DerKrieg entwickelte sich aus einemAufstand der Niederländer gegen den spanischen und katholischen LandesherrnPhilipp II., der vor allem vonCalvinisten ausging. Nachdem die Spanier den ersten Aufstand noch hatten unterdrücken können, entwickelten sich ab 1572 abermals Unruhen, die nach und nach das ganze Land erfassten. Mit Ausnahme desZwölfjährigen Waffenstillstands in der Zeit von 1609 bis 1621 dauerten die Kämpfe bis 1648 an. Schließlich erkannte Spanien die Unabhängigkeit der nördlichen Niederlande imFrieden von Münster (nicht gleichzusetzen mit demWestfälischen Frieden, welcher denDreißigjährigen Krieg beendete) offiziell an.
Vor dem Krieg wurden die Spanischen Niederlande, die damals sowohl die heutigen Niederlande als auchBelgien,Luxemburg undeinen Teil Nordfrankreichs umfassten, als Teil des ehemaligenHerzogtums Burgund vomspanischen Zweig der Habsburger beherrscht und gehörten teilweise zumHeiligen Römischen Reich. Sie bestanden aus 17 Provinzen. Um die Mitte des 16. Jahrhunderts verbreitete sich in den Niederlanden im Zuge derReformation derCalvinismus. Die Niederlande stellten damals eine bedeutende wirtschaftliche Macht dar.Antwerpen war ein Zentrum des europäischenKapitalmarktes. Antwerpen undRotterdam waren durch ihre Häfen außerdem bedeutende Umschlagplätze für den Handel mit Waren aus Übersee und den neuen Kolonien inSüdamerika. Wegen dieser geballten wirtschaftlichen Macht und wegen der wichtigen strategischen Lage waren die spanischen Habsburger nicht gewillt, die Niederlande aus ihrem Besitz zu entlassen.
Philipp II. übernahm die Herrschaft über die Niederlande 1555 von seinem VaterKarl V. Er setzte die bereits unter diesem begonnenen Ketzerverfolgungen, die Unruhen in den Niederlanden hervorgerufen hatten, noch konsequenter fort, ohne allerdings – wie von den Gegnern befürchtet und in Propagandaschriften häufig behauptet – diespanische Inquisition in den Niederlanden einführen zu wollen.[1] Im Jahre 1559 ernannte er im Zuge einer kirchlichen Reorganisation neue Bischöfe, die auch in den Generalständen der Provinzen, den sogenanntenGeneralstaaten, vertreten sein sollten, und verkleinerte dieBistümer. Damit wollte Philipp einerseits dieGegenreformation verschärfen, andererseits aber auch dieständischen Freiheiten, die den Provinzen im „Großen Privileg“ 1477 zugestanden worden waren, wieder rückgängig machen. Als Statthalterin in den Niederlanden setzte er seine HalbschwesterMargarethe von Parma ein und stellte ihr als ersten Minister den Bischof vonMechelen, KardinalAntoine Perrenot de Granvelle, zur Seite. Philipp selbst ging 1560 wieder nach Spanien zurück; 1561 zog er dann auch seine Truppen aus den Niederlanden ab.
Einige Mitglieder des niederländischen Staatsrates unter der Führung vonWilhelm I. von Oranien und der Grafen vonEgmond undHoorn protestierten vehement gegen diese Änderungen und erzwangen 1564 Granvelles Rücktritt. In einer Bittschrift, dem sogenannten „Adelskompromiss von Breda“, forderten die Aufständischen (die sich selbst „Geusen“, übersetzt: „Bettler“, nannten) von der StatthalterinMargarethe von Parma explizit die Beendigung der Glaubensverfolgung derProtestanten sowie die Wiederherstellung ihrer ständischen Freiheiten.
