
Abrüstung (englischDisarmament) bezeichnet die Begrenzung, Reduzierung oder Abschaffung militärischer Potenziale, einschließlichSoldaten,Waffen,Sprengköpfen,Waffensystemen undTrägermitteln.[1] Sie betrachtet militärische Mittel als potenzielle Gefahren für die Sicherheit und vermittelt eine kritische Sicht auf Rüstung.[2]
Das Konzept der Abrüstung zielt auf die teilweise oder vollständige Abschaffung militärischer Ressourcen oder Mittel ab, um die zwischenstaatliche Gewaltanwendung einzudämmen oder auszuschließen. Es fordert die Begrenzung oder Vernichtung von Waffen.
Ein Staat kann die Entscheidung zur Abrüstungeinseitig treffen. Ebenso ist einebilaterale Entscheidung zwischen zwei Staaten oder einemultilaterale Entscheidung zwischen mehreren Staaten möglich.
Abrüstung soll die Durchsetzung desGewaltverbots gemäß Artikel 2 (4) derCharta der Vereinten Nationen fördern. Es besteht jedoch keine Pflicht zur vollständigen Abrüstung.
Abrüstung steht derAufrüstung gegenüber – oder umgekehrt.
Heutzutage ist Abrüstung Teil des weiter gefassten Begriffs und Konzepts derRüstungskontrolle (englischarms control). Letztere hat – im Vergleich zur älteren Vorstellung der Abrüstung – das übergeordnete Ziel, die Sicherheit zu erhöhen, wobei Waffen und Militär als Tatsache anerkannt werden. Die gegenseitige Kontrolle (durchInspektion undVerifikation) soll den Bau neuer Waffen eingrenzen bzw. verhindern. Die Methoden sind ebenso notwendig, um die Einhaltung der Verträge (Compliance) zu gewährleisten und die Abrüstung von Waffen zu bestätigen.[3][4]
Rüstungskontrolle zielt auf die Reduzierung von Bedrohungen, die Förderung der Stabilität, die Verhinderung bzw. Eindämmung des Aufrüstens (Wettrüsten) und der damit verbundenen Kosten sowie die Begrenzung von Schäden im Konfliktfall ab. Im Gegensatz zur Abrüstung zielt die Rüstungskontrolle somit darauf ab, Sicherheit umfassender zu gewährleisten. Statt Konfliktlagen zu beseitigen, zielt sie darauf ab, die Gefahren militärischer Auseinandersetzungen durch Stabilisierungsmaßnahmen in der Rüstungspolitik und -technik zu reduzieren. Dies kann beispielsweise in Form einer kooperativen und kontrollierten Rüstungsproduktion zwischen konkurrierenden Staaten erfolgen.
Abrüstung kann auchintrinsisch erfolgen, beispielsweise durchtechnologische Fortschritte in derWehrtechnik oder in verwandten Bereichen. So wurden beispielsweise die meistenSchlachtschiffe aus dem Bestand der Seestreitkräfte ausgemustert und durch moderneFlugzeugträger,Fregatten und U-Boot-Verbände ersetzt.[5] Ein anderes Beispiel sind die britische und strategischeV-Bomber-Flotte, derenAbschreckungswirkung durch die verbessertenAbwehrsysteme derUdSSR stark beeinträchtigt wurde. Bis heute setzt Großbritannien auf eine Abschreckung durchAtom-U-Boote undSee-basierte Interkontinentalraketen (SLBM) und musterte die V-Bomber nach und nach aus. Ähnliche Entwicklungen zeichneten sich auch bei Interkontinentalraketen (ICBM) ab. Technologisch hat man sich von der Technik der V2 (A4) bis heute zu hochmodernen ICBMs wie derMinuteman III weiterentwickelt.
