Agathe Zeis

Agathe Marie Dorothea Zeis (geb. Rudolf, *29. Mai1840 beiOschatz; †27. Dezember1887 inBern) gründete und betrieb auf demVorwerk Heinrichsthal beiRadeberg die erste deutsche Lehrmeierei. Sie führte den französischenCamembert in Deutschland ein.
Leben
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Nach der Schulausbildung arbeitete Agathe geb. Rudolf auf dem RittergutNaundorf bei Oschatz. Bei dem BesitzerBernhard von der Planitz erhielt sie eine landwirtschaftliche Ausbildung.[1]
Agathe Zeis war mit dem ausPodemus stammenden Gutsinspektor Hermann Alexander Zeis verheiratet. Von 1863 bis 1876 hatte das Ehepaar das Oschatzer Postgut gepachtet. Nach Ablauf der Pachtzeit 1877 kaufte Hermann Zeis das VorwerkHeinrichsthal bei Radeberg.[2] Um 1880 schrieb Agathe Zeis eines der ersten Lehrbücher zur Milchwirtschaft, das den Titel„Die Milch und die Butter. Ein Lehrbuch für die Ausbildung junger Mädchen in der Hauswirtschaft im allgemeinen, wie in der Milchwirtschaft im besonderen“ trug. Das Buch wurde seinerzeit nicht gedruckt; das Manuskript blieb jedoch erhalten. Im Jahr 2010 erschien Zeis’ Lehrbuch anlässlich des 130. Jubiläums der Camembert-Käserei in Heinrichsthal[3] erstmals im Druck.
Das Ehepaar Zeis blieb kinderlos.
Im Dezember 1887 erkrankte Agathe Zeis während ihres Aufenthaltes inBern schwer anGelbsucht, sie verstarb am 27. Dezember 1887 im Universitäts-Spital in Bern anLeberversagen. Die Beisetzung erfolgte auf dem BernerBremgartenfriedhof.[1]
Nach demKonkurs 1887 und derZwangsversteigerung der Meierei Heinrichsthal 1888 gründete Hermann Zeis 1896 inZell im Odenwald eine Molkerei, er wirkte dort bis zu seinem Tod am 15. Oktober 1898.[1]
Wirken
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Zeis hospitierte zwischen 1880 und 1882 in den MolkereischulenRastede undGroß Himstedt und schließlich beiWilhelm Fleischmann, dem Leiter der Höheren MolkereianstaltRaden beiLalendorf (Mecklenburg). Am 1. Juli 1880 konnte sie mit Unterstützung des Sächsischen Landeskulturrates und mit späteren Schüler-Stipendien der Sächsischen KöniginCarola ihre „Lehrmeierei Heinrichsthal – Haushaltungsschule für landwirtschaftliche Töchter“ gründen und Unterricht in Milch- und Hauswirtschaft erteilen. Insgesamt erhielten 182 Schülerinnen eine Ausbildung in der Lehrmeierei, u. a. aus Österreich, Polen, Frankreich und Amerika. 1885 musste Zeis die Lehrtätigkeit aus gesundheitlichen Gründen vorübergehend einstellen.[2]
Auf der vom 11. bis 13. September 1880 in Radeberg auf dem Festplatz hinter dem Schießhaus vom „Landwirtschaftlichen Kreisverein zu Dresden“ veranstalteten „Gewerbe- und Landwirtschaftlichen Ausstellung“ ist auch die Lehrmeierei Heinrichsthal mit einer Medaille ausgezeichnet worden. Am 13. September 1880 besuchte KönigAlbert von Sachsen diese Ausstellung[4] und traf dort mit Agathe Zeis zusammen. Von ihm erhielt sie die Anregung, den beliebten französischen Camembert selbst imKönigreich Sachsen bzw. imDeutschen Reich zu produzieren. Agathe Zeis reiste 1883 in dieNormandie und studierte die Herstellung des Französischen Fromage de Camembert. 1883 stellte sie in ihrer Meierei Heinrichsthal den ersten deutschen Camembert nach französischem Vorbild her. AuchBrie undNeufchâtel nahm sie in das Produktionsprogramm auf.[2]
1884 erhielt sie das Patent zur Herstellung von Weichkäse nach französischer Art. Die Lehr-Meierei Heinrichsthal Radeberg wurde zum ersten Produktionsstandort von Camembert im Deutschen Reich. Ihr Personal bestand zu dieser Zeit aus 2 Meierinnen, 4 Gehilfinnen, 1 Maschinisten (zugleich Kistenmacher) und 1 Buchhalter.[2] Das Absatzgebiet beschränkte sich vorerst auf den Großraum Dresden, konnte aber rasch weit über das Königreich Sachsen hinaus erweitert werden.
Um den gestiegenen Bedarf befriedigen zu können, errichtete das Ehepaar Zeis 1884 inLöbau (speziell für die Herstellung von Neufchâtel) und 1886 inBautzen je eine Käserei, in derMolkerei inLauterbach inHessen bauten sie 1886 eine Käserei auf.