Orte wichtiger militärischer Auseinandersetzungen im Jahr 1568
Der Protest gegen die spanische Herrschaft erreichte im selben Jahr mit denBilderstürmen derCalvinisten einen ersten Höhepunkt. Philipp entsandte daraufhin 1567 denHerzog von Alba,Fernando Álvarez de Toledo, als neuen Statthalter mit spanischen Truppen zu einerStrafexpedition in die Niederlande. Alba gelang es zunächst, die regionalen Aufstände mit Hilfe eines Sondergerichtes, des so genanntenBlutrats von Brüssel, zu unterdrücken. Dabei wurden 1037[2] Aufständische hingerichtet, unter ihnen die Grafen von Egmond und von Hoorn. Im selben Jahr besiegte Alba auch die niederländischen Truppen unter Führung vonWilhelm I. von Oranien.
Die Schlacht von Heiligerlee (1568) in einer zeitgenössischen DarstellungDie Befreiung von Leiden (1574), Glasmalerei aus derSint Janskerk inGouda (1603)
Mit seinen rücksichtslosen und willkürlichen Aktionen provozierte Alba jedoch neue Aufstände der Niederländer. Waren die Unruhen bis dahin meist regional begrenzt und noch größtenteils unkoordiniert, so erfasste der Aufstand nun das ganze Land. Die Behauptung, dieKongregation der römischen und allgemeinen Inquisition unter PapstPius V. habe in einem Dekret vom 16. Februar 1568 faktisch alle etwa drei Millionen Niederländer wegenHäresie zum Tode verurteilt und habe nur wenige benannte Personen davon ausgenommen, geht jedoch auf eine Fälschung zurück.[3]
In einer diplomatischen Geheimkonferenz vom 2. bis 4. April 1568 auf SchlossFreudenberg (imSiegerland, Südwestfalen) wurde einer Delegation der Edlen von Gelderland die militärische Unterstützung im Kampf gegen Spanien durch Wilhelm I. von Oranien zugesagt. Der Achtzigjährige Krieg begann mit dem ersten militärischen Aufeinandertreffen beider Seiten in derSchlacht von Heiligerlee 1568, in derAdolf von Nassau, der Bruder Wilhelms von Oranien, fiel.
Vor allem die „Wassergeusen“ genannten niederländischenKaperschiffer machten in der Folge den Spaniern durch ihre fortwährenden Angriffe auf Seetransporte und Stützpunkte schwer zu schaffen. 1572 gelang ihnen der größte Erfolg, als sie die ProvinzenZeeland undHolland eroberten. AlsStatthalter der befreiten Provinzen wurde Wilhelm I. von Oraniengewählt, womit ihm faktisch die Führung des Widerstandes gegen Spanien übertragen wurde.
1573 wurde Alba durch DonLuís de Zúñiga y Requesens abgelöst. Auch wenn der neue Statthalter zunächst erfolgreicher als sein Vorgänger war, gelang den Aufständischen erneut ein großer Sieg: Sie fluteten das Land, segelten nachLeiden und befreiten die Stadt von den spanischen Belagerern (Belagerung von Leiden). Gemeinsam formulierten alleSiebzehn Provinzen ihre Forderungen nach Abzug der spanischen Truppen und religiöser Toleranz in der „Genter Pazifikation“ (1576). Sie wurde von den Generalstaaten in Antwerpen ratifiziert. Der neue spanische Statthalter DonJuan de Austria, ein Halbbruder des KönigsPhilipp II., akzeptierte die Forderungen formal, trotzdem gingen die Unruhen weiter. Die Genter Pazifikation sollte die letzte gemeinsame Handlung der Siebzehn niederländischen Provinzen sein.
