Title: Die epiphytische Vegetation Amerikas
Author: A. F. W. Schimper
Release date: December 2, 2007 [eBook #23672]
Language: German
Verzeichniss der benutzten Litteratur.
Einleitung.
Der Urwald im temperirten nördlichen, im tropischen und imantarktischen Amerika 6.
I. Die systematische Zusammensetzung der Epiphytengenossenschaft in Amerika.
Verzeichniss der Gattungen:
Lycopodiaceae, Filices, Liliaceae, Amaryllidaceae 11; Bromeliaceae,Cyclanthaceae, Araceae 12; Zingiberaceae, Orchidaceae 13; Urticaceae,Piperaceae, Clusiaceae, Bombaceae 16; Celastraceae, Aquifoliaceae, Araliaceae,Cornaceae, Saxifragaceae, Cactaceae, Melastomaceae, Onagraceae,Rosaceae 17; Ericaceae, Myrsinaceae, Loganiaceae, Asclepiadaceae, Solanaceae,Scrophulariaceae, Lentibulariaceae 18; Gesneraceae, Bignoniaceae,Verbenaceae, Rubiaceae, Compositae 19.
Gleichartigkeit der systematischen Zusammensetzungder epiphytischen Genossenschaft in der östlichenund der westlichen Hemisphäre 20.
Die systematische Zusammensetzung durch dieStructur der Samen und Früchte bedingt 20.
II. Die Anpassungen der Epiphyten an den Standort.
I. Allgemeines.
Entstehung der Epiphytengenossenschaft; Ursachen und Wirkungenepiphytischer Lebensweise 28.
Geschlechtliche und ungeschlechtliche Fortpflanzung 30.
[pg VI]Allgemeine Anpassungen der Vegetationsorgane 32.
Eintheilung der Epiphyten nach dem Modus der Ernährung invier Gruppen 34.
II. Erste Gruppe.
Nicht angepasste Epiphyten 35.
Grosse Austrocknungsfähigkeit gewisser Epiphyten 35.
Wasseraufspeicherung bei den Epiphyten: alternde Blätter alsWasserspeicher bei den Peperomien und Gesneraceen 37; Knollen:Gesnera; Rubiaceen, Vaccinieen, Melastomaceen, Utricularia. 38; Wasseraufspeicherungin Intercellulargängen: Philodendron cannifolium 41;Wasseraufspeicherung bei den Orchideen 42.
Luftwurzeln der Orchideen und Araceen 46; Fehlen des Velamen beiStenoptera, Vorkommen desselben bei terrestrischen Epidendrum-Arten 47;assimilirende Wurzeln 47.
Zusammenfassung 50.
III. Zweite Gruppe.
Zufälliges Eindringen gewisser Epiphyenluftwurzeln in den Boden 51.
Das Eindringen der Wurzeln in den Boden zur constanten Eigenschaftgeworden 52; Differenzirung in Nähr- und Haftwurzeln 52.
Carludovica 54; Araceen 55; Clusia rosea 56; Ficus 60.
IV. Dritte Gruppe.
Erste Andeutung schwammartiger Wurzelgeflechte 61.
Complicirte Wurzelgeflechte mit Nähr- und Haftwurzeln 61.
Oncidium altissimum 63; Cyrtopodium 63; Anthurium Hügelii 63;Polypodium Phyllitidis und Asplenium serratum 65.
Javanische Farne mit zweierlei Blättern; Dischidia Rafflesiana 66.
V. Vierte Gruppe.
Schwache Entwickelung des Wurzelsystems; Aufspeicherung vonHumus und Wasser in den Rosetten epiphytischer Bromeliaceen 67.
Versuche über die Wasseraufnahme durch die Blätter 67. – Fehlender Wurzeln bei gewissen Tillandsia-Arten 68. – Versuche über dieBedeutung der Schildhaare 69. – Structur der Schildhaare 71.
Einfluss der Wasseraufnahme durch die Blätter auf die Structurder Pflanze: terrestrische und epiphytische Bromeliaceen 73; Eintheilungin rosettenbildende, rasenbildende und langstengelige epiphytischeFormen 73; Schutz der äusseren Wasserreservoirs (Cisternen)rosettenbildender Bromeliaceen: Catopsis, Ortgiesia. tillandsioides,Tillandsia flexuosa, Tillandsia bulbosa 74; Unterschied von Spitzeund Basis an den Blättern wasseraufspeichernder Rosetten 76; rasenbildendeund langstengelige epiphytische Bromeliaceen 73; Reductionder Wasserleitungsbahnen bei den epiphytischen Bromeliaceen 79; dieBromeliaceen des botanischen Gartens zu Lüttich 80.
[pg VII]Erste Anfänge der Anpassungen an Wasseraufnahme durch dieBlätter: Pitcairnia 80. Die Wasseraufnahme durch die Blätter eineUrsache, nicht eine Wirkung der epiphytischen Lebensweise 81. Infolgeder epiphytischen Lebensweise entstandene Anpassungen 82.
VI. Schlussbetrachtungen.
Die vor der Annahme epiphytischer Lebensweise existirendennützlichen Eigenschaften durch natürliche Züchtung vervollkommnet 83.
Die Wurzeln der Epiphyten 85.
Die Blätter der Epiphyten 86.
Vergleich der Orchideenluftwurzeln und Bromeliaceenblätter 86. –Tillandsia usneoides und Aëranthus 87.
Extreme Anpassungen durch alle Uebergünge mit den einfachstenverbunden 87.
III. Ueber die Vertheilung der epiphytischen Pflanzenarten innerhalb ihrer Verbreitungsbezirke.
Einfluss von Licht und Feuchtigkeit: Urwald- undSavannenepiphyten 90; Vorkommen der letzteren auf dem Gipfel derUrwaldbäume 91. – Etagenartige Gliederung der epiphytischen Vegetationdes Urwalds 91.
Einfluss der Beschaffenheit der Rinde 92; die Bromeliaceenals erste Ansiedler 92; ungenügsame Epiphyten 94.
Epiphyten der Calebassenbäume 95; der beschuppten Palmen 95; derBaumfarne 97.
Einfluss der Laubdichte 98.
Beziehungen der epiphytischen Vegetation zu derjenigenanderer Standorte: Bodenvegetation des Urwalds 99;Aehnlichkeit der epiphytischen Flora und der Felsenflora 100; Unterschiedederselben 100. – Charakteristische Bestandtheile der Epiphytengenossenschaft 104.
IV. Ueber die geographische Verbreitung der Epiphytenin Amerika.
Ursache der grossen Areale vieler epiphytischenPflanzenarten 106.
Charakter der epiphytischen Vegetation im tropisch-amerikanischenUrwalde: seine Gleichmässigkeit 107;Trinidad und benachbarter südamerikanischer Küstenstreifen 110;Dominica 111; Blumenau 111.
Epiphyten der Savannengebiete: Llanos Venezuelas 114;Catingas Brasiliens 114; Umgebung von Pernambuco 115; Campos vonMinas Geraes 115; trockene Küstenstriche Mexicos 115; Nord-Chileund Peru 116; St. Croix und die Jungferninseln 116.
[pg VIII]Entstehung der epiphytischen Vegetation der Savannenaus derjenigen des Urwalds: Beweise dafür 117; Entwickelungxerophiler Epiphyten im Urwalde, ihre Wanderungen 119.
Die epiphytische Vegetation in Gebirgen: Ihre massenhafteEntwickelung in der Wolkenregion 121; xerophiler Charakter derepiphytischen Flora hoher Regionen 122; Verschwinden der Epiphytenunter der Baumgrenze 122. – Brasilianische Küstengebirge 122; AndenMexicos 123. – Epiphytische Vegetation des Himalaya: sie besteht inden tiefen Regionen aus tropischen, in den oberen aus temperirtenPflanzenformen 124; klimatische Verhältnisse 125. – Nilgerries 126.
Epiphyten der südlichen Vereinigten Staaten: Zusammensetzungder epiphytischen Flora 127; ihr tropischer Ursprung 129;Ursache des Fehlens autochthoner Elemente 130; Rolle der Epiphytenin der nordamerikanischen Vegetation 131.
Epiphyten Argentiniens: Zusammensetzung der epiphytischenFlora 133; ihr tropischer Ursprung 135; klimatische Analogiezwischen Argentinien und den südlichen Vereinigten Staaten 136; Rolleder Epiphyten in der argentinischen Vegetation 137.
Der indo-malayische Epiphytenherd 139; Wanderungseiner Bestandtheile nach Japan 139; nach Australien 139.
Die antarktischen Epiphytenherde: Zusammensetzung derEpiphytenflora des antarktischen Waldgebiets 142; ihr autochthonerCharakter 143. – Epiphyten Neu-Seelands 146. – Ursachen derArmuth der epiphytischen Vegetation im antarktischen Amerika und inNeu-Seeland 146. – Entstehung autochthoner Epiphyten in hohenBreiten 146.
Die klimatischen Bedingungen epiphytischer Vegetation 147.
Schlussbetrachtungen: Zusammensetzung der Ergebnisseüber die Entwickelung und Wanderung der Epiphyten 151.
Schluss.
Bedeutung der Biologie für die Pflanzengeographie 155; Ursacheder physiognomischen Unterschiede der drei amerikanischen Waldgebiete 158.
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Amerika war vor dem Einfluss der Kultur theilweise von dichtenWäldern, theilweise von Savannen mit dünnen Holzbeständen, theilweise,aber in geringem Grade, von Wüsten bedeckt. Die dichtbewaldeten Gebiete gehören theils den beiden temperirten Zonen,theils der tropischen an, und zwar besitzt der Urwald in jederderselben eine charakteristische Physiognomie.
Der nordamerikanische Wald trägt, namentlich im Osten,wesentlich die Züge des europäischen. Er zeigt ebenfalls einescharfe Differenzirung in Laub- und Nadelholzbestände, von welchendie ersteren im Osten, die letzteren im Westen vorherrschen. DieBaumarten sind allerdings im nordamerikanischen Walde weit zahlreicherals im europäischen; sie gehören aber zum grössten Theiledenselben Gattungen an und weichen habituell nicht hinreichendvon unseren Waldbäumen ab, um einen wesentlichen physiognomischenUnterschied zu bedingen. Aehnliches gilt von der nurwenig mehr entwickelten Schattenvegetation. von den Schlingpflanzen,die ebenfalls sehr zurücktreten, und von den Epiphyten,die, ausser in den südlichen Staaten, alle zu den Moosen undFlechten gehören.
Der tropische Urwald nimmt den grössten Theil desäquatorialen Amerika ein. Nach Norden erstreckt er sich nurbis zum Wendekreis, während er sich in Form eines schmalenStreifens längs der Ostküste bis zum 30° s. B. fortsetzt. Sein[pg 007]physiognomischer Charakter ist, abgesehen von topographischenUnterschieden, die sich in ähnlicher Weise in den verschiedenenZonen wiederholen, beinahe in seiner ganzen Ausdehnung sehrgleichartig und von denjenigen des nordamerikanischen Urwaldsdurchaus verschieden. Der physiognomische Unterschied zwischen demtropischen und dem nordamerikanischen Urwald ist theilweise durchdie systematische Zusammensetzung, noch mehr aber durch Eigenthümlichkeitender Structur und Lebensweise bedingt, die sichbei Pflanzen aus verschiedenen Familien wiederholen und demnachals Anpassungen an die äusseren Bedingungen aufzufassensind.
Die Physiognomie des tropischen Urwalds ist in erster Liniedurch den Kampf um das Licht bedingt, dessen Einfluss in allenPflanzenformen des Urwalds zur Geltung kommt, in der ungeheurenEntwicklung des Laubs, in der oft schirmartigen Verzweigung derBaume, in den tauartigen Lianen, namentlich aber in den Epiphyten,die, den Boden ganz verlassend, auf dem Gipfel der Bäumesich ansiedeln. Wahrend der Boden zwischen den Baumstämmen,den Lianen und Luftwurzeln oft beinahe keine Pflanzen tragt, prangtüber dem Laubdache eine üppige und artenreiche Vegetation, diesich der Bäume als Stütze bedient hat, um an das Licht zu gelangen.Kein Baumzweig wird versuchen, sein Laub im Lichteauszubreiten, ohne mit seinen epiphytischen Bewohnern in Confliktzu gerathen. Umsonst erheben sich die Aeste übereinander, strebenimmer mehr nach oben; sie werden bald von Bromeliaceen, Araceen,Orchideen überwuchert oder gar von dem grauen Schleier der Tillandsiausneoides ganz umhüllt. Nicht selten erliegt der Wirthbaum,wenn seine Blätter durch die Hülle der Tillandsia usneoidesnicht durchzudringen vermögen oder seine Aeste durch die sie wieeiserne Ringe umklammernden Luftwurzeln gleichsam erwürgt werden.Er stirbt und vermodert, fällt aber selten auf den Boden,indem die Luftwurzeln gewisser seiner Gaste (Clusia, Feigenbäumeetc.) um seinen Stamm einen vielfach durchgitterten, aber festen[pg 008]Hohlcylinder bilden, der ihn aufrecht hält und den Epiphyten diegleichen Vortheile gewährt, wie der Stamm selbst.
Den antarktischen Urwald, der sich an der Westküstevom 36° s. B. bis nach Feuerland zieht, kenne ich aus eigenerAnschauung nicht. Er nähert sich in seiner systematischen Zusammensetzungmehr dem nordamerikanischen als dem tropischenWalde, trägt aber nicht viel weniger als der letztere das Geprägedes Kampfes ums Licht. Lianen und Epiphyten bilden auch imantarktischen Urwald einen hervortretenden Zug, ohne jedoch beiweitem dieselbe Mannigfaltigkeit, wie im tropischen, zu erreichen.
Die Vegetation aller Wälder leidet unter der gegenseitigen Beschattung;der Kampf ums Licht waltet im nordamerikanischenWalde ebenso, wie im tropischen, und doch hat er nur in letzteremauffallende Anpassungen hervorgerufen, sodass diese den physiognomischenUnterschied beider Wälder hauptsächlich bedingen.Eine Naturgeschichte des tropischen Urwalds wird sich daher inerster Linie mit diesen Anpassungen zu beschäftigen haben. Beikeiner der biologischen Pflanzengruppen oder Genossenschaften, inwelche die Vegetation des Urwalds eingetheilt werden kann, istder Einfluss des Kampfes ums Licht so ausgeprägt, wie bei denEpiphyten. Diese erscheinen daher besonders geeignet, uns indie Eigenthümlichkeiten der Vegetation des tropischen Urwaldesund die Existenzbedingungen in demselben einzuführen, die Entwickelungseiner Bestandtheile, die Ursachen seiner gegenwärtigenPhysiognomie unserem Verständniss näher zu bringen. Es kommenzwar einige phanerogamischen Epiphyten im südlichen Theil des nordamerikanischen Waldgebiets vor. Dieselben sind aber im Gegensatzzu den Gewächsen, auf oder über welchen sie leben, sämmtlichtropische Colonisten und daher eher geeignet, die Kluft zwischendem tropischen und dem nordamerikanischen Urwald zu vertiefen,als dieselbe auszufüllen.
[pg 009]Meine erste Bekanntschaft mit den Epiphyten rührt von einernur zweiwöchentlichen Excursion nach Florida im Frühjahr1881.Später habe ich sie in Westindien und Venezuela (1881,1883), zuletztin Brasilien (1885) einem genaueren Studium unterworfen.Die auf meinen ersten Reisen gewonnenen Ergebnisse wurden1884im Botanischen Centralblatt (Bau und Lebensweise der EpiphytenWestindiens) veröffentlicht; ich hatte damals wesentlich die Anpassungenuntersucht, durch welche die Epiphyten auf BaumästenWasser und Mineralstoffe erhalten. Diese Fragen bilden wiederumeinen Theil der vorliegenden Arbeit, wurden aber durch neue Beobachtungen wesentlich erweitert.
Wenn ich in dieser Arbeit eine relative Vollständigkeit erreichenkonnte, so habe ich es vor Allem der vielseitigen Unterstützungdurch Fachgenossen und Freunde zu verdanken. Ganzbesonders möchte ich meinen Dank aussprechen dem früherenGeneral-Forstinspektor in Britisch-Indien, Dr.D. Brandis, der miraus seinen reichen Erfahrungen sehr wichtige Mittheilungen überdas Vorkommen und die Lebensweise der Epiphyten in Ostindienmachte und ausserdem mir sein grosses Herbarium und seine ansonst schwer zugänglichen Werken reiche Bibliothek zur freienVerfügung stellte; Frau Dr.Brandis hatte die Güte, mir das vonihr nach der Natur gemalte schöne Bild, welches auf unserer erstenTafel reproducirt ist, zur Verfügung zu stellen. Sehr wesentlicheUnterstützung erhielt ich auch von den HerrenGamble,Conservator of forests in Madras, der mir sehr werthvolle Mittheilungenüber die Epiphyten Ostindiens machte, Prof. Dr.Hieronymus,der mich in liberalster Weise mit Büchern und Materialunterstützte, Prof. Dr.Gravis, Prof.Oliver und Prof. Dr.Wittmack. Auch diesen Herren spreche ich hiermit meinenherzlichsten Dank aus.
1. Ein einigermassen vollständiges Verzeichniss der Pflanzenarten,die in Amerika epiphytisch wachsen, kann zur Zeit nichtaufgestellt werden; dazu sind die Standortsangaben in Herbarienund Floren zu unvollständig. Um jedoch ein ungefähres Bild dersystematischen Zusammensetzung der Epiphytengenossenschaft inAmerika zu geben, habe ich die Gattungen zusammengestellt, dienach meinen eigenen Beobachtungen oder Angaben in der Litteraturepiphytische Arten enthalten. Obwohl dieses Verzeichniss unzweifelhaftnicht ganz vollständig ist, dürfte es seinen Zweck erreichen,indem die Lücken wesentlich die Orchideen und andere Familienmit zahlreichen epiphytischen Vertretern, oder Formen von äusserstbeschränkter Ausdehnung treffen werden.
Es schien mir von Interesse, das Verzeichniss nicht auf dieamerikanischen Epiphyten zu beschränken, sondern die übrigenWelttheile mit zu berücksichtigen; letzteres geschah jedoch nichtfür die Farne und Orchideen. Die nicht amerikanischen Epiphytenstehen zwischen Klammern; ihr Verzeichniss ist, trotz meiner Bemühungen, jedenfalls weit weniger vollständig geblieben als dasjenigeder amerikanischen.
[pg 011]Pteridophyta.
Lycopodiaceae.
Filices.
Monocotyleae.
Liliaceae.
Amaryllidaceae.
Hippeastrum (u. a. Gatt.?). — Brasil.
[pg 012]Bromeliaceae.1
Cyclanthaceae.
Araceae.
Die Zahl der Epiphyten führenden Gattungen ist wahrscheinlich eineweit grössere; es lässt sich jedoch aus der Literatur nichts Bestimmtesdarüber entnehmen und meine eigenen Beobachtungen erstrecken sichnur auf Philodendron und Anthurium.
[pg 013]Zingiberaceae.
Orchidaceae.
I. Epidendreae.
II. Vandeae.
III. Neottieae.
IV. Cypripedieae.
Dicotyleae.
Urticaceae.
Piperaceae.
Clusiaceae.
Bombaceae.
Celastraceae.
Aquifoliaceae.
Araliaceae.
Cornaceae.
Saxifragaceae.
Cactaceae.
Melastomaceae.
Onagraceae.
Rosaceae.
Ericaceae.
Vaccinieae.
Rhodoreae.
Myrsinaceae.
Loganiaceae.
Asclepiadaceae.
Solanaceae.
Scrophulariaceae
(Wightia gigantea. — Himal. or.)
Lentibulariaceae.
Utricularia. — Trop. Am.
[pg 019]Gesneraceae.
Bignoniaceae.
Verbenaceae.
Rubiaceae.
Compositae.
Senecio parasiticus. — Mexico.
Als erstes allgemeines Ergebniss dieses Verzeichnisses könnenwir den Satz aufstellen, dassdie Zahl der in der Epiphytengenossenschaft vertretenen Familien eine geringeist, dass mehrere derselben aber im Verhältniss zuihrem Umfange eine auffallend grosse Zahl epiphytischerArten führen, so die Farne, Orchideen, Bromeliaceen,Araceen, Gesneraceen und Vacciniaceen. Mehrere der grössten Familiendes tropischen Amerika entbehren epiphytischer Arten gänzlich,so die Gräser, Palmen, Euphorbiaceen, Rutaceen, Lauraceen,Leguminosen etc.
Als zweites bemerkenswerthes Ergebniss unserer Liste ist diegrosse systematische Uebereinstimmung der Epiphytengenossenschaftin der alten und der neuenWelt, abgesehen natürlich von solchen Familien, die auf die letztereganz beschränkt sind (Bromeliaceen, Mangroviaceen).
2. Manche scharf ausgeprägte Pflanzengenossenschaften, z. B.diejenigen der Wasserpflanzen, der Strandpflanzen, der Mangrovepflanzen,verhalten sich denjenigen der Epiphyten insofern ganzanalog, als sie sich ebenfalls hauptsächlich aus bestimmten Familienrecrutiren. Es braucht nur an die Potameen und Nymphacaceen, dieCombretaceen und Rhizophoreen, die Plumbagineen, Cruciferen undSalsolaceen erinnert zu werden.Während uns aber in diesenFällen die Ursache der Bevorzugung gewisser Familien,des gänzlichen Fehlens anderer ganz unbekannt ist,können wir die systematische Zusammensetzungder Epiphytengenossenschaft, theilweisewenigstens, auf ihre Factoren zurückführen.
Die erste Bedingung, damit eine Pflanze der epiphytischenGenossenschaft gehören könne, ist, dassihre Samen zur Verbreitung auf Baumästen geeignetseien, was bekanntlich durchaus nicht von allen Samen[pg 021]gilt; ausserdem müssen sie an dem Substrathängen bleiben und auf demselben die zur Keimungnöthige Wassermenge finden, – zwei Bedingungen,die die Zahl der tauglichen Samenarten wiederum sehr herabmindern.
Die Samen epiphytischer Gewächse lassen sichin drei biologische Categorien eintheilen, die alledrei den eben erwähnten Hauptbedingnngen vollkommenentsprechen.
Dieerste Categorie umfasst diejenigen Samen, welche voneiner saftigen Hülle umgeben sind und daher von Vögeln, Affenund sonstigen baumbewohnenden Thieren verbreitet werden; derartigeSamen finden, falls sie nicht zu gross sind, in den Excrementeneinen genügenden Kitt und sind gleichzeitig gegen dasAustrocknen geschützt. Derartige Samen sind unter den Epiphytenausserordentlich verbreitet. Sie finden sich bei den epiphytischenAraceen,Liliaceen (Astelia, Luzuriaga.),Cyclanthaceen,Bromeliaceen e. p.,Zingiberaceen (Arillus bei Hedychium),Melastomaceen e. p. (Dicellandra, Medinilla, Pogonanthera,Pachycentria, Blakea etc.),Gesneraceen e. p. (Episcia, Columnea,Drymonia, Alloplectus, Hypocyrta, Codonanthe, Fieldia, Mitraria, Sarmienta),Bignoniaceen (Schlegelia),Vaccinieen,Onagraceen (Fuchsia),Aquifoliaceen,Cornaceen,Myrsineen,Cactaceen,Clusiaceen,Araliaceen,Solanaceen,Verbenaceen(Premna),Rubiaceen e. p. (Proscephalium, Psychotriaparasit., Hydnophytum, Ophryococcus, Schradera, Leucocodon,Xerococcus, Acranthera, Randia),Rosaceen (Pyrus sect.Sorbus),Saxifragaceen (Ribes),Celastraceen (Evonymusmit Arillus),Urticaceen,Piperaceen,Marcgraviaceen,Loganiaceen,Begoniaceen (afrikan. Arten).
Derzweiten Categorie rechne ich die Samen (und Sporen)zu, die so überaus leicht sind, dass sie von dem leisestenLuftzug fortgetragen werden, und so klein, dass sie in die Risse[pg 022]der Rinde und in die Moospolster dringen; sie bedürfen daher keinerbesonderen Flug- und Haftapparate und finden leicht die zu ihrer Keimungnöthige geringe Feuchtigkeitsmenge (Farne,Orchideen).
Diedritte Categorie umfasst diejenigen Samen, die, obwohlebenfalls sehr klein und leicht, doch etwas schwerer undgrösser sind als in der zweiten Categorie, und einen Flug- undHaftapparat besitzen. Während bei Bodenpflanzen der Flug-und Haftapparat sehr verschiedenartig ist, lässt sich derjenigeder epiphytischen Gewächse auf zwei Typen zurückführen; derselbebesteht nämlich entweder aus langen, meist sehr weichen Haaren,oder aus einem schmalen, an beiden Enden oder nur an einem Endein einen spitzen Fortsatz sich fortsetzenden Flügel. Den ersteren Fallfinden wir bei manchenGesneraceen (Aeschynanthus (Taf. 6,Fig. 3), Dichrotrichium, Agalmyla, Lysionotus),Rubiaceen (Hillia(Taf. 6, Fig. 7)), denAsclepiadaceen (Taf. 6,Fig. 5. u. 6),Bombaceen,Compositen (Senecio parasiticus) und namentlich beidenTillandsieen (Taf. 6, Fig. 8 u. 9); die zweite Art der Ausbildungzeigt sich bei gewissenRubiaceen (Hymenopogon (Taf. 6,Fig. 1), Cosmibuena (Fig. 2)), denRhododendreen (Taf. 6,Fig. 4) und derScrophulariacee Wightia.
Die Samen dieser Categorie sind, wie erwähnt, alle sehr leicht,ohne jedoch ein so geringes Gewicht, wie diejenigen epiphytischerOrchideen, zu besitzen. So beträgt das Gewicht eines Samens vonRhododendron verticillatum 0,000028 Gr., eines solchen vonAeschynanthus 0,00002, eines solchen von Dendrobium aber nur0,000005652,und die Gewichte der Samen des genannten Rhododendronund von Aeschynanthus werden von denjenigen andererArten dieser Categorie übertroffen.
Eine andere Eigenthümlichkeit dieser Samen ist, dass sie verschmälertsind, wodurch sie offenbar leicht in enge Spalten undInterstitien gelangen.
[pg 023]Man würde kaum glauben, dass die aufTaf. 6 dargestelltenSamen, Pflanzenzu den verschiedensten Familien gehören, und dochkönnte die Zusammenstellung weit vollständiger sein, ohne ihrengleichartigen Charakter zu stören.
Ueber die Samen einiger wenigen Epiphyten habe ich nichtsBestimmtes erfahren können (Echeveria, Sedum, Amaryllidee ausSt. Catharina, Utricularia).
Es geht aus dem Vorhergehenden hervor, dass Samen, dieweder in fleischigen Früchten enthalten sind noch staubartige Dimensionenbesitzen, wie bei den Orchideen und Farnen, eine ganzbestimmte Structur haben müssen, um unter den Existenzbedingungenauf Baumästen sich weiter entwickeln zu können.
In den eben erwähnten Eigenschaften der Samenepiphytischer Gewächse haben wir, in der grossen Mehrzahlder Fälle wenigstens,nicht eine Anpassung an atmosphärischeLebensweise, sondern vielmehr einepräexistirende Eigenschaft, durch welche letztereerst ermöglicht wurde, zu erblicken; wir finden in derThat ganz ähnliche Samen, bezw. Früchte, wie diejenigen der Epiphyten,bei verwandten Formen wieder, die theils aus klimatischen,theils aus anderen Ursachen durchaus an terrestrische Lebensweisegebunden geblieben sind.
Nachdem das Vorhergehende schon längst geschrieben war,habe ich eine prägnante Illustration der Richtigkeit des eben aufgestelltenSatzes kennen gelernt. Die öffentlichen Promenaden in undbei Algier sind vielfach mit Dattelbäumen bepflanzt, deren abgestorbene Blattbasen einige Zeit unter der grünen Krone persistirenund Staub und Feuchtigkeit so reichlich aufsammeln, dass sie beinahestets Pflanzen ernähren, welche ebenso üppig wie auf demBoden gedeihen.Diese Pflanzen sind sämmtlich solche,deren Samen durch aufsteigende Luftströme leichtin die Höhe gelangen können, – vorherrschend ist Sonchusoleraceus, den man in der Stadt umsonst auf dem Boden[pg 024]suchen würde, während er auf der Place de la République und hinterder Place de la Gouvernement, nach dem Lyceum zu, in üppigenExemplaren nahezu auf jeder Palme wächst; daneben zeigen sichzuweilen andere Cichoriaceen (Crepis-Arten). Ausser den erwähntenPflanzen habe ich an den genannten Standorten, aber nur in vereinzeltenExemplaren, Hyoscyamus niger, Plantago major und Linariacymbalaria beobachtet, deren Samen zwar der den Cichoriaceen zukommendenFlugapparate entbehren, aber so winzige Dimensionenbesitzen, dass es wohl begreiflich ist, wie der in Algier so häufigmächtige Staubsäulen aufwirbelnde Wind sie in die Höhe treibenkonnte. Zuweilen, so z. B. im Jardin d'essai bei Algier, sieht manDattelstämme, die bis zur Basis beschuppt geblieben sind, – indiesem Falle findet man an der Basis der unteren Blattüberrestedie verschiedenartigsten Gewächse, die nur der Bau ihrer Samenhindert, höher zu gelangen.
Eigentliche Epiphyten fehlen in Nord-Afrika, aus später zu besprechendenklimatischen Gründen, gänzlich, und in seiner Heimath,der Sahara, geht dem Dattelbaum jeder Epiphyt gänzlich ab. Dader Baum an der Küste nur angepflanzt ist, konnten sich dort nochkeine Pflanzen speciell an die Lebensweise in seinen Blattbasenanpassen, während in tropischen Ländern, wie wir später sehenwerden, gewisse Pflanzen beinahe nur auf solchen schuppigen Palmenstämmenvorkommen. So gewähren uns die Dattelbäume von Algier,in sehr kleinem Maassstabe, das Bild der ersten Entstehungeiner epiphytischen Flora; wir begreifen, dass dieselbe sichkeineswegs aus beliebigen Elementen recrutiren konnte, sonderndass ein bestimmter Bau des Samens oder der Frucht dazu erforderlichwar.
Wir begreifen nun auch das Fehlen ganzer Familien in derEpiphytengenossenschaft, z. B. dasjenige der Leguminosen undEuphorbiaceen, deren stets relativ grosse Samen der Flugapparateentbehren und nur selten mit fleischigen Hüllen versehen sind, dasjenigeder Acanthaceen im Gegensatz zu den ihnen verwandten[pg 025]Gesneraceen, die in so hohem Grade zum Epiphytismus neigen, aberauch mit dazu so geeigneten Früchten bzw. Samen ausgerüstetsind; wir verstehen, warum unter den Liliaceen nur die Astelieenund Smilaceen epiphytische Lebensweise annehmen konnten etc.Ebenso ist es uns wohl begreiflich, warum im Gegentheil die Farne,Araceen, Orchideen, Bromeliaceen, Cactaceen, Vaccinieen der epiphytischenVegetation ein so mächtiges Contingent geliefert haben;bei denselben haben die Früchte oder Samen stets, auch wo dieLebensweise rein terrestrisch, die zum Uebergang zur epiphytischenLebensweise nöthigen Eigenschaften.
Innerhalb der Familien mit sehr verschiedenartigen Samen oderFrüchten zeigen sich die Epiphyten auf die Gruppen mit Gattungenbeschränkt, wo die genannten Organe den Anforderungen epiphytischerLebensweise entsprechen, ohne dass dabei von einerAnpassungan die letztere die Rede sein könne; so z. B. bei denRubiaceen, Urticaceen, Melastomaceen, Solanaceen, Gesneraceen etc.Unter den Lycopodiaceen sind nur die isosporen Gattungen in derEpiphytengenossenschaft vertreten, diese aber sehr reichlich; dietheilweise doch so genügsamen Selaginellen blieben wegen des Gewichtsihrer Macrosporen und der Wassermenge, die zu den Befruchtungsvorgängennöthig ist, nothwendig von derselben ausgeschlossen; ausähnlichen Gründen sind die Verbreitungsbezirke der Arten beider Gattung Selaginella, im Vergleich zu denjenigen der isosporenLycopodiaceen, sehr klein.
Familien, die nur ganz vereinzelte Typen enthalten, derenSamenbau für epiphytische Lebensweise geeignet ist, sind, wennüberhaupt, nur sehr schwach in der Genossenschaft der Epiphytenvertreten. So besitzen die Bignoniaceen meist Kapselfrüchte mitbreitgeflügelten Samen, die Gattung Schlegelia aber Beeren; letztereallein besitzt epiphytische Arten. Die Loganiaceen besitzen sehrhäufig fleischige Früchte; dieselben sind aber stets mit sehr grossenSamen versehen, ausgenommen Fagraea, deren Arten häufig alsEpiphyten wachsen. Die Gattung Begonia hat meist trockene[pg 026]Früchte; letztere sind aber bei einigen afrikanischen Arten, dieepiphytisch wachsen, mehr oder weniger fleischig und saftig. Andererseitsbesitzt die sonst wesentlich aus Epiphyten bestehende Familieder Bromeliaceen einige Gattungen (Dyckia, Puya, Hechtia),deren Samen wohl mit Flugapparat versehen, aber der Haftvorrichtungen entbehren; diese Typen sind daher der rein terrestrischenLebensweise treu geblieben.
Der Bau der Früchte bezw. Samen ist es jedenfalls gewesen,der in erster Reihe für die Möglichkeit, epiphytische Lebensweisezu führen, entschieden, den Ausschluss bezw. die Beverzugung gewisserGruppen bestimmt,somit den systematischen Charakterder epiphytischen Genossenschaft hauptsächlichbedingt hat. Wir können damit jedoch nicht alle Eigenthümlichkeitender letzteren erklären; es fällt uns auf, dass gewisseFamilien oder Gruppen, deren Samen doch z. Thl. mit den nöthigenRequisiten versehen zu sein scheinen, keine oder doch nur wenigeArten enthalten, die epiphytische Lebensweise, auch nur zufällig,führen würden, so die Gramineen, die keine einzige, die Compositen,die nur eine epiphytische Art enthalten.
Die Factoren, welche neben den Eigenschaften der Früchteund Samen die systematische Zusammensetzung der Epiphytengenossenschaftbeeinflusst haben, können, theilweise wenigstens, vermuthetwerden. So kann es keinem Zweifel unterliegen, dass dievegetative Organisation für die Befähigung einer Pflanze, auf Baumrindezu gedeihen, von ganz wesentlicher Bedeutung ist. Währendwir aber keinen Einfluss der epiphytischen Lebensweise auf Früchteund Samen zu erkennen vermochten, sind durch dieselbe Sprosseund Wurzeln in vielen Fallen nachweisbar so modificirt worden,dass wir in der Regel nicht im Stande sind, das Bild der bodenbewohnendenStammpflanze in ihren vegetativen Theilen zu reconstruiren.Diese Frage wird erst in dem nächsten, den Anpassungenan epiphytisehe Lebensweise gewidmeten Kapitel des Näheren discutirtwerden. Es ist mir übrigens nicht wahrscheinlich, dass die[pg 027]systematische Zusammensetzung der Epiphytengenossenschaftdurch die Eigenschaften der vegetativen Organewesentlich beeinflusst worden sei.
Eine grössere Wichtigkeit in letzterer Hinsicht ist wohl demUmstande zu schenken, dass, wie nachher des Näheren gezeigtwerden soll, sämmtliche Epiphyten, auch solche, die in Savannenvorkommen, aus Pflanzen des dichten Urwalds hervorgegangen sind.Dieses dürfte das Fehlen oder starke Zurücktreten in der Epiphytengenossenschaftgewisser sehr fermenreicher Familien mitanscheinend theilweise geeigneten Samen erklären, so der Gräserund Compositen, die, wenn auch im Walde nicht fehlend, dochhauptsächlich Bewohner der Savannen und offener Standorte überhauptsind.
So wünschenswerth es erscheint, sämmtliche Factoren, welchedie systematische Zusammensetzung der Epiphytengenossenschaftbeeinflusst haben, kennen zu lernen, so können wir doch mit Sicherheitbehaupten, dass dieselbe in ihren hauptsächlichen Zügen durchdie Eigenschaften der Früchte und Samen bedingt worden ist.
1. Wie überhaupt jede an eine bestimmte Lebensweise gebundenePflanzengenossenschaft, besitzt auch diejenige der Epiphyteneine von ihrer systematischen Zusammensetzung unabhängige Physiognomie,in welcher ihre Existenzbedingungen zum Ausdruckekommen. Die charakteristischen Züge derselben sind jedoch nichtsämmtlich als Anpassungen an den Standort aufzufassen;manche Eigenthümlichkeit der Epiphytengenossenschaft ist nichtim Kampfe gegen die ungünstigen Existenzbedingungen auf Baumrindeoder gegen die trotzdem zahlreichen Mitbewerber um dieselbeentstanden, sondern verdankt ihren Ursprung dem Umstande, dassder Uebergang aus der terrestrischen zur epiphytischen Lebensweisenur bei Anwesenheit bestimmter Eigenschaften möglich war.Sollte unser Klima wesentlich feuchter werden, so würden, wie ausdem letzten Kapitel dieser Arbeit hervorgeht, eine Anzahl Bürgerunserer Flora, die bisher streng terrestrisch waren, sich der Lebensweiseauf Bäumen anbequemen, oder, wenigstens zunächst, ihreOrganisation zu ändern und ohne aufhören zu müssen, auch aufdem Boden zu wachsen (z. B. Polypod. vulgare, Hedera). Die indieser Weise entstandene epiphytische Vegetation würde keineswegsaus beliebig zusammengewürfelten Elementen bestehen, sondern,[pg 029]wenn auch in sehr wenig ausgeprägtem Grade, bereits gewisseder charakteristischen Züge der Physiognomie der typischen Epiphytengenossenschaft besitzen.
Ich zweifle nicht, dass in den Tropen eine Anzahl Gewächse,die sowohl auf Bäumen, wie auf dem Boden wachsen, der epiphytischenLebensweise ebensowenigangepasst seien, als unserein Folge der klimatischen Verhältnisse nur terrestrisch lebendenPflanzen, und dennoch besitzen diese mehr zufälligen Glieder derGenossenschaft meist einigermaassen die epiphytische »Tracht«.Aus derartigen Elementen, die, auf dem Boden wachsend,zufällig und zu ganz anderen Zwecken die zurLebensweise auf Bäumen unbedingt nothwendigenEigenschaften besassen, ist, dank den klimatischenBedingungen, die epiphytische Vegetation des tropischenAmerika hervorgegangen; indem vielen dieserPflanzen später nur ihre Fähigkeit, epiphytisch zuleben, das Bestehen im Kampfe ums Dasein sicherte,entwickelten sich, durch fernere Ausbildung derbereits vorhandenen günstigen Eigenschaften, imgeringeren Maasse auch durch das Auftreten ganzneuer, die einseitigen Anpassungen, die der Genossenschaftder Epiphyten ihre scharf ausgeprägtePhysiognomie verleihen.
Wir finden begreiflicherweise jetzt noch unter den Epiphytenalle möglichen Stufen zwischen gar nicht und im höchsten Grade anLebensweise auf Bäumen angepassten Arten, und die Entscheidung,ob eine bestimmte, günstige Eigenschaft als Anpassung aufgetretenoder vielmehr die Ursache des Uebergangs zum Epiphytismus gewesen,ist in manchen Fällen schwer oder unmöglich. Wir werdenjedoch für die wichtigsten Typen versuchen, die Grenze zwischendem ursprünglich vorhandenen und dem nachträglich entstandenenungefähr zu ziehen.
