant.[3] Deutsch ist das Kartenwerk durch die „Mappae Arabicae“ von Miller zugänglich. Der zugehörige Text kann auf Französisch einer neueren Ausgabe bei Flammarion entnommen werden.
Mit demNuzhat al-Muschtāq fī ichtirāq al-āfāq schuf al-Idrisi ein Kompendium, das über drei Jahrhunderte das Standardwerk der Kartographie blieb. Die originale Silberplatte wurde im Zuge eines Aufstandes zerstört. Die Teilkarten blieben dagegen erhalten und erlauben eine Rekonstruktion der zerstörten Weltkarte.
Al-Idrisi, der Biologe
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Al-Idrisi studierte daneben auch sämtliche damals bekanntenHeilpflanzen. Da in seinen Augen die Wissenschaft seit demAltertum kaum Fortschritte gemacht hatte, begann er selbst Pflanzen zu sammeln, zu katalogisieren und ihre Wirkung zu erforschen. Die Ergebnisse seiner Arbeit fasste er in diversen Büchern zusammen. Das bedeutendste davon ist dasKitāb al-Dschāmiʿ li-Aschtāt an-Nabāt / كتاب الجامع لأشتات النبات /Kitāb al-ǧāmiʿ li-aštāt an-nabāt / ‚Das Sammelwerk für die Pflanzenarten‘, dessen Handschrift der deutsche OrientalistHellmut Ritter 1928 in der Istanbuler Fatih Handschriftenbibliothek entdeckt hat.
Rezeption
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- Der RomanDer Sultan von Palermo des britischen AutorsTariq Ali zeichnet al-Idrisis Leben am Hof Rogers II. zwischen Wissenschaft und Politik nach. Wiewohl Fiktion, gibt die Handlung faktentreu und detailreich Einblick in das mittelalterliche Europa zwischen Orient und von den Päpsten geprägtem Christentum, sowie in das Schaffen al-Idrisis.
- Al Idrisi ist der Titelheld von Jon Fasmans BuchDie Bibliothek des Alchimisten.
- Das Werk des Mohammed al-Idrisi hatte starken Einfluss auf andere europäische Autoren wieMarino Sanudo der Ältere,Antonio Malfante († 1450),Jaume Ferrer undAlonso Fernández de Lugo.
- Das von derClark University entwickelteGeoinformationssystem IDRISI trägt seinen Namen zu Ehren von Mohammed al-Idrisi. Die damit erforschten Daten unterstützen bei Umweltmanagement und nachhaltiger Ressourcenbewirtschaftung.
- DieIAU benannte ein Gebirge auf dem PlutoAl-Idrisi Montes.[4]
Literatur
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- Konrad Miller:Mappae Arabicae. Nachdr. 1994 d. Ausg. Stuttgart 1926–1931. Universität Frankfurt Inst. f. Gesch. d. Arabisch-Islamischen Wiss.ISBN 978-3-8298-1218-4
- Idrîsî, La Première Géographie de l'Occident. Flammarion, Paris 1999.ISBN 2-08-071069-9
- Wilhelm Hoenerbach:Deutschland und seine Nachbarländer nach der großen Geographie des Idrisi. (1162, Sektionen 5, 2 u. 6, 2), Kohlhammer, Stuttgart 1938
- G. Oman:Notizie bibliografiche sul geografo arabo al-Idrisi (XII secolo) e sulle sue opere. In: Annali dell' Istituto Universitario Orientale di Napoli (AIUON). Neue Serie XI (1961), 25–61, XII S. 193–194
- J. H. Kramers:La Littérature géographique classique des musulmans. In: Analecta Orientalia, 2 (1956), S. 172–204
- M. Amari:Dal Kitab Nuzhat al-mushtâq ecc. (Sollazzo per chi si diletta di girare il mondo) per Abû 'Abd Allâh Muhammad Ibn 'Abd Allâh Ibn Idrîs. In: Biblioteca Arabo-Sicula. Turin-Rom 1880, I. S. 33–133
- The Encyclopaedia of Islam. New Edition. Brill, Leiden. Bd. 3, S. 1038
- Tariq Ali:Der Sultan von Palermo. 2005,ISBN 3-7205-2637-2
- Jean-Charles Ducène:Le delta du Nil dans les cartes du Nuzhat al-mustaq d'al-Idrisi. In: Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft (ZDMG), Band 154 (2004), S. 58–71
Weblinks
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- Literatur von und über Al-Idrisi im Katalog derDeutschen Nationalbibliothek
- Idrisi bei www.mscgis.info (Memento vom 14. April 2005 imInternet Archive) – ein Rückblick auf Abu Abdullah Muhammad al-Idrisi als Namensgeber für das Softwarepaket IDRISI
Quellen
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- ↑abKate Fleet u. a. (Hrsg.): Encyclopaedia of Islam Online THREE. Brill, 2021, S. s.v. al-Idrīsī, Abū ʿAbdallāh, abgerufen am 8. April 2021 (englisch).
- ↑Yossef Rapoport:Islamische Karten. Der andere Blick auf die Welt. wbg Edition, Darmstadt 2020,ISBN 978-3-534-27205-1,S. 96 f.
- ↑Hrsg. F. Cerulli, G. Gabrieli, Lévi Della Vida u. a., Neapel, Rom 1970 ff.
- ↑Pluto Features Given First Official Names. 7. September 2017, abgerufen am 9. September 2017 (englisch).
Personendaten | |
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NAME | al-Idrisi |
ALTERNATIVNAMEN | Dreses; al-Idrisi, Muhammad; al-Idrisi, Abu Abdullah Muhammad |
KURZBESCHREIBUNG | Kartograph, Geograph und Botaniker |
GEBURTSDATUM | um 1100 |
GEBURTSORT | Ceuta |
STERBEDATUM | 1166 |
STERBEORT | Sizilien |