DerVertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV oderAEU-Vertrag) ist neben demVertrag über die Europäische Union (EUV oder EU-Vertrag) einer der Gründungsverträge derEuropäischen Union (EU). Zusammen bilden sie dieprimärrechtliche Grundlage despolitischen Systems der EU; nachArt. 1 AEU-Vertrag sind beide Verträge rechtlich gleichrangig und werden gemeinsam als„die Verträge“ bezeichnet. Bisweilen werden diese Verträge deshalb auch als „europäischesVerfassungsrecht“ bezeichnet, formal sind sie jedochvölkerrechtliche Verträge zwischen denEU-Mitgliedstaaten.
Der AEU-Vertrag geht auf den 1957 in Rom abgeschlossenenVertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG-Vertrag) zurück, der zusammen mit demEURATOM-Vertrag alsRömische Verträge bekannt ist. Der EWG-Vertrag wurde aber seitdem mehrmals geändert, insbesondere durch denFusionsvertrag 1965, dieEinheitliche Europäische Akte 1986, denVertrag von Maastricht 1992, denVertrag von Amsterdam 1997, denVertrag von Nizza 2001 und denVertrag von Lissabon 2007. Mit dem Vertrag von Maastricht wurde der EWG-Vertrag inVertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EG-Vertrag) umbenannt, seinen heutigen Namen erhielt der AEU-Vertrag mit Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon am 1. Dezember 2009. Die Umbenennung ist darauf zurückzuführen, dass mit dem Vertrag von Lissabon dieEuropäische Gemeinschaft aufgelöst und all ihre Funktionen von der EU übernommen wurden.
Während also zuvor EU- und EG-Vertrag sich auf zwei unterschiedliche (wenn auch institutionell verbundene) Organisationen bezogen, hat der heutige AEU-Vertrag lediglich eine ergänzende Funktion und ist nach seinem Wortlaut (Art. 1 Abs. 1 AEUV) als konkretisierend auf denEU-Vertrag hin bezogen. Der EU-Vertrag ist dabei recht kurz gehalten und enthält vor allem grundsätzliche institutionelle Bestimmungen. Der AEU-Vertrag umfasst dagegen 358 Artikel; er erläutert insbesondere die Funktionsweise derOrgane der EU genauer und legt in einem detaillierten normativen Rahmen fest, in welchen Bereichen die EU mit welchen Kompetenzen tätig werden kann. Die geplante Zusammenlegung von EU-Vertrag und AEU-Vertrag zumVertrag über eine Verfassung für Europa scheiterte 2005 an der Ablehnung bei Referenden in Frankreich und den Niederlanden.
Der AEU-Vertrag ist in den 24Amtssprachen der Europäischen Union abgefasst und in jeder Sprachversion gleichermaßen rechtsverbindlich.
Der AEU-Vertrag besteht aus einerPräambel und 358 Artikeln, die zu sieben Teilen zusammengefasst sind, die ihrerseits wiederum aus Titeln, Kapiteln und Abschnitten bestehen.
Die Präambel des AEU-Vertrages geht im Wesentlichen auf den EWG-Vertrag zurück und beinhaltet daher vor allem wirtschaftspolitische Absichtserklärungen, etwa den „wirtschaftlichen und sozialen Fortschritt“ oder die „Besserung der Lebens- und Beschäftigungsbedingungen“. Bekannt ist die Formulierung des an erster Stelle genannten Ziel des Vertrags, „die Grundlagen für einen immer engeren Zusammenschluss der europäischen Völker zu schaffen“, die in ähnlicher Form auch in denEU-Vertrag übernommen wurde. Sie lässt die Frage nach derFinalität der Europäischen Union offen, deutet jedoch das Ziel einer weiterführenden Integration an.
