Zinsdeckungsgrad (englischdebt burden level oderenglischinterest service cover ratio = ISCR; oderZinslastquote) werdenbetriebswirtschaftliche odervolkswirtschaftliche Kennzahlen genannt, die je nach Art desSchuldners das Verhältnis derZinsaufwendungen eines Schuldners zu seinenEinnahmen wiedergeben sollen. BeiUnternehmen ist der Zinsdeckungsgrad eine Kennzahl, die das Verhältnis der Zinsaufwendungen eines Schuldners zu dessenCashflow oderJahresüberschuss wiedergibt, beiStaaten werden deren Zinsausgaben ins Verhältnis zumBruttosozialprodukt, denStaatsausgaben oder denExporterlösen gesetzt.
Es handelt sich um eineSchuldenkennzahl, die neben anderen Schuldenkennzahlen die Schuldentragfähigkeit eines Schuldners bewertet. DerGläubiger kann seinKreditrisiko nur einschätzen, wenn er Kennzahlen wie die Zinslastquote ermittelt, um über eine Kreditgewährung zu entscheiden oder eine bestehende fortzuführen. Bestandteil der Quote sind alle Zinsaufwendungen, die aus zinstragendenVerbindlichkeiten resultieren (Ausnahmen: Zinsen fürPensionsrückstellungen,Bankgebühren). Ist der Zinsdeckungsgrad hoch, dann besteht ein niedriges Kreditrisiko und umgekehrt. Umso höher der Zinsdeckungsgrad, desto leichter können die Zinsaufwendungen mit dem operativen Geschäft bedient werden. Der Zinsdeckungsgrad verschlechtert sich nicht nur bei einer Erhöhung der Schulden, sondern bei gleichbleibenden Schulden auch durch eine – nicht steuerbare – Erhöhung des Zinsniveaus. Er bringt zum Ausdruck, dass die vom Schuldner zu tragenden Zinsen durch diesen in irgendeiner Art verdient werden müssen.
Eine die Zinslastquote ergänzende Kennzahl ist derSchuldendienstdeckungsgrad, der ebenfalls für Unternehmen und Staaten ermittelt werden kann. Er bezieht neben den Zinsen auch dieTilgungen für Kredite ein.
Zinsen belasten als Aufwand dieGewinn- und Verlustrechnung und als Ausgabe dieLiquidität eines Unternehmens.Eigenkapitalstarke Unternehmen haben weniger Zinsaufwand zu tragen als vergleichbare Eigenkapitalschwache. Erhöhungen des Zinsniveaus wirken sich deshalb bei eigenkapitalschwachen Unternehmen deutlich negativer aus als bei eigenkapitalstarken (Leverage-Effekt). Anstatt des Cashflow wird auch derEBIT denZinszahlungen aus Krediten gegenübergestellt. Der Zinsdeckungsgrad berechnet sich wie folgt:
Ein Zinsdeckungsgrad von bedeutet, dass das Unternehmen Zinszahlungen für Kredite nicht aus demoperativen Geschäft tätigt. DieKfW Bankengruppe hat ermittelt, dass die Zinslastquote deutscher Unternehmen im Vergleich zur europäischen Konkurrenz relativ hoch ist,[1] worin der relative Eigenkapitalmangel zum Ausdruck kommt. Aber auch der Schuldner selbst zieht den Zinsdeckungsgrad neben anderen Kennzahlen zu Rate, wenn er etwa Investitionsentscheidungen zu treffen hat.[2]Danach ist empirisch erwiesen, dass Unternehmen mit einer hohen Zinslastquote zugleich niedrigereInvestitionsquoten aufweisen,[3] weil derSchuldendienst einen starken Einfluss auf die Investitionstätigkeit ausübt. Kritisch ist die Schuldensituation für Unternehmen – branchenabhängig – dann, wenn der Schuldendienst 50 % des Cashflow übersteigt. Werden diese Grenzen nicht nur temporär überschritten, befindet sich ein Unternehmen in einerUnternehmenskrise.
