Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten beiStandardbedingungen.
Zinn ist einchemisches Element mit demElementsymbol Sn (lateinischstannum) und derOrdnungszahl 50. ImPeriodensystem steht es in der5. Periode und in der 4.Hauptgruppe, bzw. 14. IUPAC-Gruppe oderKohlenstoffgruppe. Das silberweiß glänzende und sehr weicheSchwermetall lässt sich mit dem Fingernagel ritzen. Zinn hat einen für Metalle sehr niedrigenSchmelzpunkt. Seine Hauptverwendung lag früher im Bereich der Herstellung von Geschirr, das vonZinngießern innerhalb der städtischen Handwerkszünfte bis ins 19. Jahrhundert als weit verbreitete Gebrauchs- und Ziergegenstände als Bestandteile der bürgerlichen Haushalte hergestellt wurde. Im Orgelbau ist Zinn unverzichtbarer Bestandteil bei der Herstellung von Metallpfeifen. Moderne Nutzung erfolgt im Bereich von Elektrolöten sowie im Verzinnen vonlebensmittelechten Konserven oder auch in der Medizin. Historisch hat der Mensch Zinn zuerst als Beimengung zumKupfer als Legierungsmittel zur Herstellung derBronze genutzt.[12]
Das WortZinn (ahd.,mhd.zin) ist vielleicht verwandt mit ahd.zein „Stab“, „Stäbchen“, „Zweig“ (sieheZain). Ein möglicher Hintergrund für diese Wortverwandschaft könnte sein, dass das Metall in vorgeschichtlichen Funden in Stäbchenform erscheint.[13][14] Eine andere Erklärung geht davon aus, dass das HauptzinnerzKassiterit (Zinnstein) auch in Form von Nadeln oder „Stäbchen“ auftritt. Die Verwandtschaft mit althochdeutschzein ist allerdings „weder morphologisch noch semantisch befriedigend“.[13]
Die metallurgische Verarbeitung von Zinn begann etwas später als die von Kupfer. Während die Erschmelzung von Kupfer für dieVinča-Kultur auf 5400–4800 v. Chr. auf dem Balkan datiert wurde, ist diese für denVorderen Orient auf dem Gebiet des heutigen Iran und der Türkei zwischen 5200 und 5000 v. Chr. erfolgt.[15] Die älteste datierte Legierung vonZinnbronze aus dem ZinnmineralStannit wurde in der AusgrabungsstättePločnik auf dem Gebiet des heutigenSerbien auf ca. 4650 v. Chr. datiert.[16][17]Im südtürkischenTaurusgebirge, wo auch Zinnerz abgebaut worden sein könnte, wurden das Bergwerk Kestel und die VerarbeitungsstätteGöltepe entdeckt und auf etwa 3000 v. Chr. datiert. Ob es sich hier um die Quelle des großen vorderasiatischen Zinnverbrauches handelte, bleibt vorläufig offen. Zinnbronzen, Gold und Kupfer wurden zuerst nur wegen ihrer Farbigkeit als Schmuck verwendet. Die ersten Metallschmiede der Vinča-Kultur wählten die zinnhaltigen Mineralien mutmaßlich wegen deren schwarz-grüner Färbung aus, die Ähnlichkeit zu manganreichen Kupfererzen besaßen. Den Metallschmieden der Zinnbronzen waren die spezifischen Eigenschaften des neuen Metalls bewusst, was aus den angewendeten Techniken bei der Verarbeitung der zinnreichen Erze abgeleitet werden kann.[18]
Am Ende des 3. Jahrtausends v. Chr. (botanische Datierungen auf 2021 und 2016 v. Chr.) ließen imElbtal ansässige Eliten Jahr für Jahr in den SommermonatenZinngraupen an der Roten Weißeritz bei Schellerhaudurchgraben. Die Arbeiter lebten in der Saison in einfachen Laubhütten, das Zinn wurde in die festen Siedlungen im Elbtal geschafft, welche dadurch prosperierten und zu Reichtum und Ansehen kamen. Das Erzgebirge entwickelte sich damals zu einem zentralen Lieferanten für ganz Europa.Zinn war für dieBronzeherstellung wesentlich. Die in Schellerhau vom ForschungsprojektArcheo Montan entdeckten Spuren des Bergbaus sind die derzeit ältesten in Europa.[19]
Ägypten, vorderasiatische und asiatische Hochkulturen
Durch dieLegierungBronze, deren BestandteileKupfer und Zinn sind, gelangte Zinn zu größerer Bedeutung (Bronzezeit). Für Ägypten bestätigt sich die Verwendung von Zinn durch Funde kleiner Bronzestatuetten aus der Zeit der Pyramiden (4. Dynastie, um 2500 v. Chr.).[12] Auch in einem ägyptischen Grabmal aus der18. Dynastie (um 1500 v. Chr.) wurden Gegenstände aus Zinn gefunden. In Indien war die Bronzeherstellung bereits um 3000 v. Chr. bekannt.Seit dem 2. Jahrtausend v. Chr. wurde Zinn in Mittelasien an der Route der späterenSeidenstraße nachweislich in größerem Maße in Bergwerken abgebaut. Ab etwa 1800 v. Chr. (Shang-Dynastie) ist Zinn in China bekannt. Ein Schriftwerk über die Künste jener Zeit, das Kaogong ji (Zhou-Dynastie, ab 1122 v. Chr.), beschreibt eingehend die Mischungsverhältnisse von Kupfer und Zinn, die je nach Art der für sakrale Gefäße, Gongs, Schwerter und Pfeilspitzen, Äxte oder Ackerbaugerät zu verwendenden Bronze verschieden waren.Bereits früher dürfte es in den eigentlichen asiatischen Lagerstätten inYunnan und auf derHalbinsel Malakka bekannt gewesen sein. Im Tal desEuphrat wurden seit 2000 v. Chr. Bronzegeräte und deren Herstellung zu einem bedeutenden Kulturfaktor; die Technik wurde dann von Griechen und Römern weiterentwickelt.
Karte der größeren und kleineren Zinnfunde, sowie Zinnvorkommen und ausgewählte Objekte während der Bronzezeit von Europa bis Zentralasien.
Die Ausbreitung des Handels mit Zinn bestätigt ebenfalls seine frühe und weitreichende Nutzbarmachung. Es wurde zunächst ausZentralasien mit Karawanen in die Gebiete des heutigenNahen und Mittleren Ostens gebracht. Dort holte man sich das Zinnerz ab dem 3. Jahrtausend v. Chr. aus den Lagerstätten des alten ReichesElam östlich desTigris und aus den Bergen vonChorasan an der persischen Grenze zuTurkmenistan undAfghanistan. Von dort scheint man es in dasLand der Pharaonen weitergeliefert zu haben. In derBibel wird Zinn im 4. Buch Mose erstmals erwähnt (Numeri 31,22 EU).
DiePhönizier hatten wahrscheinlich auf dem Seeweg Verbindungen mit den zinnreichen indischen InselnMalakka undBangka, ohne dass dazu genaue Angaben zu machen sind. Später transportierten die Phöniker das Zinnerz mit ihren Schiffen entlang der spanischen und französischen Küstengebiete bis zu den Inseln in derNordsee. Auf diesen Fahrten entdeckten sie auf den sogenanntenZinninseln, zu denen möglicherweise dieInsel Wight gehörte, und in den Bergen vonCornwall zinnreiche Gebiete, bauten dort das Erz ab und führten es in andere Länder aus. In kleinerem Maße begann der Zinnerzabbau in handelsmöglichen Ausmaßen auch in Frankreich (u. a. am Cap de l’Étain), in Spanien (Galicien) und inEtrurien (Cento Camerelle beiCampiglia Marittima).
In den EpenHomers sowie beiHesiod tauchen Zinneinlagen als Schmuckornament an Streitwagen und Wehrschilden desAgamemnon sowie desHerakles auf; fürAchilles werden zinnerne (wohl »verzinnte«) Beinschienen beschrieben.[20] DurchPlautus wird Zinn erstmals als Geschirr für Speisen erwähnt.[21] Als Gebrauchsmetall für Geschirr war es bei den Griechen wohl nicht bekannt.[21] Das Zinn, das die Griechen für den Bronzeguss benutzten, stammte nachHerodot von denKassiteriden, deren geographische Lage diesem aber unbekannt war. Diese Inseln werden auch vonStrabon erwähnt und beschrieben, der sie weit nördlich von Spanien lokalisiert, in der NäheBritanniens.[22]
Der römische SchriftstellerPlinius der Ältere nannte Zinn in seinerNaturgeschichteplumbum album („weißes Blei“);Blei hingegen warplumbum nigrum („schwarzes Blei“). Er beschreibt daneben auch das Verzinnen von Kupfermünzen und berichtet von zinnernen Spiegeln und Ampullen und beschreibt, dass Bleiwasserrohre mit Zinnlegierung verlötet wurden.[21] Die hohe Nachfrage nach dem in der Alchemie demJupiter allegorisch bzw. als Schöpfer[23] zugeordneten Zinn[24] wird sogar als ein Grund für die römische BesetzungBritanniens angeführt. In der südwestlichen RegionCornwall wurde von 2100 v. Chr. bis 1998 Zinnerz gefördert, in der Antike ein wichtiger Zinnlieferant des Mittelmeerraums und bis ins späte 19. Jahrhundert der größte der Welt. Im Lateinischen heißt Zinnstannum, daher rührt auch das chemische Symbol (Sn).
Während derVölkerwanderung erlahmte der bergmännische Abbau von Zinnerzen völlig. Nur wenige Kultgegenstände wurden noch gefertigt. ImKonzil von Reims von 813 wird neben Gold und Silber ausdrücklich nur Zinn für die Herstellung solcher Gegenstände gestattet. Die Gräberfunde von Capetiennes bestätigen dies insofern, als es zur Zeit der erstenKreuzzüge üblich war, Priester mit Zinnkelchen und Bischöfe wie auch Äbte mit Zinnkrummstäben beizusetzen.
Der Brauch, kleine Bildnisse aus Zinnlegierung, sogenanntePilgerzeichen, auf der Brust zu tragen, stammt vermutlich ebenfalls aus der Zeit der Kreuzzüge. Je nach Region waren dies in Mittel- und Südfrankreich St. Denis bzw. St Nicolas, in England der Heilige Thomas von Canterbury. Die von den palästinischen Pilgerorten heimgebrachten religiösen Münzen und Ampullen, kleinen Glöckchen und Pfeifen waren aus Zinn. Sie mussten nach anerkanntem Vollzug der Pilgerfahrt zur Abwendung eventuellen Missbrauchs in Flüsse und Seen geworfen werden.[25]
Ab 1100 begann die Bevölkerung in Europa nach und nach das bisher aus Ton und Holz bestehende Essgeschirr durch solches aus dem stabileren Zinn zu ersetzen. Um 1200 begann in den größeren Städten die handwerkliche Verarbeitung des Zinns inZinngießereien.DieVenezianer pflegten damals Handelsbeziehungen zu den zinnreichen indischen InselnMalakka undBangka.
Lange nachdem Bronze durchEisen verdrängt worden war (Eisenzeit), erlangte Zinn Mitte des 19. Jahrhunderts durch die industrielle Herstellung vonWeißblech von Neuem große Bedeutung.
Primäre Zinnvorkommen umfassenGreisen-, hydrothermaleGang- und seltener auchSkarn- undVulkanisch-exhalative-Lagerstätten (VHMS). Da das wirtschaftlich bedeutendste ZinnmineralKassiterit SnO2, auch Zinnstein genannt, ein sehr stabiles Schwermineral ist, kommt ein großer Teil der Zinnproduktion auch aus sekundärenSeifenlagerstätten. In einigen primären Lagerstätten besitzt auch das SulfidmineralStannit Cu2FeSnS4 Bedeutung für die Zinnproduktion. Auf primären Zinnlagerstätten kommt das Element oft mitArsen,Wolfram,Bismut,Silber,Zink,Kupfer undLithium vergesellschaftet vor.
Zur Gewinnung von Zinn wird das Erz zuerst zerkleinert und dann durch verschiedene Verfahren (Aufschlämmen, elektrische/magnetische Scheidung) angereichert. Nach derReduktion mitKohlenstoff wird das Zinn knapp über seineSchmelztemperatur erhitzt, so dass es ohne höher schmelzende Verunreinigungen abfließen kann. Heute gewinnt man einen Großteil durchRecycling und hier durchElektrolyse.
Die aktuellen Reserven für Zinn werden mit 4,7 Millionen Tonnen angegeben, bei einer Jahresproduktion von 289.000 Tonnen im Jahr 2015.[27] Zu über 80 % kommt die Produktion derzeit aus Seifenlagerstätten (Sekundärlagerstätten) an Flüssen sowie im Küstenbereich, vornehmlich aus einer Region beginnend in Zentralchina überThailand bis nachIndonesien. Die größten Zinnvorkommen der Erde wurden 1876 imKinta Valley (Malaysia) entdeckt. Dort wurden bis heute etwa 2 Millionen Tonnen geschürft.[28] Das Material in den Schwemmlandlagerstätten hat einen Metallanteil von etwa 5 %. Erst nach verschiedenen Schritten zur Konzentrierung auf etwa 75 % wird ein Schmelzprozess eingesetzt.
In Deutschland sind größere Ressourcen imErzgebirge vorhanden, wo das Metall vom 13. Jahrhundert an bis1990 gewonnen wurde. Beispiele sind die GreisenlagerstätteAltenberg, die SkarnlagerstättePöhla und inEhrenfriedersdorf. Durch verschiedene Firmen findet derzeit auch Exploration auf Zinn im Erzgebirge statt. Im August 2012 veröffentlichte erste Untersuchungsergebnisse für die OrteGeyer und Gottesberg, einen Ortsteil vonMuldenhammer, lassen Vorkommen in Höhe von rund 160.000 Tonnen Zinn für beide Orte insgesamt vermuten. Diese Zahlen bestätigen prinzipiell auch Angaben, wie sie nach zu DDR-Zeiten vorgenommenen Prospektionen geschätzt wurden. Nach Aussage derDeutschen Rohstoff AG handelt es sich um das weltweit größte noch unerschlossene Zinnvorkommen. Da einerseits der Erzgehalt mit 0,27 Prozent für Gottesberg und 0,37 Prozent für Geyer verhältnismäßig gering ist, andererseits das Erz verhältnismäßig schwer aus dem Gestein zu lösen ist, ist offen, ob sich der Abbau wirtschaftlich lohnen würde. Sollte es dazu kommen, würden als Nebenprodukt auch Zink, Kupfer undIndium anfallen.[29]
Die bedeutendste Fördernation für Zinn ist China, gefolgt von Indonesien und Myanmar. In Europa war 2009Portugal der größte Produzent, wo es als Beiprodukt der VHMS-LagerstätteNeves Corvo gefördert wird (VHMS: volcanic-hosted massive sulfide).
Der Jahresweltverbrauch an Zinn liegt bei etwa 300.000 Tonnen. Davon werden etwa 35 % fürLote, etwa 30 % fürWeißblech und etwa 30 % fürChemikalien undPigmente eingesetzt. Durch die Umstellung der Zinn-Blei-Lote auf bleifreie Lote mit Zinnanteilen > 95 % wird der jährliche Bedarf um etwa 10 % wachsen. Die Weltmarktpreise steigen in den letzten Jahren kontinuierlich. So wurden an der LME (London Metal Exchange) 2003 noch etwa 5000 US-Dollar pro Tonne bezahlt, im Oktober 2021 jedoch mehr als 35.000.[30][31] Die zehn größten Zinnverbraucher (2003) weltweit sind nach China auf Platz 1 die Länder USA, Japan, Deutschland, übriges Europa, Korea, übriges Asien, Taiwan, Großbritannien und Frankreich.
Die weltweite Finanzkrise ab 2007 sowie ein schwaches Wirtschaftswachstum in den Schwellen- und Entwicklungsländern setzten den Preis unter Druck. Im August 2015 sank der Preis je Tonne kurzfristig auf unter 14.000 US-Dollar. Im Oktober 2015 hatte der Preis sich wieder leicht auf rund 16.000 US-Dollar erholt. Durch den starken US-Dollar kommt der günstige Preis nur teilweise in vielen Verbraucherländern an.[32] Die weltweite Produktion lag 2020 bei rund 264.000 Tonnen, von denen alleine 84.000 Tonnen in China gefördert worden sind; weitere 53.000 Tonnen stammten aus Indonesien.