Art. 1 AEUV erläutert die Funktion des Vertrags, nämlich die Arbeitsweise der Europäischen Union zu regeln und „die Bereiche, die Abgrenzung und die Einzelheiten der Ausübung ihrer Zuständigkeiten“ festzulegen. Es gilt dasPrinzip der begrenzten Einzelermächtigung. Anschließend hat die Union je nach Politikbereich unterschiedliche Regelungskompetenzen (Art. 2): dieausschließliche und diegeteilte Zuständigkeit.[1] Während bei Politikbereichen mit ausschließlicher Zuständigkeit nur die EU tätig werden kann, können in Politikfeldern mit geteilter Zuständigkeit auch die Nationalstaaten Gesetze erlassen, solange diese keinen europäischen Regelungen widersprechen. Das Verhältnis der EU zu den Mitgliedstaaten entspricht in diesen Bereichen damit dem Verhältnis des Bundes zu den Ländern bei derausschließlichen bzw. derkonkurrierenden Gesetzgebung in Deutschland. Daneben werden noch weitere Formen genannt, in denen die EU aktiv werden kann: In der Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik nimmt sie Koordinierungsfunktionen ein, in derAußenpolitik erarbeitet und verwirklicht sie gemeinsame Politiken der Mitgliedstaaten. Auch in bestimmten weiteren Bereichen führt die EU unterstützende, koordinierende oder ergänzende Maßnahmen durch, sie kann dabei aber die Möglichkeit der Nationalstaaten, eigene Gesetze zu erlassen, nicht einschränken.
Art. 3,Art. 4 undArt. 6 AEUV listen jeweils die Politikbereiche auf, in denen die EU ausschließliche, geteilte oder unterstützende Zuständigkeit besitzt,Art. 5 AEUV geht auf die Koordinierung der Wirtschaftspolitik ein. Dieser „Kompetenzkatalog“ nach Vorbild vonArt. 72 undArt. 73 des deutschenGrundgesetzes wurde erst durch denVertrag von Lissabon eingefügt, um der Forderung nach mehr Transparenz über die Zuständigkeiten der EU nachzukommen. Allerdings ist der Katalog teilweise eher unspezifisch, in mehreren Fällen werden die genauen Kompetenzabgrenzungen für einen Politikbereich erst an einer späteren Stelle im Vertrag geregelt.
Der Rest des ersten Teils nennt verschiedene Querschnittsaufgaben, die die EU bei all ihren Tätigkeiten zu berücksichtigen hat. Diese sind dasKohärenzgebot (Art. 7 AEUV), dieGleichstellung der Geschlechter (Art. 8 AEUV), hohesBeschäftigungsniveau, Bekämpfung sozialer Ausgrenzung, hoheBildung undGesundheitsschutz (Art. 9 AEUV),Kampf gegen Diskriminierung aufgrund von Geschlecht, Rasse, ethnischer Herkunft, Religion, Weltanschauung, Behinderung, Alter oder sexueller Ausrichtung (Art. 10 AEUV),Umweltschutz (Art. 11 AEUV),Verbraucherschutz (Art. 12 AEUV),Tierschutz (Art. 13 AEUV), das Funktionieren derDienste von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse (Art. 14 AEUV),Transparenz (Art. 15 AEUV),Datenschutz (Art. 16 AEUV) und Respekt vor dem rechtlichen Status vonKirchen und weltanschaulichen Gemeinschaften in den Mitgliedstaaten (Art. 17 AEUV).
Der zweite Teil des AEU-Vertrags beinhaltet bestimmte Rechte, die die Bürger der EU besitzen und die zu den Rechten hinzutreten, die in derEU-Grundrechtecharta aufgeführt sind.
Art. 18 AEUV verbietet die Diskriminierung aufgrund derStaatsbürgerschaft bei der Anwendung der EU-Verträge; nachArt. 19 AEUV kann derRat der EU imZustimmungsverfahren einstimmig Regeln erlassen, die eine Diskriminierung aus den in Art. 10 AEUV genannten Gründen verbieten. Dieser Artikel bildet die Grundlage für dieGleichstellungspolitik der Europäischen Union.
Art. 20 ff. AEUV begründen dieUnionsbürgerschaft, die jeder Bürger einesEU-Mitgliedstaats zusätzlich zu seiner nationalenStaatsbürgerschaft besitzt, und führen die damit verbundenen Bürgerrechte auf.