Durch die hohe Verschuldung von Staaten ist deren Zinslastquote in den Vordergrund der Diskussion gerückt. Diebudgetäre Zinslastquote bezieht sich auf die Ausgaben des öffentlichen Gesamthaushalts, während sich diegesamtwirtschaftliche Zinslastquote aus der Gegenüberstellung der Zinsaufwendungen mit dem Bruttoinlandsprodukt ergibt.[4][5] Der Zinsdeckungsgrad kann stärkeren Veränderungen unterworfen sein, da sich das Volumen kurzfristiger Schulden schnell verändern kann und zudem die meist variablen Schuldzinsen großen Marktschwankungen unterliegen können.
oder
Die Formel zeigt, dass ein Staat seineImporte in Höhe des Zinsaufwands nicht mehr aus Exporterlösen finanzieren kann, was zur Reduzierung der Importe führt. Kritisch ist die Situation für einen Staat, wenn der Zins- und Tilgungsdienst 20 % bis 25 % der dauerhaft erzielbaren Exporterlöse überschreitet[7]oder mehr als 20 % der Gesamtausgaben erreicht. Bei dauerhafter Überschreitung der kritischen Grenzen können Staaten in eine Staatskrise geraten. Im Gesamthaushalt der Bundesrepublik Deutschland für 2012 sind die Zinsausgaben mit 38 Mrd. Euro bei insgesamt 309 Mrd. Euro Gesamtausgaben veranschlagt, also beträgt die Zinslastquote 12,3 % der Gesamtausgaben. Im Vergleich zum Bruttoinlandsprodukt 2010 (2.498,8 Mrd. Euro) sind das 1,52 %.
Erreichen beispielsweise die Staatsschulden (brutto) die Höhe desBruttoinlandsprodukts (Staatsschuldenquote mithin 100 %) und liegen – bei einem angenommenenZinsniveau von 6 % – dieSteuereinnahmen bei 30 % des Bruttoinlandsprodukts, so sind die Steuereinnahmen bereits mit 18 % Zinsaufwand belastet. Nach dem Schuldendienst verbleiben dem Staat dann lediglich etwa 80 % der Steuereinnahmen für seine eigentlichen Aufgaben der Staatsfinanzierung.[8]
Land | 2003 | 2005 |
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Deutschland | 14,4 %[9] | 15,3 %[10] |
Bundesland | 2007[11] | 2009[12] |
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Baden-Württemberg | 06,0 % | ? |
Bayern | 02,9 % | 2,7 % |
Berlin | ? | ? |
Brandenburg | ? | ? |
Bremen | ? | ? |
Hamburg | ? | ? |
Hessen | 07,0 % | ? |
Mecklenburg-Vorpommern | ? | ? |
Niedersachsen | 09,9 % | ? |
Nordrhein-Westfalen | 09,4 % | ? |
Rheinland-Pfalz | 09,4 % | ? |
Saarland | 12,9 % | ? |
Sachsen | ? | ? |
Sachsen-Anhalt | ? | ? |
Schleswig-Holstein | 11,8 % | ? |
Thüringen | ? | ? |
FürPrivathaushalte eignet sich eher die gesamte Darstellung aller aus Krediten resultierendenAusgaben, also einschließlich der Tilgungen und Tilgungssurrogate wie etwa die Ansparleistungen vonKapitallebensversicherungen,Rentenversicherungen oderBausparverträgen, die zur Tilgung hinzugerechnet werden müssen. Anstatt des Zinsdeckungsgrads wählen deshalbKreditinstitute bei derKreditwürdigkeitsprüfung eher denSchuldendienstdeckungsgrad, dieKapitaldienstfähigkeit oder dieKapitaldienstgrenze.
Der Zinsdeckungsgrad kann Bestandteil vonAnleihebedingungen oderKreditverträgen im Rahmen derCovenants sein. Dabei verpflichtet sich der Schuldner gegenüber seinen Gläubigern, eine bestimmte vertraglich festgelegte Obergrenze der Zinslastquote nicht zu überschreiten. Kommt es zur Überschreitung der Obergrenze, so liegt eine Vertragsverletzung (Covenant breach) vor, die zunächst meistens eine Heilungsperiode (remedy/grace period) zur Folge hat, die demKreditnehmer die nachträgliche Erfüllung der vorgegebenen Kennzahlen ermöglichen soll. Gelingt dies jedoch weiterhin nicht, wird eine höhereKreditmarge oder gar ein außerordentlichesKündigungsrecht des Gläubigers ausgelöst.