Es muss aber gleich betont werden, dass ähnlich, wie die Baumrinde,[pg 030]auch die Oberfläche von Felsen, wie sie bei uns nur Flechtenund Moose trägt, im tropischen Urwald mit phanerogamischen undfarnartigen Gewächsen bedeckt ist, die, den sehr ähnlichen Existenzbedingungenentsprechend, zum grossen Theile mit denjenigen, dieauf den Bäumen wachsen, identisch sind. Man kann in sehr vielenFällen eine zur epiphytischen Lebensweise geeignete Vorrichtungebensogut als Anpassung an Lebensweise an Felswänden auffassen.Dass man jedoch die Genossenschaft der Felspflanzen und diejenigeder Epiphyten nicht vereinigen darf, werde ich im nächsten Kapitelzeigen. In diesem werde ich vielfach, der Kürze halber, von Anpassungenan epiphytische Lebensweise sprechen, auch wo dieselbenebensogut für diejenige an der Oberfläche von Felsen entstanden seinkönnten. Thatsächlich werden beide Standorte viele Pflanzen gleichzeitig,in gleichem Sinne, beeinflusst haben; dass der Einfluss derepiphytischen Lebensweise jedoch höchst wahrscheinlich bei weitemder grössere gewesen, wird später gezeigt werden.
2. Zu den Eigenthümlichkeiten der Epiphytengenossenschaft,die nicht zu den Anpassungen an atmosphärische Lebensweise zurechnen sind, gehören die vorhin besprochenen Eigenschaften ihrerFrüchte und Samen, die zwar, einzeln betrachtet, denjenigen einzelnerterrestrischer Gewächse ganz analog sind, in ihrer Gesammtheitaber einen sehr charakteristischen Zug darstellen, anwelchem, wenn auch nicht als Anpassung, die Eigenschaften desStandorts in deutlicher Weise zum Ausdruck kommen. Ueberhauptscheinen die im Dienste der geschlechtlichen Reproduction stehendenOrgane und Vorgänge durch epiphytische Lebensweise nichtbeeinflusst worden zu sein, vielleicht mit Ausnahme der Keimung,die in dieser Hinsicht einer besonderen Untersuchung werth wäre.
Kaum anders, als mit der geschlechtlichen, verhält es sich mitder vegetativen Reproduction, die bei den Epiphyten im Ganzeneine weit grössere Rolle spielt, als bei Bodenpflanzen, was wohlmit der grösseren Unsicherheit der Vermehrung durch Samen und[pg 031]Sporen zusammenhängt. Ausser der auch sonst verbreiteten Vermehrungdurch Stolonenbildung3,oder dadurch, dass die Nebenästeeines Sprosssystems durch Absterben des Hauptsprosses selbständigwerden4,gibt es doch wenigstens einen Fall vegetativerReproduction, der nur bei epiphytischer Lebensweise möglich ist.Die von Baumästen herunterhängenden langen Schweife der Tillandsiausneoides (Taf. 2) werden nämlich durch starken Wind oftderart zerfetzt, dass ihre Fragmente den Boden bedecken, wo siezu Grunde gehen; theilweise jedoch fallen die abgerissenen Zweigeauf andere Baumäste, wo sie sich ungestört weiter entwickeln. Beider Leichtigkeit der kleineren Zweige dieser Pflanze, dem Widerstand,den ihre zahlreichen flügelartigen Haare der Luft bieten,werden sie gewiss manchmal in dieser Weise auf grosse Entfernungengetragen. Letzteres geschieht jedoch in weit höheremGrade durch Vermittelung von Vögeln, die die Tillandsiasprosse alsNestbaumaterial in ausgedehnter Weise verwenden, ohne dass diePflanze in ihrer Fortentwickelung gestört werde. Solche lebendeVogelnester habe ich massenhaft in Venezuela gesehen, wo sie, inForm langhalsiger Flaschen von dem Arendajo genannten Spottvogelhergestellt, oft in Colonien von hundert und mehr von hohenBaumästen herabhängen. Ganz ähnlich verhalten sich die Vögelund die Tillandsia in Argentinien (Hieronymus 4) und, wie mirHerrAug. Müller mittheilte, in Sta. Catharina. Im Laufe derZeit verwandelt sich manches dieser Vogelnester in einen Tillandsiaschweif,der sich von anderen in nichts unterscheidet. Wie ergiebigdie vegetative Vermehrung der Tillandsia usneoides seinmuss, geht daraus hervor, dass diese Pflanze, obwohl der gewöhnlichsteund verbreitetste der phanerogamischen Epiphyten Amerikas,nur selten blüht und nur wenige Samen in ihren Früchten entwickelt.Ich habe auf meinen Reisen zwischen Virginien und Süd-Brasilien[pg 032]beinahe auf jeder Excursion Tillandsia usneoides, häufigwahre atmosphärische Wiesen bildend, gesehen, aber nie ein blühendesExemplar, nur zwei oder drei Exemplare mit Früchten undeine einzige Keimpflanze (bei Caripe in Venezuela) gefunden, währenddie übrigen Tillandsien sich, im Gegensatz zu vielen anderenEpiphyten, sehr ausgiebig durch Samen vermehren, derart, dassbeinahe ein jeder Baum, der eine Tillandsia- oder Vriesea-Art trägt,junge Pflanzen derselben in allen Entwickelungsstadien aufweist.
Einen eigenartigen Fall vegetativer Verbreitung stellt auch,nachEggers, Oncidium Lemonianum.»Never giving fruit, butpropagating itself by producing young plants from buds in the axilsof the sterile bracts below the flowers, which remain in connectionwith the parent plant, and thus often forming long coloniesof plants from one tree to the other« (Eggers, p. 114).
Es erscheint mir nicht unmöglich, dass eine solche vegetativeVermehrung von Baum zu Baum bei den Utricularien, die ich niemit Samen gefunden, vielleicht auch bei Peperomia, eintrete.
Weit größer und allgemeiner ist der Einfluss der epiphytischenLebensweise auf die Organe der Ernährung und Befestigung gewesen.Die Armuth des Standorts an wässerigen Nährstoffen istes vorwiegend, die in der Physiognomie der Epiphytengenossenschaftzum Ausdruck kommt; in den verschiedensten Anpassungen scheinendie Mittel, dem Wassermangel zu entgehen, erschöpft wordenzu sein. Theilweise sind die diesbezüglichen Vorrichtungen sehrprimitiv und unvollkommen, theilweise jedoch derart, dass eine aufdem Gipfel eines Baumes an trockener Rinde befestigte Pflanzeüber ein reiches, üppige Entwickelung gestattendes Nährsubstratverfügt.
Der Schutz des aufgenommenen Wassers gegen Verlust durch Transpiration spricht sich ebenfalls in der Organisationder grossen Mehrzahl der epiphytischen Gewächse aus.
Endlich haben auch die namentlich für grössere Pflanzenschwierigen Verhältnisse der Befestigung am Substrat ihren deutlichen[pg 033]Einfluss auf die Ausbildung der Epiphytengenossenschaft ausgeübt.
Die physiognomischen Eigenthümlichkeiten in den vegetativenOrganen epiphytischer Gewächse lassen sie sämmtlich auf die ebenerwähnten Eigenthümlichkeiten des Standorts, theilweise als Ursachen,theilweise als Wirkungen der epiphytischen Lebensweiseauffassen. Es ist uns leicht begreiflich, warum die meisten Epiphytenim Verhältniss zu ihrer Höhe eine sn mächtige flächenartigeAusbreitung besitzen, sei es, dass ihre Sprosse auf der Rinde kriechen,wie bei vielen Farnen, Orchideen, Araceen, den meistenPeperomien, Gesneraceen, Utricularien etc., oder, dass sie im Verhältnisszu ihrer Grösse eine enorme Menge in Spalten und Löcherdringender Wurzeln entwickeln; wir begreifen ebenfalls, warum siebei aufrechter (Clusia) oder (Orchideen z. B. Dichaea, Hexisea,Cactaceen, manche Gesneraceen, Psychotria parasitica) hängenderLebensweise häufig überall da Wurzeln treiben, wo sie mit einemAste in Berührung kommen. Wir erkennen darin das Betreben,einerseits die Nährquellen des Substrate möglichst auszunutzen,andererseits sich an demselben möglichst festzuhalten; der letztereGesichtspunkt ist, wie wir später sehen werden, in manchen Fällen(Araceen e. p., Cactaceen e. p., Clusia etc.) allein in Betracht zuziehen, wahrend dem Bedürfnisse der Ernährung in anderen diegrössere Wichtigkeit beizumessen sein dürfte (kleine Farne, Peperomienetc.).
Wir begeifen ferner, warum die Epiphyten so häufig fleischigeoder lederige Blätter oder sonstige, später zu besprechende Schutzmittelgegen Transpiration besitzen. Letztere sind in der Epiphytengenossenschaftin grösster Mannigfaltigkeit vorhanden. Einesder bei Bodenpflanzen häufigsten dieser Schutzmittel, die Reductionder transpirirenden Oberfläche, ist jedoch meist schwach entwickelt;so fällt es namentlich auf, dass die sonst an trockenen Standortenmöglichst gedrungenen, häufig kugeligen Sprosse der Cactaceen inder Epiphytengenossenschaft Blattgestalt annehmen (Phyllocactus,[pg 034]Epiphyllum , Rhipsalis e. p.) oder doch durch reichliche Verzweigung,bei geringer Dicke der Aeste, eine Vergrösserung ihrertranspirirenden Oberfläche zu erstreben scheinen (Rhips. Cassythau. a. A.). Dieses ist darauf zurückzuführen, dass neben dem Schutzgegen Transpiration die Bedürfnisse der Assimilation als formbildendeFactoren in Betracht kommen und bei den meist nur diffusesLicht erhaltenden Epiphyten einer Verminderung der Oberflächeentgegenwirken.
Die Anpassungen an epiphytische Lebensweise sind, obwohlsie alle auf die gleichen Ursachen zurückzuführen sind und Aehnlicheserreichen, nicht überall gleichartig. Man muss vielmehr,welchen Gesichtspunkt man auch in den Vordergrund stellt, mehrereGruppen unterscheiden, die, obwohl zum grössten Theil keineswegsaus systematisch verwandten Arten bestehend, doch sehrähnliche Merkmale zusammenfassen würden. Von den Einflüssen,die sich der Physiognomie der Genossenschaft aufgeprägt haben,ist der Modus der Wasseraufnahme derjenige, der in der Lebensweise,in der Gestalt der Pflanze am auffallendsten und charakteristischstenzum Ausdrucke kommt, sodass nach demselben aufgestellteCategorien oder Gruppen am meisten habituell ähnlichePflanzen vereinigen; wir haben uns daher für dieses Eintheilungsprinzipentschlossen.
Ein epiphytisch auf einer anderen Pflanze gekeimtes Gewächskann auf vier verschiedene Wege in den Besitz der wässerigenNährstoffe gelangen, nämlich 1) entweder indem es sich begnügt,die an der Oberfläche der Wirthpflanze befindlichen auszunutzen,oder 2) indem es Wurzeln bis in den Boden treibt, oder 3) indemes sich durch Aufsammeln abfallender Pflanzentheile, Thierexcrementeund atmosphärischen Wassers ein Nahrsubstrat bildet, oder4) indem es Saugorgane in die Gewebe der Wirthpflanze treibt.Die Pflanzen der vierten Categorie, die ächten Parasiten, sind, obwohlman sie der epiphytischen Genossenschaft vielleicht zurechnenkönnte, in dieser Arbeit nicht berücksichtigt. Den drei anderen[pg 035]Nährsubstraten könnte man eine Eintheilung in drei Epiphytengruppenentgegenstellen; es erscheint mir jedoch rathsam, diejenigen,die sich ein Nährsubstrat aufsammeln, in solche, die dasselbe durchihre Wurzeln, und solche, die es durch ihre Blätter ausnutzen,einzutheilen, also zwei Gruppen zu unterscheiden.
1. Manche, wenn auch relativ wenige Vertreter der erstenGruppe weichen in ihrer Structur von den Pflanzen, die auf demBoden am Fusse der Bäume wachsen, nicht wesentlich ab. So verhaltensich viele Farne, namentlich Hymenophyllaceen, Lycopodium-Arten,gewisse Anthurium-Arten, die zarten Orchideen der GattungStenoptera, sämmtlich Bewohner der dunstreichen unteren Regiondes Urwalds, wo sie nur auf der rissigen oder bemoosten Rindealter Bäume, oder noch mehr auf der Wurzelhülle der Baumfarnstämmezu normaler Entwickelung gelangen.
In viel zahlreicheren Fällen kommt der Einfluss des Standortsin der Organisation der Epiphyten zum Vorschein, manchmal allerdingsblos in Schutzmitteln einfachster Art gegen die Gefahren desWassermangels, wie sie allgemein die Bewohner trockener Standortecharakterisiren. Häufig jedoch sind Vorrichtungen zur möglichstenAusnutzung des Substrats vorhanden, die mit der atmosphärischenLebensweise in engerem Zusammenhang stehen.
2. Der Schutz gegen Absterben durch Vertrocknenkann einfach darin bestehen, dass die Pflanzeeinen beträchtlichen Wasserverlust ohne Schadenertragen kann. Hierher gehören in erster Linie viele Moose,Flechten und Algen (Chroolepus), welche bekanntlich bei langedauernder Trockenheit in einen beinahe wasserfreien, ruhenden Zustandübergehen, aus welchem sie beim ersten Regentropfen wiederzu activem Leben erwachen. Unter den höheren Epiphyten, welche[pg 036]uns hier allein zu beschäftigen haben, sind es nur wenige, die aufsolche Weise der Trockenheit widerstehen. Unzweifelhafte Fälledieser Art haben wir aber an verschiedenen Farnen, so an denkleinen Polypodium-Arten, die überall, wo Epiphyten überhauptvorkommen, an ganz offenen Standorten auf trockener Rinde wachsen.Besonders auffallend verhält sich das in Westindien und imsüdlichen Nordamerika weit verbreitete Polypodium incanum, welches,z. B. bei Port-of-Spain auf Trinidad, an den Baumstämmen derAlleen unter den glühenden Strahlen der Aequatorialsonne vollständigzusammenschrumpft, um bei Regenwetter alsbald seine Segmentewieder flach anszubreiten. Diese Pflanze sah ich eine mehrereWochen lange, ganz regenlose Periode unbeschadet überdauern,wobei sie ebenso vertrocknete, wie unter gleichen Umständen Mouseoder Flechten. Aehnliches gilt auch, jedoch in weit geringeremGrade, von einem bei Blumenau häufigen Polypodium, wohl auch vonP. serpens und vaccinifolium. Diese Pflanzen zeigen in anatomischerHinsicht kaum irgend welche Schutzvorrichtungen.
Die Fähigkeit, bei trockenem Wetter zu verwelken und sogarzu vergilben, und in diesem Zustande längere Zeit, ohne abzusterben,zu verharren, ist auch, wie Herr Dr.Brandismittheilte, bei den indischen Farnen Polypodium lineare, P. amoenum,Davallia pulchra und Trichomanes Filicula in hohem Gradeentwickelt; sobald sich Regen einstellt, werden sie wieder turgescentund grün.
Grossen Wasserverlust, unter Annahme einer tiefrunzeligenOberfläche, verträgt, ähnlich wie andere Cacteen, Rhipsalis Cassytha.Immerhin ist hier die Erscheinung weit weniger auffallend als beigenannten Farnen.
3. In der grossen Mehrzahl der Fälle besteht dieSchutzeinrichtung gegen Austrocknen in der Anwesenheitvon Wasserbehältern, die sich bei Regenwetter[pg 037]füllen und, sobald nöthig, zu Gunsten der zur Erhaltung der Pflanzewichtigen Organe entleert werden.
Sehr häufig speichern die Blätter selbst das Wasser auf, indemsie mit Wassergewebe, Speichertracheïden oder, selten, mit grossen,zu demselben Zwecke dienenden Intercellularräumen versehen sind.
Das Wassergewebe bildet bei vielen Epiphyten, ähnlich wie beiden meisten mit einem solchen versehenen Bodenpflanzen, eine zusammenhängendeSchicht an der Oberseite, zwischen dem grünenGewebe und der Epidermis; Fälle dieser Art bieten uns namentlichdie Peperomien und Gesneraceen, welche, mehr nach Individuenals nach Arten, einen so mächtigen Bestandtheil der epiphytischenVegetation an schattigen Standorten bilden.
Man nimmt wohl allgemein an, dass das Wassergewebe, gleichzeitigmit den übrigen Theilen des Blatts, seine definitive Ausbildungerreicht. Dieses mag in vielen Fällen zutreffen; bei denepiphytischen Peperomien und Gesneraceen aber, die ich zu untersuchenGelegenheit hatte,nimmt in alternden Blätterndas Wassergewebe durch Streckung seiner Zellenganz bedeutend an Mächtigkeit zu. So betrug die Dickeder etwa 1–1½ cm breiten, runden, ovalen Blätter einer inSüd-Brasilien sehr verbreiteten Gesneracee (Codonanthe Devosii) in der Jugendund bei mittlerem Alter durchschnittlich 2½ mm, während dieselbebei alternden, theilweise schon gelblichen Blättern durchschnittlich5 mm erreichte; dieser enorme Unterschied kam allein auf Rechnungdes Wassergewebes, indem die grüne Zelllage, welche nureinen Bruchtheil eines Millimeters dick ist, eine merkliche Zunahmenicht erfuhr. Ganz Aehnliches gilt auch von den übrigen beobachtetenGesneraceen und von den Peperomien.
Es lag der Gedanke nahe, dass die alternden, sehr wasserreichenBlätterals Wasserreservoirs für die jüngeren,in voller Thätigkeit befindlichen dienen würden. Bestätigtwurde diese Vermuthung durch folgendes Experiment. Lose,alte Blätter und ganze Zweige wurden an einer hellen Stelle in[pg 038]einem Zimmer unseres Hauses in Blumenau sich selbst überlassen.Nach vier Wochenwaren die abgetrennten Blätter nochlebendig und nur sehr wenig dünner geworden; diegleichalten Blätter an den Stengeln dagegenschon nach kurzer Zeit zusammengeschrumpft, sodasssie kaum noch 1 mm dick waren, und trocknetendann völlig ein, während die jungen Blätter zwarebenfalls an Dicke abnahmen, aber bis zum Schlussdes Experiments lebendig blieben; die Zweige fuhrenwährenddessen ununterbrochen zu wachsen fort. Auf eine ähnlicheRolle dürfen wir wohl auch für die vielen ähnlichen Fälle schliessen.
Sehr gewöhnlich ist bei anderen Epiphyten das Wasser nichtin den Blattspreiten, sondern in anderen Blatttheilen oder auchin anderem Pflanzenorganen aufgespeichert, aus welchen es den grünenZellen bei eintretendem Bedürfniss zugeführt wird. Sehr einfachehierher gehörige Fälle liefern Gesnera-Arten, deren mächtige, aufder Baumrinde sich erhebende Knollen sowohl zur Aufspeicherungvon Wasser, wie zu derjenigen von Stärke dienen, die grossen Zwiebelnder epiphytischen Amaryllideen und in Indien viele knolligen Rubiaceen,Vaccinieen und Melastomaceen.
Zu den einfach gebauten und wenig vollkommen angepasstenEpiphyten gehören auch einige Utricularia-Arten, von welchen zwei,die mit prächtigen weißen Blüthen geschmückte, stattliche U. montanaJacq. und die winzige U. SchimperiSchenck, diebemooste Rinde alter Bäume auf den Bergen Dominicas vielfach überwuchern5.
Beide Pflanzen sind, wohl wie sämmtliche Arten des Genus,wurzellose Gewächse mit zahlreichen, sehr langen Stolonen, die aufder Rinde kriechend, in Moospolstern oder sonstigen feuchten Stellenneue Sprosse erzeugen. In der Nähe der Basis der Inflorescenzorganesind diese Stolonen zum grossen Theile zu spindelförmigen[pg 039]Knollen angeschwollen, die geformter Inhaltsbestandtheile ganz entbehrenund schon vonDarwin, wohl mit Recht, als Wasserbehälteraufgefasst wurden; indessen entbehrt diese Annahme bis jetzt derexperimentellen Begründung. Wie ihre europäischen Verwandten,sind die epiphytischen Utricularien an ihren Stolonen mit zahlreichenBlasen versehen, in welchen ich häufig in Zersetzung begriffeneWürmer fand.
Eines unverdienten Rufes erfreut sich die brasilianische Utricularianelumbifolia, welche, wenn die nachGardner verfassteBeschreibungGrisebach's (II, p. 407) richtig wäre, einen derwunderbarsten Fälle von Anpassung darstellen würde.»Hier« (d. h.an den Orgelbergen bei Rio), schreibtGrisebach,»haftet anden Felsen, 5000 Fuss über dem Meere, eine grosse Tillandsia, die nachder Weise dieser Bromeliaceen im Grunde ihrer Blattrosette eineMenge Wasser ansammelt. In diesen Behältern und nur hier alleinschwimmt eine ansehnliche Wasserpflanze mit purpurfarbenen Blumen,deren kreisrundes Blatt mit dem der Seerose verglichen wird (Utricularianelumbifolia). Sie pflanzt sich dadurch fort, dass sie Ausläufer,wie durch einen Instinkt getrieben, von einer Tillandsia zuranderen entsendet, die, ihren zufälligen Standorten folgend, sobaldsie einen neuen Wasserbehälter erreicht haben, darin eintauchenund zu neuen Schösslingen sich entwickeln.« Diese Angaben stützensich auf eine Stelle beiGardner, die zwar den richtigen Sachverhalt nicht enthält, aber weniger von demselben abweicht als inder WiedergabeGrisebach's.
Die fragliche Stelle lautet im Original folgendermassen:
Like most of its congeners it is aquatic, but what is most curious,is that it is only to be found growing in the water which collects inthe bottom of the leaves of a large Tillandsia, that inhabits abundantlyan arid rocky part of the mountain, at an elevation of about 5000 feetabove the level of the sea. Besides the ordinary method by seed,it propagates itself by runners, which it throws out from the base ofthe flower stem; this runner is always found directing itself towardsthe nearest Tillandsia, when it inserts its point into the water, and[pg 040]gives origin to a new plant, which in its turn, sends out another sheet;in this manner I have seen not less than six plants united.« (p. 528.)Die Sache verhält sich, wie mir HerrGlaziou,der die Pflanzean Ort und Stelle beobachtet und derselben grössere Aufmerksamkeitgeschenkt hat, mittheilte, in Wirklichkeit weit einfacher. Die Pflanzelebt auf feuchtem, moorigen Boden, wo sie, ähnlich wie U. montana,lange Stolonen bildet; gelangen letztere in die Blattrosetten etwaigerin ihrer Nahe auf Felsen wachsender Bromeliaceen, so erzeugensie in dem daselbst angesammelten feuchten Humus blühendeSprosse, ganz ähnlich wie die Stolonen von U. montana in Moospolstern.U. nelumbifolia ist aber für ihre Existenz keineswegs andie Bromeliaceen gebunden, sondern gedeiht überall da, wo ihr einfeuchtes, humusreiches Substrat zur Verfügung steht.
Utricularia nelumbifolia verhält sich nach dem Gesagten ganzähnlich wie U. Humboldtii6,welche ihr Entdecker,B. Schomburgk,in Guiana sowohl auf sumpfigen Boden, wie in den Blattrosettenvon Tillandsia fand (l. c. p. 440).
4. Mannigfachere und vollkommenere Vorrichtungen zeigenuns die epiphytischen Orchideen und Araceen, bei welchen wir zwarauch Formen finden, die sich von Bodenpflanzen in keinem Merkmalwesentlich unterscheiden, während die complicirteren ausserhalbdes Rahmens des ersten Typus gehören.
Sehr einfach gebaute Araceen, an deren Habitus die epiphytischeLebensweise kaum hatte errathen werden konnen, habeich sowohl in Brasilien wie in Westindien gesehen, hier Anthuriumdominicense, da mehrere nicht bestimmte, aber wohl in die Verwandtschaftvon A. Harrisii gehörige Arten desselben Genus. Es sindPflanzen von mittlerer Grösse, die nur auf bemooster oder sehrriesiger Rinde gedeihen, auch vielfach auf dem Boden wachsen. Ihre[pg 041]unvollkommene Anpassung erlaubt ihnen nicht, wie anderen Epiphyten,mit mehr unwirthlichen Standorten vorlieb zu nehmen.
Zu einer starken Entwickelung des Wassergewebes kommt esbei den mir bekannten epiphytischen Aroideen nicht. Ein andererhöchst merkwürdiger Modus der Wasseraufspeicherung zeigte sichdagegen bei zwei Arten der Gattung Philodendron, von welcher icheine, die auf Bäumen bei Blumenau vielfach vorkommt, als Philod.cannifolium7 bestimmt habe.
Philodendron cannifolium ist vielleicht der grösste unter denmir bekannten Epiphyten der ersten Gruppe. Es stellt eine mächtige,bis 1 m hohe Rosette dar, deren kurzer und dicker Stammdurch zahlreiche, starke Wurzeln an den Aesten der Urwaldbäumebefestigt ist. Die Blätter besitzen zungenförmige, von einem dickenMittelnerv durchzogene Spreiten undspindelförmig angeschwolleneStiele. Die Wurzel und der Stamm bieten in ihreminneren Bau nichts Bemerkenswerthes; dagegen war ich nicht wenigerstaunt, als ich bei der Untersuchung der Blätter fand, dass dieselbenein durch grosseluftführende Intercellularräumebedingtes schwammiges Gefüge besitzen(Taf. 3, Fig.1),wie es vielen Wasserpflanzen zukommt, bei einem Epiphyt aber gewissnicht zu erwarten war. Meine erste genauere Bekanntschaft mit derPflanze hatte bei trockener Witterung stattgefunden; als ich dieselbeein anderes Mal bei Regenwetter untersuchte,zeigten sich diegrossen Intercellularen, bis auf kleine Luftblasen,von schleimigem Wasser gefüllt. Die Pflanze hatte sich,einem ungeheuren Schwamme gleich, vollgesogen und besass dementsprechendauch ein auffallend grösseres Gewicht als bei Trockenwetter.Die aufsaugende Kraft beruht auf der Anwesenheit einesSchleimes in den Intercellularen, der bei Wassermangel die Wändenur als sehr dünne, kaum sichtbare Schicht überzieht.
[pg 042]Dass das im Blattstiel aufgespeicherte Wasser der Spreite zuGute kommt, liess sich experimentell leicht feststellen. MehrereBlätter wurden an ihrer Basis abgeschnitten und unversehrt gelassen,während bei anderen die Spreite vom Stiel getrennt wurde.Im Anfang des Versuchs (26. Oktober) waren überall Stiel undMittelnerv prall mit Wasser gefüllt. Drei Tage später waren diestiellosen Spreiten bereits welk, ihr vorher wasserreicher, glatterMittelnerv stark geschrumpft und seine Intercellularen beinahewasserfrei. Dagegen waren die noch mit ihren Stielen versehenenBlätter, sowie die von der Spreite getrennten Stiele äusserlich ganzunverändert. Am 11. November musste, wegen bevorstehender Abreise,der Versuch abgeschlossen werden. Die Objekte waren straffund frisch, mit Ausnahme der stiellosen Spreiten, die beinahe vertrocknetwaren. Das Aufschneiden der Stiele ergab, dass diejenigen,welche an Spreiten geblieben waren, sehr grosse Luftblasenenthielten, während in den losen Stielen solche wohl auch vorhanden,aber von viel geringeren Dimensionen waren. In dem einen Stielfehlten die Luftblasen sogar ganz. Der Versuch stellte also dieBedeutung der Wasseraufspeicherung im Stiel für die Deckung derTranspiration über jeden Zweifel.
5. Auch die epiphytischen Orchideen zeigen meist Einrichtungenzum Aufsammeln des Wassers. Theils sind die Blätter miteinem mächtig entwickelten und oft sehr eigenartigen wasserspeicherndenGewebe versehen, theils findet die Aufspeicherungdes Wassers in den Scheinknollen statt, während die Blätter selbstdünn bleiben und ein specifisches Wassergewebe entweder ganz entbehrenoder nur schwach entwickelt besitzen. Demnach besitzenOrchideen mit Scheinknollen meist dünne Blätter, z. B. Arten vonMaxillaria, Catasetum, Oncidium z. Th., Epidendrum z. Th., Artenohne Scheinknollen hingegen meist dicke Blätter, z. B. Pleurothallideen,Oncidium z. Th., Epidendrum z. Th., Ornithocephalus etc.Mittelformen mit mässig dicken Blättern und schwacher Scheinknollenbildung,[pg 043]die also Uebergangsstufen zwischen den beiden Typendarstellen, habe ich nur in geringer Anzahl gefunden (z. B. Epidendrumavicula, Ponera sp.).
Die fleischigen Blätter der knollenlosen epiphytischen Orchideendienen diesen, wie die Knollen, auch zur Aufspeicherung vonReservestärke und zeigen eine, ihrer dreifachen Function der Assimilation,Wasser- und Reservestärkebehälter entsprechende, ofthochgradig differenzirte Structur. Die Wasser aufspeichernden Zellensind, wie esP. Krüger zuerst zeigte, häufig Tracheiden mitfaserigen Verdickungen und, ähnlich wie die Intercellularen des Philodendron cannifolium, je nach der Witterung luft- oder wasserhaltig.Sie bilden entweder, ähnlich wie typisches Wassergewebe,eine zusammenhängende Lage zwischen Assimilationsparenchym undEpidermis oder sind regellos in ersterem zerstreut; häufig findetman beides gleichzeitig, so bei Pleurothallis-Arten, welche mir diemannigfachsten und interessantesten Beispiele solcher Blattstructurlieferten, auf welche hier näher einzugehen doch zu weit führenwürde. Die Bedeutung der Speichertracheiden (Heinricher) gehtaus den UntersuchungenKrüger's und dem, was wir über dasWassergewebe anderer Pflanzen wissen, zur Genüge hervor.
Die Bedeutung der Scheinknollen der Orchideen als Wasserversorgerder Blätter liess sich in ähnlicher Weise, wie für Philodendroncannifolium, einfach feststellen. Am 26. Oktober (1886)sammelte ich bei Blumenau Exemplare von Oncidium flexuosum undvon je einer, nicht näher bestimmten, dünnblätterigen Art von Epidendrumund Maxillaria. Von je einer Knolle wurden sämmtlicheBlätter bis auf eines abgeschnitten, einzelne Knollen wurden auchihrer Blätter ganz beraubt; die Versuchsobjekte wurden an einemhellen, jedoch nicht sonnigen Orte im Zimmer sich selbst überlassen.Am 29. Oktober waren die abgetrennten Blätter alle ganzwelk, während noch am 11. November, beim Abschluss des Versuchs,die an Knollen befindlichen ganz unverändert aussahen. DieScheinknollen selber waren allerdings stark geschrumpft, und zwar[pg 044]waren diejenigen, die noch ein Blatt besassen, viel stärker gefurchtals diejenigen, die der Blätter ganz beraubt waren. Ich würde denVersuch allerdings in Europa in etwas exakterer Weise ausgeführthaben können; das Ergebniss war aber dennoch vollständig klar.
Ausser den Blättern und Scheinknollen können auch, obwohljedenfalls nur äusserst selten, die Wurzeln als hauptsächliches Speicherorganfür Wasser dienen. Der einzige mir bekannte Fall dieserArt ist, ausser den nachher zu besprechenden Aëranthus-Arten,Isochilus linearis, eine Laeliee, welche ich in Westindien, Venezuelaund Süd-Brasilien theils an schattigen, theils an hellen Standortenhin und wieder fand. Die sehr langen, steifen Sprosse sind dünnund mit ebenfalls dünnen, kleinen Blättern versehen; Scheinknollenfehlen ganz, dagegen sind die Wurzeln auffallend dick und saftig.Die mikroskopische Untersuchung der letzteren ergab, dass ihrmächtiges Rindenparenchym, ganz ähnlich wie in so vielen Scheinknollen,zahlreiche grosse Wasserzellen zwischen stärkeführendenenthielt. Versuche habe ich allerdings, aus Mangel an Zeit, mitdieser Art nicht anstellen können.
Ein stark entwickeltes Wassergewebe oder Speichertracheiden inden Blättern oder Scheinknollen kommt bei weitem der grossen Mehrzahlder epiphytischen Orchideen, die ich auf meinen tropischen Reisenzu sehen bekam, zu. Derartige Schutzvorrichtungen gegen Wassernothsind nicht, wie esP. Krüger auf Grund der Literatur annehmenzu können glaubt, für die Bewohner besonders trockener, sonnigerStandorte charakteristisch, sondern kommen ausnahmslos den zahlreichenFormen zu, die in feuchter Luft und gedämpftem Lichtedie oberen Aeste der Urwaldbäume überwuchern. Auch unter solchen,im Uebrigen für epiphytisches Pflanzenleben günstigen Bedingungenist die Anwesenheit von Wasserbehältern bei der Beschaffenheitdes Substrats nothwendig; es wäre sogar ein Irrthum, zuglauben, dass solche bei Arten sehr sonniger, trockener Standorte besondersentwickelt wären; soweit erkennbar, bestehen die Schutzmittelin solchen Fällen vielmehr hauptsächlich in Reduction der transpirirenden[pg 045]Oberfläche (Oncidium-, Jonopsis-, Brassavola-, Cattleya-Arten etc.).Ich fand auf mächtigen, übereinander gehäuften Felsblöcken beiDesterro Exemplare einer Pleurothallis-Art, die theils der grösstenSonnengluth ausgesetzt, theils in tiefen, schattigen, humusführendenVerstecken wuchsen; der Unterschied in der Grösse der transpirirenden Oberfläche war sehr auffallend, während die Ausbildung desWassergewebes und der Cuticula ungefähr gleich war. Die nur anden trockensten, sonnigsten Standorten vorkommende Cattleya bicolorbesitzt in ihren saftreichen, fleischigen Blättern und schwachangeschwollenen Stengeln kein differenzirtes Wassergewebe.
Nach dem Vorhergehenden bilden sowohl die Orchideen, die inder Krone der Urwaldbäume wachsen, als diejenigen, die sehrtrockene und sonnige Standorte bewohnen, Wasservorräthe. DerEinfluss der ungleichen Existenzbedingungen zeigt sich aber darin,dass die an direktem Sonnenlichte gedeihenden Formen knollenlosund dickblätterig sind, während die dünnblatterigen, knollenbildendenArten im Allgemeinen eine feuchtere Luft beanspruchen. Ichhabe von dieser Regel nur wenige Ausnahmen gesehen.
Epiphytische Orchideen, die in keinem ihrer Organe Wasseraufspeichern, kommen nur im tiefen Schatten des Urwaldsvor, wie einige Arten von Zygopetalum, Stelis und der zierlichenNeottieengattung Stenoptera.
6. Wir finden bei den Formen dieser Gruppe nicht blos Schutzmittelgegen Austrocknen, sondernauch Vorrichtungen,durch welche die spärlichen Nährstoffe des Subtratsdem Epiphyt möglichst zu Gute kommen, ausgebildet.Wir haben in dieser Hinsicht gelegentlich der dieepiphytische Vegetation überhaupt charakterisirenden Eigenthümlichkeitendie flächenartige Ausbreitung hervorgehoben und ihre Bedeutungbetont. Letztere ist namentlich bei den Epiphyten, dienur die auf der Rinde befindlichen Stoffe verwerthen, ausgebildet.Wir brauchen übrigens auf diese Erscheinung nicht zurückzukommen.[pg 046]Die Luftwurzeln vieler dieser Epiphyten weichen im Uebrigen inkeinem wesentlichen Punkte von Bodenwurzeln ab, so namentlichbei sämmtlichen Dicotyledonen; dagegen sind beinahe sämmtlicheepiphytischen Orchideen und mehrere Araceen mit Wurzeln versehen,deren Bau ein möglichst schnelles Aufsaugen des Regen-und Thauwassers gestattet, und zwarauch an frei an derOberfläche der Rinde kriechenden Wurzeltheilen,während bei anderen Epiphyten solche exponirteStellen verkorkt und für Wasser kaum durchlässigsind. Jeder Reisende in den Tropen wird häufig an der Oberflächedürrer Rinde oder auch auf kahlen Felswänden dem direktenSonnenlichte ausgesetzte, schneeweisse Luftwurzeln gesehen haben(z. B. Cattleya bicolor auf der Insel Sta Catharina), deren innereGewebe stets saftig sind, während ihre luftführende weisse Hüllejeden Wassertropfen gleich Löschpapier aufsaugt. Auf diese Weisekönnen solche Pflanzen, die ausschliesslich den Familien der Orchideenund Araceen angehören, auch auf ganz glatter Oberfläche(z. B. auch auf Blättern) fortkommen, während die genügsamstender anderen Epiphyten dieser Gruppe stets, wenn auch so engeRisse oder sonstige Verstecke für ihre saugenden Wurzeln bedürfen.
Der Bau der Luftwurzeln epiphytischer Orchideen und dersich daran schliessenden Araceen, die Eigenschaften des Wasseraufsaugenden Velamen, der äusseren Endodermis sind, dank namentlichden ausgedehnten UntersuchungenLeitgeb's, zu genauund allgemein bekannt, um hier einer eingehenden Behandlung zubedürfen. Nur einige weniger bekannte oder für unser Themabesonders wichtige Erscheinungen mögen etwas genauere Berücksichtigungfinden.
Es dürfte die Meinung wohl allgemein verbreitet sein, dass dieWurzeln der epiphytischen und der terrestrischen Orchideen durchwegvon einander abweichen, indem erstere mit Velamen versehensind, während letztere eines solchen entbehren.In Wirklichkeit[pg 047]jedoch gibt es, wenn auch sehr selten, epiphytischeOrchideen ohne Velamen und terrestrischemit Velamen.
Wurzeln, die sich in keiner Weise von denjenigen terrestrischerFormen unterscheiden, habe ich bei einer nicht näher bestimmtenArt von Stenoptera gefunden, vielleicht der einzigen epiphytischenNeottieen-Gattung Amerikas, wo ihre wenigen Arten nachBenthamundHooker, die ihnen eine terrestrische Lebensweise zuschreiben,Westindien, Bolivien und Brasilien bewohnen. Das winzige Pflänzchenwächst im Schatten, auf rissiger oder bemooster Rinde; ihreWurzeln weichen in keinem wesentlichen Punkte von denjenigenanderer terrestrischer Neottieen ab.
Bei den zahllosen epiphytischen Orchideen, die ich auf meinentropischen Reisen und in Gewächshäusern gesehen, war hingegendas Velamen stets vorhanden. Ich war geneigt, dasselbe als Anpassungan die epiphytische Lebensweise aufzufassen, und glaubteanfangs in der Stenoptera von Blumenau eine Art aufgefunden zuhaben, die im ursprünglichen Zustand verblieben wäre. SpätereBefunde haben es mir jedoch nicht unmöglich gemacht, dass dieterrestrischen Voreltern der mit Velamen versehenen Epiphytenschon ein solches besassen. Die nähere Untersuchung von Epidendrumcinnabarinum zeigte mir nämlich, dass die Wurzelndieser rein terrestrischen Form sich in keinem wesentlichen Punktevon denjenigen der zahlreichen epiphytischen Arten desselben Genusunterscheiden. Ausser den Bodenwurzeln entwickeln die langen,dünnen Axen der Pflanze Büschel kurzer Luftwurzeln, deren Nutzenmir völlig unklar geblieben ist. Epidendrun cinnabarinum und dassich wohl ganz ähnlich verhaltende E. Schomburgkii sind in dünnen,lichten Capoeirawäldern der Küste von Sta Catharina überaus häufig,scheinen aber nie epiphytisch zu wachsen.