Der dritte Teil ist der umfangreichste Teil des AEU-Vertrags. Er führt in insgesamt 24 Titeln die verschiedenen innenpolitischen Bereiche auf, in denen die EU tätig werden kann, und nennt dabei jeweils einzeln die Ziele, Mittel und Entscheidungsverfahren, die dabei angewendet werden können. Der AEU-Vertrag ist dabei sehr viel detaillierter als etwa nationale Verfassungen, die sich meist mit einfachen Kompetenzkatalogen begnügen. Dies ist auf dasPrinzip der begrenzten Einzelermächtigung zurückzuführen, nach dem die EU für jede ihrer Aktivitäten eine ausdrückliche Grundlage im Vertrag benötigt. Insbesondere die in vielen Titeln aufgeführten Ziele der EU-Politik in den verschiedenen Bereichen sind daher als Einschränkungen zu verstehen, mit denen die Mitgliedstaaten die Tätigkeit der supranationalen Organe (Europäische Kommission undEuropäisches Parlament) begrenzen und auf bestimmte Zwecke hin ausrichten. Zugleich spielen die genannten Zielsetzungen aber auch im Rahmen derEffet-utile-Rechtsprechung desEuropäischen Gerichtshofs eine wichtige Rolle, da der Gerichtshof die Kompetenzen der EU meist als so weitreichend interpretiert, wie für die Erreichung der Ziele erforderlich.
Titel I des dritten Teils (Art. 26 undArt. 27 AEUV) legt die Errichtung desEuropäischen Binnenmarkts fest, in dem der freie Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital gewährleistet ist. Der freie Warenverkehr wird in Titel II (Art. 28 bisArt. 37 AEUV) näher bestimmt, der auf dieEuropäische Zollunion eingeht und alletarifären sowienichttarifären Handelshemmnisse verbietet. Titel III (Art. 38 bisArt. 44 AEUV) behandelt dieGemeinsame Agrarpolitik sowie dieGemeinsame Fischereipolitik. Titel IV (Art. 45 bisArt. 66 AEUV) geht auf dieArbeitnehmerfreizügigkeit (Art. 45 ff. AEUV), dieNiederlassungsfreiheit (Art. 49 ff. AEUV), dieDienstleistungsfreiheit (Art. 56 ff. AEUV) sowie dieKapital- und Zahlungsverkehrsfreiheit (Art. 63 ff. AEUV) ein.
Titel V des dritten Teils (Art. 67 bisArt. 89 AEUV) beinhaltet die Regelungen zumRaum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, der die Bereiche Justiz- und Innenpolitik, einschließlichAsyl- undMigrationspolitik sowie Kriminalitätsbekämpfung umfasst. Der Titel ist in fünf Kapitel unterteilt. Nach den allgemeinen Bestimmungen zu den Koordinierungs- und Entscheidungsverfahren (Art. 67 ff. AEUV) werden diePolitik im Bereich Grenzkontrollen, Asyl und Einwanderung (Art. 77 ff. AEUV), diejustizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen (JZZ,Art. 81 AEUV), diejustizielle Zusammenarbeit in Strafsachen (JZS,Art. 82 ff. AEUV) sowie diepolizeiliche Zusammenarbeit (PZ,Art. 87 ff. AEUV) geregelt.
Titel VI (Art. 90 bisArt. 100 AEUV) regelt dieEU-Verkehrspolitik. Titel VII (Art. 101 bisArt. 118 AEUV) behandelt dieWettbewerbs- sowie dieSteuerpolitik der Europäischen Union. Dies umfasst insbesondere die Zuständigkeiten in den BereichenKartellverbot undMonopolkontrolle (Art. 101 ff. AEUV), die Kontrolle staatlicherBeihilfen (Art. 107 ff. AEUV) sowie das Verbot von binnenmarktverzerrenden Steuern (Art. 110 ff. AEUV). Außerdem enthält Titel VII die Regelungen, nach denen die EU Rechts- und Verwaltungsvorschriften ihrer Mitgliedstaaten harmonisieren kann, um Verzerrungen desEuropäischen Binnenmarktes zu verhindern (Art. 114 ff. AEUV). Aus bestimmten Gründen des Arbeits- oder Umweltschutzes können die Mitgliedstaaten dabei von den EU-Regelungen abweichende Standards aufrechterhalten, diese müssen aber von derEuropäischen Kommission genehmigt werden.