Einige Staaten und Organisationen führen sogenannte Reintegrationsprogramme[6] durch, die darauf abzielen, ehemalige Soldaten (Veterane), die oft ein Leben lang unter den Folgen einerposttraumatischen Belastungsstörung leiden, in diezivile Gesellschaft zurückzuführen. Sowohl die Abrüstung im Sinne einer militärischenEntdoktrinierung als auch die Reintegration stehen jedoch vor zahlreichen Herausforderungen.[7][8]
Die politischen Programme zu diesem Thema laufen im Rahmen einer Strategie zurenglischDisarmament, Demobilisation and Reintegration (DDR)‚Abrüstung, Demobilisierung und Wiedereingliederung (ADW)‘.[6][9]
Als Problem im Zusammenhang mit Abrüstung werden häufig deren ökonomische Folgen gesehen. Staaten mit hoch entwickelterRüstungsindustrie sind schwer zurRüstungskonversion[10] zu bewegen. Andererseits wird aufgrund eingesparterRüstungsausgaben eine „Abrüstungs-“ oder „Friedensdividende“ erwartet.
Für die Kosten der Rüstung, sieheAufrüstung.

Die Abrüstung im nuklearen Zeitalter begann 1946 mit dem Versuch, die Atomenergie (und speziell die Atomwaffen) zu regulieren bzw. zu kontrollieren. Dieses frühe Vorhaben, der sogenannteBaruch-Plan, ist jedoch gescheitert. Erst 1968 trat derAtomwaffensperrvertrag in Kraft, der die Verbreitung von Atomwaffen verhindern soll. Die Idee der Abrüstung entwickelte sich unter den Bedingungen der Abschreckungspolitik während des Kalten Krieges weiter.
Trotz ihrer langjährigen Tätigkeit für Atomwaffen haben sich zahlreiche renommierte Physiker und Wissenschaftler seit der Detonation vonTrinity und den sich daraus ergebenden Folgen (wie den Abwürfen in Japan und der Atomrüstung) für die Abrüstung und Nichtverbreitung ausgesprochen. Dazu zählenRobert Oppenheimer,Herbert York,Ted Taylor,Frank Barnaby,Sidney Drell,Andrei Sakharov,Linus Pauling usw.(Siehe auch dieUnion of Concerned Scientists oder dieFederation of Atomic Scientists.)
Reale Chancen zur Abrüstung ergaben sich insbesondere in der Endphase des Kalten Krieges zwischen der NATO und dem Warschauer Pakt. Die bilateralen Gespräche des 40. US-PräsidentenReagan mit dem sowjetischen PolitikerGorbatschow führten 1987 zumINF-Vertrag, durch den dieMittelstreckenraketen beider Staaten vollständig abgeschafft wurden. Wenige Jahre zuvor, im Jahr 1979, hatte die NATO denDoppelbeschluss zur Abschreckung desWarschauer Pakts beschlossen.
Nach demZerfall der Sowjetunion kooperierten die USA und Russland in Bezug auf die Nichtverbreitung von Kernmaterial bzw. Waffensystemen aus der UdSSR. Ab 1996 trat derComprehensive Test Ban Treaty (CTBT) in Kraft, ein Testmoratorium, welches die Weiterentwicklung von Kernwaffen auf einen Laborbetrieb („Stockpile Stewardship“) reduzierte. Im Falle von Kernwaffen spielen alle Testverbote seit 1958 eine signifikante Rolle bei der Beschränkung der Aufrüstung bzw. der Rüstungskontrolle.
Im Sinne des Wortes kam es durch die folgenden Verträge zu einer umfangreichen Abrüstung. Viele andere Abkommen führten zu Limitierungen oder anderen Einschränkungen (Teststopps usw.).
Neben der nuklearen Abrüstung findet auch eine Abrüstung im Bereich chemischer und biologischer Waffen, siehe beispielsweise dieChemiewaffenkonvention; oder im konventionellen Bereich, siehe derKSE-Vertrag.
Die internationaleFriedensbewegung fordert seit den 1880er Jahren weltweite Abrüstung, internationale Schiedsgerichtsbarkeit und ein effizientesVölkerrecht. Dieser Forderungskatalog ist seit 1917 (PapstBenedikt XV.) auch Bestandteil der katholischen Soziallehre.[11] Zwischen 1918 und 1933 gab es zahlreiche Aktivitäten (siehehier); 1920 nahm der in Genf beheimateteVölkerbund seine Arbeit auf. Er gilt als indirekter,zeitgeschichtlicher Vorläufer derVereinten Nationen (UNO). Ihm gehörten zu keiner Zeit alle Groß- und Mittelmächte dauerhaft an (so die USA nie; das Deutsche Reich (vom 8. September 1926 bis zum 14. Oktober 1933), Italien, die Sowjetunion (1934–1939) und Japan nur zeitweise).