Kassiterit wurde von der US-amerikanischen BörsenaufsichtSEC als sogenanntes „conflict mineral“ eingestuft,[33] dessen Verwendung für Unternehmen gegenüber der SEC berichtspflichtig ist. Als Grund hierfür werden die Produktionsorte im Osten desKongo angeführt, die von Rebellen kontrolliert werden und so im Verdacht stehen, bewaffnete Konflikte mitzufinanzieren.[34] Zinn steht außerdem auf der Liste kritischer Rohstoffe der USA[35] und wird als relevantes Metall mit „hohem Risiko für Lieferkettenunterbrechungen“ bewertet,[36] während die EU Zinn nicht als kritischen Rohstoff einstuft.[37]
Zinn wird auch – erneut seit 2019 – beiUis inNamibia abgebaut. Die Vorkommen gelten mit als die größten weltweit.[38]
Die Staaten mit der größten Zinn-Förderung weltweit sowie geschätzte Reserven[39][27]
α-Zinn (kubisches Diamantgitter, 5,75 g/cm3) ist unterhalb von 13,2 °C stabil und besitzt einenBandabstand von EG = 0,1 eV. Damit wird es je nach Interpretation alsHalbmetall oderHalbleiter eingeordnet. Es ist ein mattgraues sprödes Material.
β-Zinn (verzerrtoktaedrisch, 7,31 g/cm3) bis 162 °C. Es ist ein silberweißes duktiles Metall.
γ-Zinn (rhombisches Gitter, 6,54 g/cm3) oberhalb von 162 °C oder unter hohem Druck. Es ist ebenfalls ein silberweißes duktiles Metall.
Daneben kann noch eine zweidimensionale Modifikation namensStanen (ähnlich der KohlenstoffmodifikationGraphen) synthetisiert werden.
DieRekristallisation von β-Zinn zu α-Zinn, die bei Temperaturen unter 13,2 °C auftritt, äußert sich als die zerstörerischeZinnpest.
Zinngeschrei
Beim Verbiegen des relativ weichen Zinns, beispielsweise von Zinnstangen, tritt ein charakteristisches Geräusch, dasZinngeschrei (auch Zinnschrei), auf. Es handelt sich um ein knarrendes bis quietschendes Geräusch. Es entsteht durch die Reibung der β-Kristallite aneinander. Das Geräusch tritt jedoch nur bei reinem Zinn auf. Bereits niedriglegiertes Zinn zeigt diese Eigenschaft nicht; z. B. verhindern geringe Beimengungen von Blei oder auch Antimon das Zinngeschrei. Das β-Zinn hat einen abgeflachtenTetraeder alsRaumzellenstruktur, aus dem sich zusätzlich zwei Verbindungen ausbilden.
Durch dieOxidschicht, mit der Zinn sich überzieht, ist es sehr beständig. Von konzentriertenSäuren undBasen wird es allerdings unter Entwicklung vonWasserstoffgas zersetzt. Jedoch ist Zinn(IV)-oxid ähnlichinert wieTitan(IV)-oxid. Zinn wird von unedleren Metallen (z. B. Zink) reduziert; dabei scheidet sich elementares Zinn schwammig oder am Zink haftend ab.
Zinn wird unterhalb von 3,72 K zum Supraleiter[40] und war einer der ersten Supraleiter, die untersucht wurden. Der Meissner-Effekt, eines der charakteristischen Merkmale von Supraleitern, wurde erstmals in supraleitenden Zinnkristallen entdeckt[41].
Zinn besitzt insgesamt zehn natürlich vorkommendeIsotope mit den Massenzahlen 112, 114 bis 120, 122 und 124.120Sn ist dabei mit 32,4 % Anteil an natürlichem Zinn das häufigste Isotop. Von den instabilen Isotopen ist126Sn mit einerHalbwertszeit von 230.000 Jahren das langlebigste.[42] Alle anderen Isotope haben eine Halbwertzeit von nur maximal 129 Tagen, jedoch existiert bei121Sn einKernisomer mit 44 Jahren Halbwertzeit.[42] AlsTracer werden am häufigsten die Isotope113Sn,121Sn,123Sn und125Sn verwendet. Zinn hat als einziges Element drei stabile Isotope mit ungerader Massenzahl und mit zehn stabilen Isotopen die meisten stabilen Isotope aller Elemente überhaupt. Ein Grund für die hohe Zahl stabiler Isotope ist, dass die Ordnungszahl 50 eine „magische Zahl“ ist: mit 50 Protonen wird im Atomkern eine abgeschlosseneSchale erreicht.100Sn ist das schwerste Nuklid mit gleicher Anzahl von Protonen und Neutronen.