Titel VIII des dritten Teils (Art. 119 bisArt. 144 AEUV) umfasst dieWirtschaftspolitik der Europäischen Union und die Regelungen zurEuropäischen Wirtschafts- und Währungsunion. Er ist in fünf Kapitel unterteilt: Das erste Kapitel zur Wirtschaftspolitik (Art. 120 ff. AEUV) umfasst insbesondere denStabilitäts- und Wachstumspakt (Art. 126 AEUV). Hinzu kommt ein Notstandsartikel (Art. 122 AEUV), mit dem der Rat im Fall „gravierende[r] Schwierigkeiten in der Versorgung mit bestimmten Waren, vor allem im Energiebereich“ (Art. 122 (1) AEUV) oder bei „Naturkatastrophen oder außergewöhnlichen Ereignissen“ (Art. 122 (2) AEUV), die einen oder mehrere Mitgliedstaaten in große Bedrängnis bringen, Beistand oder andere Maßnahmen erlassen kann.[2]
Kapitel 2 betrifft die Währungspolitik (Art. 127 ff. AEUV) und legt die speziellen Kompetenzen derEuropäischen Zentralbank fest. Kapitel 3 (Art. 134 f. AEUV) behandelt denWirtschafts- und Finanzausschuss, ein beratendes Gremium in finanzpolitischen Fragen.Kapitel 4 (Art. 136 ff. AEUV) beinhaltet Bestimmungen zu einer intensivierten Zusammenarbeit derEurogruppe, also der Staaten, die denEuro als Währung verwenden. Das fünfte Kapitel schließlich (Art. 139 ff. AEUV) enthält sogenannte Übergangsbestimmungen, in denen Regelungen für die Mitgliedstaaten getroffen werden, die den Euro nicht als Währung eingeführt haben.
Titel IX (Art. 145 bisArt. 150 AEUV) behandelt dieBeschäftigungspolitik der Europäischen Union, Titel X (Art. 151 bisArt. 161 AEUV) dieEU-Sozialpolitik. Die recht begrenzten Kompetenzen der EU in diesem Bereich sind inArt. 153 AEUV aufgelistet, der zudem die jeweiligen Formen derEU-Rechtsetzung in diesen Bereichen enthält. DerEuropäische Sozialdialog ist inArt. 154f AEUV geregelt. Titel XI (Art. 162 bisArt. 164 AEUV) enthält Bestimmungen zumEuropäischen Sozialfonds.
Die folgenden, verhältnismäßig kurzen Titel betreffen dieBildungspolitik der Europäischen Union einschließlich der Förderung vonJugendaustausch undSport (Titel XII,Art. 165 f. AEUV), dieEU-Kulturpolitik (Titel XIII,Art. 167 AEUV), dieEU-Gesundheitspolitik (Titel XIV,Art. 168 AEUV), dieEU-Verbraucherschutzpolitik (Titel XV,Art. 169 AEUV), dieTranseuropäischen Netze (Titel XVI,Art. 170 bisArt. 172 AEUV) und dieEU-Industriepolitik (Titel XVII,Art. 173 AEUV). Titel XVIII zum wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalt (Art. 174 bisArt. 178 AEUV) behandelt dieRegionalpolitik der Europäischen Union, insbesondere denEuropäischen Fonds für Regionale Entwicklung und denKohäsionsfonds. Titel XIX (Art. 179 bisArt. 190 AEUV) betrifft dieForschungspolitik der Europäischen Union sowie dieEuropäische Raumfahrtpolitik, Titel XX (Art. 191 bisArt. 193 AEUV) beinhaltet die Bestimmungen zurUmweltpolitik der Europäischen Union. Es folgen Titel zurEU-Energiepolitik (Titel XXI,Art. 194 AEUV), zur Förderung desTourismus (Titel XXII,Art. 195 AEUV), zumKatastrophenschutz (Titel XXIII,Art. 196 AEUV) und zurVerwaltungszusammenarbeit (Titel XXIV,Art. 197 AEUV).
Der vierte Teil des AEU-Vertrags betrifft dieassoziierten Überseegebiete einzelner Mitgliedstaaten. Diese assoziierten Gebiete, bei denen es sich um verschiedene zuFrankreich, demVereinigten Königreich und dem Königreich derNiederlande gehörende Inseln handelt, sind nicht Teil der Europäischen Union, können jedoch teilweise in den Europäischen Binnenmarkt eingebunden werden. Dies soll „in erster Linie den Interessen der Einwohner dieser Länder und Hoheitsgebiete dienen und ihren Wohlstand fördern“ (Art. 198 AEUV).
So können Personen der assoziierten Gebiete an europaweitenAusschreibungen zu den gleichen Bedingungen wie Unionsbürger teilnehmen (Art. 199 Nr. 4 AEUV). Die EU-Mitgliedstaaten dürfen bei der Einfuhr aus den assoziierten Gebieten keine Zölle erheben, die assoziierten Gebiete können dagegen teilweise Steuern aufrechterhalten, um „den Erfordernissen ihrer Entwicklung und Industrialisierung“ zu entsprechen (Art. 200 Abs. 3 AEUV). NachArt. 204 AEUV sind die Regelungen zu den assoziierten Gebieten auch auf das zuDänemark gehörendeGrönland anwendbar, das 1985 aus der EU austrat und seine Beziehungen mit dieser über ein spezielles Protokoll geregelt hat.
Der fünfte Teil des AEU-Vertrags, der aus sieben Titeln besteht, behandelt bestimmte außenpolitische Politikbereiche der EU. Er ergänzt damit Titel V desEU-Vertrags, der die allgemeinen Grundsätze über die EU-Außenpolitik festlegt. Titel I des fünften Teils, der nur ausArt. 205 AEUV besteht, nimmt ausdrücklich auf diese allgemeinen Bestimmungen im EU-Vertrag Bezug. Die Aufteilung der außenpolitischen Regelungen zwischen den beiden Verträgen hat historische Gründe, da dieGemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik ursprünglich ein von der EG getrennter Politikbereich der EU war. Im Einzelnen sind im EU-Vertrag alle diejenigen außenpolitischen Bereiche geregelt, in denen derRat der Europäischen Union einstimmig beschließt undEuropäische Kommission undEuropäisches Parlament weitgehend unbeteiligt sind. Im AEU-Vertrag sind dagegen die Politikfelder genannt, in denen Kommission und Parlament Mitspracherechte besitzen.
Titel II des fünften Teils (Art. 206f AEUV) behandelt dieGemeinsame Handelspolitik, die eine ausschließliche Zuständigkeit der EU ist und weitgehend von der Kommission ausgeübt wird. Titel III (Art. 208 bisArt. 214 AEUV) umfasst dieEntwicklungspolitik der Europäischen Union. Titel IV (Art. 215 AEUV) betrifft restriktive Maßnahmen, alsoWirtschaftssanktionen gegenüber Drittstaaten. Diese müssen im Grundsatz nach den imEU-Vertrag genannten Regelungen einstimmig beschlossen werden, ihre Umsetzung im Einzelnen erfolgt jedoch mit qualifizierter Mehrheit nach dem Verfahren im AEU-Vertrag.
Titel V (Art. 216 bisArt. 219 AEUV) betrifftinternationale Übereinkommen, die die EU abschließen kann und die sowohl die EU-Organe als auch alle Mitgliedstaaten binden. Diese Übereinkommen werden von derEuropäischen Kommission ausgehandelt und vomRat der EU beschlossen, wobei der Rat mit qualifizierter Mehrheit oder einstimmig entscheidet, je nachdem, welches Abstimmungsverfahren für den betreffenden Politikbereich ansonsten vorgesehen ist. In den meisten Fällen muss auch dasEuropäische Parlament dem Übereinkommen zustimmen.
Titel VI (Art. 220f AEUV) regelt die Zusammenarbeit der EU zu internationalen Organisationen wie denVereinten Nationen, demEuroparat, derOSZE und derOECD. Außerdem enthält er die Grundlage für dieDelegationen der Europäischen Union in Drittstaaten. Titel VII (Art. 222 AEUV) schließlich beinhaltet die „Solidaritätsklausel“, nach der sich alle Mitgliedstaaten im Falle einesTerroranschlags, einerNaturkatastrophe oder einer von Menschen verursachtenKatastrophe gegenseitig beistehen. Hierfür mobilisiert die EU „alle ihr zur Verfügung stehenden Mittel, einschließlich der ihr von den Mitgliedstaaten bereitgestellten militärischen Mittel“.
Der sechste Teil des AEU-Vertrags ist in drei Titel unterteilt. Er ergänzt die institutionellen Bestimmungen, die in Titel III desEU-Vertrags enthalten sind, und enthält die Regelungen zumEU-Haushalt.
Titel I (Art. 223 bisArt. 309 AEUV) enthält Bestimmungen über dieOrgane der EU und erläutert dieRechtsetzungsverfahren der EU. Er ist in vier Kapitel unterteilt: In Kapitel 1 werden zunächst Einzelregelungen zu den Organen aufgeführt, die unmittelbar an die entsprechenden allgemeinen Bestimmungen imEU-Vertrag anknüpfen. Sie betreffen dasEuropäische Parlament (Art. 223 bisArt. 234 AEUV), denEuropäischen Rat (Art. 235 f. AEUV), denRat der EU (Art. 237 bisArt. 243 AEUV), dieEuropäische Kommission (Art. 244 bisArt. 250 AEUV), denGerichtshof der Europäischen Union (Art. 251 bisArt. 281 AEUV), dieEuropäische Zentralbank (Art. 282 bisArt. 284 AEUV), denEuropäischen Rechnungshof (Art. 285 bisArt. 287 AEUV).
Anschließend wird in Kapitel 2 dieRechtsetzung der EU geregelt, indem dieRechtsakte der EU (Verordnungen,Richtlinien,Beschlüsse,Empfehlungen undStellungnahmen) definiert werden (Art. 288 ff. AEUV).Art. 294 AEUV beschreibt dasordentliche Gesetzgebungsverfahren, nach dem die meisten EU-Rechtsakte zustande kommen.
Kapitel 3 beinhaltet die Regelungen zumEuropäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss (Art. 301 ff. AEUV) und zumAusschuss der Regionen (Art. 305 ff. AEUV), die keine eigenen Entscheidungsbefugnisse haben und nur beratend tätig sind. Kapitel 4 schließlich geht auf dieEuropäische Investitionsbank ein (Art. 308 f. AEUV).
Titel II enthält die Vorschriften zu den Finanzen der EU, insbesondere zu denEU-Eigenmitteln (Art. 311 AEUV), zummehrjährigen Finanzrahmen (Art. 311 AEUV), zum Jahreshaushaltsplan der EU, der von Rat und Parlament gemeinsam erlassen wird (Art. 313 ff. AEUV) sowie zur Bekämpfung vonKorruption (Art. 325 AEUV).
Titel III erläutert die Verfahren für eineverstärkte Zusammenarbeit (Art. 326 ff. AEUV).
Der abschließende Teil des AEU-Vertrags behandelt verschiedene Aspekte wie dieRechtspersönlichkeit der EU (Art. 335 AEUV), das Statut der EU-Beamten (Art. 336 AEUV) oder die Haftung der EU (Art. 340 AEUV).Art. 341 undArt. 342 AEUV legen fest, dass der Sitz der EU-Organe sowie dieAmtssprachen der Europäischen Union einstimmig von den Mitgliedstaaten festgelegt werden; sie lassen also eine künftige Neuregelung dieser Fragen auch ohne Vertragsänderung offen.
Art. 352 AEUV beinhaltet eineGeneralklausel für die Fälle, in denen eine Aktivität der EU im Rahmen der im Vertrag genannten Politikbereiche zur Verwirklichung der Vertragsziele erforderlich erscheint, aber der Vertrag hierfür keine ausdrücklichen Befugnisse vorsieht. In diesen Fällen kann derRat der EU auf Vorschlag derEuropäischen Kommission und nach Zustimmung desEuropäischen Parlaments die entsprechenden Regelungen einstimmig erlassen. Davon ausgenommen ist dieGemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik; außerdem darf auf diesem Weg keine Rechtsangleichung der Mitgliedstaaten in Bereichen erfolgen, in denen diese ansonsten ausdrücklich von den Verträgen ausgeschlossen wird.
Art. 355 AEUV spezifiziert den Geltungsbereich der EU-Verträge, für den inArt. 52 EUV nur grob alle Mitgliedstaaten der EU angeführt sind. Im AEU-Vertrag werden nun einzelneGebiete mit speziellem Rechtsstatus genannt, auf die die EU-Verträge nicht oder nur eingeschränkt Anwendung finden.
Art. 356 AEUV legt die unbegrenzte zeitliche Geltungsdauer des Vertrags fest,Art. 357 AEUV bestimmt das Ratifikationsverfahren und Inkrafttreten.Art. 358 schließlich verweist aufArt. 55 EUV, in dem die 24 amtlichen Sprachversionen des Vertrags aufgeführt sind, und zeigt auf diese Weise nochmals die „unverbrüchliche Einheit zwischen beiden Verträgen“.[3]
Als völkerrechtliche Verträge kann der Wortlaut vonEU-Vertrag und AEU-Vertrag prinzipiell durchÄnderungsverträge geändert werden, die ebenfalls den Rang völkerrechtlicher Verträge haben. Dies geschah bislang zuletzt durch denVertrag von Lissabon 2007. Während frühere Vertragsreformen jeweils von einerRegierungskonferenz ausgearbeitet und anschließend von allen Mitgliedstaaten einzelnratifiziert wurden, legt seit Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon der EU-Vertrag selbst spezielle Änderungsverfahren fest, wie Vertragsreformen künftig vor sich gehen sollen (Art. 48 EUV). Dabei wird zwischen einemordentlichen Änderungsverfahren undvereinfachten Änderungsverfahren unterschieden, wobei letztere in speziellen Fällen nicht unbedingt eine Ratifikation durch die nationalen Parlamente erfordern. Allerdings ist in jedem Fall ein einstimmiger Beschluss der nationalen Regierungen notwendig. Eine Veränderung der EU-Verträge ist daher im Normalfall erheblich schwieriger zu erreichen als eine Änderung nationalerVerfassungen.
Das ordentliche Änderungsverfahren kann durch die Regierung jedes Mitgliedstaats, dasEuropäische Parlament oder dieEuropäische Kommission eingeleitet werden, die demEuropäischen Rat Reformentwürfe vorlegen. Dieser entscheidet dann über die Einsetzung einesEuropäischen Konvents, der sich aus Vertretern der nationalen Parlamente, der nationalen Regierungen, des Europäischen Parlaments und der Kommission zusammensetzt. Dieser Konvent entwickelt daraufhin Empfehlungen, die er im Konsens annimmt und einerRegierungskonferenz der Mitgliedstaaten vorlegt. Diese arbeitet dann einen Änderungsvertrag aus, der anschließend von allen Mitgliedstaaten ratifiziert werden muss. Bei nur kleineren Änderungen kann der Europäische Rat auf die Einsetzung eines Konvents verzichten und selbst das Mandat für die Regierungskonferenz festlegen. Dies entspräche dem bei den bisherigen Vertragsänderungen übliche Vorgehen.
Das vereinfachte Änderungsverfahren ist nur für den dritten Teil des AEU-Vertrags möglich, in dem die internen Politikfelder der EU geregelt sind. Hier kann der Europäische Rat selbst einen Beschluss erlassen, durch den der Vertrag geändert wird. Er beschließt dabei einstimmig nach Anhörung des Europäischen Parlaments und der Kommission sowie gegebenenfalls derEuropäischen Zentralbank, wenn Währungsfragen betroffen sind. Der Beschluss darf keine Ausweitung der Zuständigkeiten der EU umfassen und tritt erst in Kraft, wenn alle Mitgliedstaaten ihm im Einklang mit ihren jeweiligen verfassungsrechtlichen Vorschriften zugestimmt haben. In zahlreichen Mitgliedstaaten, unter anderem in Deutschland, ist ein solcher Beschluss nur nach Zustimmung des nationalen Parlaments möglich.