Im Jahre 1579 zerbrach die in der Genter Pazifikation dokumentierte Einheit der niederländischen Provinzen an konfessionellen Gegensätzen. Einige südliche, überwiegend französischsprachige Provinzen schlossen sich am 6. Januar zur (katholischen)Union von Arras (niederländisch:Atrecht) zusammen. Die nördlichen Provinzen mit überwiegend calvinistischer Bevölkerung schlossen sich dagegen am 23. Januar zurUtrechter Union zusammen. Auch die Staaten Flanderns und Brabants waren Mitglied der Utrechter Union. Sie opponierten weiter gegen Spanien und verlangten das Recht auf freie Religionsausübung. Am 24. Juli 1581 bildeten die Provinzen der Utrechter Union dieRepublik der Vereinigten Niederlande, erklärten imPlakkaat van Verlatinghe ihre Unabhängigkeit vom König und ernannten Wilhelm I. von Oranien zum Statthalter in den verschiedenen Staaten. Als treibende Kraft hinter der Utrechter Union und der Unabhängigkeitserklärung gilt die ProvinzHolland. Die Trennung der Niederlande in die „Generalstaaten“ und die „Spanischen Niederlande“ war nun besiegelt. Aus dem Aufstand der Niederlande gegen die spanischen Besatzer, der im Süden seinen Anfang nahm, wurde jetzt ein Kampf um Unabhängigkeit der Generalstaaten.
Die nicht der „Union von Arras“ beigetretenen Teile der südlichen Provinzen wurden zwischen 1581 und 1585, teils nach schwierigen Belagerungen, von den Spaniern unter dem neuenStatthalterAlexander Farnese, dem Sohn Margaretes von Parma, unterworfen. Auch große Teile der nordöstlichen Niederlande wurden in diesen Jahren von den Spaniern erobert, aber diese Eroberungen wurden nach 1589 von den Rebellen rückgängig gemacht. Erfolgreich verlief am Ende nur der Unabhängigkeitskrieg im Norden. Zwar wurde Wilhelm 1584 vom KatholikenBalthasar Gérard ermordet, die Generalstaaten konnten sich jedoch relativ schnell auf Wilhelms SohnMoritz von Oranien als Nachfolger einigen. Als Alexander Farnese 1585 Antwerpen eroberte, waren die Provinzen der Utrechter Union auf das Höchste gefährdet. Es gelang jedoch demLandesadvokaten der Provinz Holland,Johan van Oldenbarnevelt, 1596 einen Pakt der Generalstaaten mitEngland auszuhandeln. Mit dessen finanzieller und militärischer Unterstützung wurde der Krieg gegen Spanien weitergeführt. Gleichzeitig reformierte Moritz von Oranien das niederländische Heer (Oranische Heeresreform), welches so schon bald der militärischen Übermacht der Spanier Paroli bieten konnte.
Im Jahre 1598 starb Philipp II. von Spanien. Damit gingen die südlichen, das heißt die „Spanischen Niederlande“ in die Hände seiner TochterIsabella und ihres Ehemannes, desErzherzogs Albrecht von Österreich, über. Im Jahre 1601 begannen die spanischen Truppen mit der verlustreichenBelagerung von Ostende, die unterAmbrosio Spinola 1604 erfolgreich beendet wurde. Die Niederländer verloren somit ihren letzten Stützpunkt inFlandern. Am 12. April 1609 − zwei Jahre nach derSeeschlacht bei Gibraltar − konnten sich beide Seiten in Antwerpen auf einenzwölfjährigen Waffenstillstand einigen.
Spanien strebte Frieden mit den Niederlanden an, um seine übrigen Kräfte auf denKrieg gegen Frankreich konzentrieren zu können. Auch in den Niederlanden, und hier vor allem in der ProvinzHolland, formte sich im Laufe der 1640er Jahre eine republikanisch-patriziatische Elite, die für diesen Frieden eintrat. Hier waren vor allem die Amsterdamer PatrizierAndries undCornelis Bicker,Cornelis undAndries de Graeff,[4] sowieJacob de Witt aus Dordrecht, die für eine Beendigung des Krieges sowie für eine Reduzierung der Landstreitkräfte eintraten.[5] Dieser andauernde Kriegszustand verhinderte das wirtschaftliche Wachstum und die gesellschaftliche Entwicklung der Vereinigten Niederlande. Ebenfalls stärkte dieser Kriegszustand die Macht des Statthalters als Oberbefehlshaber der Streitkräfte, was nicht im Sinne der Republikaner war. Dies verstärkte den Konflikt zwischen ihnen und StatthalterFriedrich Heinrich von Oranien sowie denReformierten Hollands.