Als qualitativeNachweisreaktion für Zinnsalze wird dieLeuchtprobe durchgeführt: Die Lösung wird mit ca. 20%iger Salzsäure und Zinkpulver versetzt, wobeinaszierender Wasserstoff frei wird. Der naszierende, atomare Wasserstoff reduziert einen Teil des Zinns bis zumStannan SnH4. In diese Lösung wird einReagenzglas eingetaucht, das mit kaltem Wasser undKaliumpermanganatlösung gefüllt ist; das Kaliumpermanganat dient hier nur als Kontrastmittel. Dieses Reagenzglas wird im Dunkeln in die nichtleuchtende Bunsenbrennerflamme gehalten. Bei Anwesenheit von Zinn entsteht sofort eine typisch blaueFluoreszenz, hervorgerufen durch SnH4.[1][43]
Zur quantitativen Bestimmung von Zinn eignet sich diePolarographie. In 1 ᴍ Schwefelsäure ergibt Zinn(II) eine Stufe bei −0,46 V (gegenKalomelelektrode, Reduktion zum Element). Stannat(II) lässt sich in 1 ᴍ Natronlauge zum Stannat(IV) oxidieren (−0,73 V) oder zum Element reduzieren (−1,22 V).[44] ImUltraspurenbereich bieten sich die Graphitrohr- und Hydridtechnik derAtomspektroskopie an. Bei der Graphitrohr-AAS werdenNachweisgrenzen von 0,2 µg/l erreicht. In der Hydridtechnik werden die Zinnverbindungen der Probelösung mittelsNatriumborhydrid als gasförmigesStannan in die Quarzküvette überführt. Dort zerfällt das Stannan bei ca. 1000 °C in die Elemente, wobei der atomare Zinndampf spezifisch die Sn-Linien einer Zinn-Hohlkathodenlampe absorbiert. Hier sind 0,5 µg/l als Nachweisgrenze angegeben worden.[45]
Metallisches Zinn ist auch in größeren Mengen an sich ungiftig. Die Giftwirkung einfacher Zinnverbindungen und Salze ist gering. Einige organische Zinnverbindungen dagegen sind hochtoxisch. Die Trialkyl-Zinnverbindungen (insbesondere TBT, engl. „Tributyltin“,Tributylzinn) undTriphenylzinn wurden mehrere Jahrzehnte in Anstrichfarben für Schiffe verwendet, um die sich an den Schiffsrümpfen festsetzenden Mikroorganismen und Muscheln abzutöten. Dadurch kam es in der Umgebung von großen Hafenstädten zu hohen Konzentrationen an TBT im Meerwasser, die die Population diverser Meereslebewesen bis heute beeinträchtigen. Die toxische Wirkung beruht auf derDenaturierung einiger Proteine durch die Wechselwirkung mit dem Schwefel aus Aminosäuren wie beispielsweiseCystein.
In derEU werden die Höchstmengen an verschiedenen Metallen wie Zinn in Lebensmitteln durch dieVerordnung (EG) Nr. 1881/2006 geregelt. Die jeweiligen Höchstgrenzen hängen dabei vom Erzeugnis ab und orientieren sich auch daran, was durchgute Herstellungspraxis odergute landwirtschaftliche Praxis erreichbar ist. Für anorganisches Zinn gibt es verschiedene Grenzwerte für Erzeugnisse in Dosen:Lebensmittelkonserven (200 mg/kg, außer Dosengetränke 100 mg/kg), Beikost für Säuglinge und Kleinkinder, Säuglingsanfangs- und ‑folgenahrung, sowie diätetische Lebensmittel für Säuglinge für medizinische Zwecke in Dosen (50 μg/kg).[47]
Seit Jahrhunderten wird reines Zinnblech großflächig zur Herstellung vonOrgelmetall im Sichtbereich verwendet. Diese behalten ihre silbrige Farbe über viele Jahrzehnte. Das weiche Metall wird aber in der Regel in einer Legierung mit Blei, dem sogenanntenOrgelmetall, verwendet und hat für die Klangentfaltung sehr gute vibrationsdämpfende Eigenschaften. Zu tiefe Temperaturen sind wegen der Umwandlung in α-Zinn für Orgelpfeifen schädlich; sieheZinnpest. Viele Haushaltsgegenstände,Zinngerät (Geschirr), Tuben, Dosen und auchZinnfiguren wurden früher ganz aus Zinn gefertigt, rundweg der einfacheren Verarbeitungstechnologie der Zeit entsprechend. Mittlerweile jedoch wurde das relativ kostbare Material meist durch preiswertere Alternativen ersetzt. Ziergegenstände und Modeschmuck werden weiterhin aus Zinnlegierungen,Hartzinn bzw.Britanniametall hergestellt.