Ein weiteres vereinfachtes Änderungsverfahren betrifft die Politikbereiche, in denen derRat der Europäischen Union dem Vertragstext zufolge einstimmig beschließt. Durch einen einstimmigen Beschluss des Europäischen Rates kann hier zum Mehrheitsverfahren übergegangen werden (sog.Passerelle-Klausel,Art. 48 Abs. 7 EUV). Ausgenommen sind dabei Beschlüsse im militärischen oder verteidigungspolitischen Bereich, bestimmte Punkte des Haushaltsverfahrens, die Generalklausel nachArt. 352 AEUV sowie die Suspendierung der EU-Mitgliedschaft nachArt. 7 EUV, wo grundsätzlich das Einstimmigkeitsprinzip gilt (Art. 353 AEUV). Außerdem kann in Bereichen, für die einbesonderes Gesetzgebungsverfahren gilt, durch einen einstimmigen Beschluss des Europäischen Rates dasordentliche Gesetzgebungsverfahren eingeführt werden. In beiden Fällen muss dasEuropäische Parlament dem Beschluss des Europäischen Rates zustimmen. Außerdem hat jedes nationale Parlament während einer sechsmonatigen Frist die Möglichkeit, ein Veto gegen einen derartigen Beschluss einzulegen. In einigen Mitgliedstaaten, darunter Deutschland, muss das nationale Parlament den Beschluss sogar ausdrücklich unterstützen, damit die Regierung im Europäischen Rat dafür stimmen kann.
| Unterz. In Kraft Vertrag | 1948 1948 Brüsseler Pakt | 1951 1952 Paris | 1954 1955 Pariser Verträge | 1957 1958 Rom | 1965 1967 Fusions- vertrag | 1986 1987 Einheitliche Europäische Akte | 1992 1993 Maastricht | 1997 1999 Amsterdam | 2001 2003 Nizza | 2007 2009 Lissabon | |||||||||||
| Europäische Gemeinschaften | Drei Säulen der Europäischen Union | ||||||||||||||||||||
| Europäische Atomgemeinschaft (Euratom) | → | ← | |||||||||||||||||||
| Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) | Vertrag 2002 ausgelaufen | Europäische Union (EU) | |||||||||||||||||||
| Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) | Europäische Gemeinschaft (EG) | ||||||||||||||||||||
| → | Justiz und Inneres (JI) | ||||||||||||||||||||
| Polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen (PJZS) | ← | ||||||||||||||||||||
| Europäische Politische Zusammenarbeit (EPZ) | → | Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) | ← | ||||||||||||||||||
| Westunion (WU) | Westeuropäische Union (WEU) | ||||||||||||||||||||
| aufgelöst zum 1. Juli 2011 | |||||||||||||||||||||
Art. 123 verbietet es der Europäischen Zentralbank, Kredite direkt an einzelne Länder zu vergeben. Die Finanzministerien der Mitgliedsstaaten können sich also nur auf dem Kapitalmarkt, insbesondere bei Geschäftsbanken, Geld im Gegenzug zur Emission von Staatsanleihen beschaffen. Den Geschäftsbanken ist es hingegen erlaubt mit den erworbenen Staatsanleihen als Sicherheiten direkte Kredite von der Europäischen Zentralbank zu erhalten, sodass sie als mitverdienende Vermittler der Staatsfinanzierung agieren.
Begründet wird das Verbot damit, dass es Inflation verhindern würde. Kritiker, wie z. B.Sahra Wagenknecht, halten dieses Argument jedoch für historisch nicht haltbar und sehen in dem Artikel einen Grund dafür, dass die Staaten ihre Schulden unnötig in die Höhe treiben. Hier würden Gewinne privatisiert, während Verluste sozialisiert würden.[4]