Aufgrund der landesweit schnellen Entwicklung der Milchwirtschaft und der guten Wirtschaftslage der Meierei entstanden 1887 Pläne zu deren Anlagen-Erweiterung und Erhöhung der Produktions-Kapazität, die an Anleihen und langfristige Festpreise für den Mich-Aufkauf gekoppelt waren. Im Widerspruch dazu stand jedoch der generell nicht proportional steigende Vertrieb und Konsum für Molkereiprodukte. Das daraus resultierende Überangebot führte zu einem allgemeinen Preisverfall und auch im Heinrichsthal zu existentiellen finanziellen Schwierigkeiten, so dass das Ehepaar Zeis die Molkerei Löbau verkaufen und den Pachtvertrag mit Bautzen lösen musste.[1]
Agathe Zeis versuchte im Juni 1887 vergebens, bei ihrem ehemaligen Schüler Charles Baumert, der in Antwerp im US-BundesstaatNew York[2] die Feinkäserei Baumert[5] aufgebaut hatte,Anleihen zu beschaffen. Während eines weiteren ebenfalls ergebnislosen Versuches zur Kapital-Beschaffung bei dem befreundeten Felix Anderegg, einem Wegbereiter der damaligen Schweizer Milchwirtschaft, inBern im Dezember 1887 erkrankte Agathe Zeis schwer.[1]
Das KöniglicheAmtsgericht Radeberg hatte noch im Dezember 1887 Konkurs über das Vermögen des Ehepaares Zeis angemeldet und bereits am 19. April 1888 die Zwangsversteigerung der RadebergerImmobilien angekündigt. Die Lehrmeierei Heinrichsthal wurde aus dem Handelsregister gelöscht.
Würdigungen
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Aufgrund der Produkt-Qualität und der soliden Führung der Meierei hat König Albert von Sachsen am 26. November 1883 „…der Vorsteherin der Lehrmeierei zu Heinrichsthal Agathe’n Zeis … das Prädikat ‚Königliche Hoflieferantin‘…“ verliehen. Die Meierei wurde in die Liste der„Königlich-Sächsischen Hoflieferanten“ aufgenommen.
Auf der 1884 inMünchen durchgeführten Molkerei-Ausstellung erhielt Agathe Zeis den „Ehrenpreis“ als die höchste dort vergebene Auszeichnung für ihren Heinrichsthaler Camembert. Die Auszeichnungs-Kommission prüfte vor der Verleihung auch die Produktionsstätten, insbesondere auch die hygienischen Verhältnisse.[2]
1937 wurde eine hölzerne Gedenktafel im Sitzungssaal derHeinrichsthaler Milchwerke aufgehängt, die an Agathe Zeis erinnert. Es handelt sich dabei um das zweite deutsche Käsereidenkmal. Der Text auf der Gedenktafel beginnt mit den Worten „Es war im Jahre des Heils Eintausendachthundertachtzig, daß am 1. Juli eine ehrsame Frau aus altem sächsischen Bauerngeschlecht, Agathe Zeis mit Namen, die Heinrichsthaler Milchindustrie gründete. Stund in jenen Zeiten gar schlecht um die sächsische Milchwirtschaft.“ Sodann wird geschildert, wie wenig Aufmerksamkeit zu Zeis’ Zeit die Milchwirtschaft in Heinrichsthal erfuhr, ehe eine entscheidende Wandlung eintrat: „Es begab sich aber zu jener Zeit, daß einer derLefeld geheißen, die erste Milchzentrifuge erbaute. Ob auch der gemeine Mann nicht ahnte, was damit geschehen, so erkannte mit wenigen anderen auch unsere Agathe Zeis mit klarem Blick, es sei hiermit etwas geschaffen, daß hinfüro der Milchwirtschaft eine neue Grundlage geben würde.“ Sodann werden Gründung und Aufbau der Heinrichsthaler Milchwerke geschildert, bevor Agathe Zeis' Reise nach Frankreich Erwähnung findet, von der sie die Kunst zurückgebracht habe, deutschen Camembert herzustellen, der „nicht nur gleich gut wie der französische“ gewesen sei, woraufhin sie zur (sächsischen) Hoflieferantin ernannt worden sei. Außerdem habe der Deutsche Milchwirtschaftliche Verein ihr 1886 die einzige Goldmedaille, die vergeben worden sei, verliehen.[6]
Ein weiteres Denkmal für Agathe Zeis sollte in Bern errichtet werden. Dieser Plan wurde jedoch nicht ausgeführt. Bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts blieb Agathe Zeis’ Grabstein auf demBremgartenfriedhof in Bern erhalten. Er trug die Aufschrift: „Agathe Zeis 1840 – 1887. Gewidmet von ihren dankbaren Schülern“.
In Radeberg ist eine Straße nach ihr benannt worden.
Einzelnachweise
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- ↑abcdeManfred Schollmeyer:Geheimnisse um die Mutter des deutschen Camembert. In:Sächsische Zeitung vom 6. / 7. Januar 2018 (Online).
- ↑abcdefSächsische Pioniere der Milchwirtschaft. in: Deutsche Molkerei-Zeitung, Kempten, 60. Jg., 1939, Heft 22 .Online-Ressource (Memento vom 28. März 2016 imInternet Archive)
- ↑Die Milch und die Butter, Verein Milch & Kultur Rheinland und Westfalen, 2010,ISBN 978-3-9810663-5-7.
- ↑Radeberger Chronik 1840–1904. S. 393. Handschriftliches Manuskript. Archiv-Nr. 00003477. Museum Schloss Klippenstein Radeberg
- ↑List of butter and cheese factories… in Jefferson County N.Y. State, abgerufen am 28. Februar 2018
- ↑zitiert bzw. referiert nach der Umschrift aufAgathe Marie Dorothea Zeis. Verein Milch und Kultur, abgerufen am 11. Juli 2020.
Personendaten | |
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NAME | Zeis, Agathe |
ALTERNATIVNAMEN | Zeis, Agathe Marie Dorothea |
KURZBESCHREIBUNG | deutsche Käsespezialistin |
GEBURTSDATUM | 29. Mai 1840 |
GEBURTSORT | beiOschatz |
STERBEDATUM | 27. Dezember 1887 |
STERBEORT | Bern |