Der Völkerbund hatte einen jahrelangen Konflikt mit dem Deutschen Reich: Nachdem das Reich die durch den Versailler Vertrag auferlegte Abrüstung durchgeführt hatte, weigerte es sich, vom Völkerbund geforderte weiter reichende Abrüstungsanstrengungen zu unternehmen. Das Deutsche Reich wollte, dass ihm seine Abrüstungsmaßnahmen aufgrund des Versailler Vertrages für die allgemeine Abrüstung angerechnet werden, was der Völkerbund aber ablehnte. Das Resultat dieses Konflikts war, dass die Abrüstung nicht fortgesetzt wurde. Einige Rüstungsanstrengungen in den 1920er Jahren machte das Deutsche Reich heimlich (siehehier).
Nach 1945, im Kalten Krieg, wurden zahlreicheStellvertreterkriege geführt.
Im Zuge der Terrorismusbekämpfung und brutalerBürgerkriege werden Zweifel amPazifismus laut, zugleich wächst die Akzeptanz für eine allmähliche Strukturänderung desMilitärs in eine Art vonWeltpolizei. Der Typus konventioneller Kriege zwischen Nationen tritt seit 1989 – in diesem Jahr fiel derEiserne Vorhang, und derKalte Krieg endete – deutlich seltener in Erscheinung.
Ein aktuelles Beispiel für Entwicklungen in der nuklearen Abrüstung ist derVertrag über das Verbot von Kernwaffen (TPNW), der im wahrsten Sinne des Wortes (Abrüstung) versucht, Kernwaffen vollständig zu verbieten.[18][19] Die fünfKernwaffenstaaten haben den Vertrag nicht unterschrieben.
Im Sinne der Rüstungskontrolle ist derNewSTART-Vertrag (unterzeichnet im Jahr 2010) das letzte große Abkommen zwischen den USA und Russland. Russland hat den Vertrag jedoch im Jahr 2023 ausgesetzt (keine Kündigung).[20] Die USA kritisieren diesen Schritt.[21] Der Vertrag kann jeweils um fünf Jahre verlängert werden, was im Jahr 2021 geschehen ist. Er läuft bis 2026.
Der 47. US-PräsidentDonald Trump bezeichnet im Zuge seinerenglischPeace Through Strength‚Friede durch Stärke‘-Außenpolitik (vgl. auchDoktrin) diese Entwicklung als "ein Problem für die Welt".[22] Diese Situation könnte beispielsweise ein neuesWettrüsten auslösen.
Trumps Vorschlag, auch die AtommachtChina in die Abrüstungsgespräche einzubeziehen, wurde jedoch umgehend abgelehnt.[23] China versteht sich als defensive Atommacht, die ein kleineres Kernwaffenarsenal (Minimalabschreckung) besitzt als die USA oder Russland. China macht keine offiziellen Angaben zu diesem Arsenal oder seinenTräger- oder Startmitteln. Externe Schätzungen gehen von einem Zuwachs von 500 auf 600 chinesischen Kernsprengköpfen aus.[24] Weiteren Erneuerungen (Modernisierungen) finden in den BereichenRaketentechnik undRaketensilos statt. Dies wiederum stellt eine Herausforderung für die strategische Stabilität der drei (und mehr) Mächte und somit für die globale Sicherheit dar. Experten sehen in diesen Veränderungen jedoch keine Hinweise darauf, dass China sein Atomwaffenarsenal für eine totale Eskalation ausbaut, eine Erstschlagoption anstrebt oder sich für einen Gegenschlag rüstet.[25] Anders ausgedrückt: Es geht mehr in Richtung gesicherte Zerstörungsfähigkeit. Diese Entwicklungen laufen jedoch nicht innerhalb eines geregelten Rahmens (Rüstungskontrolle) ab.
Weltweit beschäftigen sich zahlreiche Forschungsinstitute oder andere Organisationen (z. B.Denkfabriken) mit den Themen Abrüstung und Rüstungskontrolle im Rahmen vonSicherheitsforschung,Sicherheitspolitik,Verteidigungspolitik oderFriedensforschung. Einige Beispiele sind die folgenden: