GeheimdienstVerfassungsschutz beobachtet 27 Linken-Abgeordnete

Linken-Fraktionschef Gysi: "Überwachung ist eine Unverschämtheit"
Foto: dapdHamburg - Die Linke wird vomBundesamt für Verfassungsschutz (BfV) nach Informationen des SPIEGEL deutlich intensiver beobachtet als bisher bekannt. Laut einer Auskunft der Behörde für das Vertrauensgremium des Bundestages werden 27 linke Bundestagsabgeordnete beobachtet, mehr als ein Drittel der 76 Personen starken Fraktion.
Dazu kommen noch elf Fraktionsmitglieder der Linkspartei verschiedener Landtage. Das BfV hatte bisher die Nennung der Namen abgelehnt, da dies "den operativen Zielen der Beobachtung zuwiderlaufen" würde.
Im Visier der Geheimdienstler sind nicht nur Mitglieder aus dem radikalen Flügel der Partei, sondern auch viele Realos und fast die gesamte Führungselite der Bundestagsfraktion: der VorsitzendeGregor Gysi, seine erste StellvertreterinSahra Wagenknecht, die Mitglieder des FraktionsvorstandsDietmar Bartsch und Jan Korte sowie die Parlamentarische GeschäftsführerinDagmar Enkelmann.
Beobachtet werden auch die BundesvorsitzendeGesine Lötzsch nebst Stellvertreterin Halina Wawzyniak, ebenso die Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages,Petra Pau, die Vorsitzende des Ausschusses für Arbeit und Soziales,Katja Kipping, und das Mitglied im Vertrauensgremium des Bundestages, Steffen Bockhahn.
Im Vertrauensgremium werden die Haushalte der Geheimdienste kontrolliert. Die Beobachtung von Bockhahn ist besonders heikel, weil die Wissenschaftlichen Dienste des Bundestages noch am 28. Dezember vergangenen Jahres festgestellt haben, dass "aufgrund der besonderen Aufgabenstellung des Vertrauensgremiums (…) nur ganz außergewöhnliche Umstände die Beobachtung eines Mitglieds (…) rechtfertigen".
Laut einer Aufstellung des Bundesinnenministeriums vom 4. Januar 2012 sind im BfV sieben Mitarbeiter mit der "Bearbeitung der Partei Die Linke" beschäftigt, jährlicher Kostenpunkt für das Personal: rund 390.000 Euro. Zum Vergleich: Für die NPD sind im Amt über zehn Stellen eingeplant mit Kosten von rund 590.000 Euro.
Das BfV betont, dass die linken Abgeordneten nicht "überwacht", sondern "beobachtet" würden und dass dabei keine "nachrichtendienstlichen Mittel" eingesetzt, sondern lediglich öffentlich zugängliche Quellen wie Zeitungen oder Redemanuskripte ausgewertet würden.
Gysi kritisiert Verfassungsschutz scharf
Gysi zeigte sich empört vom Vorgehen des Verfassungsschutzes. "Die Parlamentarier sind dafür da, den Inlandsgeheimdienst zu kontrollieren. Es ist eine Unverschämtheit, dass dieser meint, mehr als ein Drittel der Abgeordneten der Linksfraktion überwachen zu dürfen", sagte er der "Mitteldeutschen Zeitung" und fügte hinzu: "Nunmehr stellt sich endgültig heraus, dass der Verfassungsschutz ballaballa ist."
Auch für die Grünen ist das Verhalten des jüngst wegen Ermittlungspannen gegen Rechtsterroristen unter Druck geratenen Geheimdienstes nicht nachvollziehbar. Es stelle sich schon die "Frage nach Sinn und Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen", sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen im Bundestag,Volker Beck. "Disproportional wirken die Maßnahmen zudem, wenn man sie vom Aufwand her mit den Maßnahmen gegen die NPD vergleicht."