7. Die Luftwurzeln der Orchideen und der meisten epiphytischenGewächse sind chlorophyllhaltig und vermögen dementsprechend[pg 048]zu assimiliren; letztere Function kommt meist jedochauch hier wesentlich den Blättern zu, da die Wurzeln in Folgeihres negativen Heliotropismus die dunkelsten erreichbaren Stellenaufsuchen. Bei mehreren Arten der Gattung Aëranthus jedochspielen die Wurzeln bei der Assimilation eine weit wesentlichereRolle; bei einzelnen derselben bestehendie vegetativen Theilebeinahe nur aus einem mächtigen, grünen Wurzelsystem,während die Laubblätter ganz fehlen undder Stamm auf winzige Dimensionen reducirt ist. Diese merkwürdigenFormen sind ohne Zweifel auf das Prinzip der Reduction dertranspirirenden Oberfläche zurückzuführen, welches so viele wunderbarePflanzengestalten hervorgerufen hat8.Die Reduction dervegetativen Theile auf ein assimilirendes Wurzelsystem hat aberfür uns daher besonderes Interesse, da dieselbe, ausser bei Wasserpflanzen,nur bei den Epiphyten und den ihnen so ähnlichen Bewohnernkahler Felswände zur Ausbildung kommen konnte.
Aus eigener Anschauung kenne ich nur zwei hierher gehörige Arten,Aëranthus funalis, welchen ich zuerst cultivirt aufTrinidad, später in Venezuela wild wachsend sah, und eine nichtbestimmte Art, von welcher ich ein einziges kleines Exemplar inder Nähe von Blumenau fand.
Aëranthus funalis besteht aus einem mächtigen Büschel federkieldicker, cylindrischer, zum grossen Theil frei hängender Wurzeln, dieaus einem ganz winzigen, von braunen Schuppen bedeckten Knöllchenentspringen. Ein- oder zweimal im Jahre erhebt sich aus derBasis des Sprosses ein beinahe nadeldünner, blattloser Seitentriebmit grossen, gelblich-grünen Blüthen, welcher nach der Fruchtreifeoder, wenn keine Befruchtung stattgefunden, nach dem Welken derBlüthen vertrocknet und abfällt. Die assimilirende Thätigkeit der[pg 049]Sprosstheile ist ganz unbedeutend; die Pflanze ist vielmehr fürihre Ernährung beinahe ganz auf das mächtige Wurzelsystem angewiesen,welches vermöge seines Velamen das Wasser aufsaugt,die organische Substanz aus dem anorganischen Rohmaterial erzeugt,den Ueberschuss des Wassers und der organischen Produkteaufspeichert, in einem Worte sämmtliche vegetative Functionen vonStamm, Wurzel und Blatt in sich vereinigt.
Ihren mannigfacheren Functionen entsprechend, weicht dieWurzel von Aëranthus funalis in manchen Punkten von derjenigenbeblätterter Orchideen ab; mit der Assimilation in Zusammenhangsteht ihr weit grösserer Reichthum an Chlorophyll, die geringereDicke ihres Velamen, welches auch im trockenen Zustand das grüneGewebe durchschimmern lässt; den Bedürfnissen der Wasserregulirungentsprechen Wasserzellen und eigenthümliche Durchführgängefür Gase, welchen offenbar genau die gleiche Bedeutung für dieTranspiration, wie den Spaltöffnungen, zukommt und die dem blossenAuge, namentlich nach Befeuchtung,weisse Streifen darstellen9,die für Wasser ganz undurchlässig sind, während Gase dieselbenungehindert passiren. Die Aufspeicherung der Reservestärke findetin den tiefen Zonen des Rindenparenchyms statt. Endlich sei nocherwähnt, dass der unbedeutenden Entwicklung der Sprosstheile entsprechenddie Gefässbündel sehr reducirt sind, während den inFolge des freien, hängenden Wachsthumsmodus der meisten Gliederdes Wurzelsystems grösseren Ansprüchen an Zug- und Biegungsfestigkeitdurch starke Verdickung des Velamen und der innerenEndodermis, sowie durch starke Sklerose des Zwischengewebes imGefässbündel genügt wird.
Noch weit mehr blattähnlich als bei Aë. funalis sind die Wurzelndes sonst sehr ähnlichen Aë. fasciola aus Guatemala, die neuerdingsvonJanczewski einer genauen Untersuchung unterworfen[pg 050]wurden, und welchem sich ein paar brasilianische Arten, von welchenich Alcoholmaterial meinem FreundeH. Schenck verdanke,anschliessen. Bei diesen Arten sind die Wurzeln flach und miteiner ganz ähnlichen Dorsiventralität, wie Laubblätter, versehen.Die Unterseite, die von einer starken Mittelrippe durchzogen ist,trägt das Velamen und die den Spaltöffnungen entsprechendenPneumathoden; die Oberseite ist flach, grün, entbehrt des Velamenund verrichtet vornehmlich die Functionen der Kohlenstoffassimilation.
Die Dorsiventralität ist, nachJanczewski, bei Aë. fasciolaebenso unabhängig von äusseren Umständen, wie bei Laubblättern.Die Wurzeln von Aë. funalis dagegen sind im hängenden Zustanderadial gebaut, während, im Falle sie auf der Rinde kriechen, ihrVelamen an der Unterseite etwas mächtiger und dünnwandigerwird. Eine ähnliche, durch das Licht bedingte Dorsiventralitätkommt nach den UntersuchungenJanczewski's den Luftwurzelnmehrerer, jedoch nicht aller epiphytischen Orchideen zu.
8. Die Mittel, welche den Epiphyten der ersten Gruppe dasGedeihen auf Baumrinde ermöglichen, sind nach dem Gesagten zumgrössten Theil solche, die den meisten atmosphärischen Gewächsenzukommen: flächenartige Ausbreitung, Aufspeicherung von Wasser,starke Ausbildung der Cuticula. Diese Schutzmittel sind aber beidieser Gruppe, mit Ausnahme der ausgesprochenen Schattenfarne,vollkommener ausgebildet als bei der Mehrzahl der nicht hierhergehörigen Epiphyten, die sich durch besondere Vorrichtungen einereichlichere Nährlösung verschaffen. Nur bei Vertretern dieserGruppe, allerdings blos bei wenigen, finden wir die Fähigkeit,grossen Wasserverlust ohne Schaden zu ertragen. Ebenfallsfinden wir nur auf dieser niedersten Stufe des Epiphytismus hieund da, namentlich bei Orchideen, starke Reduction der transpirirendenOberfläche als Schutzmittel ausgebildet, am eigenthümlichstenbei den unbelaubten Aëranthus-Arten, welche uns die auffallendste[pg 051]Anpassung innerhalb der ersten Gruppe liefern. Endlich sei hervorgehoben,dass bei weitem die grosse Mehrzahl der epiphytischenOrchideen und die Araceen mit Velamen ausschliesslich aufdie Nährstoffe der Rinde angewiesen sind, sodass letzteres beinaheals eine Eigenthümlichkeit der ersten Gruppe betrachtetwerden kann.
Im Ganzen ist, trotzdem die Schutzmittel meist miteinandercombinirt sind, sehr üppiges Pflanzenleben auf Kosten der im Humusder Rinde und im Moos befindlichen Nährlösung nicht möglich;beinahe sämmtliche Arten der ersten Gruppe sind Kräutervon geringer oder mittlerer Grösse, und die wenigen Sträucher gedeihennur im Schatten auf sehr rissiger oder bemooster Rinde.Die stattlichste mir bekannte hierher gehörige Art ist das südbrasilianischePhilodendron cannifolium, das, dank der mächtigenAusbildung und dem schleimigen Inhalt seines Intercellularsystems,enorme Mengen von Regen- und Thauwasser aufspeichert; dieDimensionen dieser Pflanze sind aber unter den Epiphyten deranderen Gruppen nicht blos sehr gewöhnlich, sondern werden vielfachweit übertroffen.
Das Wurzelsystem der Epiphyten besteht, nicht blos bei denMonocotylen, sondern auch bei den Dicotylen, ausser während derKeimungsperiode, ausschliesslich aus Adventivwurzeln – eine unmittelbareWirkung des Substrats, ähnlich wie sie sich, auch inEuropa, bei Bäumen zeigt, die auf Mauern oder Felsen wachsen.
Wo die Adventivwurzeln der Epiphyten sehr lange werden,kann es geschehen, dass sie, ohne merklich geotropisch zu sein,hin und wieder den Boden erreichen, woraus jedenfalls ein Vortheil[pg 052]für die Pflanze erwächst; solches Verhalten kann man z. B. beigrossen Cacteen, bei Symphysia guadelupensis, Schlegelia parasiticabeobachten.
Was bei den zuletzt erwähnten Epiphyten nur durch Zufallund keineswegs immer geschieht, ist bei anderen constant, indemeinzelne der Wurzeln ausgesprochenen positiven Geotropismus besitzen;so verhält sich u. a. die strauchartige Rubiacee Hillia parasitica,die jedoch, wie mir schien, erst spät mit dem Boden verbundenwird. Dem Standorte etwas vollkommener angepasst ist BlakealaurifoliaNaud., eine prächtige, strauch- bis baumartigeMelastomacee der kleinen Antillen, aus deren kurzem Stamm Wurzelnentspringen, die theils ausgesprochen positiv geotropisch sind undrelativ schnell bis zum Boden wachsen, theils des Geotropismusscheinbar ganz entbehren und ein feines, verworrenes Netz umden stützenden Baumstamm bilden.
In den erwähnten Fällen wird trotz grossem Aufwand vonMaterial noch relativ wenig erreicht; die Verbindung des Epiphytenmit dem Boden ist noch unvollkommen, und daher sehen wir dieerwähnten Pflanzen nur auf humusreichem Substrat, an feuchtenStandorten gedeihen. Diese Gewächse sind auf einer niederenStufe der Anpassung verblieben und ihre Wurzeln haben im Wesentlichendie Eigenschaften behalten, die ihren auf dem Bodenwachsenden Stammformen zukamen.
Bei anderen Pflanzen ist dagegen die Combination von epiphytischerund terrestrischer Lebensweise, dank einer entsprechendenDifferenzirung des Wurzelsystems, eine viel vollkommenere geworden.Wie bei den zuletzt erwähnten Arten sind gewisse Wurzelndurch positiven Geotropismus ausgezeichnet, während dieübrigen von der Schwerkraft nicht merklich beeinflusst werden; diebereits bei Blakea angedeuteten sonstigen Unterschiede sind aberweit schärfer ausgesprochen.Die positiv geotropischenWurzeln wachsen ausserordentlich schnell, bis siein den Boden gelangen, und sind durch ihren histologischen[pg 053]Bau zur Leitung der Nährlösung ausgezeichnetangepasst, während die nichtgeotropischenrankenartige, ausserordentlich feste Haftorganevon weit geringerer Länge darstellen.
Die erwähnte Differenzirung ist auf die Adventivwurzeln beschränkt;sie fehlt ganz der Hauptwurzel und ihren Aesten, dieübrigens früh zu Grunde gehen oder sehr klein verbleiben. Haft-und Nährwurzeln sind durch keine Uebergänge verbunden und dieAusbildung eines Gliedes des Wurzelsystems zu der einen oder deranderen Form von äusseren Umständen ganz unabhängig; wo eineHaftwurzel zufällig in ein humusreiches Substrat gelangt, entwickeltsie zahlreiche Nebenwurzeln, ohne ihre charakteristischen Eigenschaftenaufzugeben. Beiderlei Wurzeln entstehen bei den Monocotylenaus dem Stamme oder seinen Aesten, während bei denClusiaceen die Seitenäste der Nährwurzeln zuweilen den Charaktervon Haftwurzeln besitzen.
DieHaftwurzeln sind ausgesprochen negativ heliotropisch,dagegen nicht merklich geotropisch. Sie besitzen ein langsames,beschränktes Längenwachsthum, werden nur bei wenigen Pflanzenbis zwei Fuss lang und sterben, ähnlich wie Ranken, ab, wennsie nicht früh mit einem festen Gegenstand in Berührung kommen.Haben sie eine Stütze erreicht, was bei ihrem negativen Geotropismusund der Lebensweise der Epiphyten in der Regel geschieht,so legen sie sich derselben dicht an und krümmen sich rankenartigum dieselbe herum, manchmal zwei bis drei Windungen bildend,wenn der erfasste Gegenstand dünn ist. Die Dicke derHaftwurzeln schwankt zwischen derjenigen eines Federkiels (Aroideen)und eines starken Fingers (Clusia).
Der Epiphyt hängt, wie eine Liane an ihren Ranken, an seinenHaftwurzeln, die dementsprechendeinen festen Halt an derUnterlage undbedeutende Zugfestigkeit besitzen müssen.Erstere Bedingung ist dadurch erfüllt, dass die Haftwurzelnden Unebenheiten der Rinde dicht angedrückt kriechen, letzterer, in[pg 054]der Jugend wenigstens, durch Wurzelhaare angewachsen sind undzum mindesten eine halbe Windung um den erfassten Gegenstandbilden; die Zugfestigkeit wird ihnen dadurch verliehen, dass ihraxiles Gefässbündel, resp. (Clusia) auch der secundare Zuwachs desHolzkörpers wesentlich aus stark verholzten, dickwandigen Fasernbestehen, wahrend die leitenden Elemente spärlich und dünn sind.Wie vollkommen die Befestigung ist, zeigt sich, wenn man denVersuch macht, den Epiphyt von seiner Unterlage abzureissen; derselbegelingt bei den grösseren Formen dem Einzelnen nicht, indemdie Haftwurzeln sich nur sehr schwer strecken lassen undbeinahe unzerreissbar sind.
DieNährwurzeln sind bei einigen Arten, ähnlich wie dieHaftwurzeln, ausgesprochen negativ, bei anderen nicht heliotropisch;stets sind sie ausgesprochen positiv geotropisch und besitzen einunbeschränktes und schnelles Längenwachsthum, sodass sie sogareinen über 100 Fuss über dem Boden wachsenden Epiphyt mitletzterem verbinden können. In ihrem oberirdischen Theil meisteinfach, verzweigen sie sich reichlich in dem Boden. Sie weichenin ihrem anatomischen Bau wesentlich von den Haftwurzeln ab, indembei ihnen die leitenden Elemente vorherrschend sind, währenddie mechanischen stark zurücktreten und, bei Clusia namentlich,relativ wenig verdickt sind. Ausserdem sei hervorgehoben dass,wenigstens bei den Monocotylen, das Gefassbündel in den Nährwurzelnweit stärker entwickelt ist im Verhältniss zur Rinde, alsbei den Haftwurzeln. Denjenigen Nährwurzeln, die frei in der Lufthängen, wird die nöthige Biegungsfestigkeit durch einen peripherischenSklerenchym- oder Collenchymring verliehen (Clusia rosea,brasil. und westind. Philodendron-Arten).
Diemonocotylen Glieder der zweiten Gruppe gehören, soweitmeine Beobachtungen reichen, alle den Gattungen Carludovica,Anthurium und Philodendron.
Carludovica Plumieri ist ein schlanker, oft mehrereMeter hoher Epiphyt, der auf Dominica vielfach an den Stämmen[pg 055]der Urwaldbäume klettert. Seine federkieldicken Nährwurzeln entspringenaus den Knoten und laufen büschelweise, der Rinde angedrückt,senkrecht nach unten, während die ebenfalls zahlreichenHaftwurzeln, die bis zwei Fuss Länge erreichen, senkrecht zu demStamm von Carludovica wachsen und die Stütze fest umklammern.
Das Querschnittsbild ist, wie die Fig. 2 und 3 (Taf. III)zeigen, beiNähr- und Haftwurzeln sehr ungleich. Das Gefässbündel der ersterenist sehr dick und besteht wesentlich aus sehr zahlreichen und weitlumigenGefäss- und Siebgruppen, die an der Peripherie die fürMonocotylenwurzeln typische Anordnung zeigen, während sie imInnern regellos durcheinander liegen; das Zwischengewebe ist schwachentwickelt und besteht aus faserförmigen, sklerotischen Zellen.
Ganz anders als bei Nährwurzeln sieht der Querschnitt derHaftwurzeln aus. Das Gefässbündel ist dünn und besteht derHauptsache nach aus sehr dickwandigen, stark verholzten, faserförmigenZellen, wahrend die Gefäss- und Siebgruppen nur wenige,englumige Elemente besitzen und, innerhalb des peripherischen,polyarchen Rings, ganz vereinzelt im massigen Zwischengewebeliegen.
Ganz ähnlich wie Carludovica verhalten sich verschiedenewestindische Arten der Gattung Anthurium11,mit dem für unsereFrage unwesentlichen Unterschied, dass ihr Gefassbündel normaleStructur besitzt; hierher gehören das mit langem, kletterndem[pg 056]Stamme versehene Anth. palmatum und eine kurzstämmige, nichtbestimmte Art (Taf. III, Fig. 4 u. 5)mit riesiger Blattrosette, dieauf Dominica häufig ist. Diese Wurzeln entbehren des Velamen, imGegensatz zu denjenigen einiger Anthurium-Arten der erstenGruppe.
Etwas abweichend verhält sich ein in den Wäldern Trinidadshäufiges Philodendron, mit mächtigem, knolligem Stamm, indemseine Nährwurzeln frei herunterhängen. Zur selben Gattung gehörtferner wohl auch die epiphytische Aroidee, deren ausserordentlichlange, ebenfalls frei in die Luft wachsende Nährwurzeln in Sta Catharinaunter dem Namen »cipó nero« als Stricke und dergl. Verwendungfinden. Die Wurzeln dieser Arten weichen von denjenigender Gattung Anthurium durch den Besitz von Oelgängen in derRinde und namentlich denjenigen einer peripherischen Faserlageab, welche ihnen die in Folge des frei hängenden Wachsthumsmodusnothwendige Biegungsfestigkeit verleiht. Manche kletterndenAraceen des brasilianischen und westindischen Urwalds befindensich auf der Uebergangsstufe zum Epiphytismus, indem sie häufigim Boden keimen, ihr Stamm aber später an der Basis abstirbt;so verhalten sich namentlich Arten von Philodendron, Monsteradeliciosa. Auf solcher Uebergangsstufe befindet sich auch Vanillaplanifolia, die aus ihren Knoten lange, cylindrische, positiv geotropischeNährwurzeln und kurze, flache, nicht geotropische Haftwurzelnerzeugt; anatomisch habe ich diese beiden Wurzelformennicht verglichen.
Die ausgezeichnetste zu der zweiten Gruppe gehörige dicotylePflanze istClusia rosea, deren Lebensgeschichte ich auf denwestindischen Inseln einer genauen Untersuchung unterwerfenkonnte.
Clusia rosea ist ein reich belaubter, bis mittelgrosser, epiphytischerBaum, dessen frei wachsender Stamm sich nach unten ineine oft über armsdicke, scheinbare Hauptwurzel fortsetzt, welchemeist, wenn auch nicht immer, der Rinde des Wirthbaumes dicht[pg 057]angedrückt, senkrecht bis in den Boden geht. Der scheinbarenHauptwurzel entspringen zahlreiche, dünnere Nebenwurzeln, diesämmtlich auf der Rinde kriechen und theils ebenfalls senkrechtoder schief bis in den Boden wachsen, zum grössten Theil jedochhorizontal verlaufen und den stützenden Stamm fest umklammern.Anstatt einer einzelnen durch ihre Dicke und Lange ausgezeichnetenWurzel sind deren zuweilen mehrere, sämmtlich ausgesprochenpositiv geotropisch.
Die eben besprochenen Wurzelgebilde stellen, namentlich beiälteren Exemplaren, nur einen Theil des Wurzelsystems des Epiphytendar. Aus den belaubten Aesten entspringen zahlreiche Adventivwurzeln,die theilweise als kurze, aber starke Haftorgane ausgebildetsind, theilweise dagegen senkrecht nach unten bis zumBoden wachsen und eine oft ungeheure Länge erreichen. Wirfinden demnach unter diesen, den belaubten Aesten entspringendenWurzeln eine ganz ähnliche Differenzirung, wie bei Carludovica undden vorhin erwähnten Aroideen, und werden dieselben ebenfalls alsNährwurzeln und Haftwurzeln unterscheiden.
Die Haftwurzeln sind meist einfach, besitzen oft über Fingerdickeund krümmen sich rankenartig um die Gegenstände, mitwelchen sie in Contakt kommen; sie umklammern in dieser Weisenicht nur die Aeste des Wirthbaums und benachbarter Bäume, sondernauch diejenigen des Epiphyten selbst oder andere Haftwurzeln,mit welchen sie verworrene Knäuel erzeugen. Die Nährwurzelnsind in ihrem oberirdischen Theile einfach und besitzen indessen ganzer Länge gleiche Dicke; letztere beträgt vor demEindringen in den Boden etwa 6–7 mm, nach der Bewurzelungoft mehrere Centimeter. Sie gleichen im letzteren Falle starkenSchiffstauen. Die Burserabäume der Urwälder von Dominica sindoft von Hunderten solcher Taue, die die auf dem Gipfel des Riesenbefindlichen epiphytischen Clusien mit dem Boden verbinden, umgeben;an einem einzigen Büschel noch frei hängender Wurzelnfanden wir 107 Glieder.
[pg 058]Die Lebensgeschichte der Clusia rosea ist in den Hauptzügenfolgende. Der Same keimt in humusreichen, feuchten Spalten derRinde; auf Dominica jedoch meist im Wurzelgeflecht einer mächtigenBromeliacee, Brocchinia Plumieri, auf Trinidad vielfach in den persistirendenBlattbasen von Palmen. Die pfahlförmige Hauptwurzel dringtin das Substrat so tief als möglich ein und bildet zahlreiche, dünneAeste, die den meist engen Raum möglichst durchwuchern und ausnutzen.
Die Hauptwurzel und ihre Aeste bleiben sehr klein, genügen aber,um der jungen Pflanze im Anfang die nöthige Nahrung und Befestigungzu verschaffen. Bald nach der Keimung werden jedoch an der Basis desStengels einige Adventivwurzeln erzeugt, die in das Substrat nur eindringen,wenn dasselbe eine grössere Ausdehnung besitzt, widrigenfalls,und zwar ist dies die Regel, sie an der Oberfläche des Wirthbaumesnach allen Richtungen kriechen und bald das Hauptwurzelsystem anMächtigkeit weit übertreffen. Die Adventivwurzeln sind mit der Rindedes Wirthbaumes durch Haare verwachsen, dringen in Spalten, Moospolster,Luftwurzelgeflechte ein, wo sie reichliche Verästelungen erzeugen,während sie an trockenen Stellen einfach bleiben. Auch diesesStadium ist provisorisch; der Mehrzahl dieser Wurzeln kommt nur vorübergehendeine wesentliche Bedeutung für die Ernährung des Epiphytenzu. Eine der Wurzeln – selten eine Mehrzahl solcher – zeichnetsich bald durch positiven Geotropismus und viel bedeutenderes Längenwachsthumvor den übrigen aus und erreicht früher oder später denBoden. Wo nur eine solche Wurzel vorhanden, stellt sie scheinbar diedirecte Fortsetzung des Stammes nach unten und ist demnach einerHauptwurzel ähnlich. Diese Periode der Entwickelung ist bereits durchdie Differenzirung des Wurzelsystems in Organe der Ernährung undder Befestigung ausgezeichnet, indem der scheinbaren Hauptwurzel undihren verticalen Seitenästen wesentlich die erstere, den horizontal ringsum den Stamm wachsenden Seitenästen die letztere Function zukommt.Das aus der Basis des jungen Stammes entspringende System von Adventivwurzelnwill ich dasprimäre nennen.
Als secundäre Adventivwurzeln bezeichne ich diejenigen, welche,wie anfangs gezeigt wurde, aus den Zweigen entspringen. Diese Wurzelnwerden weit später als die primären angelegt und unterscheiden sichin mancher Hinsicht von diesen. Sie werden ordnungslos erzeugt undbald zu Nährwurzeln, bald zu Haftwurzeln ausgebildet, ohne dass äussere[pg 059]Factoren die Bestimmung der Wurzel irgendwie beeinflussen könnten;oft werden vielmehr am selben Zweige, unter ganz gleichen äusserenUmständen, beiderlei Wurzeln gebildet. Die Haftwurzeln besitzen einlangsames, beschränktes Längenwachsthum und sehr starken, negativenHelietropismus, während die Nährwurzeln schnell eine bedeutende Längeerreichen und, ohne je heliotropische Krümmungen zu zeigen, verticalnach unten wachsen. Das endliche Resultat haben wir kennen gelernt:Die Haftwurzeln kommen in Folge ihres negativen Heliotropismus inder Regel mit einem Aste in Berührung und krümmen sich um denselbenum, sterben aber ab, wenn sie eine gewisse Länge erreichen,ohne eine Stütze zu finden. Die Nährwurzeln hingegen wachsen biszum Boden, treiben in denselben zahlreiche Seitenäste, wahrend ihroberirdischer, bisher dünner Theil allmählich die Dicke eines Schifftaueserreicht.
Der ungleichen biologischen Bedeutung der beiden Wurzelformenentsprechen ganz ähnliche anatomische Unterschiede, wiebei denjenigen der vorhin beschriebenen Monccotylen. Das Holzbesteht in den Nährwurzeln aus zahlreichen, weitlumigen Tracheenund schwach verdickten Faserzellen, während in den Haftwurzelndie Tracheen sehr spärlich und eng sind, das zwischenliegende Faserparenchymsehr stark verdickte, sklerotische Wände besitzt; auchdie Elemente des Bastes, speciell die Siebröhren, sind in den Nährwurzelnweitlumiger als in den Haftwurzeln.
Die Haftwurzeln besitzen stets, auch wenn sie nicht mit einerStütze in Berührung kommen, gleichen Bau. Die Nährwurzeln bestehenvor ihrer Verbindung mit dem Boden beinahe nur aus zarten,unverholzten Zellen; das secundäre Dickenwachsthum beginnt erstnach derselben. Die für die freihängenden Wurzeln nöthige Biegungsfestigkeitwird erreicht durch peripherische Gruppen stark verdickter,langgestreckter Zellen, die nach der Bewurzelung obliterirtwerden, indem ein Bedürfniss nach mechanischen Vorrichtungendann nicht mehr besteht.
Die anatomischen Unterschiede zwischen Nähr- und Haftwurzelnzeigen sich, wenn auch in geringerem Grade, bei dem primären Adventivwurzelsystem. Die Haftwurzeln desselben stimmen ganz mit den[pg 060]secundären überein, während die Nährwurzeln anfangs allerdings ebenfallswesentlich aus englumigen, stark verdickten Elementen bestehen,in welchen immerhin die Tracheen zahlreicher sind, in ihrem späterenZuwachs aber den secundären Nährwurzeln weit ähnlicher werden,indem die Tracheen an Zahl und Weite bedeutend zunehmen. DerUebergang des mehr mechanisch zu dem mehr ernährungs-physiologischgebauten Theil ist schroff und für das blosse Auge sehr auffallend.
Der Clusia rosea schliessen sich die epiphytischen Feigenbäumean (Taf. I), die auf ungleichen Stufen der Anpassung verbliebensind, was wohl auch von Arten der Gattung Clusia gelten dürfte.Ich habe nie Gelegenheit gehabt, epiphytische Feigenbäume vielzu studiren; nach dem, was ich in Brasilien an solchen zubeobachten Gelegenheit hatte, sowie nach den mündlichen Mittheilungenvon Herrn Dr. Brandis über indische Feigenarten,sind die ersten Entwicklungsstadien denjenigen von Clusia roseasehr ähnlich und führen zunächst zu einem primären System vonAdventivwurzeln, das den Stamm als vielfach anastomosirendesGeflecht umhüllt und mit zahlreichen Aesten in den Boden dringt.Bei den von mir gesehenen Arten und bei Coussapoa Schottii war,wie bei Clusia, die eine dieser Wurzeln weit stärker als die andernund einer Hauptwurzel gleich. Manche, aber nicht alle Ficus-Artenentwickeln aus ihren Aesten secundäre Adventivwurzeln, die jedochnicht, wie bei Clusia rosea, sich entweder zu Haft- oder zuNährwurzeln, sondern zu Stützwurzeln entwickeln, die senkrechtnach unten wachsen und nach ihrem Eindringen in den Boden, inBezug auf Umfang und Festigkeit, stammähnlich werden. Allbekanntist durch die Abbildungen der Banyan (Ficus indica) mitseinen zahlreichen, säulenartigen Stützwurzeln.
Während die meisten Epiphyten sehr lange, gerade Wurzelnbesitzen, die sich nur an feuchten Stellen reichlich verzweigen,stellen die Wurzeln einiger, zu sehr verschiedenen Familien gehörender,epiphytischer Gewächse viel verzweigte Geflechte schwammartigerStructur dar, in und auf welchen sich allmählich todte Blätter undandere humusbildende Stoffe anhäufen. Zuweilen sind diese Geflechtenoch niedrig und einfach, z. B. bei Epidendrum ciliatum;bei mehreren Pflanzenarten jedoch sind sie zu massigen, stark vorspringendenoder vogelnestartig in den Gabelungen der Aeste befestigtenWurzelmassen ausgebildet, welche zu überaus reichenAblagerungsorten für Humus werden; mit der Zeit werden dieseWurzelgeflechte häufig von Moosen und kleinen Farnen mehr oderweniger überzogen.
Die Ernährung der Epiphyten ist durch diese Vorrichtungebenso unabhängig von der Baumrinde als bei den Arten derzweiten Gruppe. Der Humus, der sich in und namentlich auf denWurzelgeflechten ansammelt und von den Blättern festgehalten wird,ist für den Epiphyten eine beinahe ebenso reiche Nährquelle, wieder Boden selbst.
Ebenso wie in den vorher besprochenen Fällen, sind bei denzu dieser Gruppe gehörenden Epiphyten die Functionen der Ernährungund der Befestigung auf verschiedene Glieder des Wurzelsystemsvertheilt, welche dementsprechend mit ungleichen Eigenschaftenausgerüstet sind. Den Haftwurzeln kommt jedoch aucheine wichtige Rolle bei der Stoffleitung zu, und die Differenzirungist überhaupt weniger ausgeprägt als bei der zweiten Gruppe.
Die oft über einen Cubikfuss mächtige, ungefähr isodiametrischeoder kuchenartig ausgebreitete Wurzelmasse ist durch Haftwurzeln[pg 062]befestigt, welche wiederum durch negativen Heliotropismus undgrosse Zugfestigkeit ihren Functionen angepasst sind. Die Nährwurzelnhingegen unterscheiden sich in vieler Hinsicht von denjenigender vorigen Gruppe. Es handelt sich eben nicht mehr umeine Verbindung mit dem Boden, sondern im Gegentheil um dieVerwerthung eines namentlichoberhalb des Wurzelkörpers befindlichenNährbodens und der ebenfalls vonoben kommendenNiederschläge. Dementsprechend sind die Nährwurzeln dieser Epiphytennicht mehr positiv, sondernnegativ13geotropisch. Da essich bei diesen Wurzeln nicht mehr um die Leitung von Nährlösungenauf weite Strecken handelt, so ist auch ihr anatomischerBau weniger auffallend verschieden von demjenigen der Haftwurzeln,als etwa bei Clusia oder Carludovica. Bei Anthurium Hügelii, einerder ausgezeichnetsten hierher gehörigen Pflanzen, kommt das Vorherrschender Leitelemente in den Nährwurzeln, des Sklerenchymsin den Haftwurzeln sehr deutlich zum Vorschein; in den übrigenFällen sind dagegen die Unterschiede nur gering.
Die zuerst auftretenden Wurzeln haben stets wesentlich dieEigenschaften von Haftwurzeln, dienen aber zugleich zur Ernährungder jungen Pflanze. Die Nährwurzeln entstehen jedoch bald, theilweiseoder (Orchideen) ausschliesslich, als Nebenäste der Haftwurzeln.Es muss aber hervorgehoben werden, dass in diesemFalle morphologisch gleichwerthige Seitenwurzeln, auch bei gleichenäusseren Bedingungen, theils zu der einen, theils zu der anderen[pg 063]Wurzelform werden, ohne dass hierin der Einfluss äusserer Umständezur Geltung komme.
Das oft kopfgrosse Wurzelgeflecht vonOncidium altissimum,einer in Westindien häufigen epiphytischen Orchidee, istentweder rundlich oder mehr oder weniger flach ausgebreitet undstellt eine Art Korb dar, dessen Wandung aus den verflochtenen,federkieldicken Haftwurzeln besteht, während aus dem Inneren, nebenden grünen Sprossen, Hunderte von nadelformigen Nährwurzeln sicherheben. In diesem Korb sammeln sich von den Baumästen abgefallenePflanzentheile, die allmählich in Humus übergehen.
Noch weit mächtiger entwickelt ist ein Cyrtopodium Sta. Catharinas,dessen zahllose Nährwurzeln über stricknadellang werden.
Die eben erwähnten Orchideen stellen relativ noch einfacheFälle dar. Die functionelle Differenzirung zwischen beidenWurzelformen ist noch wenigausgesprochen, indem die Haftwurzeln nichtnur stets die Leitung der Nährstoffe in die Pflanze übernehmen,sondern auch in nicht unbeträchtlichem Grade an deren Aufnahmetheilnehmen. Das erwähnte Cyrtopodium lässt sich auf dem Bodencultiviren und wächst dabei sehr üppig, obwohl es nur von untenalso durch seine Haftwurzeln, ernährt wird. Die Bedeutung der negativgeotropischen Wurzeln ist aber nichtsdestoweniger in derNatur sehr gross, sogar da, wo das Substrat relativ reich an Nährstoffenist, namentlich aber da, wo die Rinde wenig bietet; ichhabe Oncidium flexuosum und sogar das riesige Cyrtopodium aufhohen, kahlen Baumästen wachsen sehen, wo ihre Haftwurzeln beinahenichts aufnehmen konnten, während sich zwischen den Nährwurzelnverwesende Pilanzentheile reichlich befanden.
Anthurium HügeliiSchott. (Anth. HookeriKth.)14,ein[pg 064]mächtiger, in den Wäldern Westindiens und Venezuelas häufigerEpiphyt, der trotz seiner ungeheuren Dimensionen oft an den tauartigenLuftwurzeln von Clusia oder den bandförmigen Stämmender Bauhinien befestigt ist, steht auf einer höheren Stufe derAnpassung als die eben beschriebenen Orchideen. Das oft übereinen Cubikfuss mächtige, rundliche oder etwas längliche Wurzelgeflechtumgibt und überragt den kurzen Stamm und sendet zahlreicheVerästelungen zwischen die beinahe sitzenden, steifen Blätter,deren mächtige Rosette einen Haufen von mehr oderweniger zersetzten, nach unten in Humus übergehenden,pflanzlichen Fragmenten umgibt und festhält.
Die Befestigung des Epiphyten geschieht durch starke, bis dreiFuss lange, horizontale Haftwurzeln.Die Nährwurzeln, welche das mächtige, schwammartige Geflechtder Hauptsache nach zusammensetzen, sind sehr ungleichdick, reichlich verzweigt und dicht behaart. Sie sind an der Basisdes Wurzelschwammes durcheinander geflochten, wahrend im oberenTheile ihre wachsenden, freien Enden sich zahllos theils in dieLuft, theils namentlich in den von den Blättern festgehaltenen Humushaufenerheben. Am Ende der trockenen Jahreszeit sterbendie peripherischen Wurzelenden, sowie die äussersten Blättersammt den in ihren Achseln befindlichen langen Auszweigungen desWurzelsystems ab. Im Juni oder Juli aber dringen durch dieFetzen der abgestorbenen Blätter und Wurzeln wieder zahlreiche,neue Wurzelspitzen hervor, die alle genau nach oben gerichtet sindund deren nadeldünne, etwas grünlich gefärbte Enden rasenartigden oberen Theil der Wurzelmasse bedecken. Die Haftwurzeln hingegenbleiben während der trockenen Jahreszeit ganz unversehrt;sie unterscheiden sich äusserlich von den Nährwurzeln dadurch, dasssie nicht ringsum, sondern nur an der angewachsenen Seite behaartsind.
Bei der Keimung werden zunächst Haftwurzeln ausgebildet,die während einiger Zeit auch die Functionen der Ernährung allein[pg 065]verrichten. Sehr früh jedoch entstehen die ersten Nährwurzeln,zunächst als Seitenäste der Haftwurzeln, nachher aber auch direktaus dem Stamme, und übertreffen die Haftwurzeln bald in Längeund Zahl. Haupt- und Nebenäste der Nährwurzeln sind zuerst nachoben gerichtet; durch den Contakt entstehen jedoch mannigfacheKrümmungen, durch welche die Wurzelmasse zu einem unentwirrbarenGerüstwerk wird. Im Grossen und Ganzen bleibt aber dasWachsthum der letzteren demjenigen des Stammes gleichsinnig, sodassfreie Wurzelenden nur im oberen Theile auftreten.
Anatomisch weichen die Wurzeln von Anth. Hügelii von denjenigender Arten der zweiten Gruppe durch den Besitz einesmächtigen Velamen ab, welches jedoch, im Gegensatz zu demjenigenvon A. lanceolatum (siehe 1. Gruppe), glattwandige Zellen besitzt.Das Gefässbündel besteht in den Haftwurzeln wesentlich aus sehrstark verdickten, sklerotischen Faserzellen und enthält nur wenigeenglumige Gefäss- und Siebelemente; letztere sind in den Nährwurzelnzahlreicher und weiter, während das Zwischengewebe nuran der Peripherie sklerotisch ist. Immerhin ist aber der Unterschiednicht so auffallend, als bei den Haft- und Nährwurzeln derzweiten Gruppe.
Einige grosse Farne des tropischen Amerika zeigen ein demjenigenvon Anth. Hügelii ähnliches Verhalten, so namentlich diewestindischen Polypodium Phyllitidis L. und Asplenium serratum L.Beide Arten besitzen steife, schmal zungenförmige Blätter, die einenriesigen Trichter bilden, in welchem sich, wie bei AnthuriumHügelii, abgestorbene Pflanzentheile anhäufen und in Humusübergehen; das Wurzelsystem ist in ähnlicher Weise für dieVerwerthung dieser Nährquelle ausgebildet. Die Pflanze ist durchzahlreiche, myceliumartig auf der Rinde wuchernde Haftwurzelnbefestigt, die ebenso wie bei den übrigen vorher beschriebenenPflanzen negativ heliotropisch sind, während die kurzen Nährwurzelnstarken negativen Geotropismus besitzen.
Ganz ähnliche Anpassungen an die Verwerthung von Humus[pg 066]kommen auch, wie es bereitsSolms-Laubach in einem Referatüber meine Arbeit über die Epiphyten Westindiens hervorhob, inJava vor. In neuester Zeit hat aberGoebel daselbst bei verschiedenenFarnen Anpassungen nachgewiesen, welche eine höhereStufe darstellen. Während die Blätter von Anthurium Hügelii undder sich ähnlich verhaltenden Farne gleichzeitig zum Festhalten desHumus und zur Assimilation dienen, sind bei verschiedenen indischenArten der Gattung Polypodium und Platycerium beide Functionenauf ungleiche und entsprechend ausgebildete Blätter vertheilt. Dasin unseren Gewächshäusern viel cultivirte Platycerium alcicorne istein ausgezeichnetes Beispiel dieser merkwürdigen Vorrichtung,welche inGoebel's citirter Arbeit des näheren geschildert ist.Zu dieser Gruppe kann endlich auch Dischidia Rafflesiana, mitihren Wasser und Humus sammelnden Ascidien, gerechnet werden(vgl.Treub l. c.).