Nach dem Tod Friedrich Heinrichs 1647 setzte die Provinz Holland zusammen mit drei weiteren Provinzen die Verhandlungen mit Spanien gegen den Widerstand von Friedrich Heinrichs SohnWilhelm II. fort. 1648 schlossen die Vereinigten Niederlande aufgrund des immensen politischen Drucks des gesamtenBicker-De Graeff Clans[6] die Friedensverhandlungen mit Spanien ab, die imFrieden von Münster mündeten.[7] Diese Verhandlungen waren ein separater Teil desWestfälischen Friedenskongresses, der das Ende des Dreißigjährigen Krieges und des Achtzigjährigen Krieges bedeutete und zugleich die internationale Anerkennung der Republik der Vereinigten Niederlande brachte.
Ab dem Jahre 1600 drangen wiederholt niederländische Kaperfahrer in die Gewässer derPhilippinen ein und störten die Handelsrouten empfindlich. Das erste Aufeinandertreffen von spanischen und niederländischenGaleonen in den Gewässern der Philippinen fand am 12. Dezember 1600 statt und endete mit der Versenkung derSan Diego. Mit dem Erstarken der Niederländer inSüdostasien versuchten diese im Jahre 1646 den Archipel der Philippinen zu erobern. Dieser Angriff auf die spanische Oberhoheit wurde in den fünfSeeschlachten der La Naval de Manila abgewehrt.[8]
Goethes TrauerspielEgmont spielt in der StadtBrüssel während des Aufstands der Niederländer 1566–1568 gegen die spanische Herrschaft; das Ende des Trauerspiels entspricht historisch dem Anfang des Achtzigjährigen Krieges.
Patricia Bobak,Horst Carl:Außer Rand und Band? Frühneuzeitliche Söldner als Gewaltgemeinschaften im niederländisch-spanischen Krieg, in: Winfried Speitkamp (Hrsg.):Gewaltgemeinschaften. Von der Spätantike bis ins 20. Jahrhundert. V&R unipress, Göttingen 2013, S. 163–184,ISBN 978-3-8471-0063-8.
Michael Erbe:Belgien, Niederlande, Luxemburg: Geschichte des niederländischen Raumes. Kohlhammer, Stuttgart/Berlin/Köln 1993,ISBN 3-17-010976-6.
Anton van der Lem:Opstand! Der Aufstand in den Niederlanden. Wagenbach, Berlin 1996,ISBN 3-8031-2259-7.
↑Monique Weis:Die Inquisition in den Spanischen Niederlanden als Thema der diplomatischen Beziehungen zum Heiligen Römischen Reich. In: Albrecht Burkardt, Gerd Schwerhoff (Hrsg.):Tribunal der Barbaren? Deutschland und die Inquisition in der Frühen Neuzeit. UVK, Konstanz/München 2012, S. 101–111 (hier: S. 102 u. ö.).
↑Anton van der Lem, Die Entstehung der Niederlande aus der Revolte, Berlin 2016, S. 71
↑Edward Peters:Inquisition. University of California Press, Berkeley 1989, S. 152; J. S. Bromley/E. H. Kossmann:Britain and the Netherlands. Volume V:Some political mythologies. Martinus Nijhoff, Den Haag 1975, Springer 2012, S. 41 f.;Gerd Schwerhoff:Die Inquisition: Ketzerverfolgung in Mittelalter und Neuzeit. C.H. Beck, München 2004, S. 124–125; s. a. Evelyn Mischung:Entdeckungsreise in die spanische Vergangenheit. BoD Norderstedt 2016, S. 348; Dirk Maczkiewitz:Der niederländische Aufstand gegen Spanien (1568–1609). Eine kommunikationswissenschaftliche Analyse. Waxmann, New York/München/Berlin 2007, S. 262.