Seit dem Mittelalter warZinngießer ein spezieller Handwerksberuf, der sich bis heute, allerdings in ganz geringem Umfang, erhalten hat. Er ist heute rechtlich in der BerufsbezeichnungMetall- und Glockengießer aufgegangen. Aufgabe des Zinnputzers war die Reinigung von vor allem oxidierten, aus Zinn gefertigten Gegenständen mit einemKaltwasserauszug desAckerschachtelhalms, der volkstümlich deshalb auch Zinnkraut genannt wurde. Es war ein eher wenig angesehenes Wandergewerbe und wurde in den Häusern bürgerlicher oder großbäuerlicher Haushalte ausgeübt.
Als Legierungsbestandteil wird Zinn vielfältig verwendet, mit Kupfer zuBronze oder anderen Werkstoffen legiert.Nordisches Gold, die Legierung der goldfarbigen Euromünzen, beinhaltet unter anderem 1 % Zinn.Algerisches Metall enthält 94,5 % Zinn.
Als Bestandteil von Metall-Legierungen mit niedrigem Schmelzpunkt ist Zinn unersetzlich.Weichlot (sogenanntesLötzinn) zur Verbindung elektronischer Bauteile (beispielsweise aufLeiterplatten) wird mit Blei (eine typische Mischung ist etwa 63 % Sn und 37 % Pb) und anderen Metallen in geringerem Anteil legiert. Die Mischung schmilzt bei etwa 183 °C. Seit Juli 2006 darf jedoch kein bleihaltiges Lötzinn in elektronischen Geräten mehr verwendet werden (sieheRoHS); man setzt nun bleifreie Zinnlegierungen mit Kupfer und Silber ein, z. B. Sn95.5Ag3.8Cu0.7 (Schmelztemperatur ca. 220 °C).
Da man aber diesen Legierungen nicht traut (Zinnpest und„Tin whiskers“), ist bei der Fertigung elektronischer Baugruppen für Medizintechnik, Sicherheitstechnik, Messgeräte, Luft- u. Raumfahrt sowie für militärische/polizeiliche Verwendung weiterhin die Verwendung bleihaltiger Lote zulässig. Im Gegenteil ist der Einsatzbleifreien Lotes in diesen sensiblen Bereichen trotzRoHS verboten.
Hochreine Zinn-Einkristalle eignen sich auch zur Herstellung von elektronischen Bauteilen.
In derFloatglasherstellung schwimmt die zähflüssige Glasmasse bis zur Erstarrung auf einer spiegelglatten flüssigen Zinnschmelze.
Zinnverbindungen werden demKunststoffPVC als Stabilisatoren beigemischt. Tributylzinn dient als sog.Antifouling-Zusatz in Anstrichstoffen für Schiffe und verhindert den Bewuchs der Schiffskörper, es ist mittlerweile jedoch umstritten und weitgehend verboten.
In Form einer transparenten Zinnoxid-Indiumoxid-Verbindung ist es elektrischer Leiter in Anzeigegeräten wieLC-Displays. Das reine, weiße, nicht sehr harte Zinndioxid besitzt eine hohe Lichtbrechung und wird im optischen Bereich und als mildes Poliermittel eingesetzt. In derZahnheilkunde wird Zinn auch als Bestandteil vonAmalgamen zur Zahnfüllung eingesetzt. Die sehr toxischen organischen Zinnverbindungen finden alsFungizide oderDesinfektionsmittel Verwendung.
Zinn wird anstelle von Blei auch zumBleigießen verwendet.Stannum metallicum („metallisches Zinn“) findet auch bei der Herstellung vonhomöopathischen Arzneimitteln sowie als Bandwurmgegenmittel Verwendung.
Weißblech ist verzinntesEisenblech, es wird beispielsweise fürKonservendosen oder Backformen verwendet.Tin, dasenglische Wort für Zinn, ist gleichzeitig ein englisches Wort für Dose bzw. Konservenbüchse.
Zu dünner Folie gewalzt nennt man es auchStanniol, das beispielsweise fürLametta Verwendung findet. Jedoch ist Zinn im 20. Jahrhundert durch das viel preiswertereAluminium verdrängt worden. Bei manchen Farbtuben und Weinflaschenverschlüssen findet Zinn ebenfalls Verwendung.
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