1. Die Rinde eines von Epiphyten überwucherten Baumes zeigtsich, vielfach bis zu seiner Basis, von einem dichten Wurzelgeflechtumhüllt, welches von den verschiedenartigsten Pflanzen herrührt.Die Wurzeln der doch so oft stattliche Dimensionen erreichendenund so zahlreichen Bromeliaceen sind in diesem Gewirr nicht vertreten;noch ragen sie, wie bei Anthurium Hügelii und den anderenArten der dritten Gruppe, als mächtige, schwammartige Polsterhervor. Sie bedecken, rings um die Anheftungsstelle, ein Areal,das bei den stattlichsten Arten die Oberfläche der Hand nicht übertrifft,und doch sind sie weder dick noch zahlreich. Diese dünnenund häufig an der Oberfläche ganz glatter Rinde befestigten Wurzelnerscheinen von vornherein nicht im Stande, die Pflanze zu ernähren,um so mehr als sie zum grössten Theile abgestorben sind.Dagegen sind sie so fest und der Rinde derart angekittet, dass dieepiphytischen Bromeliaceen sich nur sehr schwer von ihrem Substrat[pg 067]abreissen lassen; die Function der Befestigung am Substratwird von diesen Wurzeln vollkommen verrichtet.
Während die Wurzeln, auch bei üppig wachsenden Bromeliaceen,häufig auf ganz glatter und trockener Rinde kriechen, bildenin der Mehrzahl der Fälle die Blätter, ähnlich wie bei AnthuriumHügelii und Asplenium serratum, einen mächtigen Trichter, der nichtnur wie bei diesen, Humus, sondern auch, indem er an der Basisdicht schliesst, Wasser reichlich ansammelt. Dieses Wasser, dessenMenge ein Liter häufig übertrifft, liefert keineswegs, wie esmanchmal beschrieben worden ist, dem durstigen Reisenden einköstliches Getränk, sondern stellt eine schmutzige, stinkende Flüssigkeitdar, in welcher allerlei Thierchen ihr Dasein fristen – theilweiseArten gehörend, die an anderen Standorten nicht vorkommen15).Die trockeneren, oberen Theile des Humushaufens sind dagegenhäufig von Ameisen bewohnt.
Im Gegensatz zu Anthurium Hügelii wird dieser Humus nichtvon Wurzeln ausgebeutet; solche fehlen zwischen den Blättern gänzlich.Es erschien daher wahrscheinlich, dass die Blätter, und nichtdie Wurzeln, bei diesen Bromeliaceen die Function der Wasseraufnahmeverrichten, und dass es sich in der That so verhält, habeich bereits in meiner ersten Mittheilung eingehend dargestellt. Diediesbezüglichen Versuche müssen jedoch hier, des Zusammenhangshalber, wieder beschrieben werden.
2. Die Versuche wurden auf den westindischen Inseln Dominicaund Trinidad im Jahre 1883 ausgeführt. Zur Verwendung wurdenCaraguata lingulata, Brocchinia Plumieri und eine Vriesea des Urwaldsgewählt, weil diese Pflanzen viel leichter welken als dieAechmea-Arten und die grauen Tillandsien, die wochenlang beigänzlichem Wassermangel turgescent bleiben. Die erwahnten Versuchspflanzenwelkten sämmtlich nach wenigen Tagen, wurden abernach wiederholtem Befeuchten der Blattbasen, bei vollständigem[pg 068]Trockenbleiben der Wurzeln, in höchstens 24 Stunden wieder frischund straff, mit Ausnahme der äussersten Blätter, die meistens gänzlichvertrockneten.
Noch instructivere Resultate ergaben vergleichende Culturen,bei welchen die Pflanzen (ausser den genannten noch die schwerwelkende Till. fasciculata) theilweise gar nicht, theilweise nur aufden Blättern befeuchtet wurden; um jede Mitwirkung der Wurzelnauszuschliessen, waren dieselben abgeschnitten und der ganze wurzeltragendeTheil mit Canadabalsam überzogen. Die nicht begossenenExemplare starben, je nach der Art, nach wenigen Tagenoder erst einigen Wochen ab, während die begossenen während derganzen Dauer der Versuche (10 Wochen, z. Th. 3 Monate) frischblieben und sich weiter entwickelten.
Entsprechend modificirte Versuche wurden mit denselben Pflanzenartenangestellt, um die Wurzeln auf ihre Bedeutung als Ernährungsorganezu prüfen. Welke Pflanzen (Brocchinia, Guzmanniatricolor) wurden nicht wieder frisch, wenn ihre Wurzeln allein befeuchtetwurden, und Begiessung des Wurzelsystems frischer Pflanzenbei Trockenbleiben der Blätter hinderte nicht, dass Welken baldeintrat. Durchschnittlich jedoch, wenn auch nicht immer, welktendie Pflanzen mit begossenen Wurzeln etwas langsamer als die garnicht begossenen, sodass eine schwache Wasseraufnahme durch dieWurzeln stattzufinden scheint.
Aus diesen Versuchen geht zur Genüge hervor, dass das imBlatttrichter aufgespeicherte Wasser nicht nur benutzt wird, sondernunentbehrlich ist.
Dass den Wurzeln bei den epiphytischen Bromeliaceen nur dieFunction von Haftorganen, den Blättern dagegen sämmtlicheFunctionen der Stoffaufnahme zukommen, geht in auffallendsterWeise aus dem Umstande hervor, dassBromeliaceen, die mitanderen Haftvorrichtungen versehen sind, der Wurzelnentbehren.
Die häufigste der wurzellosen Bromeliaceen ist Tillandsia usneoides,[pg 069]deren graue Schweife in den kühleren Waldlandschaften destropischen und subtropischen Amerika beinahe nie fehlen und vielfachdas Laub ganz verdecken (Taf. II).Jeder dieser Schweife, derenLange bis gegen 3 m erreichen kann, besteht aus zahlreichen, fadenförmigen, zweizeilig beblätterten Sprossen, die dadurch, dass sie anihrer Basis den stützenden Ast umwinden, den nöthigen Halt bekommen.Den ersten Ursprung eines Schweifes bildet in der Regelein einzelner, durch den Wind abgerissener Zweig, der, auf einenanderen Ast gefallen, denselben umwindet und zahlreiche Seitensprosseentwickelt, die sich theilweise wie der Mutterspross verhalten,zum grössten Theile jedoch ganz frei in die Luft hängen.Wie auch die Vögel an der Verbreitung der Pflanze theilnehmen,wurde vorher beschrieben.
3. Die Aufnahme der wässerigen Lösung findet nicht durch dieganze Oberfläche, sondern nur durch die bekannten Schuppenhaarestatt, die bei denjenigen Bromeliaceen, die mit einem aufsammelndenBlatttrichter versehen sind, vorwiegend, oft beinahe ausschliesslich,an der Blattbasis vorkommen, die sie dicht überziehen, währendsie bei denjenigen Arten, die, wie Tillandsia usneoides, einesäusseren Wasserreservoirs entbehren, die ganze Pflanze gleichmässigbedecken.
Das Schuppenhaar (Taf. III, Fig. 12–17)besteht aus einem indas Gewebe eingesenkten stiel- oder trichterförmigen Stücke, dasringsum mit den umgebenden Zellen zusammenhängt, und einemder Blattoberfläche flach aufliegenden oder manchmal in der Mitteeingesenkten Schilde. Ersteres besteht aus drei flachen, durch sehrdünne Wände getrennten, plasmareichen Zellen und sitzt einer drei-oder viergliedrigen Gruppe kleiner Zellen auf. Das Schild ist beiden meisten Tillandsien aus einem peripherischen, membranösen,radial gerippten (Fig. 12), seltener aus radial geordneten, luftführendenZellen (Fig. 13) bestehenden Flügel und einer mittlerenZellgruppe gebildet, die bei nicht benetzten Blättern nur Luft zu[pg 070]enthalten scheint. Bei den übrigen Bromeliaceen ist die Differenzirungin Flügel und Mitteltheil nur sehr wenig ausgesprochen (Fig. 14).
Befeuchtet man eine dicht mit Schuppen besetzte Art, etwaTill. usneoides, T. recurvata oder T. Gardneri, so geht sofort diebisherige silbergraue Farbe der Pflanze in Reingrün über. Einkleiner Wassertropfen, auf ein solches Blatt gelegt, verhält sichganz ähnlich, wie auf Fliesspapier; er verschwindet in einigen Sekundenund hinterlässt einen dunklen Fleck. Diese Erscheinungzeigt uns, dass die Epidermis sehr benetzbar ist, sodass die Luftzwischen den Haaren schnell verdrängt wird, eine Eigenschaft,welche sonst stark behaarten Blättern nicht zukommt und den dochganz ähnlich beschuppten Blättern vieler nicht epiphytischer Bromeliaceenvollständig fehlt.
Die ferneren Vorgänge können nur mit Hülfe des Mikroskopesverfolgt werden.Da zeigt sich, dass die Zellen desSchildes sich mit Wasser füllen, indem ihr gasförmigerInhalt auf eine immer kleinere Blase reducirt wird und binneneinigen Sekunden bis einer Minute gänzlich schwindet.
Diese Erscheinungen machen es uns schon höchst wahrscheinlich,dass die Schuppe das Aufnahmeorgan für die wässerigen Nährstoffedarstelle. Verschiedene Versuche haben mir in der That gezeigt,dasswässerige Lösungen überhaupt nur durch Vermittelungder Schuppenhaare in die Gewebe eindringen.Wird ein Tropfen Kalilösung auf die Epidermis gelegt und nach wenigenSekunden wieder abgewischt, so zeigt die Untersuchung der mitdem Reagens in Berührung gekommenen Stelle, dass rings um jedeSchuppe der vorher farblose Inhalt der Epidermis schön goldgelbgefärbt ist, während derselbe in grösserer, je nach der Dauer desVersuchs wechselnder Entfernung unverändert geblieben ist. Hatdie Einwirkung des Kali etwa eine halbe Minute gedauert, so sindin der Regel schon alle Epidermiszellen gefärbt. Die Eigenschaft,mit Kali gefärbt zu werden, kommt den Parenchymzellen nicht zu.Bei der in unseren Gewächshäusern häufig kultivirten Vriesea psittacina[pg 071]sind ganz gewöhnlich einzelne Epidermiszellen mit rothem Safteversehen; legt man auf die Epidermis einen Tropfen verdünntesAmmoniak, so sieht man die rothe Farbe zunächst in Blau, dannin Grün übergehen, und zwar um so schneller, als die Zelle einerSchuppe näher liegt. Die um die Schuppen befindlichen Zellen besitzenschon grasgrüne Farbe, während die entfernteren kaum einenStich ins Violette zeigen. Setzt man auf das Blatt von Vrieseapsittacina, Guzmannia tricolor, Brocchinia Plumieri oder anderergrüner, epiphytischer Bromeliaceen einen Tropfen sehr verdünnterKochsalzlösung, so sieht man die Contraktion des Zellplasma zuerstrings um die Basis der Schuppen im Parenchym eintreten; dieserVersuch ist besonders wichtig, indem er uns das Eindringen derFlüssigkeit ohne Tödtung der Zellen zeigt. Eine Aufnahme vonAnilinfarben in die lebenden Zellen wurde dagegen von mir, trotzwiederholter Versuche, nicht erzielt, was leicht erklärlich ist, daich bei den untersuchten Bromeliaceenblättern Gerbstoff nicht gefundenhabe.
Der anatomische Bau der Schuppenhaare steht mit der soebennachgewiesenen Function völlig in Einklang.Während die dasHaar umgebenden Zellen der Epidermis und subepidermalenSchichten häufig sehr stark verdicktund stets cutinreich sind, sind sämmtliche Zellwände,die das Wasser, um in die tieferen Gewebe zu gelangen,zu passiren hat, ganz cutinfrei und in ihrer ganzenAusdehnung entweder sehr dünn (Taf. III,Fig. 15), oder die unterste Zellwand des Haargebildes ist wohletwas verdickt, aber sehr stark getüpfelt (Fig. 15),während die umgebenden Zellwände weit dicker und viel wenigergetüpfelt sind.
Der Bau der Schuppenhaare zeigt, nach den verschiedenen Arten,manche instructiven Unterschiede. Bei den längsdurchschnittenenSchuppen Fig. 13 und 15 fällt uns sofort die sehr ungleiche Entwickelungder obersten Zellwände, des Deckels, wie ich dieselben[pg 072]der Kürze halber bezeichnen will, auf. Dieser Deckel ist bei Arten miteingesenkten Schuppenhaaren (z. B. Ortgiesia) und solchen, die feuchte,schattige Standorte bewohnen (z. B. Vriesea psittacina), dünn, bei Artenmit über die Oberfläche hervorragenden Haaren (z. B. T. usneoides,recurvata, Gardneri, stricta etc.) von bedeutender Dicke. Die Bedeutungdes dicken Deckels wird uns bei Vergleichung luftführendermit wasserhaltigen Schuppen sofort klar; im ersteren Falle sind diedünnen Zellwände unter dem Deckel ganz eingeknickt, letztererliegt daher dem lebenden Stieltheile beinahe unmittelbar auf; wirddas Haar befeuchtet, so dehnen sich die bisher luftführenden Zellenaus und heben den Deckel in die Höhe.Der dicke Deckeldient als Schutzmittel gegen Wasserverlust durchdie unverkorkten Zellen der Durchgangsstelle, verhindertaber, dank dem eben erwähnten Blasebalgspiel,das Eindringen des Wassers nicht. Wie vollkommender Bau des Haars dieser Doppelfunction entspricht, lehrt einBlick auf die Fig. 13, die keines Commentars bedarf. Da, wo dieHaare eingesenkt, oder wo in Folge der Lebensweise an feuchten,schattigen Standorten ein Schutz gegen Wasserverlust nicht zu befürchten,ist der Deckel entsprechend dünner (Fig. 15).
Die soeben besprochene Doppelfunction dürfte den Schildhaarenepiphytischer Bromeliaceen überhaupt, wenigstens bei den Artentrockener Standorte, zukommen; auch die bei letzteren stets sehr ausgebildetenFlügel dürften wesentlich dazu beitragen, die Transpirationherabzudrücken. Damit in Einklang stände das Vorkommen derHaare an der ganzen Oberfläche bei der grossen Mehrzahl derArten, die sonnige Standorte bewohnen, während sie bei den Schattenliebenden Arten, wo sie wesentlich nur die eine Function derWasseraufnahme und sehr schmale Flügel besitzen, auf die Blattbasenbeschränkt sind; ferner spricht dafür der Umstand, dassviele nicht epiphytische Bromeliaceen an ihrer Blattunterseitemit ganz ähnlichen, aber unbenetzbaren, sehr breit geflügeltenHaaren dicht besetzt sind, während die Oberseite zuweilen (Pitcairnia-Arten)[pg 073]einzelne, ganz ähnliche, aber wasseraufnehmendeHaare trägt.
Während jedoch die aufsaugende Function der Haare exact nachgewiesenwerden konnte, erschien mir die schützende Function derFlügel einer experimentellen Beantwortung nicht fähig, indem ihreEntfernung kaum möglich sein dürfte. Es kann daher dieseFunction nicht alsdefinitiv festgestellt betrachtet werden, sowahrscheinlich sie auch erscheint.
4. Mit voller Sicherheit haben wir festgestellt, dass die epiphytischenBromeliaceen ihre wässerige Nahrung wesentlich nur durchdie Blätter aufnehmen und dass sie sich dadurch ganz wesentlichvon beinahe allen anderen Luftpflanzen unterscheiden. Es kann keinemZweifel unterliegen, dass sich die epiphytischen Arten aus normal sichernährenden Pflanzen entwickelt haben, wie sie unter den terrestrischenVertretern der Familie bei weitem vorwiegen.Es wird sichfragen, inwiefern die Aufnahme des Wassers durchdie Blätter modificirend auf die Structur derPflanze gewirkt hat.
Unsere Betrachtungen können nicht an die Gesammtheit derepiphytischen Bromeliaceen gleichzeitig geknüpft werden; es müssenvielmehr die rosettenbildenden Arten, die rasenartigen und diejenigenmit langen Sprossen gesondert zur Behandlung kommen.
Rosetten bildende Bromeliaceen kommen sowohl unter denterrestrischen, wie unter den epiphytischen Arten vor und gehörensystematisch zu den verschiedenartigsten Gruppen. Die zungenförmigen,bis vier Fuss langen Blätter entspringen einem meistkurzen und dicken, einfachen oder verzweigten Stamme. Die Blattbasensind bei den Epiphyten an der Basis verbreitert und löffelartigausgebaucht und bilden einen unten und seitlich, bis zu einerwechselnden Höhe, vollkommen dicht schliessenden Trichter, inwelchem Regen- und Thauwasser sich aufsammelt.Die Rosettenepiphytischer Bromeliaceen sind stets zu solchenWasserreservoirs ausgebildet, während bei den terrestrischen[pg 074]die Blätter meist, ähnlich wie bei den Liliaceen,bis zur Basis schmal und durch Zwischenräumegetrennt sind (Dyckia, Pitcairnia, Puya, Karatas, Bromelia e. p.etc.). Nur wenige terrestrische Formen, wie die Ananas,verhalten sich in dieser Hinsicht den Epiphytengleich; in diesen Fällen sind aber auch bei terrestrischenBromeliaceen die Blattbasen dicht mit absorbirendenSchuppen gepflastert, während, wo jenenicht zu einem dichten Trichter zusammenschliessen,die absorbirenden Schuppen ganz fehlen oder nur insehr geringer Anzahl und ohne Bevorzugung derBasis auftreten.
An sonnigen Standorten wachsende kleinere Arten laufen dieGefahr, ihren Wasservorrath durch Verdunstung zu verlieren. Alledurch ihre Lebensweise einer solchen Gefahr ausgesetzten Artensind mit entsprechenden Schutzmitteln versehen, die entweder darinbestehen, dass die »Cisterne«verdeckt oder beinahe ganz verschlossenwird, ohne dass der Zutritt des Wassers verhindert werde,oder darin, dass das Wasser vorwiegend im Innern des Blattes ineinem mächtigen, durch dicke und verkorkte äussere Zellschichtengegen Verdunstung geschützten Wassergewebe aufgespeichert wird.
Der Schutz der Cisterne, der uns zunächst allein beschäftigensoll, besteht im einfachsten Falle darin, dass die löffelartigausgebauchten Blattbasen sich über derselben biegen und eineArt Dach bilden (Catopsis, Ortgiesia tillandsioides). Bei Tillandsiaflexuosa, einem Bewohner sehr trockener, sonniger Standorte, sinddie Blattspitzen über dem Wasserreservoir genähert und schraubenartigumeinander gewunden, sodass letzteres dem direkten Sonnenlichteganz entzogen und doch durch die langen, gewundenenCanäle dem Regen und Thau zugänglich ist. Die vollkommenstenSchutzvorrichtungen finden wir aber bei der ebenfalls an sonnigenStandorten wachsenden Tillandsia bulbosa, die auf unsererTafel IV abgebildet ist.
[pg 075]Die Blätter sind bei Tillandsia bulbosa an der scheidenartigenBasis löffelartig, während die Spreite cylindrisch ist, und zwar entwederrinnenartig mit engem Spalte oder rohrartig, indem die Blattränderbald einander dicht genähert sind, bald übereinander greifen.Die Spreite ist stets mehr oder weniger stark zurückgebogen undum ihre Axe gedreht. Die Scheiden bilden ein beinahe überalldicht schliessendes, zwiebelähnliches Gebilde, welches, da dieselbenstark löffelartig ausgebaucht sind und einander nur mit den Rändernberühren, sehr grosse Hohlräume enthält, die sich nach oben in dieHöhlung der rohrartigen Spreite fortsetzen und nur eine ganz engeOeffnung nach aussen, an der Uebergangsstelle zwischen Scheideund Spreite, besitzen. Die peripherische Hälfte der rohrartigenSpreite besteht aus chlorophyllführendem Parenchym und einer sehrdünnen Lage Wassergewebes; die Innenseite hingegen ist ganz farblosund von äusserst zahlreichen, sehr grossen Schuppen, welcheeiner dicken Lage Wassergewebes eingesenkt sind, austapeziert.Die Scheide ist in der Jugend, soweit sie von den übrigen Blätternbedeckt ist, chlorophyllfrei, dünn, beiderseits von Schuppen bedeckt,welche an Grösse diejenigen der meisten anderen Arten übertreffenund so dicht gedrängt sind, dass die Epidermis auf schmale Streifenreducirt ist.
Die Pflanze entbehrt ganz des sonst bei den Rosetten epiphytischerBromeliaceen sehr starken negativen Geotropismus.Sie kommt bald an der Ober-, bald an der Unterseite vonZweigen vor oder an senkrechten Stämmen und wächst in aufrechter,horizontaler oder verkehrter Richtung, ohne je dieSpur einer geotropischen Krümmung zu zeigen. Die Zwiebelnenthalten in ihren inneren Hohlräumen stets Wasser, sowie erdigeStoffe und todte, kleine Insekten, während die äusserstenwasserfrei sind und Ameisen beherbergen. Dass der wässerige Inhalt,auch bei verkehrter Lage, nicht herausfällt, bedarf keinerErklärung, indem jede Kammer, mit Ausnahme der kleinen oberenOeffnung, ringsum dicht schliesst; dagegen bedarf die Art und[pg 076]Weise, wie derselbe hineinkommt, einer kurzen Erläuterung. Lässtman Wassertropfen auf die Ränder der Spreite fallen, mögen dieselbennun einander decken oder nur genähert sein, so werdendieselben durch Capillarattraction gierig aufgesogen. Das Gleichegeschieht an den Randern der Scheiden und an der engenOeffnung an der Basis der Spreite. Man kann auf diese Weisedie Hohlräume in kurzer Zeit füllen, und das Gleiche findet inder Natur bei Regen und Thau statt. Hervorzuheben für dieetwaige Wiederholung dieser Versuche sei, dass der erste Tropfenweniger schnell aufgenommen wird, wenn die Pflanze längere Zeitunbefeuchtet geblieben ist; die ältesten Blätter sind überhauptschwer benetzbar und nehmen nur wenig Wasser auf. Auch beiverkehrter Lage gelangt nicht bloss durch direktes Befeuchten derZwiebeln Wasser in dieselben hinein, vielmehr vermögen die, wieunser Bild zeigt, stark zurückgebogenen und um ihre Axe gedrehtenSpreiten, bei jeder Lage Wasser aufzunehmen und eventuell bis indie Reservoirs der Zwiebel zu leiten. Die erdigen Stoffe, die sichstets im Wasser befinden, rühren von den geringen Mengen festerStoffe her, welche durch den Regen von den Blättern und Zweigendes Wirthbaums abgewischt werden; ihren Stickstoffbedarf beziehtdie Pflanze wohl auch aus den Leichen der Ameisen, die sich nichtdamit begnügen, die trockenen peripherischen Hohlraume zu bewohnen,sondern auch, wie der Befund zeigt, verhängnissvolle Excursionenin die wasserhaltigen Raume ausführen. Als Eingangspfortedient den Ameisen natürlich die enge Oeffnung an der Basisder Spreite.
Die Blattbasen der rosettenbildenden epiphytischenBromeliaceen haben für dieselben die physiologische Bedeutungvon Wurzeln, während dieBlattspitze die Rolle gewöhnlicher Laubblätterübernimmt; dieser ungleichen Bedeutung von Spitzeund Basis entspricht ein sehr ungleicher anatomischerBau.
[pg 077]Die Epidermis ist an der Spitze meist arm an Schildhaaren (ausgenommenbei Bewohnern sehr trockener Standorte) und mit zahlreichenSpaltöffnungen versehen, während die Blattbasis mit grossenSchildhaaren dicht gepflastert ist und der Spaltöffnungen ganz entbehrt.Die Ursachen dieser Unterschiede bedürfen keiner Erläuterung.
Die innere Wand der Epidermis und die Wände der subepidermalenZellschichten sind häufig unten weit stärker verdicktals oben, derart, dass die Blattbasis hart und steif, die Spitzedagegen biegsam ist (Taf. III, Fig. 10 und 11).Bei relativ geringerDicke so steife Blätter sind mir von anderen Pflanzen nichtbekannt und fehlen auch, soweit ich sie kenne, den nicht durch dieBlätter sich ernährenden Bromeliaceen. Ein auffallender Gegensatzin dieser Hinsicht zwischen Basis und Spitze, zu Gunsten derersteren, scheint bei ungestielten Blättern sonst nicht vorzukommen,sodass wir wohldie grosse Steifheit der Blattbasen alsAnpassung an den Ernährungsmodus betrachtenmüssen. Solche Steifheit ist den Wasserreservoirs offenbar nöthig,um die oft grosse Menge Wasser und Humus festzuhalten.
Unter den verdickten subepidermalen Schichten befindet sichbeiderseits oder nur an der ventralen Seite, sowohl unten wie oben,Wassergewebe; ich werde auf dasselbe nachher zurückkommen.
Das Mesophyll ist in der Blattspitze mit normalem Chlorophyllgehaltversehen, während es in der Basis des Chlorophylls beinaheganz entbehrt und nur ein wenig grobkornige Stärke enthält. Im Mesophyllverlaufen meist längs des ganzen Blattes Stränge sehr lückenreichenSchwammparenchyms (Fig. 8 u. 9), die im Basaltheile desBlattes weit stärker entwickelt als oben sind. Ja, bei HoplophytumLindeni sind sie überhaupt nur im ersteren vorhanden (Fig. 10 u. 11).Ein Unterschied in dieser Hinsicht ist bei normal sich ernährendenBromeliaceen nicht vorhanden und geht auch denjenigen mit wasserabsorbirendenBlättern ab, die äusserer Wasserspeicherung entbehren.Wir müssen die starke Entwickelung der Luftlückenin der Blattbasis auf die aquatische Lebensweise[pg 078]der letzteren zurück führen. Bei einigen Arten sind dieSchwammparenchymstränge durch grosse Intercellulargänge ersetzt(Till. Gardneri,Taf. III, Fig. 6 u. 7).
Auf die Gefässbündel werde ich nachher zurückkommen. Dieim Parenchym verlaufenden Faserstränge bieten nichts Erwähnenswerthes.
Dierasenbildenden Bromeliaceen sind namentlichdurch Till. recurvata und ihre Verwandten (Untergattung Diaphoranthema)vertreten; in biologischer Beziehung bilden manche zuanderen Untergattungen gehörende Tillandsien eine Mittelstufezwischen diesen und den Arten mit wassersammelnden Trichtern,nämlich schmalblätterige Arten wie T. stricta, deren Rosetten nurwenig Wasser zurückhalten können. Alle diese Formen unterscheidensich von den vorher besprochenen wesentlich dadurch, dass sie mitSchuppenhaaren ganz bedeckt sind und ihr Wasser in einem starkentwickelten Wassergewebe aufspeichern. Es sind sämmtlich Bewohnertrockener oder doch sehr freier Standorte; die Schmalblätterigkeit,das Aufsammeln des Wassers im Innern stehen mitletzterem Umstande in offenbarem Zusammenhang. Der Modus derWasseraufnahme hat aber die äussere Gestalt dieser Pflanzen wenigermodificirt als in den bisher besprochenen Fällen.
DielangstengeligenBromeliaceenschliessen sich denrasenbildenden in Bezug auf die Vertheilung der Schuppen an,zeichnen sich vor denselben jedoch theilweise durch das Fehlen derWurzeln aus, die in der ersten Jugend zu Grunde gehen.
Alle Arten ohne äusseres Wasserreservoir, oder bei welchendasselbe schwach entwickelt ist (Till. stricta, Gardneri, bicolor, geminataetc.), sind im Inneren mit zahlreichen Wasserzellen versehen,die entweder zerstreut zwischen den grünen Zellen liegen (T. usneoidesFig. 16,Taf. III, recurvata etc.)oder ein mächtiges, zusammenhängendesGewebe bilden (T. stricta, Gardneri Fig. 6 u. 7 etc.),das untenmeist stärker entwickelt ist als oben. Die Blätter und Stengelsolcher Arten zeigen eine andere, mit dem Modus der Wasseraufnahme[pg 079]zusammenhängende Eigenthümlichkeit in der auffallendenReduction ihres Gefässsystems, während letzteres sonst gerade beiden Bewohnern trockener Standorte stark entwickelt ist. Am ausgeprägtestenist die Reduction bei Till. usneoides, was um so auffallenderist, als bei langen Stengeln sonst gerade eine mächtigeEntwickelung der wasserleitenden Elemente vorhanden ist; der freiin der Luft hängende Epiphyt verhält sich in dieser Hinsicht ganzwie eine Wasserpflanze.
Diejenigen epiphytischen Bromeliaceen, die Wasser in ihrenBlattbasen aufsammeln, besitzen mehr normale Gefässstränge, unddiese unterscheiden sich bei den terrestrischen Arten, die sich durchdie Wurzeln ernähren, in keiner Weise von denjenigen andererMonocotyledonen.
Es kann demnach keinem Zweifel unterliegen,dass die Wasseraufnahme durch die Blätter eineReduction der Wasserleitungsbahnen bedingt hat,und zwar namentlich bei den Arten, deren Blätterund Stengel absorbirende Schuppen gleichmässigan ihrer ganzen Oberfläche tragen.
Die Siebtheile ganz beschuppter Arten sind offenbar als ebenfallsreducirt zu bezeichnen, obwohl weit weniger als die Gefässtheile,die sie an Dicke übertreffen. Diese Reduction ist, bei der überdie Functionen des Siebtheils noch herrschenden Unsicherheit, biologischschwer zu erklären; sollte letzterer bei der Leitung des Eiweissesoder anderer Assimilate betheiligt sein, so wird man wohl die Erscheinungauf die Herabsetzung des Stoffwechsels an sehr trockenenStandorten zurückführen müssen. Es ist das indessen nur eine vorläufigeHypothese.
Die Schuppenhaare kommen, wie schon erwähnt, nicht blossbei Arten mit wasseraufnehmenden Blättern, sondern auch manchmalbei solchen, die sich in normaler Weise ernähren, vor. Beidiesen sind aber die Schuppen unbenetzbar und nur an der Rückenseiteals dichter Ueberzug vorhanden. Die mikroskopische Untersuchung[pg 080]zeigt, dass alle Theile der Schuppen, die in den Arten mitabnormer Ernährung zur Aufnahme und Leitung des Wassers dienen,also das Mittelstück und der Basaltheil, bei den unbenetzbarenSchuppen kaum ausgebildet sind, während der Flügel mächtig entwickeltzu sein pflegt (Pitcairnia, Karatas etc.).
Die Gattung Pitcairnia ist dadurch von besonderem Interesse,dass sie den Uebergang zwischen normaler und abnormer Wasseraufnahmein mehreren Stufen darstellt. Manche Arten sind an derUnterseite mit unbenetzbaren Schuppen bedeckt, an der Oberflächeaber ganz unbehaart (P. undulata); bei anderen treten an der Oberflächeeinzelne bis ziemlich zahlreiche absorbirende Schuppen auf(P. lepidota).Die Localisirung der Schuppen an denBlattbasen tritt aber nur da auf, wo letztere zusammenschliessenoder doch stark löffelartig ausgebaucht sind.
Letztere Erscheinung, sowie das Auftreten absorbirenderSchuppen sind als erste Anpassungenan die Wasseraufnahme durch die Blätter zu betrachten,welche im Laufe der Zeit die Eigenschaftender verschiedenen Zellen des Haares mehr oder wenigertief modificirte, sodass aus den ursprünglich ganzkleinen mittleren Zellen der complicirte Absorptionsapparat einerTillandsia recurvata oder Gardneri entstand.
Es geht aus dem Vorhergehenden zur Genüge hervor, welchetiefgreifende Veränderungen die Anpassungen vieler Bromeliaceenan Wasseraufnahme durch die Blatter in der Structur und Lebensweisedes ganzen vegetativen Apparats der Pflanze hervorgerufenhaben. Diese Unterschiede springen in grossen Sammlungen lebenderBromeliaceen, wie derjenigen des botanischen Gartens zu Lüttich,sofort in die Augen. Diejenigen Arten, die sich normalernähren, besitzen einen sehr mannigfachen Bau; ihre meist sehrgrossen Blätter erinnern bald an diejenigen der Agaven, bald andiejenigen von Yucca, bald an solche von Hemerocallis (Pitcairnia e. p.)[pg 081]mit verschmalerter Basis, oder bestehen aus einer grossen Spreitean dünnem langem Stiele (Pitc. undulata, Disteganthos) oder sindwirtelartig um einen hohen Stengel geordnet (Pepinia). Die stattlichenoder doch grossblätterigen Bromeliaceen, die ihr Wasser durchdie Blätter aufnehmen, sind hingegen sämmtlich mit einer dichtschliessenden,trichterartigen Rosette versehen, die ihnen, trotzdemsie zu den verschiedenartigsten Gruppen gehoren, einen sehr gleichartigen Habitus verleiht; die Blattbasen innerhalb der Trichterzeigen sich stets mit aufnehmenden Schuppen dicht gepflastert.
Grössere habituelle Unterschiede zeigen sich unter den Epiphytennur bei den kleinen Arten ohne äusseres Wasserreservoir, die, ganzmit absorbirenden Schuppen bedeckt, das aufgenommene Wasserim Innern ihrer Gewebe aufspeichern, um es vor Verdunstung zuschützen. Von der Nothwendigkeit, dicht schliessende Rosetten zubilden, befreit, liessen sie anderen gestaltenden Einflüssen freienSpielraum. Die einen bilden einen dichten, grasartigen Rasen (Tillandsia,sect. Diaphoranthema), andere besitzen langgestreckte Sprosse(Till., sect. Anoplophytum); die rosettenbildende Till. Gardnerischeint, ähnlich wie T. bulbosa, aber aus anderem Grunde, desGeotropismus zu entbehren, und in Till. usneoides würde man kaumeine nahe Verwandte so vieler rosettenbildender Pflanzen vermuthen.
Der gestaltbildende Einfluss der Wasseraufnahme ist nicht aufdie epiphytische Lebensweise allein zurückzuführen, indem wir, wiegesagt, bei terrestrischen Bromeliaceen alle möglichen Stufen zwischenden ersten Andeutungen dieser Eigenschaft und schon ziemlich vollkommenenVorrichtungen zum Aufsammeln und Verwerthen desWassers durch die Blätter finden. Allerdings scheint allein dieAnanas in ihrer Structur und Lebensweise den epiphytisch lebendenBromeliaceen nahe zu kommen.
5. Die Anpassungen an Wasseraufnahme durch dieBlätter sind demnach als eine Ursache des Uebergangsvieler Bromeliaceen in die Genossenschaft der[pg 082]Epiphyten, nicht als eine Wirkung epiphytischerLebensweise zu betrachten. Letztere hat aber diese soüberaus zweckmässige, wenn auch nicht zu dem Zwecke erworbeneEigenschaft weiter ausgebildet, aus derselben die verschiedensten,den jeweiligen Existenzbedingungen entsprechenden Anpassungenentwickelt.
Der Versuch, genau ausführen zu wollen, was von den im Vorhergehendenbeschriebenen Anpassungen erst in Folge der epiphytischenLebensweise aufgetreten ist, würde alsbald in reine Phantasieausarten. Zudem ist in Betracht zu ziehen, dass viele epiphytischlebende Bromeliaceen sich auch an der Oberfläche von Felsen befestigen,die ihnen sehr ähnliche Existenzbedingungen, wie die Baumrinde,bieten, sodass beide Standorte gleichzeitig die Weiterausbildungder für solche Lebensweise nützlichen Eigenschaften beeinflussenkonnten. Als ganz specielle Anpassungen an epiphytische Lebensweisekönnen wir dagegen sicher das Verschwinden der Wurzelnbei Tillandsia usneoides, die grosse Reduction derselben bei Till.circinalis, die Vorrichtungen, durch welche diese und andere Artensich an Baumzweigen befestigen, betrachten. Dass noch anderespecielle Anpassungen an epiphytische Lebensweise, die aufzudeckenich nicht im Stande war, existiren, geht aus dem Umstande hervor,dass viele Arten, namentlich unter den Tillandsieen, auf Felsennicht, oder in abweichenden Varietäten (Till. recurvata var. saxicolaHier.) wachsen.
Dass der Antheil der epiphytischen Standorte an der Entwickelungder Anpassungen an Wasseraufsammeln grösser gewesensei als derjenige der felsigen, geht mit Wahrscheinlichkeit daraus hervor,dass solche Vorrichtungen sich nur bei denjenigen Gattungenausgebildet haben, deren Früchte oder Samen die zum Eintritt indie Genossenschaft der Epiphyten nöthigen Eigenschaften besassen,während die schon deshalb aus letzterer ausgeschlossenen Gattungenwohl meist in Felsspalten wachsen, wie Dyckia, Pitcairnia u. s. w.,der Wasserreservoirs aber ganz entbehren und absorbirende Schuppen,[pg 083]wenn überhaupt, nur in geringer Anzahl besitzen; solche Arten sindaus diesem Grunde auch nicht, im Gegensatz zu so vielen ihrerVerwandten, im Stande, an der Oberfläche der Felsen, ausderen Spalten sie entspringen, zu wachsen, von welcher sie derBau ihrer Früchte und Samen doch nicht, wie von den Bäumen,ausschliessen würde.
Ein vorwiegender Einfluss der epiphytischen Lebensweise aufdie Entwickelungen der Anpassungen an Wasseraufnahme durch dieBlätter erscheint auch aus dem Grunde nicht unwahrscheinlich, weildie eigentlichen felsigen und steinigen Gebiete Amerikas entwederviel zu regenarm sind, um oberirdische offene Wasserreservoirs zuernähren, oder zu kalt, um den Bromeliaceen überhaupt die Existenzzu gestatten; letztere sind dementsprechend in den trockenen, steinigenGebieten der Westküste beinahe sämmtlich Arten mit normalerErnährung (Puya, Hechtia, Greigia, Pitcairnia etc.), und diewenigen, bei welchen auch dort die Blätter die Function von Wurzelnverrichten, sind besonders resistente Einwanderer der Waldgebiete,ohne oder nur mit sehr schwach entwickeltem äusseren Wasserreservoir,aber mit reichlichem Wassergewebe. Die äusseren Wasserbehälterzeigen sich dagegen bei Hunderten von Arten der feuchtenWaldgebiete, wo Regen und Thau, auch in der trockenen Jahreszeit,stets hinreichend vorhanden sind, um dieselben zu ernähren;in diesen Waldgebieten ist aber das oberflächliche Felsenareal imVergleich zu demjenigen der Baumrinde verschwindend klein.
Die Epiphyten sind ganz besonders geeignet, als Illustrationder allmählichen Vervollkommnung von Anpassungen zu dienen.Auf manche epiphytisch vorkommenden Gewächse hat die Lebensweiseauf Bäumen keinen Einfluss ausgeübt; hierher gehören ziemlichzahlreiche Arten, die im Stande, sich auf dem Boden zu[pg 084]behaupten, nur deshalb auch gelegentlich auf Bäumen vorkommen,weil zufällig ihre Eigenschaften den Anforderungen epiphytischerLebensweise genügen. Es sei nur an Polypodium vulgare erinnert,dessen Sporen von dem Winde leicht auf die Bäume getragenwerden, dessen kriechendes Rhizom mit seinen zahlreichen Wurzelnzur Ausnützung des Substrats vortrefflich geeignet ist und dessenBlätter ohne Schaden einen ziemlich beträchtlichen Wasserverlustertragen können. Dank solchen günstigen Eigenschaften kommtdieser in den temperirten und subtropischen Ländern der nördlichenHemisphäre allgemein verbreitete und überall häufige Farnin einigen Gebieten, wo die später zu besprechenden klimatischenBedingungen der epiphytischen Lebensweise sehr günstigsind, auf Bäumen vor, jedoch nur im Schatten und auf rissigerRinde.
Unsere erste Gruppe enthält eine Anzahl Pflanzen, die sichim selben Falle befinden, wie Polyp. vulgare. Andere dagegenhaben in Folge der epiphytischen Lebensweise mehr oder wenigertiefgreifende Structuränderungen erlitten, durch welche sie in denStand gesetzt wurden, das Substrat besser auszunutzen und denGefahren des Austrocknens besser zu trotzen. Manche dieser Anpassungengleichen denjenigen, die wir bei Bewohnern trockenerStandorte überhaupt zu finden pflegen; andere sind sehr eigenartig,so namentlich bei Orchideen und Araceen, unter welchen sichdie am vollkommensten angepassten Formen der ersten Gruppebefinden.
Das Streben nach mehr Nahrung, namentlich mehr Wasser,als auf der Rinde vorhanden, hat an ursprünglich nur auf Kostender Ueberzüge der Rinde sich ernährenden Epiphyten zwei Reihenvon Anpassungen hervorgerufen, deren niederste Stufen das Geprägedes Zufälligen und Unvollkommenen, wenn auch schon Vortheilhaftentragen, während die am meisten entwickelten Vorrichtungenstattlichen Gewächsen das Gedeihen auf hohen Baumästengestatten. Als vollkommenste Vertreter der zweiten Gruppe sind[pg 085]die Clusia-Arten zu nennen, mit ihren eisernen Ringen ähnlichenHaftwurzeln und ungeheuer langen, grosslumigen Nährwurzeln,während die vollendetste Ausbildung in der dritten Gruppe uns inAnthurium Hügelii mit seinem humussammelnden Blatttrichter undseinen negativ geotropischen Nährwurzeln, namentlich aber in denFarnen mit Nischenblättern entgegentritt.
Die Epiphyten, welche wir zu unserer vierten Gruppe rechnen,knüpfen sich nicht, wie diejenigen der zweiten und dritten, unmittelbaran die erste Gruppe an, sondern sind direkt aus terrestrischenGewächsen hervorgegangen, deren Blätter in wenig ausgeprägtemMaasse bereits Vorrichtungen zur Verwerthung deratmosphärischen Niederschläge besassen. Auch diese Vorrichtungenhaben durch die epiphytische Lebensweise eine weitgehende Züchtungerfahren, welche endlich zu solchen extremen Formen, wieTillandsia circinalis, T. usneoides und T. bulbosa führte.
Dasjenige System von Organen, das bei den Epiphyten ammeisten modificirt wurde, ist begreiflicherweise dasjenige der Wurzeln.Die Wurzeln, welche sich sonst, anderen Organen gegenüber,durch ihre Gleichartigkeit auszeichnen, zeigen bei den Epiphytendie mannigfachsten Adaptationen. Sie besitzen häufig (Orchideen,Aroideen) eigenartige, bei anderen Pflanzen nicht existirende Vorrichtungenzur Verwerthung von Regen und Thau. Die sonst inderselben Wurzel vereinigten Functionen der Befestigung am Substratund der Aufnahme der Nährstoffe sind oft auf verschiedeneGlieder des Wurzelsystems vertheilt, die dementsprechend, mit ganzverschiedenen Eigenschaften versehen sind. Je nach Bedürfnisssind sie positiv oder negativ oder gar nicht geotropisch, lang undeinfach oder kurz und stark verzweigt, mit beschränktem oder unbeschränktemLängenwachsthum versehen, cylindrisch oder abgeplattetund blattartig. Sie übernehmen bei Aëranthus-Artensämmtliche vegetative Functionen, während sie bei Tillandsiausneoides auf unbedeutende, früh verschwindende Anhängsel reducirtwerden.
[pg 086]Nächst den Wurzeln haben die Blätter die meisten Adaptationenaufzuweisen. In den einfachsten Fällen beschränken sich diese aufVorrichtungen, wie wir sie bei Bewohnern trockener Standorte überhauptfinden; in anderen ist der Einfluss der epiphytischen Lebensweisescharf ausgeprägt, so bei den Nischenblättern vieler Farne,den Ascidien von Dischidia, namentlich aber bei den Bromeliaceen,welche eine neue und augffallende Illustration des Satzes bilden, dassmorphologisch ungleichwerthige Organe, wenn sie ähnliche Functionenunter ähnlichen äusseren Bedingungen verrichten, auch ähnlicheEigenschaften annehmen.
Die Blätter der Bromeliaceen müssen nämlich, gleich denLuftwurzeln der Orchideen und Araceen, im Stande sein, dasauf sie fallende Wasser rasch aufzunehmen, und doch gegenWasserverlust geschützt sein, da sie nicht, wie gewöhnliche Wurzeln,im Boden verborgen sind. Die Structurverhältnisse sind bei denBlättern der Bromeliaceen und den Luftwurzeln der Orchideen, soweitsie auf den Einfluss der äusseren Bedingungen zurückzuführen sind, inder That ganz gleichartig. Die Oberfläche ist von bei trockenemWetter luftführenden Cellulosezellen eingenommen, die jeden auf siefallenden Wassertropfen gierig aufsaugen. Der einzige Unterschiedist, dass bei den Luftwurzeln die Aufnahmezellen ein zusammenhängendesGewebe darstellen, während sie bei den Bromeliaceenblätterneinen dichten Haarüberzug bilden. Unter dem absorbirendenMantel befindet sich eine stark cuticularisirte, aber mit engen, nichtcuticularisirten Durchgangsstellen für das Wasser versehene Zellschicht,die Endodermis bei den Orchideen-Luftwurzeln, die Epidermisbei den Bromeliaceenblättern. Die nicht cuticularisirten Zellen sindüberall dünnwandig und plasmareich.
Die Functionen der Wasseraufnahme und der Kohlenstoffassimilationsind bei den meisten epiphytischen Orchideen und Bromeliaceennoch in der Hauptsache auf ungleiche Pflanzentheilevertheilt, wenn auch eine so vollkommene Differenzirung, wie beiihren terrestrischen Verwandten, beinahe nirgends vorhanden ist.[pg 087]Bei den Orchideen zeigt sich vielfach die Neigung, den Wurzeln auchdie Function der Kohlenstoffassimilation zu übertragen, während andererseitsbei vielen Bromeliaceen die Differenzirung des Blatts ineinen wasseraufnehmenden und einen laubartigen Theil nicht vorhandenist. Dieses Streben nach Reduction und Vereinfachungzeigt sich begreiflicherweise am meisten bei Arten ausgeprägt, diesehr ungünstige Standorte bewohnen, und hat Extreme hervorgebracht,welche zu den eigenartigsten Beweisen des vorhin erwähntenSatzes zu rechnen sind, nämlich einerseits in gewissen Arten derGattung Aëranthus, namentlich A. funalis und A. filiformis,andererseits in Tillandsia usneoides.
Die erwähnten Aëranthus-Arten bestehen beinahenur aus Wurzeln, die Tillandsia entbehrt derWurzeln gänzlich, und doch ist die Aehnlichkeit inder Lebensweise, im Habitus, namentlich aber iminneren Bau eine ganz auffallende. Aëranthen und Tillandsiahängen von Baumästen herab, haben eine grau-grüne Farbe,saugen wie Löschpapier jeden Wassertropfen auf. Sie sind voneinem Mantel von Aufnahmezellen bedeckt, zwischen welchen diePneumatoden (Spaltöffnungen bezw. »weisse Streifen«)sich befinden.Die Epidermis bezw. Endodermis ist stark cuticularisirt und mitengen, nicht cuticularisirten Durchgangsstellen versehen. Unterder schützenden Schicht befindet sich grünes Gewebe, in welchemWasserzellen zerstreut liegen. Die Mitte ist, der hängenden Lebensweiseentsprechend, von einem sehr festen Strange von Sklerenchymfaserneingenommen, in welchem das äusserst reducirte Leitgewebeeingeschlossen ist.
Wären nur solche Fälle extremer Anpassung, wie wir sie beiAëranthus- und Tillandsia-Arten kennen lernten, vorhanden, sowürde es kaum möglich erscheinen, dieselben auf allmähliche Veränderungursprünglich normal gestalteter und normal sich ernährenderBodengewächse zurückzuführen. Thatsächlich sind aber alle[pg 088]Stufen der Anpassung noch vorhanden; die spärlichen Absorptionsschuppenterrestrischer Pitcairnia-Arten, die kaum angedeuteteVelamenbildung bei vielen terrestrischen und epiphytischen Araceen,stellen die Anfangsstufe dar; zwischen diesen und den vollkommenstenAnpassungen sind noch alle möglichen Uebergangsstufenvorhanden, die sämmtlich den jeweiligen Existenzbedingungenentsprechen.
1. Aehnlich wie bei uns ein einziger Baum oft zahlreiche verschiedeneArten von Moosen und Flechten trägt, sind auch dieBäume des tropisch-amerikanischen Waldgebiets, wenn ihre Rindeals Substrat für Epiphyten geeignet ist, gewöhnlich mit sehr mannigfachenPhanerogamen und Farnen geschmückt. Welche Artenzusammenwachsen, ist nur bis zu einem gewissen Grade durch denZufall bedingt. Bei genauerem Bekanntwerden mit der atmosphärischenVegetation eines Gebiets wird man sich vielmehr bald überzeugen,dass die Epiphyten, ganz ähnlich wie Bodenpflanzen, verschiedenekleinere Gesellschaften bilden, die nach den jeweiligenäusseren Bedingungen den Raum behaupten und wiederum zergliedertwerden können.
2. Die Factoren, welche in erster Linie für die Gliederungder epiphytischen Vegetation in kleinere Gesellschaften maassgebendsind, sinddas Licht und namentlich die Feuchtigkeit.Der grosse Unterschied der epiphytischen Vegetation im Urwaldsschatteneinerseits, auf den Savannen andererseits, ist nur durchUnterschiede in der Intensität der Beleuchtung und des Wassergehaltsder Luft bedingt. Licht, feuchte Luft, reichliche Thaubildung, häufige[pg 090]Regengüsse stellen die wesentlichen Bedingungen eines üppigenepiphytischen Pflanzenlebens dar, und wo sie sich in hohem Gradevereinigt finden, wie in gelichteten Bergurwäldern, in den Galleriewälderngrosser Flüsse, zeigt sich die epiphytische Vegetation invollster Pracht und grösstem Formenreichthum.
Das Lichtbedürfniss treibt im dichten Urwald die Epiphytennach den höheren Baumästen, sodass derselbe meist arm an diesenGewächsen zu sein scheint, während er in Wirklichkeit eine ausserordentlichüppige und formenreiche atmosphärische Vegetation ernährt,die sich unten nur durch tauartige Luftwurzeln, abgelösteBlüthen und Früchte oder unter der Last der sie überwucherndenPflanzen abgebrochene Baumzweige verräth. Die Stämme und dieunteren Aeste tragen nur wenige schattenliebende Arten, namentlichHymenophylleen und andere Farne, Lycopodien, zarte Peperomien,grüne Bromeliaceen (Arten von Vriesea, Nidularium etc.) undknollenlose, meist dünnblätterige Orchideen (Zygopetalum etc.). Danebenfindet man vielfach kümmerliche, nicht blühende Exemplareder auf den obersten Aesten prangenden Arten. Sobald in Folgevon Fällungen das Licht in die Tiefe des Urwalds Zutritt erhält, breitetsich die bisher auf den oberen Aesten angehäufte Vegetation auchauf den Stamm aus und bedeckt den Baum bis zu seiner Basis miteiner blumenreichen Hülle der wunderbarsten und mannigfachstenPflanzenformen.
Die epiphytische Vegetation der Bäume der Savannenwälderund anderer trockener Standorte ist meist weniger üppig und formenreichals diejenige des Urwalds und bei oberflächlicher Betrachtungvon letzterer durchaus verschieden. Sie verdankt ihreneigenthümlichen Character den bis aufs äusserste getriebenenSchutzmitteln gegen Austrocknen; dickblätterige, wenig belaubteOrchideen, graue Bromeliaceen (Tillandsia), Rhipsalis Cassytha undandere Cacteen, kleine lederartige Polypodium-Arten bilden diewesentlichsten Elemente der Epiphytenflora der Savannen im ganzentropischen und subtropischen Amerika.
[pg 091]Man wird im Urwald lange vergeblich nach den Epiphytenartender Savannen suchen, und dennoch sind sie in demselbenvorhanden, sogar theilweise sehr gemein. Um sie zu finden, mussman allerdings nicht blos den Stamm und die dickeren Aeste, sonderndie ganze Krone des Baumes untersuchen können, wozu ich inBlumenau in Waldschlägen, sog.Roça's,häufig Gelegenheit hatte.
Während der Stamm, soweit wenigstens, als er sich im Walddunkelbefindet, nur spärliche und wenig mannigfache Epiphytenträgt, sind seine Aeste mit einem dichten Rasen von Bromeliaceen,Orchideen, Farnen, Aroideen, Peperomien, Gesneraceen bedeckt, unddarunter befinden sich zahlreiche Arten, die wir im Waldschatten vergeblich suchen würden. Nähere Betrachtung zeigt bald, dass auch innerhalbder Krone Unterschiede vorhanden sind. Die Vegetation derdickeren Aeste, jedoch nicht der untersten, ist die formenreichste undüppigste; hier wachsen die Riesen unter den Epiphyten, sowie eine Füllevon meist mit Scheinknollen versehenen Orchideen; neben diesen befindensich, jedoch nur in geringer Anzahl,Formen, die auch aufSavannenbäumen vorkommen. Dieser letztere, zuerst untergeordneteBestandtheil wird nach oben zu mit der Zunahme desLichtes vorherrschend,und die Endzweige der Baumkronesind von denselben grauen Tillandsien, den dickblatterigen,meist knollenlosen Orchideen und lederigenPolypodien wie Stamm und Aeste der Savannenbäumeüberwuchert.
Die etagenmässige Gliederung der epiphytischen Vegetation desUrwalds ist natürlich nicht in der Art schematisch aufzufassen, dassbei bestimmter Höhe die reine Schattenflora in diejenigedes Halbschattens und diese wiederum in diejenige des direktenSonnenlichtes übergehe. Eine solche Regelmässigkeit existirtnicht. Baume mit sehr dichtem Laube entbehren der Sonnenepiphytenbeinahe gänzlich, wahrend letztere bei Bäumen, die ihrLaub periodisch abwerfen, schon auf den dickeren Aesten vorherrschendsein können. Besonders zahlreich sind die Sonnenepiphyten[pg 092]auf den Riesen des Urwalds, deren Kronen die umgebendenBäume »wie die Kuppeln und Dome das übrige Gemäuer einerStadt« überragen und daher wohl auch als hauptsächlicheBildungsstätten derselben zu betrachten sind.
3. Licht und Feuchtigkeit sind für die Vertheilung der Bodenpflanzenvon kaum geringerer Wichtigkeit als für die Epiphytenund bedingen beinahe ebenso grosse Unterschiede, als diejenigen,die wir für die Epiphytenflora der Wälder und die der Savannenoder für die Etagen des Urwalds kennen lernten. Ausser diesenbeiden Factoren sind für die Gliederung der Pflanzendecke innerhalbder Vegetationsgebiete die physikalische und die chemischeBeschaffenheit des Bodens von grosser Wichtigkeit. Dieselben kommenfür die Epiphyten natürlich nicht in Betracht; dagegen istihnender Einfluss vergleichbar, den die physikalische(und chemische?) Beschaffenheit der Rindeausübt. Während aber die Eigenschaften des Bodens vielfach fürgrössere Landstriche wesentlich gleich bleiben, besitzen die tropisch-amerikanischen Wälder eine so bunte Zusammensetzung, dass dieEpiphytengesellschaften mit jedem Schritt wechseln würden, wenndie Existenzbedingungen nicht bei vielen der Baumarten wesentlichdie gleichen wären.
Zunächst ist es klar, dass für die meisten Epiphyten eine rissigeRinde ein besseres Substrat bilden wird als eine glatte. Die Ansprüche,welche die verschiedenen Epiphyten in dieser Hinsichtstellen, sind sehr ungleich. Am genügsamsten sind die Bromeliaceen,welche auch auf spiegelglatter Oberfläche üppig zu gedeihenvermögen, indem sie sich durch Ausscheidung eines resistentenKitts überall befestigen und bei ihrem Ernährungsmodus für dieAufnahme des Wassers und der Nährsalze von ihrem Substrat ganzunabhängig sind. Als Beispiele für das erstaunliche Accommodationsvermögendieser Pflanzen seien einige der von mir beobachtetenStandorte derselben erwähnt. Sie wachsen z. B. häufig auf mastähnlichen[pg 093]Palmstämmen (Oreodoxa regia, Euterpe etc.), auf dengleichsam glasirten Endzweigen von Bambusa; ich fand sie auchauf den Stacheln einer Palme (Acrocomia lasiospatha), auf derEpidermis der jüngsten Zweige von Cereus-Arten, auf den Blätternanderer Bromeliaceen. Kleinere Pflanzen habe ich auch auf dendünnen, krautigen Zweigen von Rhipsalis Cassytha, auf den Luftwurzelnvon Vanilla und, häufig, in den aufgesprungenen Kapselnder Mutterpflanzen beobachtet. Auch die Orchideen vermögen aufvöllig glatter Oberfläche, sogar auf Blättern zu leben; sie bringenes aber dabei, da sie, mit Ausnahme derjenigen der dritten Gruppe,von den Nährstoffen der Rinde abhängig sind, die sich nur in Rissenund im Moose etwas reichlich anhäufen, nie zu üppigem Wachsthum.
Die ausserordentliche Anpassung der Bromeliaceen an epiphytischeLebensweise verleiht ihnen die gleiche Bedeutung, wie beiuns den Flechten, als Vorläufern der Vegetation. Sie sind die zuersterscheinenden Epiphyten und bereiten das Substrat für solchePflanzen, die erst bei etwas grösseren Mengen von Nährstoffen undFeuchtigkeit gedeihen können. Ihr Wurzelsystem ist dazu vortrefflichgeeignet; die Glieder desselben sterben zwar frühzeitig ab,sind aber nichtsdestoweniger äusserst fest und dauerhaft, mit Ausnahmeder Aussenrinde, aus welcher, sowie aus den allmählichdurch Wind, Regen und Insekten und von der faulenden Sprossbasisherunterfallenden geringen Mengen fremder Stoffe in denInterstitien des Wurzelsystems ein Substrat bereitet wird, aufwelchem andere Epiphyten üppig zu gedeihen vermögen.
Die Wurzelkörper und Stammbasen grösserer Bromeliaceen(z. B. Brocchinia Plumieri auf Dominica, Aechmea-Arten) sind vielfachvon einer Menge der verschiedensten Epiphyten überwuchert.Auf Dominica scheint Clusia rosea beinahe nur in diesen Wurzelgeflechtenihren Ursprung zu nehmen; sogar an schon baumartiggewordenen Exemplaren derselben kann man vielfach noch dieUeberreste der Brocchinia erkennen, zwischen deren Wurzeln der[pg 094]Same gekeimt ist. Eine sehr auffallende Erscheinung bilden zuweilenmastähnliche Palmstämme, an welchen eine Gruppe verschiedenartigerEpiphyten befestigt ist, aus deren Mitte sich dieBromeliacee erhebt, die ihnen das Gedeihen ermöglicht. Auch inihren Blattbasen ernähren die Bromeliaceen nicht selten verschiedenartigePflanzen, welche allerdings, wohl in Folge zu grosser Feuchtigkeit,meist früh zu Grunde gehen; wir haben aber in der Utricularianelumbifolia der Orgelgebirge eine Art kennen gelernt, welchein denselben zu üppiger Entwickelung gelangt.
Die meisten Epiphyten vermögen nicht auf so glatter Rinde,wie die Bromeliaceen, zu gedeihen. Zu den sehr genügsamen gehörenkleine Farne und Peperomien, deren haardünne Wurzeln inkaum sichtbare Risse eindringen. Andere Arten hingegen bewohnennur die tief zerklüftete, bemooste Borke alter Bäume, z. B.manche grössere Farnarten (in Westindien Polypodium aureum,P. neriifolium, Asplenium exaltatum etc.), die meisten Dicotyledonenund diejenigen Araceen, die auf niederer Stufe der Anpassungverblieben sind, wie Anthurium dominicense und viele andereArten derselben Gattung. Manche dieser Pflanzen (z. B. Columneascandens, Vittaria lineata, Psychotria parasitica) bewohnen gernedie Luftwurzeln anderer Epiphyten, sei es diejenigen der Bromeliaceen,oder von Anthurium Hügelii, Oncidium altissimum etc. Dieepiphytischen Utricularien Westindiens gedeihen nur in Moospolstern,Psilotum triquetrum in den Gabelungen alter Bäume.
Baumarten mit sehr rissiger Borke bieten einer grösseren Anzahlverschiedener Epiphyten ein geeignetes Substrat, als solchemit glatter Oberfläche. Am meisten verschont verbleiben jedochdiejenigen Bäume, deren Borke, ähnlich wie bei den Platanen, schuppenförmigabfällt, z. B. im süd-brasilianischen Urwald viele Myrtaceen(wohl Eugenia- und Myrcia- Arten); nur ein Farn (Nephrolepis sp.)zeigte sich unter solchen Umständen fähig, den Raum zubehaupten, indem seine äusserst dünnen und langen Stolone den[pg 095]Stamm spinngewebsartig umgeben und so stets einige feste Haftpunktebehalten.
In manchen Fällen ist die Ursache der grossen Bevorzugungoder Verschmähung gewisser Bäume ziemlich unklar. So nehmendie Calebassenbäume (Crescentia Cujete) unter allen anderen mirbekannten Bäumen des tropischen Amerika, in Bezug auf den Reichthumihrer epiphytischen Vegetation, sowohl was die Zahl der Artenals der Individuen betrifft, bei weitem den ersten Rang ein. Dieselbensind, namentlich in der Nähe des Waldes, in der Regel voneiner Fülle der verschiedenartigsten Epiphyten bedeckt, namentlichvon Orchideen; aber auch, wo die äusseren Bedingungen für epiphytischesPflanzenleben sonst wenig günstig und andere Bäumevöllig verschont sind, wird man oft auf den Calebassenbäumen dieverschiedenartigsten Pflanzen in üppigen Exemplaren finden undnach der Untersuchung derselben sich gewöhnlich den Besuch derumgebenden Bäume ersparen können, indem die ganze atmosphärischeFlora der Nachbarschaft auf ihren Aesten vertreten ist und mancheOrchideen, z. B. Aëranthus funalis, Epidendrum non chinense etc.,sich beinahe nur da befinden. Die Ursache dieser Bevorzugung derCrescentien scheint theilweise in der Beschaffenheit des Korks zu liegen,der sich durch grosse Weichheit und Dicke, sowie schwammartigeBeschaffenheit auszeichnet, sodass die Wurzelhaare leicht in denselbendringen können. Diese Eigenschaft ist den westindischenGartenfreunden wohl bekannt, und dieselben gebrauchen daher vielfachCalebassenzweige als Substrat für epiphytische Culturen16.
Während der Calebassenbaum die verschiedenartigsten Gewächseträgt, zeichnet sich eine auf Trinidad und in Venezuelahäufige Palme (Manicaria sp.?) aus durch die Constanz und Eigenartigkeitder nur aus wenigen Arten bestehenden Genossenschaft vonEpiphyten, die sie in ihren persistirenden Blattbasen ernährt. Neben[pg 096]einem nicht epiphytischen, kletternden Philodendron, dessen Adventivwurzelndas reiche Substrat durchwuchern, wachsen auf dieserPalme beinahe stets mehrere Farne, namentlich Polypodium aureumund Aspidium (Nephrolepis) sesquipedale, sehr häufig auch Aspidiumnodosum und Vittaria lineata. Aspidium sesquipedale kommtauf Trinidad und dem von mir besuchten Theil von Venezuela, soweitmeine Beobachtungen reichen, nur in den Blattbasen von Palmenvor; auf grossen Strecken (z. B. in dem dünnen Wald zwischenArima und Aripo auf Trinidad) wird man kaum einen Stamm genannterPalme sehen, der nicht mit den schlanken, einfach gefiedertenWedeln des Farnes geschmückt wäre; letztere entspringen inRosetten aus dünnen Stolonen, welche von einer Blattbase zuranderen kriechen und nur in dem feuchten Humus derselben Sprosseund Wurzeln erzeugen. Auf Dominica wächst Aspidium sesquipedalein den Lichtungen feuchter Bergwälder auf allen möglichen bemoostenBäumen, auf faulenden Stämmen und auf dem Boden.
Durch persistirende Blattbasen beschuppte Palmen sind überhaupt,im tropischen und subtropischen Amerika, vielfach von grossenepiphytischen Farnen bedeckt. Anetium citrifolium scheint auf Jamaicanur solche zu bewohnen. In Ost-Florida fand ich SabalPalmetto häufig, wie Manicaria auf Trinidad, mit Polypodiumaureum und Vittaria lineata geschmückt, und in Süd-Florida scheintdas merkwürdige Ophioglossum palmatum nur da zu wachsen.Aehnliches sah ich vielfach bei Blumenau, wo der am gewöhnlichstenauf Palmen wachsende Farn eine der auf den Palmen Trinidadswachsenden sehr ähnliche Nephrolepis ist.
Die Palmen mit persistirenden Blattbasen tragen nach demGesagten eine sehr eigenartige, durch das Vorherrschen grosserFarne ausgezeichnete Vegetation; zwei der letzteren, Aspidiumsesquipedale und A. nodosum, sind sogar auf Trinidad auf Palmenbeschränkt, während auf Dominica die erstere auch sonst epiphytischund als Bodenpflanze vorkommt, und die zweite, nachGrisebach,auf Jamaica faulende Stämme bewohnt. Die Ursache[pg 097]dieses ungleichen Verhaltens auf verschiedenen Inseln dürfte, fürA. sesquipedale wenigstens, in klimatischen Unterschieden zu suchensein; genannter Farn dürfte auf dem eine ziemlich trockene Jahreszeitbesitzenden Trinidad wohl nur in den Blattstielbasen von Palmendas tiefe und feuchte, humusreiche Substrat finden, dessen erneben viel Licht bedarf, während auf den Bergen von Dominica,wo es beinahe täglich regnet, die zu seinem Gedeihen nöthigenBedingungen auch an anderen Standorten verwirklicht sind.
Eine noch mehr charakteristische, obwohl wiederum wesentlichaus Farnen bestehende epiphytische Flora zeichnet, im ganzen tropischenAmerika, dieBaumfarne aus. Vorwiegend sind auf denselbendie Hymenophyllaceen, von welchen wenigstens eine Art nurauf Baumfarnen vorkommt, nämlich Trichomanes sinuosum, das ichin Süd-Brasilien und auf den Bergen von Trinidad in Westindien,wo es überaus häufig ist, nie anderswo gefunden habe; ich habesogar in den Wäldern des Mt. Tocuche auf Trinidad den schlingendenStamm eines lianenartigen Farns von dem Epiphyten bedecktgesehen, während der stützende Baum desselben ganzentbehrte. Auch auf Jamaica wächst Trichomanes sinuosum und,wie es scheint, Tr. trichoideum nur auf Farnen. In Sta. Catharinafehlte Trichom. sinuosum selten auf den Baumfarnen feuchterSchluchten; mit ihm wuchs sehr gewöhnlich das zarte Trichomanestenerum, das manchmal, wenn auch seltener, auf anderen Bäumenwächst, und zwei Asplenien, von welchen das eine, ein überauszierlicher, hängender Farn, auf der rissigen Rinde noch andererWaldbäume verbreitet war. Endlich wächst, wie mir HerrDr.Fritz Müller mittheilte, ein schönes Zygopetalum auchausschliesslich nur auf diesen Stämmen.
Die genannten Epiphyten der Baumfarne bewohnen vornehmlichdie Luftwurzelmassen, welche den Stamm der letzteren bekanntlichtheilweise oder ganz umhüllen und sehr häufig als Substrat fürepiphytische Culturen Verwendung finden. Wie zu erwarten, ist[pg 098]diese Eigenschaft der Baumfarne, von gewissen Epiphyten sehr bevorzugtzu werden oder ihnen sogar als einziger Standort zu dienen,nicht auf Amerika beschränkt. So gibtHooker die Stämme vonBaumfarnen als Standort des Hymenophyllum rarum in Neu-Seelandan, wo auch Tmesipteris Forsteri dieselben bevorzugt.
Eine so ausgeprägte Anpassung an eine bestimmte Baumart,wie wir sie soeben für einige Epiphyten der Baumfarne kennenlernten, scheint sonst nicht vorzukommen, da auch Epidendrum conopseumAit., die einzige epiphytische Orchidee nördlich von Florida,nicht bloss, wie es vielfach behauptet wird, auf Magnolien,sondern auch zuweilen auf anderen Bäumen vorkommt. Die Ursacheder Bevorzugung der Magnolien ist nicht ermittelt.
Ausser der Beschaffenheit der Rinde wirkt auch die Belaubungauf Reichthum und Zusammensetzung der epiphytischen Flora dereinzelnen Baumarten, indem dieselbe mehr oder weniger dicht,immergrün oder nur periodisch vorhanden sein kann. Wir kommenhiermit auf den schon vorher geschilderten Einfluss des Lichteszurück. Begreiflicherweise entbehren auf Savannen dicht belaubteBäume der Epiphyten beinahe gänzlich, da die in schattigenWäldern gedeihenden Arten hohe Ansprüche an Luftfeuchtigkeitstellen. So sah ich auf den westindischen Inseln den Mangobaum,dessen dunkles Laub dasjenige aller unserer europäischen Baumean Dichtigkeit übertrifft und sogar von Vögeln vermieden wird, vonEpiphyten ganz verschont, während er bei Rio de Janeiro, wo ernur unvollkommen gedeiht und dünner belaubt ist, solche vielfachreichlich trägt. Vermieden sah ich auch Terminalia Catappa, denBrodbaum (Artocarpus incisa), die Tamarinde etc. Viel von Epiphytenbewohnt sind, ausser den schon erwähnten Calebassenbäumen,die dank der schlanken Gestalt ihrer Zweige auch möglichst günstigeBeleuchtung bieten und eine reichere Flora als irgend welcheanderen Baume tragen, namentlich Caesalpinieen mit flach-schirmförmigerKrone und sehr durchsichtigem Laube (Caesalpinia¿ undCassia-Arten), die sogenannten Immortellbäume (Erythrina umbrosa),[pg 099]die auf Trinidad zum Schutz der Cacao-Pflanzungen cultivirt werden,die riesigen Feigenbäume Süd-Brasiliens, letztere nicht bloss weilsie über die benachbarten Bäume wachsen, sondern auch weil sieihr Laub im Winter ganz verlieren, endlich Cedrela-Arten, derendurchsichtiges Laub ebenfalls einem periodischen Wechsel unterliegt,ohne dass allerdings vollständige Kahlheit je eintrete.
4. Die die epiphytische Genossenschaft bildenden Gewächsegehören theilweise derselben ausschliesslich an, theilweise könnensie auch an anderen Standorten auftreten. Immer jedoch istdie epiphytische Vegetation von der Umgebung scharf abgegrenzt.
Der Unterschied zwischen epiphytischer und terrestrischer Vegetationist am grössten in den Savannen, wo beiden gemeinsameArten vollständig fehlen; er ist weniger ausgesprochen im Urwaldund doch auch da so gross, dass man sich erst bei genauerem Studiumvon der Anwesenheit einer Anzahl gleichzeitig terrestrischund epiphytisch wachsender Arten überzeugt. Farne des Bodenszeigen sich im Walde vielfach auch auf den Stämmen; CarludovicaPlumieri, die in den dunkelen Urwäldern der kleinen Antillen sohäufig an den Bäumen klettert, keimt bald im Boden, bald auf derRinde. Aehnliches gilt von verschiedenen kletternden Arten vonAnthurium (z. B. Anth. palmatum) und Philodendron, während andereArten derselben Gattungen nie auf dem Boden des Urwalds wachsen;andererseits aber sind viele zur ersten Gruppe gehörige Anthurium-Artenmehr Bodenpflanzen als Epiphyten und gedeihen nur beireichem Substrat auf Bäumen. Dasselbe gilt von verschiedenenSträuchern und Bäumen.Die gemeinsamen Arten sindaber ausschliesslich solche, die die tiefste oderausnahmsweise auch die mittlere der drei Etagen,die wir in der epiphytischen Vegetation des Urwaldsunterschieden haben, bewohnen. Die Epiphyten deroberen Aeste kommen nie als terrestrische Pflanzen[pg 100]vor, und umgekehrt wachsen nie Bodenpflanzen desUrwalds auf den Gipfeln der Bäume.
Mehr verwischt ist der Unterschied zwischen terrestrischer undepiphytischer Vegetation in den dünnen Wäldern hoher Gebirgsregionen;auf dem Kamm der Serra Gerál in Sta. Catharina, auf derSerra do Picú (in der Serra de Mantiqueira) fand ich die gleichen,wenig zahlreichen Bromeliaceenarten auf dem Boden und den Baumästen.Die merkwürdige Erscheinung hätte ein eingehenderes Studiumverdient, das ich ihr, aus Mangel an Zeit, nicht widmenkonnte.
Eine weit grössere Aehnlichkeit als zwischen der epiphytischenund der terrestrischen Vegetation besteht, wie es bereitsfrüher hervorgehoben wurde, zwischen ersterer und derjenigen derFelsen, die in den Tropen nicht bloss, wie bei uns, in ihren tiefen,Erde gefüllten Spalten, sondern auch an ihrer Oberflächemit phanerogamischen und farnartigen Pflanzen geschmückt sind unddaher ein ganz anderes Aussehen bieten, als unsere nur Moos undFlechten tragenden Felsen.
Eine grosse Anzahl Pflanzenarten, die sehr häufig als Epiphytenvorkommen, sind ebenso gewöhnliche Bewohner der Felsen,auf welchen sie sich in ähnlicher Weise befestigen und ernähren,ähnliche Ansprüche an Licht und Feuchtigkeit erheben, wie aufBaumrinde. Hierher gehören Vertreter der verschiedensten Familien,Farne, Bromeliaceen (namentlich Arten von Aechmea), Orchideen,Araceen, Cactaceen etc. Trotz dieser auf ähnlichenExistenzbedingungen beruhenden Uebereinstimmung der rupestrenund der epiphytischen Genossenschaft können beide doch durchausnicht vereinigt werden, da jede hinreichend zahlreiche eigenthümlicheElemente enthält, um ihr charakteristisches Gepräge zu besitzen.
Die wichtigste Charakterpflanze der epiphytischen Genossenschaftist zweifellos Tillandsia usneoides, deren Lebensweise mitanderen Existenzbedingungen ganz unvereinbar erscheint und dieich in der That nur auf Bäumen gesehen habe. Jedermann,[pg 101]der das tropische oder subtropische Amerika je besucht hat, kenntdieses wunderbare, bartflechtenähnliche Gewächs, dessen zuweilenüber sechs Fuss lange Schweife an den Spitzen der Baumzweigeaufgehängt sind und in kühleren Gegenden oft einen grauen Schleierum die Krone bilden, der nur an wenigen Stellen vom grünen Laubedurchbrochen ist (Taf. II).Aehnliche höchst charakteristische, aberviel weniger verbreitete Epiphyten sind Tillandsia circinalis undmyosuroides, atmosphärische Kletterpflanzen Argentiniens, derenBlattspitzen sich um dünne Baumäste einrollen und auf diese Weiseden langen Sprossen den nöthigen Halt geben (Taf. V).
Noch andere, wenn auch nicht alle Bromeliaceen der Epiphytengenossenschaftsind für letztere charakteristisch, so die Mehrzahl derTillandsien der kleinen Antillen und Venezuelas. Es ist keine Rindeso glatt, dass eine Colonie von Tillandsia-Arten (z. B. T. utriculata,flexuosa, recurvata, pulchella) auf derselben nicht gedeihen könnte,sogar in trockener, sonniger Lage, während diese Gewächse auf Felsenoder überhaupt auf nicht pflanzlicher Unterlage sehr selten oder garnicht vorkommen. In auffallendster Weise zeigte sich mir einerseits dieerstaunliche Genügsamkeit der Tillandsieen, andererseits ihre einseitigeAnpassung in den Llanos, am Fuss der Küsten-Cordillere vonVenezuela17. Der Weg ging viele Meilen lang durch dünne Wäldervon Caesalpinieen und Mimoseen, die, da es die trockene Jahreszeitwar, beinahe oder ganz des Laubes entbehrten und von einemsäulenartigen Cereus untermischt waren; das Gras unter denBäumen war vertrocknet, auf den Baumästen dagegen prangte eineüppige Vegetation von Savannenepiphyten, die ganz frisch erschienenund theilweise in Blüthe waren, so namentlich Tillandsia flexuosa,T. compressa, T. pulchella, T. recurvata (auf Bergabhängenvorherrschend), stellenweise T. usneoides, Aechmea-Arten und untergeordnet[pg 102]Oncidium Cebolleta, Jonopsis utricularioides (eine Orchideemit fleischigen Blättern und äusserst zarten, lilafarbigen Blüthen),Cereus triangularis, seltenerMacrochordium melananthum. DerBoden war häufig felsig oder steinig und trug dann häufig einigeder auf den Bäumen gedeihenden Arten: Cereus triangularis,Macrochordiummelananthum und das Oncidium. Nur ein einziges Maldagegen, in einer Felsspalte, fand ich ausser den erwähnten Gewächseneinige Exemplare einer Tillandsia; dieselben waren höchstens2 cm hoch und ganz vertrocknet, sodass sie in meinen Fingernzu Staub zerfielen. Alle Bäume schienen dagegen den Tillandsiengut zu sein; ja sogar die Cereus-Säulen und die ganz glattenZweige des epiphytischen Cereus triangularis wurden von ihnennicht verschmäht.
Es sind nicht alle Bromeliaceen so exclusive Epiphyten als diegenannten, welchen sich noch andere Arten, z. B. Caraguata lingulata,Guzmannia tricolor, Brocchinia Plumieri anzuschliessenscheinen. Die Aechmea-Arten, welche einer Unterfamilie angehören,die viele exclusive Bodenbewohner zählt, sind vielfach ebenso häufigauf Felsen, wie auf Bäumen, z. B. in Sta. Catharina. Aehnlichesgilt aber auch von gewissen Tillandsien, z. B. der glänzend weissenTill. Gardneri, die auf der Insel Sta. Catharina gleichzeitig zu denhäufigsten Gliedern der Epiphyten- und der Felsengenossenschaftgehört.
Sehr auffallende und charakteristische Glieder der Epiphytengenossenschaftsind ferner Anthurium Hügelii und die Mehrzahlder Baumwürger (scotch attorney,span.matapalo,portug.matapáo).
Die Felsenflora nimmt in den tieferen, von Urwald bedecktenRegionen tropischer Gegenden ein weit geringeres Areal ein, als dieepiphytische, sodass ein genauerer Vergleich beider häufig schwierigist. Jedenfalls zeigt sie im Schatten und an der Sonne ähnlicheUnterschiede wie die letztere. An Felswänden im Walde findetman namentlich Farne (vorzugsweise Hymenophylleen), Lycopodien.Gesneraceen, Peperomien, grüne Bromeliaceen, die theils der rupestren[pg 103]Vegetation eigen, theils derselben mit der epiphytischengemeinsam sind. Begonien kommen in Westindien und Brasilienhäufig auf Felsen, aber nie als Epiphyten vor; ich spreche natürlichnicht von den kletternden Arten, die, im Boden bewurzelt, häufigan Bäumen heranwachsen. Unter den charakteristischen und häufigenFelsbewohnern Westindiens und Brasiliens seien u. a. Pitcairniaangustifolia und andere Arten derselben Gattung, Isoloma hirsutumund zahlreiche andere Gesneraceen, Selaginellen, Pilea microphylla erwähnt.Die Flora sonniger, trockener Felsen habe ich nur in Brasilienkennen gelernt, z. B. auf der Insel Sta. Catharina. Starre Bromeliaceen (namentlich Aechmea-Arten), Cactaceen (u. a. Rhipsalis Cassytha) und einige wenige dickblätterige Orchideen (namentlich Cattleyabicolor) verleihen der Vegetation dieser Felsen eine grosse Aehnlichkeitmit derjenigen der benachbarten Bäume, auf welchen, nebenausschliesslichen Epiphyten, wie Tillandsia usneoides und recurvata,die gleichen Arten wie auf den Felsen wuchsen.
Der Unterschied zwischen der epiphytischen und der rupestrenVegetation in Amerika beruht indessen nicht bloss auf der Anwesenheitcharakteristischer Pflanzenarten in jeder derselben. Die Epiphytengenossenschaft ist nicht bloss reicher an letzteren als dierupestre, sie ist auch viel schärfer gegen andere Genossenschaftenabgegrenzt und trägt daher ein viel eigenartigeres Gepräge.
Die Ursachen dieses Unterschieds sind theilweise nicht schwerzu errathen; sie gehen aus einem genaueren Vergleich der nichtepiphytisch vorkommenden Felsenbewohner mit den Epiphyten hervor.Wir haben gesehen, dass Pitcairnia- und Dyckia-Arten ganzgewöhnlich auf Felsen, aber nie auf Bäumen, selbst nicht in humusreicherenSpalten der Rinde, vorkommen. Es wäre in der Thatschwer für diese Pflanzen, auf Bäume überzugehen, indem die Samenvon Pitcairnia einen nur unvollkommenen Flugapparat besitzen, diejenigenvon Dyckia dagegen allerdings mit einem breiten Flügelversehen sind, der jedoch nur zum Flug, aber nicht zur Befestigungan der Rinde geeignet ist. Diejenigen Gesneraceen, die auf Felsen,[pg 104]aber nicht epiphytisch wachsen, befinden sich in ähnlicher Lage;ihre Samen entbehren jeder Mittel, auf die Bäume zu gelangen,während diejenigen der epiphytischen Arten entweder in Beerenenthalten sind oder geeignete Flug- und Haftapparate besitzen. Aehnlichesgilt von den auf Felsen so häufigen Selaginellen, Begonien,Pilea etc.
Auf solche Weise lässt sich sowohl das Fehlen vieler Felsenpflanzenauf Bäumen, als auch die grössere Uebereinstimmungzwischen der Flora der Felsen und derjenigen gewöhnlichen Bodensals zwischen der letzteren und der epiphytischen, zum grossenTheile erklären. Der epiphytischen Genossenschaft fehlt ein wichtigerVerbreitungsmodus der Samen, das Wasser; ihre Samen sindin dieser Hinsicht ganz auf Vögel und Wind angewiesen und müssenzudem noch in ganz bestimmter Weise beschaffen sein, um auf derRinde gedeihen zu können. Diese Schwierigkeiten gehen den Felsenganz ab. Das Wasser rieselt über ihre Oberfläche, in ihre Spalten,alle möglichen Samen terrestrischer und epiphytischer Gewächsemit sich schleppend, die zur Entwickelung gelangen, wo sie nur einpassendes Substrat finden; ein ebenfalls buntes Samengemischwird den Felsen durch den Wind und die Thiere zugeführt. Aufdiese Weise kommt es, dass in tiefen Felsspalten ganz dieselbenPflanzen, wie auf gewöhnlichem Boden, gedeihen, während sichsonst epiphytisch wachsende Gewächse an der Steinoberfläche, ganzähnlich wie an der Baumrinde, ansiedeln; die Flora der Felsenwürde in den Tropen ein Mittelding zwischen der epiphytischenund der terrestrischen darstellen, wenn sie nicht ausser diesen Bestandtheilennoch eine Anzahl Arten enthielte, die durch den Kampfums Dasein von fruchtbareren Standorten ausgeschlossen werden,und denen der Bau ihrer Samen und Früchte auf Bäume überzugehennicht gestattet.
5. Die in diesem und den vorigen Kapiteln über die Eigenthümlichkeitder Epiphyten, über die Beziehungen der Flora der[pg 105]Baumrinde zu derjenigen anderer Substrate, berechtigen uns wohlunzweifelhaft, die Genossenschaft der Epiphyten als eine der ambesten charakterisirten zu bezeichnen. Die Existenzbedingungensind denjenigen, die auf Felsen herrschen, ähnlich, daher mancheUebereinstimmung in den Anpassungen und mancher gegenseitigeAustausch. Die epiphytische Genossenschaft hat aber ein weiteigenartigeres Gepräge als die rupestre, bedingt theils durch dasstarke Zurücktreten auf gewöhnlichem Boden wachsender Arten,theils durch die Ausbildung extremer, in auffallendster Weisean den eigenthümlichen Lebensmodus angepasster Formen, wiez. B. Clusia rosea mit ihren Greifwurzeln und Anthurium Hügeliimit den eigenthümlichen Vorrichtungen zum Aufsammeln undVerwerthen der von der Baumkrone herabfallenden Nährstoffe,Tillandsia circinalis mit ihren Greifblättern, namentlich aberTillandsia usneoides, dieser im wahren Sinne des Wortes atmosphärischenPflanze, die sich von den atmosphärischen Niederschlägenernährt und deren Zweige, durch den Wind oder Vögelvon Baum zu Baum getragen, ohne Unterbrechung ihre luftigeExistenz fortsetzen. Es dürfte allerdings vorkommen, dass dieeine oder die andere dieser Charakterpflanzen unter günstigen Bedingungenauf dem Boden keime und sich weiter entwickele; fürClusia rosea habe ich es selber constatirt. Die Anwesenheit vonEigenthümlichkeiten, die in engstem Zusammenhang mit der atmosphärischenLebensweise zusammenhängen, zeigt jedoch zur Genüge,dass man es in solchen Fällen nur mit Flüchtlingen aus der Epiphytengenossenschaft zu thun hat; so sieht die erwähnte Clusia, wenn sieselbständig auf dem Boden wächst, geradezu hülflos aus mit ihrenfrei in der Luft wachsenden oder gar die eigenen Aeste erwürgendenHaftwurzeln.
1. Durchschnittlich haben die Glieder der epiphytischen Genossenschaftgrössere Areale als terrestrische Pflanzenarten, ohne jedochim Allgemeinen so ausgedehnte Verbreitungsbezirke, wie Wasser-und Strandpflanzen, aufzuweisen. Die bedeutende Grösse der Arealevieler epiphytischer Gewächse ist keineswegs durch ihre Lebensweisebedingt worden, die im Gegentheil, wie in diesem Kapitelgezeigt werden soll, viel eher hemmend als fördernd auf die Verbreitungwirkt. Dass so viele epiphytische Gewächse weit entlegeneGebiete gleichzeitig bewohnen, beruht ausschliesslich darauf, dassihre Samen an Verbreitung durch Wind und Vögel ausgezeichnetangepasst sind, worin, wie wir es im ersten Kapitel zeigten, nichteine Wirkung, sondern eine der Ursachen der epiphytischen Lebensweisezu erblicken ist.
Die Epiphyten, die gleichzeitig die westliche und die östlicheHemisphäre bewohnen, sind relativ zahlreich, so namentlich unterden Farnen (verschiedene Hymenophylleen, Vittaria lineata, Polypodiumincanum etc.), Lycopodiaceen (Lycopod. Phlegmaria, Psilotrumtriquetrum etc.), aber, in einzelnen Fallen, auch bei Familien,deren Arten gewöhnlich enger begrenzte Areale besitzen. So wächstBolbophyllum recurvum in Sierra Leone und Brasilien18, Rhipsalis[pg 107]Cassytha als einzige Cactee auch in der östlichen tropischen Zone(in Süd-Afrika, auf Mauritius und Ceylon, nachBenth.undHooker).
Sehr gross ist die Anzahl der epiphytischen Pflanzenarten, dieden tropisch-amerikanischen Urwald in seiner ganzen Ausdehnungbewohnen, und manche Arten überschreiten gleichzeitig nach Nordenund Süden die tropische Zone (incl. Süd-Brasilien), so Tillandsiausneoides, die von Virginien (35° N. Br.) bis Argentinien und Chileverbreitet ist, Till. recurvata (von Florida bis Argentinien) etc.
Es soll aber keineswegs verschwiegen werden, dass auch unterden Epiphyten endemische Arten nicht fehlen. Solche findet mannamentlich bei den Orchideen, wo jedoch der Endemismus bei denterrestrischen Arten noch weit mehr ausgesprochen ist, als bei denepiphytischen, von welchen viele Arten, wie Isochilus linearis, Dichaeaechinocarpa etc., sehr verbreitet sind. Die auffallendsten mirbekannten Fälle von Endemismus ausserhalb der Orchideen sinddie monotypische Vaccinieengattung Findlaya auf Trinidad, wo ichsie übrigens umsonst suchte, die ebenfalls monotypischen RubiaceengattungenRavnia, Xerococcus und Ophryococcus in Costa-Rica unddie kleine Utricularia Schimperi auf Dominica. Da die Epiphytenvielfach nur auf den Gipfeln hoher Bäume vorkommen, dürfte beidenselben mehr als bei Bodenpflanzen der Endemismus späterenForschungen weichen.
2. Trotz der bedeutenden Grösse der Areale vieler derselbensind die Pflanzenarten, die die atmosphärische Vegetation zusammensetzen,in den verschiedenen Gebieten des tropisch-amerikanischenWaldes zum Theil nicht die gleichen. Dennoch haben wir die verschiedenartigenAnpassungen der Epiphyten an ihre Lebensweise,sogar die Gliederung der atmosphärischen Pllanzenwelt in kleinereGemeinschaften ohne jede Rücksicht auf geographische Verbreitungbehandelt; nur hier und da wurde kurz auf eine Localität hingewiesen,wo die eine oder die andere Erscheinung in besonders auffallenderWeise zum Vorschein kommt. Diese Vernachlässigung[pg 108]geographischer Daten geschah absichtlich,indem die epiphytischeFlora im ganzen Umfange des tropisch-amerikanischenUrwalds, trotz der Artenunterschiede,doch einen sehr gleichmässigen systematischen undphysiognomischen Charakter trägt. Ihre hauptsächlichstenBestandtheile sind überall Bromeliaceen, vorwiegend Tillandsieen,deren grüne Arten beinahe, wenn auch nicht ganz, ausschliesslichschattige Standorte bewohnen, während die starkbeschuppten und daher grau oder weiss erscheinenden sich auf denhöchsten Aesten der Urwaldbäume im vollen Lichte entwickeln oderdie dünnen Wälder der Savannen schmücken. Nach den Tillandsieensind die Aechmea-Arten, trotz der geringen Anzahl ihrer Arten(nach derWittmack'schen Begrenzung), wohl die gewöhnlichstenund mit die autfallendsten unter den Epiphyten. Dank ihren mächtigen,in verschiedenen Farben leuchtenden Inflorescenzen, ihrenfarbigen Früchten, bilden sie die grösste Zierde der amerikanischenEpiphytengenossenschaft. Die übrigen Bromeliaceengattungen sindweniger allgemein verbreitet. Die in unseren Gewächshäusern so vielcultivirte Gattung Bilbergia ist mir nur zweimal begegnet, Nidulariumkenne ich nur aus Brasilien, die Arten von Bromelia sind meist,diejenigen von Ananas, Dyckia, Puya, Hechtia u. a. m. stets terrestrisch.
Araceen, Orchideen, Farne liefern, nach den Bromeliaceen, dasContingent der Epiphytengenossenschaft. Erstere sindformenreich, auf zwei Gattungen (Philodendron und Anthurium)beschränkt; ihre Arten sind aber theilweise sehr gemein unddurch mächtige Dimensionen ausgezeichnet.
Die epiphytischen Orchideen übertreffen an Artenzahl nichtbloss die Araceen, sondern auch die Bromeliaceen bei weitem; siesind aber meist klein und unscheinbar. Vorherrschend sind unterihnen Arten der ungeheuren, nur amerikanischen Gattung Pleurothallis,deren beschriebene Formen 400 übertreffen, und der nochgrösseren, ebenfalls rein amerikanischen Gattung Epidendrum, erstere[pg 109]sehr gleichförmig und meist auf hohen Aesten rasenbildend, letzterehabituell sehr mannigfach, aber, wie die Pleurothallis-Arten, meistmit unscheinbaren Blüthen; die gross- oder schönblüthigen Formensind entweder selten oder treten nur vereinzelt auf, oder habeneine kurze Blüthezeit. An Farbenpracht treten die Orchideen vorden Bromeliaceen sehr zurück19.
Auffallender und habituell mannigfacher als die Orchideen sinddie Farne. Man findet sie überall; die Wäldbäume sind meist vonunten nach oben mit ihren zahlreichen Formen geziert. Die imtiefen Schatten verborgene Basis des Stamms ist von einer leichtenKrause von Hymenophylleen umhüllt, die an Durchsichtigkeit, anfeiner Zertheilung ihres Laubs zuweilen den zartesten Moosengleichkommen (z. B. Trichom. tenerum, trichoideum). Höher amStamme wachsen oft sehr zierliche Asplenien, dickblätterige, einfacheAcrostichen, schmalblätterige Vittarien, auch mächtige Formen,wie die trichterförmigen Rosetten des Asplenium serratum; von denAesten hängen die oft über 6 Fuss langen, tief gezackten Bändernähnlichen Fronden von Nephrolepis-Arten herunter. Der dichte Rasen aufden Aesten verbirgt eine Menge grösserer und kleinerer Polypodien,und die obersten Zweige haben ihre eigenen Formen, kleine,kriechende, zungenblätterige Polypodium-Arten, die auch auf denSavannenbäumen häufig sind (P. vaccinioides, serpens etc.). Nächstden genannten Familien nehmen kleine, meist kriechende Peperomien,verschiedene Gesneraceen (Columnea, Codonanthe etc.),Cactaceen (Rhipsalis Cassytha u. a. Rhipsalideen, verschiedeneCereus-Arten) den grössten Antheil an der atmosphärischen Flora.Bei der Untersuchung eines grösseren Waldbaums wird mannur ganz ausnahmsweise Vertreter der genannten Familien vermissen.
Die übrigen Epiphyten, namentlich die dicotylen Sträucher undBäume, treten mit Ausnahme von Clusia und den Feigenbäumen[pg 110]zurück und beeinflussen daher in der Regel nicht wesentlich diePhysiognomie der epiphytischen Vegetation.
Aehnlichkeiten und Unterschiede der atmosphärischen Flora destropisch-amerikanischen Urwalds werden am besten aus einer kurzenSchilderung der diesbezüglichen Verhältnisse an einigen weit voneinandergelegenen Punkten hervorgehen.
Zunächst sei die epiphytische Vegetation der Umgebung von Port-of-Spainauf Trinidad (11° N. B.) als Beispiel eines ungefähr äquatorialgelegenen Punktes gewählt. Die Flora der Insel stimmt mit derjenigendes benachbarten Guyana beinahe ganz überein. Dichte Urwälder bedecktensie früher, die im Westen zum grossen Theil der Zuckerrohrculturgeopfert worden sind. Auf den Bergen sind es dunkele, feuchteWälder, deren Unterholz schwach entwickelt ist und wesentlich ausBaumfarnen besteht; in der Ebene ist das Unterholz sehr dicht unddurch die stacheligen Stämme einer rotangartigen Palme (Desmoncus major)bis zu gänzlicher Undurchdringlichkeit verwoben. In den Bergurwäldernerscheint, dem tiefen Schatten entsprechend, die epiphytische Vegetationsehr arm, da die Baumgipfel, auf welchen die atmosphärischen Gewächseangehäuft sind, sich im undurchdringlichen Laubgewölbe demBlicke entziehen; die Stämme tragen doch einige stattliche Formen,so die kletternde Carludovica Plumieri, das riesige Anthurium Hügeliiund das ihm im Wuchs ähnliche Asplenium serratum, die beide dievon oben in ihre Blatttrichter fallenden todten Blätter und Zweige aufsammeln.Hier und da wachsen grüne Tillandsieen (Vriesea, Caraguata),Farne, namentlich Hymenophylleen, kriechen auf der Rinde mit zartenPeperomien. Zwischen den Stämmen hängen zahlreiche Luftwurzeln,die sich bei genauerem Untersuchen theils als zu Clusia (Cl. rosea),theils als zu Aroideen (Philodendron-, Anthurium-Arten) gehörig zu erkennengeben, deren Ursprung aber im Laubdach verborgen ist. Zuweilenzeugt auch ein kleiner, abgefallener Baumzweig mit grauenTillandsien oder dickblätterigen Orchideen von der Anwesenheit einerganz abweichenden Epiphytenflora hoch oben am Lichte.
Treten wir aus dem Wald in eine Cacaopflanzung, so stellen sichEpiphyten sofort in weit grösserer Menge ein, jedoch nicht so sehrauf den Cacaobäumen selbst, als auf den weit höheren Erythrinen, diezu ihrem Schutz gepflanzt worden sind. Diese Bäume sind von denmannigfachsten Epiphyten bedeckt. Philodendron, theils kurzstämmig[pg 111]mit riesiger Blattrosette, theils kletternd, Clusia rosea, verschiedenegrosse Aechmea-Arten, Marcgraviaceen (Norantea), Gesneraceen, RhipsalisCassytha und andere Cactaceen, zuweilen das prächtige Oncidium Papiliosind am Stamme und den dicken Aesten befestigt; Tillandsien,kleine Farne und Orchideen (Pleurothallis, Epidendrum) umhüllen diedünnen Aeste, an deren Spitzen vielfach die dünnen Bärte von Tillandsia usneoides aufgehängt sind. Nähern wir uns der Stadt durchdie Allee, welche durch die sogenannte Savanne zum botanischen Gartenund nach St. Anns führt, so finden wir, namentlich auf den schirmartigenCaesalpinien und dem knorrigen Haematoxylon campechianum,zahlreiche Vertreter der Savannenflora, graue Tillandsien (T. utriculata,flexuosa, compressa), einige Cacteen, spärliche dickblätterige Orchideen(Oncidium Cebolleta, einige Epidendren), kleine, kriechende Farne, namentlichdas braun geschuppte Polypod. incanum, das bei trockenemWetter ganz zusammenschrumpft, um sich beim ersten Regen wiederauszubreiten.
An Trinidad scheint sich, soweit meine Beobachtungen reichen, derWaldstreifen der benachbarten Küste des Continents durchaus anzuschliessen;ich fand daselbst genau die gleichen Arten. Vergleichenwir damit hingegen die zum westindischen Vegetationsgebiet gehörigeInsel Dominica (16° N. B.), so zeigen sich, jedoch erst bei genauererBetrachtung, einige Unterschiede. Eine Anzahl Arten sind wohl diegleichen, die Gattungen sind es zum grössten Theil, der Gesammtcharakterdaher derselbe; es fehlen aber einzelne der häufigsten südamerikanischenFormen, so Rhipsalis Cassytha, während ein paar neuedicotyledonische Sträucher und Bäume auftreten (Psychotria parasitica,Blakea laurifolia, Symphysia guadelupensis, Marcgravia spiciflora etc.).
Versetzen wir uns endlich nach dem anderen Ende des tropisch-amerikanischen Urwalds, nach Blumenau (27° S. B.), so finden wir,43° südlich von Dominica, doch die gleichen Typen wieder. Wesentlichneue Formen treten uns nur in geringer Zahl entgegen und sindmeist vereinzelt. Die Orchideen sind wohl etwas zahlreicher, die Araceenetwas weniger häufig als in Westindien; der Gesammtcharakter ist aberdoch nahezu der gleiche. Das Laubgewölbe des südbrasilianischenKüstenwaldes ist weniger gleichmässig dicht als dasjenige der Bergurwäldervon Trinidad und namentlich Dominica, das Unterholz daher massig entwickelt,die Epiphyten zeigen sich an den Stämmen, da, wo sich diesefrei aus dem Unterholz hervorheben, in etwas grösserer Zahl und[pg 112]Mannigfaltigkeit. Wie auf den Antillen, gehören grüne Bromeliaceenzu den häufigeren Vertretern der Schattenflora; die häufigste unter ihnenist eine Vriesea, aus deren lebhaft rothen, zweizeiligen Bracteen nur eineeinzige gelbe Blüthe auf einmal hervorbricht, um am folgenden Tagewieder zu welken; in trockenen, hellen Wäldern ist diese Vriesea durchdie kleinere, in Europa viel cultivirte V. psittacina ersetzt. Die erwähnteVriesea ist beinahe stets von anderen Bromeliaceen begleitet, namentlich vondem gelbblühenden Macrochordium luteum, dem Nidularium Innocentii,dessen feuerrothe Bracteen feuchten Detritus umgeben, aus welchemweisse Blüthen sich erheben, wenn sie nicht in der Knospe verderben.Von den dickeren Aesten hängen die schmalen Blätter einer Varietätdes genannten Nidularium, dessen Blüthen noch häufiger als bei dertypischen Art in dem von den Bracteen aufgesammelten Unrath zuGrunde gehen. Die epiphytische Schattenflora enthält neben denBromeliaceen noch manche andere häufige Form. Die Basen derStämme sind von einem Rasen von Hymenophyllaceen umhüllt; nach obenzeigen sich andere Farne, kleine Asplenien, Acrostichen. Zarte Peperomienkriechen auf der Rinde, vielfach begleitet von einer gelbblüthigenOctomeria mit cylindrischen Blättern, einer zierlichen, kleinenStelis, einer weissblüthigen, dickblätterigen Gesneracee (CodonantheDevosii), den langen, hängenden Sprossen einer nadelblätterigen Hexiseaund einer einem riesigen Lebermoos gleichenden Dichaea (D. echinocarpe),die nur an der Basis durch einige Wurzeln befestigt sind.Dicken Drähten gleich ziehen senkrecht durch die Luft die Nährwurzelnhoch auf den Aesten nistender Philodendren, während diejenigender Baumwürger (Ceiba Rivieri, verschiedene Feigenbäume und CoussapoaSchottii) oft über Armsdicke besitzen und dem Wirthbaumdicht angeschmiegt und durch horizontale Haftwurzeln befestigt sindoder, sich vom Stamme trennend, dicke Stelzen darstellen. Zur Zeitmeiner Ankunft (September) war der Boden unter den Bäumen, die dieCeiba trugen, von den rothen Blüthen des Baumwürgers bestreut.Ein weit grösserer Reichthum an Epiphyten überwuchert die dickerenAeste; mit Ausnahme der grossen Blätter von Philodendron cannifolium,der leuchtenden Inflorescenzen der Aechmea-Arten und eines mächtigen,nicht sehr gemeinen Cyrtopodium sind die Arten erst nach Fällendes Baumes erkennbar und zeigen dann in endloser MannigfaltigkeitTillandsien und andere Bromeliaceen, mit Knollen versehene Orchideen(namentlich Oncidium altissimum, Maxillarien, Epidendren), Rhipsalis,[pg 113]theils flach, theils kantig, Farne, Gesneraceen, Araceen, Lycopediumdichotomum. Die mächtigen Rosetten von Tillandsia tessellata sind nurauf den obersten Zweigen sichtbar, begleitet von grauen Tillandsien(T. stricta, geminata, Gardneri etc.), Ortgiesia tillandsioides, einemdichten Rasen von Pleurothallis, Epidendren (E. avicula, latilabre etc.),Cattleya bicolor, Farnen etc. An der Spitze hängen vielfach noch dieSchweife der Tillandsia usneoides.
Nicht alle Bäume tragen eine solche Fülle von Epiphyten. Einigeentbehren derselben sogar beinahe ganz, wie die Cecropien und die Myrtaceen,erstere aus mir nicht bekannten Gründen, letztere, weil sie ihreBorke, ähnlich wie die Platanen, abwerfen (vgl.p. 94). Reich von Epiphytenbedeckt sind die Cedros (Cedrela sp.), deren durchsichtiges, gefiedertesLaub alljährlich erneuert wird, die riesigen Figueiras (Urostigma-Arten),die sich kuppelartig über das Laubdach erheben. Die dünnen Mastender Oelpalme (Euterpe sp.) tragen vielfach eine Bromeliacee, in derenWurzelgeflecht verschiedene kleine Epiphyten sich befestigt haben, währenddie rauhen, braunen Stämme der Baumfarne von einem zartenRasen von Hymenophylleen und kleinen Asplenien umhüllt sind. DieSträucher und kleinen Bäume des Unterholzes tragen nur Flechten undMoose, und solche, namentlich ein kleines, aromatisches Lebermoos,wachsen vielfach auch auf den grossen Blättern der Heliconien undMyrcien.
Verlassen wir den Urwald, so finden wir in der Capoeira, auf denvereinzelten Bäumen in den Pflanzungen und Weiden eine ganz ähnlicheSavannenflora, wie in Westindien. Die Gattungen sind meist diegleichen, die Arten dagegen allerdings beinahe alle verschieden. Hierwie dort herrschen graue Tillandsien vor (Till. stricta, geminata etc.),daneben aber auch die grosse, scheckige, aber, ausser an den löffelartigenBlattbasen, kaum beschuppte Vriesea tessellata und eine stattliche, grünblätterige, nicht bestimmte Art derselben Gattung, Orchideen mit fleischigenBlättern, meist ohne Scheinknollen (Epidendrum latilabre, aviculau. a. A.,Cattleya bicolor, Phymatidium delicatulum, Jonopsis sp. etc.), RhipsalisCassytha, kleine, meist kriechende Farne, hie und da kümmerlicheExemplare der Urwaldformen (Peperomien, Gesneraceen, Vriesea psittacina).
3. Die atmosphärischen Gewächse fehlen nicht ganz in jenenungeheuren Savannengebieten, die unter dem Namen vonLlanos,[pg 114]Catingas,Campos u. s. w.das Innere des tropischen Süd-Amerikabedecken. Diese Savannen stellen bekanntlich nicht ein ununterbrochenesWiesenland dar, sondern bestehen stellenweise oder vorwiegend(Catingas) aus lichten Gebüschen und Wäldern mit periodischabwerfendem Laube, die an den Flussrändern recht üppig werdenkönnen.
Man findet in diesen Wäldern nur ausnahmsweise einen sogrossen Reichthum an epiphytischen Bromeliaceen und Orchideen,wie ich ihn für gewisse Savannenwälder am Fusse der Küstencordillerein Venezuela im vorigen Kapitel beschrieb. Auch inletzterem Lande habe ich grosse Wald- und Gebüschstrecken gesehen,wo, obwohl an grossen Bäumen kein Mangel war, die Epiphytensehr spärlich an Arten und Individuen auftraten. So wuchsenin der Umgebung von Maturin nur ein paar Tillandsien, ausser anden Ufern des Flusses (R. Guarapiche), wo, wie überhaupt an allenGewässern, zahlreichere und mannigfachere Epiphyten auftraten –offenbar allein eine Wirkung der wässerigen Dünste, die in kühlerTemperatur der Nacht als flüssige Tropfen ausgeschieden werden,welche in die Trichter der Vriesea- und Aechmea-Arten, auf diegierig saugenden Blätter grauer Tillandsien und auf Orchideen-Luftwurzelnfallen und den Verlust des Tages ersetzen.
Ganz ähnlich, wie in den dünnen Wäldern der Llanos, tritt inbrasilianischen Catingas der Epiphytismus stark zurück.Gardner,dem wir die botanische Erforschung der letzteren in ersterLinie zu verdanken haben, fand die erste epiphytische Orchideeerst nach langen Wanderungen in der Provinz Ceará, und dieatmosphärische Vegetation trat überhaupt nur da in grössererUeppigkeit zum Vorschein, wo an den feuchten Abhängen vonBergen die Bäume zu dichterem Urwaldwuchs zusammentraten.
Ganz ähnlich verhält es sich in den südbrasilianischen Campos,in den Savannengebieten Mexicos und Central-Amerikas und aufdenjenigen der Antillen, die in Folge ihres relativ trockenen Klimaeinestropisch-dichten Waldwuchses entbehren. Ueberall aber zeigt[pg 115]sich mit dem Eintritt grösserer Feuchtigkeit die Epiphytengenossenschaftin grösserem Reichthum der Formen und Individuen.
Auf einer Excursion in der Umgebung von Pernambuco im Dezember1886 habe ich einen Blick in die dortige epiphytische Vegetationwerfen können, die mit derjenigen der Catingas grosse Aehnlichkeit zuhaben scheint; allerdings sind die dortigen Wälder durch den Einflussdes Menschen mehr verändert als im Inneren des Landes. Immerhinentsprach, was ich sah, vollkommen den BeschreibungenGardner's.Den meist niederen Sträuchern waren dicht hinter dem kleinen Orte Beberibegrosse Bäume nur spärlich beigemengt; als wir aber in grössere Entfernunggelangt waren, nahm das Gebüsch mehr den Charakter einesWaldes an, namentlich an den Ufern der kleinen Wasserläufe, die voneiner Gallerie schöner Bäume, unter anderen einer auch vonGardner viel erwähnten, prächtig blühenden Vochysiacee, eingefasst waren. Ineinem feuchteren Gebiet wären diese Bäume reichlich mit Epiphyten versehengewesen. Hier waren wohl schöne Loranthaceen vorhanden,eigentliche Epiphyten fehlten aber gänzlich, ausser in der Nähe desWassers, wo sich Stämme und Aeste mit einigen Bromeliaceen (Vriesea-,Bilbergia-, Aechmea-Arten, sämmtlich damals nicht blühend) schmückten.Ein in einer Waldhütte lebender Brasilianer, der, wie die Einwohnerdes tropischen Amerika überhaupt, über die»parasitas« wohl Bescheidwusste, sagte mir, dass solche ausschliesslich in feuchten Schluchten zufinden wären, und führte mich zum Beleg in eine solche, wo die Bromeliaceenin der That etwas reichlicher auftraten, aber von anderenEpiphyten nicht begleitet waren.
Auf den einzelnen knorrigen Bäumen und in den dünnen Gebüschender Campos von Minas Geraës sind die Epiphyten, wie mir Dr.Schenck mittheilte, ebenfalls »äusserst sparsam, ja fehlen stellenweise gänzlich.Nur einige Polypodien, Pleurothallideen und wenige Bromeliaceen trifftman hier und da vereinzelt an.« (Brief aus Congonhas do Campo,ca. 48 km südwestl. von Ouro Preto.) In den Urwaldbeständen aufBergabhängen treten dagegen die Epiphyten begreiflicherweise reichlichauf.
An den trockenen Küstenstrichen Mexicos, bei Vera Cruz u. s. w.,fandGaleotti nur in feuchten Schluchten einige Orchideen, beinaheausschliesslich Oncidien mit cylindrischen, fleischigen Blättern. Erst in[pg 116]den Urwäldern an den Abhängen der Cordillere zeigen sich die mannigfaltigen Formen, durch welche Mexico berühmt ist.
Die trockenen Küstengebiete Nord-Chiles und Perus scheinen derEpiphyten beinahe ganz zu entbehren; nur einige graue, xerophileTillandsia-Arten schmücken in ersterem die spärlichen Bäume undCereus-Säulen.Poeppig erwähnt Epiphyten für die Küstenzone Perusnicht.
In Westindien besitzen die nach dem Antillenmeer zugekehrtenKüstenstriche der grösseren Inseln ein trockeneres Klima als nach deratlantischen Seite, und ein solches kommt gewissen der kleineren Inselnin ihrer ganzen Ausdehnung zu. Unter diesen letzteren befindet sichSt. Croix und der kleine Archipel der Jungferninseln, deren Pflanzengeographie und Floristik vonEggers behandelt worden sind.Der Einfluss des trockeneren Klima tritt in dem xerophilen Charakter undder Armuth der Epiphytenformation in instructiver Weise zum Vorschein;graue Tillandsien und einige wenige Orchideen (Epidendrum-und Oncidium~Arten, Polystachya luteola) sind, mit Cereus triangularis,Feigenbäumen (F. populnea, pedunculata) und Clusien ihre einzigenphanerogamischen Bestandtheile; die Farne sind zahlreicher, wieüberall da, wo ihnen genügend Schatten zur Verfügung steht. Die Artensind beinahe sämmtlich auf den Inseln mit feuchtem Klima häufig.
Vollständig fehlt, nach dem Gesagten, die atmosphärischeVegetation auch in den trockeneren Gebieten des tropischen Amerikabeinahe nirgendwo auf grösseren Strecken. Stets ist dieselbe aber,wo die Feuchtigkeit spärlich, arm an Arten und Individuen; fleischigeOrchideen und Cactaeeen, graue Tillandsien, lederige Polypodiensind die einzigen Formen, die den ungünstigen Existenzbedingungenin den Savannen- und Catingasgebieten zu trotzenvermögen. Sobald aber der Wald dichter oder auch, wo an denUfern von Wasserläufen die Luft reicher an Feuchtigkeit wird,stellen sich die Epiphyten in grösserer Ueppigkeit und Formenreichthumein.
Wir haben im vorigen Kapitel gesehen, dass die epiphytischeVegetation der natürlichen Savannen, sowie der durch Ausrottungdes Urwalds entstandenen Culturgebiete mit derjenigen, die auf dem[pg 117]Laubdache des Waldes unmittelbar das Sonnenlicht geniesst, übereinstimmt.Es ist allerdings nicht unmöglich – wenn auch nochunerwiesen – dass der eine oder der andere der Savannenepiphytenim Urwalde fehlt; dieselben gehören aber stets Gattungen an, dieauch im letzteren, und zwar meist durch viel zahlreichere Arten,vertreten sind.
Diese Uebereinstimmung kann entweder daraufberuhen, dass die xerophilen Gipfelepiphyten desUrwalds aus den Savannen eingewandert sind, oderdass dieselben umgekehrt vom Urwalde aus die Savannencolonisirt haben. Die verschiedensten Erscheinungenzeigen aufs bestimmteste, dass dieletztere Annahme der Wirklichkeit entspricht.
Zunächst ist ein Auswandern der Epiphyten aus dem Urwaldedirekt nachweisbar. Wo, auch fern von den Savannen, der Urwaldgefällt und der Boden mit Nutzbäumen bepflanzt wird, werdenletztere bald durch die Epiphyten des benachbarten Urwalds colonisirt,und zwar scheinbar ausschliesslich von den xerophilen Arten,die in letzterem die obersten Zweige bewohnen. Bei genaueremSuchen wird man jedoch hier und da kümmerliche, nicht blühendeExemplare der hygrophilen Arten finden, und diese treten in grössererUeppigkeit auf, sobald die Feuchtigkeit eine grössere wird.
Die grosse Ungleichheit in den Existenzbedingungen der einenund denselben Baum, aber in ungleicher Höhe, bewohnenden Epiphytenzeigt sich in auffallender Weise, wo, wie es häufig geschieht,bei der Fällung des Urwalds einzelne Bäume verschont gebliebensind. In solchen Fällen sehen wir die hygrophilen Epiphyten desStammes und der dickeren Aeste absterben, wahrend die xerophilendes Gipfels sich stammabwärts bewegen. Zuerst, schon nach wenigenTagen, gehen die zarten Hymenophylleen der Stammbasis zu Grunde,die übrigen hygrophilen Epiphyten resistiren länger, nehmen abereine gelbliche, krankhafte Färbung an und verschwinden schliesslichganz, während die bisher auf den Gipfel localisirten grauen Tillandsieen,[pg 118]fleischblätterigen Orchideen und lederartigen, kleinenPolypodien den Baum, oft bis zu seiner Basis, überwuchern. DieUebereinstimmung zwischen der Epiphytenflora der Savannen unddenjenigen des Laubdaches des Urwalds ist uns, nach diesen Erscheinungen,sehr begreiflich.
Dafür, dass die xerophilen Epiphyten der Baumgipfel des Urwaldsin diesem selbst entstanden sind, spricht auch der Umstand,dass sie in letzterem, oder besserauf letzterem, weit üppigerwachsen, weit reicher sind, nicht bloss an Individuen, sondern auchan Arten, als in den Savannengebieten, wo sie nur im dampfreichenGallerienwalde der Flüsse zahlreicher werden, da sogar manchmaleine Beimischung hygrophiler Formen erhalten.
Mit grösster Sicherheit ergibt sich jedoch der silvane Ursprungder aerophilen Epiphyten daraus, dass in Savannen die terrestrischeund epiphytische Vegetation ganz schroff geschieden bleiben, währendim Urwald ein allmahlicher Uebergang von der einen in dieandere und von den unteren Schichten der Epiphytenvegetation indie oberen sich zeigt. Der Urwald zeigt uns die Entwickelung derGenossenschaft in allen ihren Phasen.
Manche Pflanzen des tropischen Urwalds wachsen, wie bereitserwähnt wurde, sowohl auf dem Boden, als auch auf Bäumen, ohneirgend welche eigentliche Anpassungen an epiphytische Lebensweisezu besitzen; sie vermochten sich im Kampfe ums Dasein sowohlals terrestrische Gewachse, wie auch als Epiphyten zu behaupten(Melastomaceen e. p., Solanaceen u. a. Dicotyledonen, Farne e. p.).Andere Formen verdankten hingegen nur dem Umstande, dass sieals Epiphyten gedeihen konnten, ihre Fortexistenz, und bei diesenwurden natürlich alle Eigenschaften gezüchtet, welche für Lebensweiseauf Bäumen geeignet waren; sie wurden an letztereangepasst,oft jedoch, ohne die Fähigkeit, auch in gewöhnlichemBoden zu leben, zu verlieren, wenn es die Concurrenzmit anderen Gewächsen nicht verhinderte; so gedeihen sie ganzallgemein als Topfpflanzen, und man findet sie zuweilen, obwohl[pg 119]relativ sehr selten, auch in der Natur als terrestrische Gewächse.Unbehindert können sie sich ausserdem kahler Felswande bemächtigen,wenn ihre Eigenschaften ihnen das Leben auf solchen gestatten.
Jede neue Eigenschaft, die einen Epiphyten inden Stand setzte, sich aufwärts, dem Lichte zu, zubewegen, wurde im Kampfe ums Dasein gezüchtet. Soentspricht die etagenmässige Gliederung der epiphytischenUrwaldvegetation einer steigenden Vervollkommnungder Anpassungen. Damit ging aberdie Fähigkeit, sich auch auf dem Boden zu behaupten,immer mehr verloren. Die hygrophilen Epiphyten sindzum Theil indifferent, die xerophilen dagegen können nur, und dasauch blos theilweise, auch an kahlen Felswanden gedeihen; als imBoden wurzelnde Pflanzen kommen sie in der Natur nicht vor.
Allmähliche Uebergange verbinden die terrestrischen und epiphytischenPflanzengemeinschaften des Urwalds; die Gattungen sindzum Theil dieselben, und manche Art des höchsten Niveau dringtin einigen Individuen in ein tieferes, wahrend ausgesprochen hygrophileEpiphyten sich in kümmerlichen Exemplaren auf dem Laubdachezeigen können. Die Vegetation des Gipfels und diejenigedes Stammes vermischen sich aber nicht, während letztere mancheArt mit dem Boden gemein hat. Das Ganze trägt das Geprägeeines allmählichen Strebens nach dem Lichte.
Ganz anders in den Savannenwäldern; hier ist von einem Austauschder im Boden bewurzelten Vegetation und derjenigen, diesich an der Oberfläche der Rinde befestigt hat, keine Rede. Nurauf der Oberfläche von Felsblöcken sieht man einen Theil der Artender Epiphytengenossenschaft. Die einseitige Anpassung an Lebensweiseauf harter Unterlage gestattet ihnen das Leben auf gewöhnlichemBoden entweder gar nicht mehr (Till. usneoides, circinalis, Aëranthusfunalis u. a. m.), oder sie sind doch nicht mehr im Stande, mitden an terrestrische Lebensweise angepassten Arten zu concurriren.[pg 120]Die einzigen sonst epiphytisch wachsenden Pflanzen, die man gelegentlich,in vereinzelten Exemplaren, als Bodenbewohner in der Savannetrifft, sind baumartige Arten, die im Urwalde auf anderen Bäumenwachsen, auf den Savannen aber wegen Mangels an hinreichenderatmosphärischer Feuchtigkeit von der epiphytischen Genossenschaftausgeschlossen bleiben (Clusia, Ficus).
Wir werden in diesem Kapitel sehen, warum die Savanneautochtone Epiphyten nicht erzeugte – ausser vielleicht solche Arten,die aus bereits epiphytischen Colonisten des Urwalds durch weitereAnpassung entstanden. Unserer Erklärung muss eine grössere Anzahlbeweiskräftiger Thatsachen vorausgeschickt werden. Wir wolleneinstweilen nur an der Thatsache festhalten,dass die epiphytischeFlora der Savannengebiete einer Einwanderungaus dem Urwalde ihren Ursprung verdankt.
4. Man stellt sich vielfach vor, dass das Vorkommen vonEpiphyten an grosse Hitze gebunden sei, obwohl der vermutheteräthselhafte Zusammenhang zwischen Lebensweise auf Bäumen undTemperatur, aus guten Gründen, nie den Gegenstand eines Erklärungsversuchsgebildet hat. Es wachsen allerdings sehr viele Epiphytenin den mächtigen Wäldern der Flussgebiete Süd-Amerikas, wo diegrosse Wärme starke Ausdünstung des Wassers bedingt, das die nächtlicheAbkühlung wieder als Thau niederschlägt20.Die reichsteEntwickelung der Epiphytengenossenschaft zeigtsich jedoch in der Regel an Bergabhängen, und zwarnicht bloss in den heissen tieferen Regionen, sondernauch in denjenigen mit temperirtem Klima. DieEpiphyten erreichen jedoch nicht oder nur in geringerAnzahl die Baumgrenze.
Es kann zwar eine bestimmte Region angegeben werden, inwelcher überall zwischen den Tropen und in benachbarten Gebieten[pg 121]die Epiphytengenossenschaft ihre reichlichste Entwickelungbesitzt, jedoch nicht eine bestimmte Höhe, welche dieselbe nichterreicht. Letztere ist vielmehr sehr wechselnd,da sie in ersterLinie von der Spannung der Luft, ihrer Sättigung mitWasserdampf, der Häufigkeit der Niederschläge abhängen– Verhältnisse, die auf Gebirgen, den Luftdruck ausgenommen,klimatischen und topographischen Einflüssen unterworfen sind.Am reichsten an Epiphyten ist überall die meist zwischen 1300 und1600 m gelegene Wolkenregion, in welcher die Luft beinahe stetsmit Wasserdampf vollkommen gesättigt ist21, reichliche Thaubildungund Regen die Wurzeln der Epiphyten und ihr Substrat stets feuchthalten.
Oberhalb der Wolkenregion nimmt die Menge der Epiphytenab, bald schneller, bald langsamer, aber keineswegs in Folge derAbnahme der Temperatur, sondern, wie es sich namentlich aus demVergleich der brasilianischen Gebirge mit dem Himalaya ergebenwird, weil die Luftfeuchtigkeit, relativ und absolut, mit der Höheabnimmt22.Vollkommene Sättigung der Luft mit Wasserdampfkommt zwar auch auf Berggipfeln manchmal vor; bei hellem Wettersinkt aber der Dampfdruck auf ein ganz geringes Maass herab.Zudem kommt der gleichsinnig wirkende Umstand ganz besonders inBetracht, dass bei gleichem Sättigungsgrad der Luft mit Wasserdampfund gleicher Temperatur die Verdunstung auf hohen Gebirgen, inFolge des geringeren Luftdrucks, eine weit grössere ist als in derEbene23In Folge dieser Verhältnisse sehen wir auf tropischen,sonst sehr feuchten Gebirgen, manchmal schon in Regionen, wo derFrost unbekannt ist, wie in der brasilianischen Serra de Mantiqueira,den Baumwuchs schwinden und die Stauden und Sträucher Schutzmittelgegen Transpiration erhalten, ganz ähnlich wie in den heissenSavannen der Ebenen.
[pg 122]Noch weit mehr als die Bodenpflanzen hängen die Epiphytenvon dem Sättigungsgrade der Luft an Wasserdampf und von derGrösse der Verdunstung ab, indem ihre Organe meist sämmtlichoberflächlich sind, ihr Substrat leicht eintrocknet und für seinenWasservorrath direkt von den atmosphärischen Niederschlägen abhängt.Es ist uns daher auch leicht begreiflich, dass die Epiphytensich auf Gebirgen weniger hoch erheben als andere Gewächse, unddass die obersten derselben in hohem Grade xerophilen Charaktertragen. So fandLiebmann auf den Bäumen des Coniferenwaldesbei der 10000′ hoch gelegenen Jacqueria del Jacal am Orizabanur graue Tillandsien, eine fleischige Echweria, eine ebenfalls sehrdickblätterige Peperomia und eine jener zungenblätterigen Polypodium-Arten,wie sie an trockenen Standorten so häufig sind. Dieerwähnten Pflanzen erhoben sich wenig höher, während die obereGrenze des Coniferenwaldes bei 11000′ liegt.
Im brasilianischen Küstengebirge stellen sich die Coniferenregion(Araucaria) und die baumlose Region (Campos elevatos) beiweit geringerer Höhe ein als auf den Anden, was, wieGrisebachangibt, darauf beruht, dass die steilen Gipfel dem Passatwindezu wenig Masse darbieten, um die für die volle Ueppigkeitdes Tropenwaldes erforderliche Intensität der Niederschläge zu erzeugen.Auf der Serra do Picú, zwischen den Provinzen Rio deJaneiro und Minas Geraes, fand ich die letzten Epiphyten, Peperomiareflexa und ein steriles Farn, im Laubwalde bei ca. 1600 m; derauf diesen Laubwald folgende Araucariengürtel und die knorrigenStämme einer Eugenia, die eine Art Krummholzregion über denAraucarien bildete, entbehrten der Epiphyten gänzlich; dagegenwuchsen auf der Savanne von ausgesprochen xerophilem Charakter,die den Gipfel einnahm (Campos elevatos), eine terrestrische Bromeliacee (Dyckia princeps) und ein Anthurium. Im Thale am Fussedes Gipfels fand ich zahlreiche epiphytische Bromeliaceen (Artenvon Vriesea, Nidularium, Aechmea) und Farne, dagegen nur eineinziges steriles Exemplar einer epiphytischen Orchidee.
[pg 123]Entsprechend der hohen Breite, stellt sich in der Serra Gerál vonSta. Catharina die temperirte Region noch weit tiefer ein als zwischenden Tropen. Bei 8–900 m werden jenseits des Hauptkamms, dereinen sehr grossen Theil der Feuchtigkeit zurückhält, nur noch dieCulturpflanzen temperirter Länder gezogen. Eine Excursion auf diesenGebirgen, von Joinville nach São Bento, ergab manche interessantenAufschlüsse über die Lebensbedingungen epiphytischer Gewächse. Biswir den nur ungefähr 1000 m hohen Kamm erreicht hatten, war derWald, wenn auch nicht überall hoch, doch meist dicht und reich anden meisten epiphytischen Pflanzen, die wir früher als in den WäldernSta. Catharinas vorkommend erwähnt haben, zu welchen einige andereArten hinzukamen. In den flachen Hochthälern, welche wir nachherdurchkreuzten, trugen die Wälder ein wesentlich anderes Gepräge.Theils waren es Laubwälder, in welchen die vorherrschenden BäumeMimosen, Vernonien, Croton, von geringerer Grösse auch Solanum-Artenwaren, manchmal von vereinzelten hohen Araucarien überragt; solcheWälder enthielten einige epiphytische Orchideen (Pleurothallideen,Epidendrum) von sehr geringen Dimensionen, Tillandsieen, kleineFarne, Peperomia reflexa, sämmtlich Pflanzen mit hoch entwickeltenSchutzvorrichtungen gegen Transpiration, wie wir sie sonst nur beiSonnenepiphyten finden, obwohl dieselben am Stamme im Schattenwuchsen. Streckenweise gingen wir durch Araucarienwälder, wo dieEpiphyten vollständig zu fehlen schienen, obwohl solche auch auf Araucarienvorkommen, wenn diese vereinzelt im dichten Laubwalde wachsen.In dem von dünnem Araucarienwalde und Savannen bedeckten Thale,wo das kleine Dorf Campo alegre liegt, hatte ich keine Epiphyten gesehen,bis ich zu einer von hohen Felsen umgebenen Schlucht kam,wo ein Wasserfall brauste. Ueber dem Wasser beugten sich kleineBäume, von deren Endzweigen mächtige Schweife von Tillandsia usneoideshingen, während ihre Stämme und dickeren Aeste von zahlreichenTillandsia-Rosetten, Peperomia reflexa, kleinen Orchideen undFarnen bedeckt war. Es war also offenbar nicht die zu niedrige Temperatur,welche das Fehlen der Epiphyten im Thal bedingte, sondernder Mangel an hinreichender Feuchtigkeit, obwohl das Klima vonCampo alegre nach europäischen Begriffen nicht gerade als trocken zubezeichnen wäre.
Eingehende Angaben über die Vertheilung der epiphytischen Orchideenauf der mexikanischen Cordillere verdanken wirRichard und[pg 124]Galeotti; es ist zu bedauern, dass nicht die anderen Epiphytengleichzeitig Berücksichtigung gefunden haben, da aus der Betrachtungeiner einzigen Familie Schlüsse auf die Existenzbedingungen der Formationen,in welchen sie auftritt, nur mit grosser Vorsicht entnommenwerden können.
Auf den der epiphytischen Orchideen beinahe ganz entbehrendenatlantischen Küstenstrich folgt mit eintretender Neigung eine feuchtere,noch heisse Region, in welcher die bewaldeten Schluchten viele epiphytischeOrchideen (bis 900 m) zeigten. Weit reicher an den letzterenist indessen die darauf folgende temperirte Region (tierra templada,900 oder 1000 bis 1800–2000 m); hier herrscht ewige Feuchtigkeitbei einer mittleren, noch wenig schwankenden Temperaturvon 18–19° C. Baumfarne sind in dieser Region massenhaftentwickelt. In gleicher Höhe sind die nach dem Centralplateaugerichteten wasserarmen Abhänge sehr arm anepiphytischen Orchideen. Solche treten dagegen nach der zumatlantischen Ocean gerichteten Abdachung noch in grosser Menge inder ebenfalls sehr feuchten kälteren Region (terra fria) auf. Sie nehmenjedoch allmählich nach oben ab und wenige erheben sich über 2800 m.Odontoglossum nebulosum und Cattleya citrina allein erheben sich bis3200 m, während terrestrische Formen bis gegen 3900 m hinaufgehen.
Eine ausserordentlich üppige epiphytische Vegetation bedecktdie feuchten südlichen Abhänge des östlichen Himalaya (vonNepaul bis Bhotan) und die Gebirge von Birma; dieselbe steigtbis nahe an die Baumgrenze und zeigt je nach der Höhe, bedeutendeUnterschiede. Die epiphytischen Orchideen sind, wie mirHerr Dr.Brandis mittheilte, zwischen 2000 und 5000 Fussam zahlreichsten; »dies ist auch in der Regel eine Zone sehrgrosser Feuchtigkeit«. Demselben Niveau scheint auch im östlichenHimalaya das Maximum der Entwickelung vieler anderer tropischerEpiphyten, wie Gesneraceen, Rubiaceen, Melastomaceen, Ficus, zuentsprechen24.Mehr oder weniger zahlreiche dieser tropischenTypen erheben sich jedoch weit höher; die oberste Grenze ist für[pg 125]die epiphytischen Orchideen bei 9400′ (Coelogyne Wallichii), fürdie epiphytischen Gesneraceen (Aeschynanthus maculata, bracteata)und die Rubiaceen (Hymenopogon parasiticus) ca. 8000′.
Ungefähr von 4000′ an treten im östlichen Himalaya, der inihrem Charakter noch vorwiegend tropischen Epiphytenformation,entsprechend der in der Bodenvegetation eintretenden Veränderung,Typen der nördlichen temperirten Zone bei, die mitder Höhe zunehmen und über 6000′ weit über die tropischenArten vorherrschen. Da wachsen als Epiphytenverschiedene Arten von Rhododendron (Rh. Dalhousiae, vaccinioides,pendulum etc.), von Vaccinium (V. retusum etc.), Hedera Helix, Vogelbeerbäume (Pyrus foliolosa u. P. rhamnoides), ein Ribes(R. glaciale), einEvonymus (E. echinatus) etc. Manche dieser Arten erreichen über 10000′.Die Epiphytengenossenschaft setzt sich demnach inder temperirten Region des Himalaya ausser ausEinwanderern der tropischen Region auch aus Pflanzentypender nördlichen temperirten Zone zusammen.Diese sind demnach ebenso gut im Stande, wietropische Pflanzen, epiphytische Lebensweise anzunehmen.
Ueber die klimatischen Bedingungen, unter welchen die epiphytischeVegetation in den hohen Regionen des östlichen Himalayagedeiht, kann ich, dank den freundlichen Mittheilungen vonHerrn Dr.Brandis, genauere Angaben machen, die für die Fragenach den Existenzbedingungen der Epiphyten überhaupt von Wichtigkeitsind. Dieselben beziehen sich aufDarjeeling, einen bei7421' = 2262 m über dem Meere gelegenen Luftkurorte in Sikkim(Bengalen), dessen Umgebung sehr reich an den verschiedenartigstenEpiphyten ist25.
[pg 126]Temperatur: Jahresmittel: 51°,8 F= 11° C., Juli: 60°,9 F. = 6° C., Januar: 39°,5 = 4°,1 C.
Regenfall: Jahresm.: 120″,33 = 310 cm; Mai–Oktober112″,06 =285 cm.
Mittlere relative Feuchtigkeit: Jahr: 84 %; Oktober–April:73–81 %; Mai–September: 95 %26.
Von HerrnGamble (vgl. Anm.) wurden bei Darjeeling 42 Artenepiphytischer Orchideen über 6000′ gesammelt, von welchen jedochdie grosse Mehrzahl sich nicht über 7000′ erhebt. Bolbophyllumreptans und Coelogyne humilis erreichen 8000′, Liparis paradoxaund Coelogyne Hookeriana 9000′. Die Epiphytengenossenschaft besitzteinen wesentlich temperirten Charakter und setzt sich aus denvorher für die temperirte Region angegebenen Arten zusammen,welche zum grössten Theile, vielleicht sämmtlich, auch als Bodenpflanzenvorkommen; ausgesprochene Anpassungen an epiphytischeLebensweise sind in der temperirten Region nicht eingetreten.
Die Nilgherries sind trotz ihres tropischen Klimas ärmer an epiphytischenOrchideen und, soweit ich es ausHooker'sFloraof B. I. undGenera plantarum entnehmen kann, auch an anderen Epiphytenals das östliche Himalaya und Birma. Die Sammlungen von HerrnGamble (Wellington 6200′; Jahresm. 61° F., Mai 65°,7,Januar55°,2, mittlerer Regenfall auf dem Plateau 45–103″ enthalten nurfünf über 6000′ gesammelte epiphytische Orchideen. Während dertrockenen Jahreszeit wird der Dampfgehalt der Luft wohl sehr geringsein.
Es geht aus dem Vorhergehenden mit Sicherheithervor, dass die epiphytische Lebensweise keineswegsan tropische Hitze gebunden ist, sondern daeintritt, wo der Dampfgehalt der Luft und die Regenmengegross genug sind, um terrestrischen Gewächsendas Gedeihen auf Bäumen zu gestatten.
[pg 127]5. Die Epiphyten sind in Amerika nicht strengauf die tropische Zone (incl. Süd-Brasilien)beschränkt.Mehrere Arten kommen vielmehr in den temperirtenZonen der nördlichen und namentlich der südlichenHemisphäre vor und bieten in der Art ihres Vorkommensmanches, das den Zusammenhang zwischen den Lebensbedingungenepiphytischer Gewächse und ihrer geographischen Verbreitung beleuchtet.
Die Nordgrenze des tropischen Urwalds ist auch diejenige einerreichen atmosphärischen Flora und fällt ungefähr mit dem Wendekreisezusammen. Der von dem tropischen durch ausgedehnte Savannengebieteund Wüsten getrennte nordamerikanische Wald weichtvon ersterem in seiner systematischen Zusammensetzung, in seinerbiologischen Physiognomie wesentlich ab, sogar in den subtropischensüdlichen Staaten, welche doch zahlreiche Pflanzen der tropischenZone aufgenommen haben. Im Gegensatz zu Europa fehlen jedochim nordamerikanischen Walde die Epiphyten nicht ganz und bietenfür die uns gegenwärtig beschäftigenden Fragen hervorragendesInteresse.
Ausgesprochene Anklänge an die Flora des benachbarten Westindienszeigen sich namentlich im warmen Süd-Florida, wo dieStrandvegetation noch wesentlich die gleiche ist, wie auf Cuba undden Bahamas; Hippomane Mancinella, Coccoloba uvifera wachsenim Sande, während die Lagunen von Mangroven umrahmt sind (Rhizophora,Laguncularia racem). Auch der Wald enthält manche tropischeBäume, wie Oreodoxa regia, Canella, Swietenia Mahagony,Zamia integrifolia, Eugenia-Arten, Burseraceen, Turneraceen, Chrysobalaneen,Büttneriaceen, Myrsineen etc. Kein Wunder, dass dieEinwanderung tropischer Bodenpflanzen von einer solchen epiphytischerGewächse begleitet gewesen ist. Die atmosphärische VegetationSüd-Floridas ist aber, im Vergleich zu derjenigen des doch ganzbenachbarten Westindien, sehr arm an Arten und namentlich anGattungen. Die daran theilnehmenden Familien sind nur die Farne,[pg 128]Bromeliaceen, Orchideen und Clusiaceen, letztere mit einer einzigenArt. Die auf den benachbarten westindischen Inseln in der atmosphärischenFlora so reichlich vertretenen Araceen, Piperaceen,Gesneraceen, Lycopodium etc. fehlen gänzlich.
Die epiphytische Vegetation Floridas und der südlichen VereinigtenStaaten überhaupt setzt sich, soweit ich sie mit Hülfeeigener Beobachtungen und der Angaben inChapman's Florazusammenstellen konnte, aus folgenden Arten zusammen:
Epiphyten der südlichen Vereinigten Staaten.
Clusiaceae.
Clusia flava. — (Trop. Am.)
Bromeliaceae.
Orchideae.
Filices.
Die atmosphärische Vegetation Floridas und derVereinigten Staaten überhaupt besteht demnach ausschliesslichaus Formen des tropischen Urwalds,speciell Westindiens.
Demjenigen, der die soeben aufgezählten Gewächse kennt, wirdes auffallen, dasses beinahe sämmtlich Arten sind, die,in hohem Grade mit Schutzmitteln gegen Trockenheitausgerüstet, zwischen den Wendekreisen nurauf den Gipfeln der Urwaldbäume und in Savannenvorkommen. Polypodium aureum bildet nur scheinbar eine Ausnahme,indem dasselbe in Florida, soweit meine Beobachtungenreichen, bloss in den persistirenden Basen der Blätter von SabalPalmetto als Epiphyt gedeiht, wo ihm eine reiche und feuchte Compostmasseals Substrat dient, welche ihm manchmal von Bodengewächsenstreitig gemacht wird; dasselbe gilt auch von dem seltenenOphioglossum palmatum.
Ganz besonders ausgeprägt sind die Schutzmittel gegen Transpirationbei den drei einzigen epiphytischen Gefässpflanzen, dieüber Floridas Grenzen nach Norden dringen, Epidendrum conopseum,Tillandsia usneoides und Polypodium incanum. Das Epidendrum,dessen Nordgrenze in Nord-Carolina liegt, ist eine jener derbblätterigenxerophilen Arten, wie wir sie in der Tropenzone nurauf den höchsten Baumästen des Urwalds oder in dünnen Savannengebüschentreffen. Tillandsia usneoides, die etwas nördlicher,nämlich bis zum 38.° in Virginien dringt, lässt sich kaum trocknen,und was Polypodium incanum betrifft, das von allen nordamerikanischenepiphytischen Gefässpflanzen die höchste Breite erreicht (Illinois),so ist es auch diejenige, die das höchste Maass von Trockenheit[pg 130]unbeschadet verträgt. Es wäre indessen ein grosser Irrthum, zuglauben, dass diese in so hohem Grade gegen Transpiration geschütztenPflanzen in den Vereinigten Staaten trockene Standorteaufsuchen; man findet sie meist an den feuchten Ufern der Flüsseund Seen.
Die Erscheinung, dass nur solche Epiphyten, diein besonders hohem Grade gegen die Gefahren derTrockenheit geschützt sind, die Gebiete tropischenRegens nach Norden überschreiten, ebenso wie dasFehlen nordamerikanischer Elemente in der epiphytischenFlora Nordamerikas lassen sich nurdurch den Mangel an hinreichender Feuchtigkeit imnordamerikanischen Waldgebiet erklären.
Man wird vielleicht einwenden, dass, da das Klima Nordamerikasfür das Gedeihen verschiedener tropischer Epiphyten nichtzu trocken ist, obwohl dieselben ihren Ursprung im feuchten tropischenUrwald genommen haben, dasselbe erst recht das Besteheneiner autochthonen epiphytischen Vegetation zulassen müsste. Vergegenwärtigtman sich jedoch, unter welchen Bedingungen die atmosphärischeVegetation des Tropenwalds sich entwickelt hat, so wirdman das Räthsel unschwer lösen. Die Epiphyten stammen vonterrestrischen Gewächsen ab, die dank der grossen Feuchtigkeitdes tropischen Urwalds auch auf der bemoosten Stammrinde gedeihenkonnten; auf solche Uebergangsstadien zum Epiphytismus,die noch vorkommen, habe ich früher mehrmals aufmerksam gemacht.Allmähliche Anpassung erlaubte einem Theil dieser Epiphyten,aus dem Schatten in das volle Licht zu treten, wo sie derTrockenheit der Luft entsprechende Schutzmittel erhielten; dadurchwurden sie aber in den Stand gesetzt, sich ausserhalb der Grenzendes tropischen Urwalds zu verbreiten, während die gegen Trockenheitweniger resistenten Formen des Schattens und Halbschattensan denselben gebunden blieben. Wir haben denn in der That gesehen,wie diese xerophil gewordenen Epiphyten die dünnen Wälder[pg 131]und einzeln stehenden Bäume der Savannengebiete colonisirt haben.Ihrer allgemeinen Verbreitung ausserhalb der tropischen Zone standdie Temperatur entgegen; ähnlich aber, wie manche tropischeBodenpflanzen, vermögen auch gewisse tropische Epiphyten niedereTemperaturgrade zu ertragen und sind dementsprechend mehr oderweniger in die extratropischen Gebiete eingedrungen. Diese Auswanderungist aber wegen der geringeren Feuchtigkeit der temperirtenZonen auf die xerophilen Epiphyten beschränkt geblieben.
In den nordamerikanischen Wäldern würden dieSchattenpflanzen des Bodens aus Mangel an Feuchtigkeitnicht auf der Baumrinde gedeihen können.
So steigt das so gemeine Polypodium vulgare in Nordamerika ebensowenigauf die Bäume, wie in Mittel- und Nord-Europa, währendes in den Wäldern gewisser sehr feuchter Gebiete, z. B. in Portugal,auf den canarischen Inseln, oft massenhaft die Stämme undAeste umhüllt. Der erste Schritt zu einem autochthonen Epiphytismuswar unmöglich – letzterer musste daher ganz ausbleiben,während für die xerophil gewordenen Epiphyten der Tropen dieFeuchtigkeit in Nordamerika gross genug war. So erklärt sich ineinfacher Weise die beim ersten Blicke so befremdende Erscheinung,dass die epiphytische Vegetation Nord-Amerikas ausschliesslich tropischenUrsprungs sei.
Ueber den Antheil, den die epiphytischen Gewächse an dem Charakterder Vegetation in den südlichen Vereinigten Staaten nehmen, istin den Floren nichts enthalten. Einige Beobachtungen darüber habe ichauf einer raschen Excursion, die ich im Anfang des Frühjahrs1881von Baltimore aus unternahm, anstellen können. Tillandsia usneoidessah ich von der Eisenbahn aus schon in Nord-Carolina, also wenigsüdlich von ihrer Nordgrenze. Von Süd-Carolina an war sie überaushäufig, und Bäume, wie der auf unsererTafel Iabgebildete, waren indiesem Staat sowohl als in Georgien und Florida sehr gewöhnliche Erscheinungen.Die Eichen (Q. virens) der Promenaden bei Jacksonvillein Nord-Florida sind sämmtlich von einem dichten grauen Tillandsia-Schleierumhüllt und gewähren einen der wunderbarsten Anblicke, die[pg 132]mir die Pflanzenwelt in Amerika geboten hat; auch auf den Waldbäumensind Tillandsiabärte eine gewöhnliche Erscheinung. Einereichere epiphytische Vegetation sah ich erst am oberen St. Johns, so beiPalatka und Enterprise im mittleren Ost-Florida, wo beschuppte Stämmevon Sabal Palmetto vielfach von den Wedeln des Polypodium aureumund den Rasen von Vittaria lineata geschmückt waren, während nacktePalmstämme Tillandsia recurvata, die Bäume im Walde grosse Rosettenvon Tillandsia bracteata (?) trugen und Polypodium incanumsich überall, besonders reichlich jedoch, wie überhaupt die Epiphyten,in der Nähe des Flusses und der Seen zeigte.
6. Die maassgebende Bedeutung der atmosphärischen Feuchtigkeitfür die Entwickelung und Verbreitung von Pflanzen epiphytischerLebensweise kommt im temperirten Südamerika noch weitdeutlicher zum Vorschein als in Nordamerika. Die Erscheinungensind in Argentinien einerseits, in Süd-Chile andererseits sehr ungleichartigund verlangen daher eine getrennte Behandlung.
Während die Wälder des temperirten Nordamerika von dentropisch-mexikanischen durch ein Steppengebiet getrennt sind, setztsich der brasilianische Urwald nach Süden an den östlichen Abhängender Anden und der Küstengebirge (Serra Gerál), sowielängs der Ufer des Paraná und Paraguay bis weit über den Wendekreishinaus fort und verliert nur ganz allmählich seinen tropischenCharakter. Letzterer ist in den Küstenwäldern Süd-Brasiliens nochunverändert, und diese sind sehr reich an Epiphyten, während indem schmalen Streifen dichten Urwalds, der auf gleicher Breite undin gleicher Richtung längs der Anden zieht, und noch mehr in denebenfalls dichten Galleriewäldern der Ufer des Paraná und Uruguaydie atmosphärische Vegetation schon formenarm ist. Die Savannenwälderund Gebüsche des inneren und südlichen Argentiniens (GranChacó, Monte und Pampas) sind noch weit ärmer an Epiphytenals die ihnen entsprechenden Catingas und Carrascos des innerenBrasiliens und die ähnlichen Bildungen der Llanos Venezuelas undGuianas. Die Gebüsche des östlichen Patagoniens enthalten nurnoch einige, wenige Tillandsia-Arten.
[pg 133]Während die Floren und Reiseberichte über das tropischeAmerika die Standortsverhältnisse der Pflanzen meist arg vernachlässigen,sind dieselben in den für die Pflanzengeographie Südamerikashöchst werthvollen ArbeitenLorentz' undHieronymus'sorgfältig erwähnt, sodass ich auf Grund der letzteren und derjenigeneiniger anderer Autoren (Grisebach,Niederlein,Baker) folgendes Verzeichniss der Epiphyten Argentiniens aufstellen konnte, das, wenn auch gewiss nicht ganz vollständig, vondem Charakter der dortigen atmosphärischen Vegetation doch einhinreichendes Bild geben wird. Der Uebersichtlichkeit halber sinddie Arten, die wohl in den subtropischen Wäldern der Anden undFlussufer, aber nicht in den Savannen vorkommen, mit einem # versehen.
Epiphyten Argentiniens.
Abkürzungen: E. = Entrerios, C. = Cordoba und Santiago delEstero, Ct. = Catamarca, T. = Tucuman, S. = Salta, J. = Jujuy, O. = Orannebst Tarijá, Corr. = Corrientes u. Missiones, Men. = Mendoza,B.-A. = Buenos Ayres. † Pflanzen, von welchen ich nur aus Analogievermuthe, dass sie epiphytisch wachsen.
Cactaceae.
Araliaceae.
#Nicht näher bez. Art. (Niederlein.) — Corr.
Piperaceae.
Araceae.
Bromeliaceae.
Orchideae.
Filices.
Die vorhergehende Liste ist in mancher Hinsicht sehr lehrreich.Zunächst fallt es auf, dass die beiden am weitesten in dienördliche Zone eindringenden Epiphyten, Till. usneoides und Polypodiumincanum, auch in Argentinien zu denjenigen gehören, diesich am weitesten vom Wendekreis entfernen. Hierin werden dieselbenjedoch noch von Tillandsia recurvata, die auch in Floridavorkommt, und einigen endemisch argentinischen Arten aus derVerwandtschaft der letzteren übertroffen; es ist bekannt, dassPflanzentypen an der Grenze ihres Verbreitungsbezirks sehr grosseNeigung zum Ausarten und Variiren besitzen, und diesem Umstandscheint der reiche argentinische Formenkreis von Till. recurvata(Untergatt. Diaphoranthema) seinen Ursprung zu verdanken. Diebeiden einzigen Epiphyten, die in die patagonische Region übertreten,sind Till. bryoides und Till. Nappii, beide auch in ganzArgentinien verbreitet, letztere jedoch in Patagonien eine besondereVarietät, DarwiniiLor. et Niederl., bildend. Wie die genanntenTillandsia-Arten, sind auch die übrigen argentinischen Epiphytenentweder mit tropischen Arten identisch oder mit solchen nahe verwandt;nicht tropische Elemente sind unter denselben nicht vertreten.
Die atmosphärische Vegetation Argentiniens bestehtdemnach, ähnlich wie die nordamerikanische,ausschliesslich aus tropischen Einwanderern, die[pg 136]zum grösseren Theil unverändert blieben, zum kleineren sich vomursprünglichen Typus etwas entfernten.
Die atmosphärische Vegetation Argentiniens zeigt noch darineine andere bedeutsame Analogie mit derjenigen der VereinigtenStaaten, dassdie dieselbe zusammensetzenden Artenbeinahe sämmtlich solche sind, die ausgeprägteSchutzmittel gegen Transpiration besitzen und im tropischenUrwald nur auf den höchsten Baumgipfeln gedeihen, währendsie in den doch dichten Urwäldern der argentinischen ProvinzTucuman auf den Stämmen und dicken Aesten der Bäume wachsen.Tillandsia recurvata, die mit ihren Verwandten die ärmliche atmosphärischeFlora der argentinischen Savannenwälder wesentlich bildet,gedeiht in den tropischen Savannen an den trockensten, sonnigstenStandorten, wo andere Tillandsien gar nicht mehr vorkommen, undAehnliches gilt von den diese Tillandsien begleitenden kleinen Polypodium-Arten. Die an grössere Feuchtigkeit gebundenen Epiphytendes tropisch-amerikanischen Urwalds, wie dünnblätterige Orchideenmit und ohne Scheinknollen, grüne Bromeliaceen, Gesneriaceen,grössere oder zartere Fame, epiphytische Holzpflanzen, gehen derargentinischen atmosphärischen Vegetation, ähnlich wie dernord-amerikanischen, beinahe gänzlich ab; die einzigen hierher gehörigenArten sind die wenigen Peperomien, mit Ausschluss derreflexa, Trichomanes sinuosum und Vriesea rubra, sämmtlich Bewohnerder feuchten, dichten, subtropischen Wälder am Fusse derAnden.
Die grosse Analogie, z. Thl. Uebereinstimmungder atmosphärischen Flora in den südlichen VereinigtenStaaten und Argentinien hängt mit derklimatischen Analogie dieser Länder zusammen.Mangel an hinreichender Feuchtigkeit hinderte inbeiden Ländern das Uebergehen der Schattenpflanzendes Waldbodens auf die Baumstämme und hiermitdie Entstehung einer autochthonen epiphytischen[pg 137]Vegetation, aber nicht das Eindringen tropischerEpiphyten, die im heimathlichen Urwald, auf ihremWege aus der feuchten Tiefe nach der sonnigen Oberflächedes Laubdaches, die nöthigen Anpassungenallmählich erworben hatten.
Die Arbeiten vonLorentz undHieronymusenthalten zahlreicheAngaben über die atmosphärische Vegetation der verschiedenstenGebiete Argentiniens, die uns theils die Physiognomie derselben anihrer süd-östlichen Grenze vor Augen bringen, theils für die Anschauungen,welche wir uns über die Lebensbedingungen derselben gebildethaben, neue Belege bringen und daher an dieser Stelle nähereBerücksichtigung finden sollen.
Den grössten Reichthum an Arten und Individuen zeigt die epiphytischeGenossenschaft in den subtropischen Wäldern des Nord-Westens(23–28° S. B.), »diese Region ist bedingt durchdie hohen Felsenstirnender Cordilleren und ihrer Ausläufer (zu denen auch derAconquija-Stock gehört), welche sich dem mit Dünsten beladenen, vomAtlantischen Ocean kommenden Winde entgegenstemmen und ihm seineFeuchtigkeit entziehen.« (Lorentz 1, p. 39.)Der subtropischeHochwald »bekleidet den unteren Theil der Berghänge; … auf ihnfolgt nach oben, jedoch nicht überall, die Pino-Region (Podocarpusangustifolia), auf diese die Aliso-Region (Alnus ferruginea var. Aliso);darauf die Queñoa-Region (Polylepis racemosa), endlich die alpine Region(Wiesen).« Diese Regionen sind nicht streng parallel, sondernzeigen mancherlei Unregelmässigkeiten, auf welche hier nicht eingegangenzu werden braucht.
Der subtropische Hochwald besteht aus sehr ungleich hohen, zumTheil mächtigen Bäumen, deren Zwischenräume von Lianen und ziemlichdichtem Unterholz eingenommen sind, während Farne oder, anhelleren Stellen, Gräser und verschiedene Kräuter den Boden überziehen.Die Elemente des Waldes zeigen noch viele Anklänge anBrasilien (Nectandra, Eugenia, Tecoma, Cedrela brasiliensis var. australis,Croton, Acalypha, Boehmeria, Abutilon, Malpighiaceen, Sapindaceen,Passifloren etc.); von den auffallenderen Bestandtheilen des brasilianischenKüstenwalds gleicher Breite fehlen z. B. die Palmen, Cecropien,Feigenbäume, Baumfarne, epiphytische und kletternde Araceen etc.(Näheres über diese Wälder namentlich beiHieronymus 2.) An[pg 138]den Stämmen sieht man in grosser Menge gelb blühende Oncidium-Arten(O. Botemanni, viperinum), stattliche Bromeliaceen (Chevalieragrandiceps, Vriesea rubra) neben kleinen Tillandsien, wie T. recurvata,Rhipsalis-Arten (namentlich R. sarmentacea), einige Peperomien(namentlich P. polystachya und P. reflexa) und sehr verschiedene,beinahe sämmtlich zu Polypodium gehörende Farne (P. areolatum, incanum,macrocarpum, Phyllitidis, lycopodioides, Asplenium furcatum),neben einer Fülle von Moosen, Flechten etc.; von den Zweigspitzen hängtTill. usneoides. Die anderen für die subtropischen Wälder angegebenenEpiphyten sind weit weniger verbreitet.
In der Pino- und namentlich der Aliso-Region (3500–7000′)sind die epiphytischen Bromeliaceen und Farne weniger mannigfach,die Orchideen seltener geworden, die Rhipsalis verschwunden; von denPeperomien ist nur P. reflexa verblieben, diejenige Art, die wir auchauf der Serra de Picú in Brasilien am höchsten trafen und die, wieihr häufiges Vorkommen in Savannen zeigt, neben niederer Temperaturauch Trockenheit gut verträgt. Tillandsia usneoides ist in dieser Regionhäufiger als in der subtropischen.
Auf den zu lockeren Gebüschen vereinigten oder einzeln stehendenQueñoa-Bäumchen, die in der nach ihnen genannten Region den Baumwuchsallein noch darstellen, wächst die Tillandsia usneoides weitreichlicher als in den tieferen Regionen, während die übrigen Epiphytenbeinahe ganz fehlen.
Der subtropische Uferwald am Uruguay und Paraná, der, längsder Nebenflüsse des letzteren sich fortsetzend, mit dem Andenwald zusammenhängt, setzt sich zum grossen Theil aus den gleichen Elementenwie dieser zusammen. Die Epiphyten sind jedoch, wenigstens in dersüdlichen Provinz Entre-Rios, spärlicher als im Andenwald und enthaltennur ein charakteristisches, dem letzteren fehlendes Element,Oncidium bifolium; im Uebrigen finden wir in demselben nur xerophileTillandsien (T. dianthoides, ixina, unca, usneoides) und kleinePolypodien (P. incanum, vaccinifolium). Der ganze Charakter deratmosphärischen Vegetation deutet auf grössere Trockenheit als imAndenwald.
In den weniger dichten Wäldern der Gran Chaco-, Monte- undPampas-Region ist die epiphytische Vegetation noch mehr ausgesprochenxerophil und auf einige graue Tillandsien aus den UntergattungenAnoplophytum und Diaphoranthema, sowie kleine Polypodium-Arten[pg 139](P. macrocarpum, vaccinifolium), ein Cereus (C. Donkelairii),sämmtlich Arten, die ein sehr hohes Maass von Trockenheit vertragen, reducirt.Till. recurvata kommt in einer Zwergform auf den Cacteenheckenbei Buenos-Ayres vor (Baker 1, p. 239).
7. Dem tropisch-amerikanischen Urwalde entspricht vollkommen,in Bezug auf die Ueppigkeit und Reichhaltigkeit seiner Epiphyten,der indisch-malayische; auch in diesem finden wir solche Gewächsenur da reichlich vorhanden, wo ihnen grosse Feuchtigkeit zur Verfügungsteht, und diejenigen Formen, die auf Savannenbäumen vorkommen,dürften, ähnlich wie in Amerika, als Flüchtlinge aus demUrwald zu betrachten sein. Es liegt nicht in meiner Absicht, einengenauen Vergleich zwischen den Epiphyten der westlichen und deröstlichen Hälfte des Tropengürtels auszuführen; abgesehen davon,dass derselbe dem schon Gesagten wahrscheinlich nichts sehr Wesentlicheshinzufügen würde, fehlt es mir für einen solchen Vergleichan eigenen Beobachtungen. Von Interesse ist es dagegen, und aufGrund der vorliegenden Litteratur durchführbar, zu untersuchen,inwiefern die extratropischen Wälder der östlichen Hemisphäre,ähnlich wie die der westlichen, Colonisten aus der indo-malayischenEpiphytenformation erhalten haben. Die südlichen atlantischenStaaten Nordamerikas, namentlich Louisiana, Alabama undFlorida, haben ein klimatisches Aequivalent in den südlichenInseln Japans, die, ungefähr auf derselben Breite wie jene gelegen,ihnen auch in Bezug auf Temperatur und Feuchtigkeitvollständig vergleichbar sind27, während Mittel- und Nordjapanfeuchter sind als die atlantischen Staaten gleicher Breite.[pg 140]Die epiphytische Genossenschaft im südlichen undmittleren Japan – im Norden scheint sie zu fehlen –istderjenigen des genannten amerikanischen Gebiets ebenfalls durchaus vergleichbar, indem sie sehr arm istund sich beinahe ausschliesslich aus Einwanderernaus dem indo-malayischen Gebiete zusammensetzt.Ihre Bestandtheile sind einige wenig häufige Orchideen (Malaxisjaponica, Dendrobium moniliferum, Luisia teres, Sarcochilusjaponicus), die entweder im indo-malayischen Gebiet vorkommenoder dochzu Gattungen des letzteren gehören, und ziemlich zahlreiche, theilweise sehr häufige Farngewächse (Polypodium-Arten,Vittaria lineata, Davallia bullata, Asplenium Nidus, Hymenophylleen,Psilotum triquetrum, Lycopodium Sieboldii).
Bemerkenswerth ist, dass die epiphytische Genossenschaft Japanszwei Arten mit Florida gemeinsam hat, Vittaria lineata (auf Kiusiu) undPsilotum triquetrum; beide Arten sind übrigens tropische Ubiquitären.
Das Verhalten der Epiphyten im extratropischen Australien istdemjenigen derselben in Argentinien vergleichbar. Die tropischenUrwälder von Nord-Australien und Queensland, die vonDrudezum indischen Florenreich gerechnet werden, sind offenbar in Folgeihres weniger gleichmässig feuchten Klima etwas armer an Epiphytenals die benachbarten malayischen Inseln. Im extratropischenAustralien bleibt die epiphytische Genossenschaft streng an die feuchtereOstküste gebunden; sie ist in N.-S.-Wales noch ziemlich artenreich,obwohl nur aus Orchideen und Farnen zusammengesetzt, fehlt dagegenim trockenen West-Australien gänzlich. Ihre Bestandtheilesind ausschliesslich indo-malayisch, mit Ausnahme einiger wenigenantarktischen Farne.
Während die Süd-Staaten Nordamerikas und Argentiniens keineautochthonen, sondern nur tropische, epiphytische Gefässpflanzenenthalten, kommen in Australien und in Japan ein paar Farne vor,die an Ort und Stelle die epiphytische Lebensweise angenommenhaben; es sind überhaupt die Farne, die sich unter allen Gefässpflanzen[pg 141]der letzteren am leichtesten anbequemen.Bei weitemder Hauptsache nach besteht aber die epiphytischeGenossenschaft im extratropischen Australien undin Japan, wie im extratropischen Amerika, aus tropischenColonisten; auch hier war das Klima feucht genugfür Pflanzenformen, die sich bereits an epiphytische Lebensweiseangepasst hatten, aber nicht hinreichend feucht, um, abgesehen vonwenigen Farnen, den autochthonen Elementen der Flora den Uebergangdes Bodens auf die Baumäste zu gestatten.
8. Nach den Ergebnissen, zu welchen wir in Bezug auf dastemperirte Nord-Amerika und Argentinien gelangt sind, könnte mangeneigt sein, anzunehmen, dass das extratropische Amerika seineepiphytische Vegetation, mit Ausnahme der Moose und Flechten,ausschliesslich aus dem tropischen erhalten habe. Die Sache verhältsich jedoch anders.Neben dem tropischen gibt es inAmerika einen zweiten, weit kleineren Bildungsherdepiphytischer Gewächse, das antarktische Waldgebiet,»wo die Niederschläge so massenhaft fallen und die Tagedes Regens und umwölkten Himmels so häufig auftreten, wie esausserhalb der Tropenzone sonst nur an wenig vereinzelten Ortenvorkommt«28.Die Küste ist von ca. 30° S. B. bis zur äusserstenSpitze von Fuegia von dichten Wäldern bedeckt, die in ihrem nördlichenTheil noch aus einem sehr verschiedenartigen Baumschlagbestehen, während nach Süden Buchen (F. antarctica und F. betuloides) sie beinahe allein zusammensetzen. Diese Wälder enthalteneine sehr üppige und, wenn auch nicht formenreiche, so doch sehreigenartige, von derjenigen des tropischen Amerika durchaus abweichendeepiphytische Vegetation29.
[pg 142]Ich habe versucht, die Epiphyten des antarktischen Waldgebietsnach der Litteratur zusammenzustellen. Die Liste ist, trotz meinerBemühungen, jedenfalls, namentlich was die Farne betrifft, unvollständig geblieben.
Epiphyten des antarktischen Waldgebiets,speciell Süd-Chiles.
Die mit einem # versehenen Arten sind inHooker'sFlora antarctica enthalten und gehen somit am weitesten südlich.
Filices.
Liliaceae.
Bromeliaceae.
Rhodostachys bicolor. (Südl. Grenze 42° n.Ochsenius.)
Piperaceae.
Peperomia australia.
Gesneraceae.
Cornaceae.
?Griselinia sp.
[pg 143]Der merkwürdigste Bestandtheil der EpiphytengenossenschaftSüd-Chiles ist die einer ganz antarktischen Smilaceengruppe gehörendeGattung Luzuriaga, von welcher die eine Art einenstrauchigen, die andere einen kletternden Epiphyten darstellt.
Wenn es sich bestätigt, dass die Gattung Griselinia in Süd-Chileepiphytisch wächst, was, nachBall, wahrscheinlich ist, so würdedieselbe ebenfalls zu den eigenartigsten Gliedern der Genossenschaftzu rechnen sein, da die Familie der Cornaceen, soweit meine Erfahrungenreichen, sonst nur terrestrische Pflanzen enthält.
Dass das antarktische Waldgebiet eine von derjenigen des tropischenAmerika wesentlich abweichend zusammengesetzte Epiphytengenossenschaftbesitzt, kann uns bei seiner niederen Temperaturund seiner Trennung vom tropischen Waldgebiete durch ausgedehnteLänder, welche, wegen Mangels an Feuchtigkeit, der Durchwanderungtropischer Typen grosse Schwierigkeiten entgegensetzen, nicht wundern.Die Flora des antarktischen Waldgebiets besitzt, in Folgedieser Umstände, überhaupt mehr den Charakter einer Inselfloraals denjenigen des Theils eines Continents.
Bei der grossen Verbreitungsfähigkeit der Epiphytengenossenschaftkönnte man vielleicht denken, dass letztere im antarktischenAmerika doch nicht autochthon sei, sondern sich aus Emigranten desöstlichen Theils der Tropenzone recrutirt habe, und zwar durch Vermittelungder temperirten Süd-Seegebiete, die in ihrer Vegetationso viel Aehnlichkeit mit dem antarktischen Waldgebiet besitzen,dassEngler letzteres mit Neu-Seeland, Süd-Australien, Tasmanien,den antarktischen Inselgruppen und dem Cap der guten Hoffnung inein Florenreich, das altoceanische, vereinigt.
Diese verschiedenen Gebiete des altoceanischen Florenreichsenthalten theilweise allerdings einige Epiphyten, die tropischen Gattungen,theilweise sogar Arten der östlichen Hemisphäre angehören.Solche gerontogäische tropische Elemente fehlenhingegen im antarktischen Waldgebiet, mit Ausnahmeeiniger Hymenophyllen, gänzlich; die epiphytische[pg 144]Vegetation des letzteren ist wesentlicheine autochthone.
Der antarktische Wald ist übrigens nicht das einzige extratropischeGebiet, wo die einheimischen Gewächse sich der Lebensweise aufBäumen anbequemten. Das auf derselben Breite gelegene und klimatischmit Süd-Chile sehr ähnliche Neu-Seeland hat vielmehrebenfalls, ausser einigen tropischen Einwanderern, eine Anzahlautochthoner Epiphyten aufzuweisen.
Epiphyten Neu-Seelands.
Lycopodiaceae.
Filices.
Liliaceae.
Orchideae.
Piperaceae.
Peperomia Urvilleana.
Die epiphytische Genossenschaft ist in Neu-Seeland reicher antropischen Typen als in Süd-Chile, und unter denselben befindetsich Psilotum, das im tropischen und subtropischen Amerika, wieauch in den feucht-warmen Gebieten der alten Welt weit verbreitet,das antarktische Waldgebiet nicht erreicht. Der eigenartigste Bestandtheilder Epiphytengenossenschaft Neu- Seelands und, nebenFarnen, der gewöhnlichste ist, ähnlich wie in Süd-Chile, eine ziemlichformenreiche Liliacee, Astelia, die sich in ihrer Lebensweise an dieBromeliaceen anzuschliessen scheint.
Die Uebereinstimmung zwischen der Zusammensetzung derEpiphytengenossenschaft in Neu-Seeland und Süd-Chile ist geringer,als man sie bei der scheinbar grossen klimatischen Aehnlichkeit beiderGebiete erwartet haben dürfte; sie beschränkt sich auf drei Farne,Hymenophyllum rarum, H. aeruginosum und Polypodium australe,die in der südlichen temperirten Zone überhaupt, das erstere auchauf Ceylon etc., sehr verbreitet sind. Die Ursache davon scheintjedoch eher in klimatischen Einflüssen als in dem Mangel an Verbreitungsmittelnzu liegen, indem jedes der Gebiete den eigenartigstender Typen, aus welchen die epiphytische Genossenschaftdes anderen sich recrutirt hat, besitzt. Eine nicht epiphytischeAstelia wächst nämlich an der Magellanstrasse, während eine (epiphytische?)[pg 146]Luzuriaga neuerdings, als grosse Seltenheit, auf Neu-Seelandgefunden worden ist.
Süd-Chile und Neu-Seeland besitzen nur wenige epiphytischeArten, die Wälder beider Gebiete stehen in dieser Hinsicht weithinter denjenigen des tropischen Amerika und des indo-malayischenFlorenreichs zurück. Die Ursache dieser Armuth ist nicht schwerzu errathen. Süd-Chile und Neu-Seeland besitzen überhaupt einewenig formenreiche Flora und konnten daher nur wenige autochthoneepiphytische Arten erzeugen, indem die Fähigkeit, die terrestrischeLebensweise gegen die epiphytische zu vertauschen, wie wir es gesehen,eine Constellation von Eigenschaften voraussetzt, die sichnur bei relativ wenigen Pflanzen befindet. Andererseits standender Einwanderung von Epiphyten aus den Tropen, dem Austauschzwischen Neu-Seeland und Süd-Chile klimatische und topographischeHindernisse entgegen, welche die Bereicherung auf solchem Wegesehr einschränkten. Ganz anders in den tropischen Waldgebietender neuen und der alten Welt. Hier auch müssen wir annehmen,dass eine neue Form, welche die zur epiphytischen Lebensweisenöthigen Eigenschaften vereinigte, relativ nur selten entstand; warsie aber einmal gebildet, so trugen Wind und Vögel ihre Samenin kurzer Zeit von einem Ende des Waldes zum anderen, wo beider Gleichmässigkeit der klimatischen Bedingungen der Kampfgegen die Mitbewerber allein über ihr Fortbestehen entschied. Beider ungeheuren Ausdehnung der tropischen Wälder, dem Formenreichthumihrer Flora musste die epiphytische Genossenschaft einereichere werden als in den kleinen, abgeschlossenen Gebietender australen temperirten Zone; der Endemismus musste sich inderselben aber noch weit schwächer erhalten als in der Bodenvegetation.
Das wesentlichste allgemeine Resultat, zu welchem uns die Betrachtungder epiphytischen Flora im antarktischen Amerika und inNeu-Seeland führt, ist, dass, ähnlich wie in den hohen Regionentropischer Gebirge,auch in hohen Breiten autochthone[pg 147]Pflanzenformen die epiphytische Lebensweiseannehmen, wenn die atmosphärische Feuchtigkeithinreichend gross ist.
9. Dass Feuchtigkeit der maassgebende Factor für das Auftretenatmosphärischer Gewächse ist, ergibt sich überall in deutlichsterWeise aus den vorhandenen meteorologischen Angaben.Hann's meteorologischer Atlas enthält eine allerdings nur provisorische und noch unvollkommene Karte der jährlichen Regenmengeauf der ganzen Erde und eine solche der zeitlichen Regenvertheilung.Die Betrachtung Amerikas auf diesen Karten zeigt uns, dass dieGebiete, deren jährliche Regenmenge 200 cm übertrifft, alleinautochthone Epiphyten aufzuweisen haben. Diesen Bedingungenentsprechen nämlich, zwischen den Wendekreisen, die OstküsteCentralamerikas, die Ostseite der grossen Antillen, die kleinen Antillen,das Orinoco-Delta, ein Theil Guianas, die brasilianische Küste.Eine nur scheinbare Ausnahme bildet die Hylaea, die nach derKarte 130–200 cm Regen erhalten soll. Einmal ist die Regenmengeam oberen Amazonas weit grösser (z. B. 284 cm in Iquitos30,dann tritt in den Galleriewäldern, wie an den Ufern aller grossenFlüsse, reichlich Nebel- und Thaubildung auf. »Diese Nebel tränkendie Pflanzen in der trockenen Zeit und gestatten für die Flussufereine abweichende und üppige Vegetation« (Hann). Wie grossdie Thaubildung auf dem Amazonenstrom ist, geht u. a. aus folgenderStelle beiPoeppig31 hervor: »Kühl ist dann (d. h. amMorgen) die Luft, und das Blätterdach des schwimmenden Hausesträuft von dem Thaue der nächtlichen Fahrt, als sei soeben einheftiger Platzregen gefallen.«
Ausserhalb der Wendekreise haben in Amerika nur wenigeGebiete sehr beschränkter Ausdehnung über 200 cm Regen; es sind[pg 148]in Süd-Amerika die extratropische süd-brasilianische Küste (S. Paulobis S. Catharina) und die Westküste Chiles und Feuerlands32, Gebiete,deren Reichthum an Epiphyten hervorgehoben wurde. Imextratropischen Nord-Amerika gehört zu diesen feuchtesten Gebietennur die dicht bewaldete nordwestliche Küste, ungefähr vom 46.° bis60.° N. B. Ueber das Vorkommen oder Fehlen von Epiphyten indiesen Wäldern ist mir nichts bekannt; dasselbe dürfte aber, daletztere aus Nadelhölzern bestehen, die wenig transpiriren und dieatmosphärischen Dünste leicht durchlassen, unwahrscheinlich sein.
Die ausgedehntesten Gebiete grosser atmosphärischer Feuchtigkeitbefinden sich in der östlichen Hemisphäre wiederum zwischenden Wendekreisen, und zwar vorwiegend im nordöstlichen Indien(Sikkim etc.), auf der Malayischen Halbinsel, dem Malayischen Archipel,den Philippinen und Süd-China. In Afrika sind die Gebiete,wo die jährliche Regenmenge 200 ccm übersteigt, von vielgeringerer Ausdehnung; daraus dürfte sich zur Genüge die vielfachangestaunte Armuth der Epiphytengenossenschaft in Afrikaerklären.
Ausserhalb der Tropen besitzt auf der östlichenHemisphäre Neu-Seeland, nach derHann'schen Karte,allein über 200 cm jährlichen Regens, sodass dieseHauptbedingung für die Entstehung autochthoner Epiphyten ähnlicherfüllt war wie in den tropischen Waldgebieten und in Süd-Chile.
Neu-Seeland und Süd-Chile sind denn auch die einzigen extratropischenGebiete, die autochthone phanerogamische Epiphyten aufzuweisenhaben. In feuchteren Gebirgsgegenden der temperirtenGebiete sieht man zuweilen die Farne des Bodens auch auf denBäumen wachsen, so an der atlantischen Küste Europas Davalliacanariensis, Asplenium Hemionitis und das in den feuchten Gebietender ganzen Welt verbreitete Hymenophyllum tunbridgense.
[pg 149]In den feuchten Anlagen von Cintra bei Lissabon habe ich Polypodiumvulgare auf vielen Bäumen gesehen, und die gleiche Farnart,allerdings in einer etwas abweichenden Varietät (var. Teneriffae)bildet mit Davallia canariensis und Asplenium Hemionitis eine ziemlichüppige atmosphärische Vegetation in den feuchten Wäldern derNebelregion auf Teneriffa (Christ); die Davallia ist auch sonst aufder Insel verbreitet und steigt, »ob Matanzas an der vom Windbestrichenen feuchten N.O.-Seite der Palmenstämme bis in derenWipfel empor« (Christ, p. 473). Einige Farne bilden auch, wiewir es früher gesehen, die einzigen autochthonen Bestandtheile dersonst aus tropischen Einwanderern bestehenden epiphytischen GenossenschaftJapans. Die Farne sind demnach weit eher im Standeals die Phanerogamen, schon bei relativ geringer Feuchtigkeit epiphytischeLebensweise anzunehmen, und nähern sich in dieser Hinsichtden noch weit mehr genügsamen Moosen.
In den Gebieten mit geringerer Regenmenge finden wir autochthoneEpiphyten nicht, wohl aber stellenweise xerophile Auswandereraus den feuchten Gebieten, z. B. in den Llanos Venezuelas, denCampos und Catingas Brasiliens zwischen den Wendekreisen; in densüdlichen Staaten Nord-Amerikas und in Argentinien ausserhalbderselben. Das Fehlen der Epiphyten ist unzweifelhaft auf die geringeMenge und ungleichmässige Vertheilung der Niederschlägewährend der Vegetationsperiode zurückzuführen.
Gänzlich fehlen die epiphytischen Gefasspflanzen in den Gebieten,deren Temperatur das Gedeihen tropischer Einwanderernicht mehr erlaubt und deren Feuchtigkeitsverhältnisse diesen Uebergangterrestrischer Gewächse auf die Baumrinde nicht gestatten,wie in Nord-Amerika nördlich vom 38.°, oder wo bei anscheinendgünstigen klimatischen Bedingungen, die das Gedeihen xerophilerColonisten der tropischen epiphytischen Floren ermöglichen würden,einer Einwanderung solcher unüberwindliche Hindernisse entgegenstehen,wie in den Mediterranländern, die durch beinahe baumlose,für jede atmosphärische Vegetation viel zu trockene Steppen und[pg 150]Wüsten von den tropischen Waldgebieten getrennt sind. Wir habengesehen, dass die in und bei der Stadt Algier gepflanzten Dattelbäumein den Basen ihrer abgestorbenen Blätter, wo sich reichlichErde ansammelt, vielfach eine üppige Vegetation ernähren; auchfür diese niederste Stufe des Epiphytismus ist in den Oasen derSahara die Regenmenge zu gering; ich habe auf den zahllosenDattelbäumen der Oasen von Biskra (jährliche Regenmenge 3 cm)nie eine Pflanze wachsen sehen, obwohl der Wind unzweifelhaft,neben Staub, die Samen der an hohe Trockenheit angepasstenPflanzen der Wüste oft genug in die Basen der abgestorbenenBlätter bringt.
Nicht bloss die Regenmenge, sondern der derselbenproportionale Wasserdampf der Luft undder Thau sind als maassgebende Factoren für dieepiphytische Vegetation zu betrachten, wie daraushervorgeht, dass in den Savannengebieten die die Flüsse einfassendenGalleriewälder eine viel üppigere und formenreichere epiphytischeVegetation ernähren, als der benachbarte dünne Savannenwald.Autochthone Epiphyten finden wir nur in Gebieten,in welchen während der feuchten Jahreszeit die Lüft stets nahezumit Wasserdampf gesättigt und wo in der trockenen die Thaubildungnoch reichlich ist, wie ich aus dem Vorkommen vonWasser in den Blatttrichtern der Bromeliaceen während dertrockenen Jahreszeit in Venezuela und Trinidad constatiren konnte.
Dass hygrophile und überhaupt autochthone Epiphyten in Gebietenmit mehrmonatlicher, nahezu regenloser trockener Jahreszeitvorkommen, ist mir mehr denn zweifelhaft; so fehlen solche inder Provinz Ceara, die grossen Dürren33ausgesetzt ist, ganzund gar.
[pg 151]An epiphytische Lebensweise angepasste Pflanzenarten sind,nach dem Vorhergehenden, in Amerika ausschliesslich im tropischenund im antarktischen Walde entstanden. In beiden beruht derUrsprung der Epiphytengenossenschaft auf der Thätigkeit des Windesund der Thiere, die die Samen der Bodenpflanzen auf die Bäumetrugen, auf der atmosphärischen Feuchtigkeit, welche die normaleEntwickelung der Pflanzen aus diesen Samen ermöglichte. ManchePflanzenarten vermochten sich ebensowohl auf dem Boden, wie aufden Bäumen zu behaupten, und erhielten daher keine Anpassungenan epiphytische Lebensweise, während andere nur dem Umstande,dass sie auf Bäumen (und theilweise auf kahlen Felswänden) gedeihenkonnten, ihr Fortbestehen im Kampfe ums Licht verdankten.Solche Pflanzen passten sich der epiphytischen Lebensweise mehroder weniger vollkommen an, zum Theile jedoch ohne die Fähigkeiteinzubüssen, unter günstigen äusseren Verhältnissen auch als Bodenpflanzenzu leben; die Anpassungen sind nämlich vielfach nichtderart, dass sie terrestrische Lebensweise ausschliessen; letzteres istjedoch häufig, am auffallendsten bei der wurzellosen Tillandsia usneoides,bei Aëranthus-Arten mit assimilirenden Wurzeln etc.der Fall.
Von den durch den Kampf ums Licht wesentlich auf epiphytischeLebensweise angewiesenen Arten verblieben die einen imSchatten und Halbschatten, während vollkommenere Anpassung einegrosse Zahl anderer in den Stand setzte, an der Oberfläche desLaubdaches das direkte Sonnenlicht zu geniessen. Während dieersteren ausgesprochen hygrophil verblieben und den feuchten Urwaldnicht verliessen, waren die Sonnenepiphyten relativ xerophilgeworden und konnten daher auch ausserhalb des Urwalds leben.In der That haben sich diese xerophilen Elemente der Epiphytengenossenschaftweit über die Grenzen des Urwalds hinaus verbreitet;sie haben die Savannenwälder des inneren tropischen Amerika[pg 152]colonisirt und die Wendekreise nach Norden und Süden bedeutendüberschritten.
Der zweite amerikanische Bildungsherd epiphytischer Gewächse,der antarktische Wald, hat eine weit weniger reiche epiphytischeVegetation als der tropische aufzuweisen, was auf seine kleine Ausdehnungund die Gleichartigkeit seines Klimas zurückzuführen ist.Auch die antarktische Epiphytengenossenschaft hat tropische Colonisten erhalten, jedoch nur in sehr geringer Zahl, eine Folge derniederen Temperatur und der gleichsam insularen Lage des antarktischenWaldes, der von dem tropischen durch Wüsten undPampas, wo das epiphytische Leben so gut wie ganz fehlt, getrenntist.
Von den drei Waldgebieten Amerikas haben, nach dem Gesagten,nur zwei autochthone Epiphyten aufzuweisen. Epiphytenfehlen im pacifisch-nordamerikanischen Walde gänzlich undim atlantischen nur durch tropische Colonisten vertreten.Als die Ursache des Fehlens autochthoner Epiphyten in den nord-amerikanischenWäldern haben wir die unzureichende Menge deratmosphärischen Niederschläge und den zu geringen Dampfgehaltder Luft erkannt. Während im feuchten tropischen und antarktischenWalde viele Pflanzen des Bodens auf den Bäumen gedeihenund dann, durch allmähliche Anpassung, relativ xerophil werdenkonnten, war in den weniger feuchten nordamerikanischen Wäldernder erste Schritt, der Uebergang der terrestrischen Gewächse aufdie Bäume, unmöglich und hiermit die Entstehung einer autochthonenEpiphytengenossenschaft von vornherein ausgeschlossen. Dagegenist die Feuchtigkeit in einem grossen Theile des nord-amerikanischenWaldgebiets für die xerophil gewordenen Epiphytender Tropen hinreichend gross, und wir sehen diese daher überallnach Norden dringen, wo Sommerregen herrschen. So kam dieeigenthümliche Erscheinung zu Stande, dass der temperirte nord-amerikanischeWald eine ausschliesslich tropische atmosphärische[pg 153]Vegetation trägt. Ganz das gleiche, wie in Nordamerika, wiederholtsich in den Wäldern Argentiniens, wo das Klima für die Entstehungeiner autochthonen Epiphytenflora ebenfalls zu trocken war,aber zahlreiche tropische Einwanderer auf den Stämmen und Aestender Bäume wachsen, während, weiter nach Süden, im feuchtenSüd-Chile, mit der plötzlichen Zunahme der Feuchtigkeit auf einmaleine neue autochthone Epiphytengenossenschaft zum Vorscheinkommt.
1. Pflanzengeographische Untersuchungen sind bis jetzt beinahestets in Zusammenhang mit der Systematik ausgeführt worden.Zur Charakteristik der Vegetation der einzelnen Gebiete bringt mandie Aufzählung der Bestandtheile ihrer Flora, und die Grenzen derselbenwerden nach den Arealen bestimmter Pflanzengruppen bestimmt;wo die Physiognomie der Flora in Betracht gezogen wird,benutzt man zu ihrer Charakteristik die sogenannten Vegetationsformen,durch welche bloss ein vager Begriff des landschaftlichenEindrucks, aber kein Einblick in die diese Physiognomie bewirkendenUrsachen gewonnen wird.
Dass die Verknüpfung von Systematik und Pflanzengeographiedurchaus berechtigt ist, geht aus dem bis jetzt auf diesem GebieteGeleisteten mit Sicherheit hervor und bedarf hier keiner weiterenAusführung. In der vorliegenden Arbeit habe ich jedoch eine andereRichtung in der Pflanzengeographie eingeschlagen, die, vonder Systematik ganz absehend, von den Wechselbeziehungen zwischender Pflanze und ihrer Umgebung ausgeht, um zunächst die verschiedenartigePhysiognomie der Floren unserem Verständniss näherzu bringen, und einst vielleicht, in Verbindung mit der systematischenPflanzengeographie und der Paläontologie, uns einen Einblick indie Entwickelungsgeschichte der Pflanzenwelt und die Betheiligungäusserer Einflüsse an derselben gewähren wird. Es sei ausdrücklichbemerkt, dass ich, mitWeismann, diese äusseren Factoren[pg 155]nicht als direkte Veranlassung erblicher Merkmale, also auch derAnpassungen betrachte; ihre Rolle ist auf die Auslese der jeweiliggeeignetsten Variationen beschränkt; diese aber verdanken innerenUrsachen ihre Entstehung34.
Neu ist die biologische Pflanzengeographie übrigens nicht, indemsich inDarwin's Werken, inGrisebach'sVegetation der Erde,in meiner ersten Arbeit über Epiphyten und derjenigen überAmeisenpflanzen, inSchenck'sWasserpflanzen undVolcken'sWüstenflora hierher gehörige Anschauungen befinden.
Die von der Systematik unterschiedenen Gruppen, an derenNatürlichkeit ich keine Veranlassung habe zu zweifeln, beruhen aufMerkmalen, die in keinem erkennbaren Zusammenhang mit denLebensbedingungen stehen. Die systematische Pflanzengeographieverzichtet daher von vornherein auf jede Erklärung; sie lehrt aberdie Centren kennen, aus welchen ein neuer Typus sich verbreitethat, und zeichnet die von ihm eingenommene Area. Die biologischePflanzengeographie verfolgt diesen neuen Typus in seinen Wechselwirkungenmit der Umgebung, versucht die äusseren Einflüsse festzustellen,welche die Variationen in bestimmte Bahnen lenkten,diejenigen, welche die Ausbreitung neuer Formen begünstigten oderhemmten. Zur Lösung solcher Fragen müssen wir aber, im Gegensatzzu den systematischen Pflanzengeographen, von denjenigenMerkmalen ausgehen, deren Beziehungen zu der Umgebung amklarsten sind, und, da wir aus vereinzelten Erscheinungen keinesicheren Schlüsse ziehen können, die Pflanzen, ohne Rücksicht aufihre Verwandtschaft, nach der Natur ihrer Anpassungen gruppiren.
In dieser Arbeit haben wir die epiphytisch lebenden Gewächsezu einer solchen Gruppe vereinigt. Wir wussten, dass, während inden Wäldern der meisten temperirten Gebiete im Kampf ums Licht[pg 156]nur niedere Kryptogamen eine Zuflucht auf den Bäumen gefundenhaben, in den Urwäldern der Tropen und einiger weniger extratropischerGegenden die Stämme und Aeste his zu ihrer Spitze voneiner üppigen Vegetation phanerogamischer und farnartiger Gewächsebedeckt sind. Die Ursache dieses Unterschieds haben wirin der Ungleichheit der atmosphärischen Niederschläge und desWassergehalts der Luft nachgewiesen; nur reichliche Bewässerungund dampfreiche Luft stellen höhere Pflanzen in den Stand, alsEpiphyten zu gedeihen. Dank der grossen Feuchtigkeit entstanddie in der Physiognomie der tropischen Waldlandschaften einen sohervortretenden Zug darstellende Genossenschaft der Epiphyten,deren Eigenartigkeit und Ueppigkeit jedoch auf die in Folge derLebensweise auf Bäumen entstandenen Anpassungen zurückzuführensind. In diesen Anpassungen haben wir das Streben nach möglichstreichlichem Lichtgenuss mit möglichst reichlicher Wasserzufuhr erkannt.Das Streben nach Licht treibt die Pflanzen nach den Baumgipfeln,sodass die epiphytische Vegetation das Gepräge allmählicherVervollkommnung von unten nach oben ganz ungestört zeigen würde,wenn ihr Gewicht nicht gewisse hoch angepasste, aber grosseEpiphyten hinderte, sich auf den Astspitzen anzusiedeln. Mitdieser Wanderung nach oben war nothwendig eine Zunahme derSchutzmittel gegen Transpiration, ein Uebergang der Hygrophiliezu einer relativen Xerophilie verbunden. Die hygrophilen Epiphytenblieben auf den Urwald beschränkt und besitzen im Allgemeinenrelativ kleine Verbreitungsbezirke. Die xerophil gewordenen Formendagegen colonisirten die Savannen und drangen sogar theilweiseweit über die Wendekreise, nach den Vereinigten Staaten und Argentinien,wo das Klima nicht feucht genug war, um die Entstehungautochthoner Epiphyten zu ermöglichen; so entstand die eigenthümlicheErscheinung einer tropischen atmosphärischen Vegetation imWalde.
Aufgabe der biologischen Pflanzengeographie ist es auch, zuuntersuchen, warum die Pflanzendecke in Standortsfloren oder Genossenschaften[pg 157]gegliedert ist, warum gewisse Pflanzen gleichzeitigan mehreren Standorten vorkommen, während andere an ein ganzbestimmtes Substrat geknüpft sind. Die Epiphyten bieten uns anden verschiedensten Beispielen die Beantwortung solcher Fragen, indemwir an manchen derselben die Ursache der ausschliesslichepiphytischen Lebensweise erkennen, während andere Arten unsEigenschaften zeigen, die mit verschiedenartigen Substraten verträglicherscheinen. Die Epiphyten zeigen uns auch die Entstehungeiner solchen Genossenschaft aus der Vegetation eines anderenStandorts, des Waldbodens, in allen ihren Stadien, und wir konntensogar die Ursache des Vorherrschens bestimmter Typen, das Fehlenanderer, die auf dem Boden sehr gemein sind, theilweise erkennenund hiermit den systematischen Charakter derGenossenschaftaufklären. Wir haben nämlich die maassgebende Bedeutung desBaues der Früchte und Samen für den Uebergang zur epiphytischenLebensweise nachgewiesen; da Früchte und Samen innerhalb ganzerGruppen und Familien sehr constant sind, so konnten gewisse derletzteren an der Bildung der epiphytischen Genossenschaft theilnehmen,während andere von derselben nothwendig ausgeschlossen blieben.
Die Untersuchung der Standortsfloren ist aber nicht für sichallein von Interesse; die Existenzbedingungen haben vielfach nachweisbareinen wesentlichen Einfluss auf die Grösse der Verbreitungsgebiete,und eine genaue Kenntniss derselben wird daher die an dieWanderungen der Gewächse sich knüpfenden Probleme lösen helfen.
2. Bei der Darstellung der Flora einer Gegend oder einerFamilie in ihren Wechselbeziehungen mit der Umgebung tritt meisteine grosse Unbestimmtheit zum Vorschein, indem zwischen deneinzelnen Factoren nicht scharf genug unterschieden wird. Diesesist auch begreiflich, da die systematische Pflanzengeographie vonGruppen ausgeht, deren charakteristische Merkmale keine nachweisbarenAnpassungen an äussere Einflüsse zeigen. Dadurch, dassdie biologische Pflanzengeographie die nach den Lebensbedingungen[pg 158]am meisten wechselnden Eigenschaften ihren Gruppen zu Grundelegt, kann sie weit besser die einzelnen Einflüsse auseinanderhalten,ihre Bedeutung für die Artenbildung, für die Pflanzenwanderungu. s. w. präzisiren.
Hat man denjenigen Factor festgestellt, dem eine Gruppe gleichartigerModificationen ihre Entstehung verdankt, so ist zu untersuchen,in wieferner auch dem Reste der Vegetation derselbenGegend seinen Stempel aufgedruckt haben wird. So werden dieatmosphärischen Niederschläge und der Wasserdampf der Luft, diewir als klimatische Factoren bei der Entstehung der Epiphytenkennen lernten, wahrscheinlich die Structur und Lebensweise auchder übrigen Urwaldgewächse wesentlich beeinflusst haben.
In der That glaube ich die physiognomischen Eigenthümlichkeitendes tropischen Urwalds beinahe sämmtlich auf die grosseFeuchtigkeit des Klimas zurückführen zu können, da die Wälderder trockeneren Savannengebiete ein ganz anderes Gepräge besitzen.Die Bäume des Savannenwalds sind, der grossen Mehrzahlnach, nur einen Theil des Jahres belaubt und zeigen nie die Frondosität,die Mannigfaltigkeit der Blattformen des Urwalds; imletzteren erfordern die geringe Beleuchtung und die Transpirationeine möglichst grosse Laubfläche, die Formbildung der Blätter aberist durch keine äusseren Einflüsse in Schranken gehalten, währendim Savannenwalde die grössere Transpiration eine Reductiondes Laubs, eine Bevorzugung gewisser Blatttypen bedingte. DieBäume mit flügelförmigen Holzplatten an ihrer Basis, die sichin allen Urwäldern wiederfinden, fehlen ebenfalls in Folge dergrösseren Transpiration; im Urwalde nämlich kann sich der Baummit einem schmalen Transpirationsstrom begnügen und lässt daherdie in der Pflanzenwelt überall zum Vorschein tretende Sparsamkeit,in der Stammbildung zur Geltung kommen; der Stamm wird imVerhältniss zur Krone dünn und durch Strebepfeiler aufrecht gehalten,während in der Savanne, wie in unseren Wäldern, derTranspirationsstrom einen dicken Stamm erfordert. Epiphyten[pg 159]und Lianen sind im Savannenwald spärlich oder fehlenganz. Erstere sind, wie wir es gesehen, xerophile Auswanderer desUrwalds; letztere sind überall treue Begleiter der Epiphyten, denensie in ihrem Wasserbedarf nur wenig nachstehen, was bei ihremungeheuer langen und im Verhältniss zur Krone dünnen Stämmewohl begreiflich ist. So gleicht der Wald in tropischen Savannenmehr einem solchen in Nord-Amerika oder Europa als dem vielnäher gelegenen feuchten Urwalde. Andererseits aber finden wirstellenweise in der temperirten Zone Wälder, die in der Massenhaftigkeitihrer Holzgewächse, ihrem Reichthum an Lianen undEpiphyten den tropischen ähneln, so in gewissen sehr feuchtenWaldgebieten Japans nachRein, namentlich aber im Feuerland,wo sichDarwin nach dem brasilianischen Urwald versetzt glaubte.
Die Ursache dieser Aehnlichkeit des antarktischen mit dem brasilianischenUrwalde ist in dem überaus nassen Klima zu suchen,über welches der grosse Forscher so sehr klagt.Die ungleiche Feuchtigkeit ist demnach die klimatische Ursacheder ungleichen Physiognomie des nordamerikanischen Urwaldseinerseits, des tropischen und antarktischen andererseits. Sie erklärtuns, warum der Kampf ums Licht in Gestalt und Lebensweiseder Gewächse in den beiden letzteren Wäldern so viel mehr zumAusdruck kommt als in dem ersteren. Die Entwickelung derVegetation aller Wälder ist durch zwei in entgegengesetzter Richtungwirkende Factoren beherrscht, dem Lichtbedürfniss und demjenigennach Feuchtigkeit. Das erstere treibt die Gewächse in dieHöhe, das letztere zieht sie nach unten; das erstere begünstigt dieAusdehnung des Laubs, das letztere schränkt sie ein. Wo Feuchtigkeitin Boden und Luft überreichlich vorhanden, da kann dieVegetation ihrem Triebe nach dem Lichte beinahe unbehindertfolgen, die Stämme der Holzgewächse werden schlank und dünn,die Kronen locker, oft schirmformig, Kräuter und Sträucher,sogar Bäume verlassen den Boden, um sich auf dem Laubdacheoder auf kahlen Felsen im vollen Lichte zu entwickeln. Wo die[pg 160]Feuchtigkeit gering, werden die Gestalten der Holzgewächse massiv,ihre Laubkronen gedrungen, die Laubblätter erhalten kleine Dimensionenund sämmtliche Gewachse, ausser Moosen und Flechten,bleiben an den Boden gebunden.
Bonn, im Mai1888.
Nach Abschluss der Correctur der letzten Bogen wurde mirvon Herrn Dr.Brandis die soeben erschieneneSynopsis of Tillandsieae vonJ. G. Baker(S.-A. aus Journal of Botany1887–88)geliehen. Unser Verzeichniss der Gattung Tillandsia, das wir nachChapman'sFlora of the Southern United Statesund dem BerlinerHerbarium entworfen hatten, erfährt demnach folgende Modificationen:
Tillandsia bracteata ist die in Mexico und Westindien sehr verbreiteteund längst bekannte T. fasciculataSwartz. Tillandsiatenuifolia, Bartramii und juncea sind, wie ich es bereits nach demBerliner Herbarium annahm,identisch;anstatt des älteren NamensT. tenuifoliaL. zieht B. denjenigen vonT. setaceaSwartz vor,weilLinné unter jenem Namen ganz verschiedene Arten vereinigthatte. Till. caespitosa gehört nicht, wie ich es auf Grund desBerliner Herbarium angab, zu T. tenuifolia, sondern ist eine etwasrobustere Form von T. recurvata.
Epiphytischer Feigenbaum mit den Stamm des Wirthbaums umgebenderWurzelröhre und stelzenartigen Stützwurzeln. Auf der Wurzelröhrezwei junge epiphytische Bäume. Sikkim-Himalaya. Nachder Natur gemalt von Frau Generalforstinspektor Dr.Brandis.
Eiche (Quercus virens) mit Tillandsia usneoides. Florida. Nacheiner Photographie gemalt vonW. Rose.
Tillandsia bulbosa. Natürl. Grösse. Mit Benutzung einer Tafeldes Botanical Magazine nach der Natur gemalt vonW. Rose.
Tillandsia circinalis. Natürl. Grösse. Nach der Natur gemalt vonW. Rose.
Samen von Epiphyten.
Fussnoten
Vom Korrekturleser wurden mehrere Änderungen am Originaltext vorgenommen.
Es folgen paarweise Textzeilen im Original und in der vorliegenden geänderten Fassung.
Samen, Pflanzen aus den verschiedensten Familien gehören, und dochSamen, Pflanzen zu den verschiedensten Familien gehören, und dochClusea rosea ist ein reich belaubter, bis mittelgrosser, epiphytischerClusia rosea ist ein reich belaubter, bis mittelgrosser, epiphytischerWurzeln formen ist noch wenigWurzelformen ist noch wenigDie langstengeligen BromeliacenDie langstengeligen BromeliaceenCereus triangularis, seltener Macrochordum melananthum. DerCereus triangularis, seltener Macrochordium melananthum. DerCereus triangularis, Macrochordum melananthum und das Oncidium.Cereus triangularis, Macrochordium melananthum und das Oncidium.eines tropich-dichten Waldwuchses entbehren. Ueberall aber zeigteines tropisch-dichten Waldwuchses entbehren. Ueberall aber zeigtund hiermit den systematischen Charakter der Genosssenschaftund hiermit den systematischen Charakter der GenossenschaftBerliner Herbarium annahm, indentisch;Berliner Herbarium annahm, identisch;Temperatur: Jahresmittel: 51°,8 F= 11 C., Juli: 60°,9 F. = 6° C.,Temperatur: Jahresmittel: 51°,8 F= 11° C., Juli: 60°,9 F. = 6° C.,oder doch Gattungen des letzteren gehören, und ziemlich oder doch zu Gattungen des letzteren gehören, und ziemlich in wiefern auch dem Reste der Vegetation derselbenin wiefern er auch dem Reste der Vegetation derselben
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