Ökonomie ist eine Weiterleitung auf diesen Artikel. Weitere Bedeutungen sind unterÖkonomie (Begriffsklärung) aufgeführt.
DieWirtschaftswissenschaft (auchÖkonomie[1] und vereinzelt auchÖkonomik[2]) ist eine Wissenschaft, die versucht, wirtschaftliche Zusammenhänge zu beschreiben, zu erklären und zu deuten.
Aristoteles hat lediglich eine moralische Kritik der Ökonomie formuliert, nicht aber eine eigenständige ökonomische Theorie, die dazu geeignet wäre, ökonomische Prozesse zu analysieren.[4] Die philosophischen Motive, die Aristoteles leiteten, hinderten ihn jedoch daran,Analysen vorzunehmen. Hierzu bemerkteJoseph Schumpeter 1965, dass Aristoteles „ganz im Geiste vorwissenschaftlichen gesunden Menschenverstandes seine Werturteile über eine Wirklichkeit fällt, deren weite Regionen er unergründet ließ.“[5] Für Aristoteles war zielgerichtetes Handeln in der Ökonomie (altgriechischοἶκοςoikos, deutsch‚Haus, Besitz‘;altgriechischνόμοςnomos, deutsch‚Gesetz‘; „nach Gesetzen wirtschaften“) legitim. Er unterschied zwischen naturgemäßem Erwerb undVerwendung der materiellen Mittel für das gute Leben (altgriechischοἰκονομικέoikonomiké) und dem (naturwidrigen) Erwerb dieser Mittel (altgriechischχρεματιστικέchrematistiké). Die Hauptkonturen seiner ökonomischen Theorie finden sich in seinen WerkenPolitik undNikomachische Ethik.
Die großen Denker derAntike und desMittelalters gelten als Ahnherren der Wirtschaftswissenschaft. Auch das Mittelalter kannte bereits einige ökonomische Darstellungen.Thomas von Aquin behandelte in seinem zwischen 1265 und 1273 entstandenen HauptwerkSumma theologica auch ökonomische Fragestellungen. Er stufteLandwirtschaft undHandwerk höher ein als denHandel.Gewinnstreben darf nicht den Schwächeren oder die Allgemeinheit schädigen. Kernstück bildete seine Lehre vomgerechten Preis.Joseph Schumpeter schrieb in seinerHistory of Economic Analysis (1954) die Entwicklung der wissenschaftlichen Untersuchung ökonomischer Zusammenhänge bereits denSpätscholastikern (im 14. und 15. Jahrhundert) zu. Allerdings unterschied sich diealteuropäische Ökonomik in ihrer Grundkonzeption stark von der heutigen Sichtweise.Nikolaus Kopernikus (1473–1543) beschäftigte sich in der Folge derInflation derBauernkriegszeit mitGeldtheorie. BeiJohannes Buridan (1300–1385) finden sich erste Ansätze deskriptiver Ökonomie, indem er imMetallismus denGeldwert durch seinenMetallwert bestimmt sieht. Von Nicolaus Oresmius (1325–1385) stammte mit demTraktat über Geldabwertungen (1373) das erste rein ökonomische Werk.
Als „frühmoderne“ (auch „vorklassische“) Ökonomen werden die Merkantilisten und diePhysiokraten eingeordnet. Seit etwa 1450 setzte derMerkantilismus ein, während dessen derÖkonomJames Steuart mit seinem merkantilistischenSumma (1767) die erste Gesamtdarstellung der Ökonomie vorlegte und so die Ökonomie als eigenständigeWissenschaft begründete.[6] Die „natürliche Ordnung“ (französischordre naturel) derPhysiokratie war geprägt vonFreiheit,Wettbewerb undPrivateigentum, was am besten in ihrem 1751 vonVincent de Gournay geprägtenSchlagwort „laufen lassen und geschehen lassen“ (französischlaissez-faire,laissez-passer) zum Ausdruck kommt. Als Geburtsstunde der Wirtschaftswissenschaft in der heute verstandenen Form als Forschungsdisziplin mit eigenständigen Theoriegebilden wird häufig das Jahr 1758 genannt, in welchem der französische ArztFrancois Quesnay sein HauptwerkTableau économique veröffentlichte. Der zum Zeitpunkt derVeröffentlichung 64-jährige Gelehrte verstand die Abhängigkeiten von Geld- undGüterströmen als Kreislauf.
Auch der SchotteAdam Smith wird als Begründer der modernen Wirtschaftswissenschaft angesehen. Er veröffentlichte 1776 sein BuchDer Wohlstand der Nationen (An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations) und kritisierte dort den bis dahin zumeist vorherrschenden Merkantilismus. Sein weitverbreitetes Werk fand inGroßbritannien und denUSA große Anerkennung und vermittelte erstmals die Idee einer neuen Wissenschaftsrichtung zur Untersuchung des wirtschaftlichen Handelns.
SeitDavid Ricardos SchriftPrinciples of Political Economy and Taxation (1821)[7] setzte sich die „deduktive Methode“ mit quantitativer Betrachtung durch. Mit Verbreitung dieser Methode wurden die sozialen Rahmenbedingungen zunehmend aus der Untersuchung der Politischen Ökonomie eliminiert; es setzte sich zunächst ein rein logisch-mathematisches Verständnis der Marktverhältnisse durch (Volkswirtschaftslehre als Naturwissenschaft).
Seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts gewinnen zunehmend die an Smith anknüpfenden Ideen deswirtschaftlichen Liberalismus Verbreitung. Als einer der bedeutendsten Ökonomen dieser Richtung giltMilton Friedman. Daneben existieren unter anderem mit dem SammelbegriffHeterodoxen Ökonomie oderPlurale Ökonomik kritische Positionen zum Mainstream.
Die Betriebswirtschaftslehre (BWL) als reine Beschreibung von Tätigkeiten und deren Zwecken in einzelnenUnternehmen begann schon im 15. Jahrhundert in Italien. Dort wurde im Jahre 1494 auch für dasRechnungswesen der BWL die Technik derdoppelten Buchführung durchLuca Pacioli entwickelt und veröffentlicht.
Als Begründer derHandlungswissenschaft gilt der FranzoseJacques Savary, der im Jahre 1675 das erste systematisch gegliederte Lehrbuch zur Betriebswirtschaft veröffentlichte:Le parfait Négociant. Darin fasste er das gesamte kaufmännische Wissen seiner Zeit zusammen, beschrieb dasHandelsgeschäft und die damit verbundenen Risiken und schlug unter anderem vor, zurbilanziellenBewertung des betrieblichen Vermögens dasNiederstwertprinzip anzuwenden und für den periodengerechten Abschluss transitorische Posten vorzusehen.[8] Savary hatte großen Einfluss aufPaul Jacob Marperger aus Nürnberg, der in seinem 1714 veröffentlichten HauptwerkNothwendige und nützliche Fragen über die Kauffmannschafft ebenfalls das Handelsgeschäft beschrieb und dieHandelsspanne rechtfertigte. Als Erster begründete er den wissenschaftlichen Anspruch des Fachs, indem er forderte, auf Universitäten öffentlicheProfessores Mercaturae zu verordnen.[9]
Als Savarys eigentlicher Nachfolger im deutschen Sprachraum aber gilt jedochCarl Günther Ludovici, der „sein Augenmerk allein auf das Zusammentragen und systematische Aufbauen des Stoffes“ richtete und mit seinem Werk „Eröffnete Akademie der Kaufleute oder vollständiges Kaufmannslexikon die beste Sammlung seiner Zeit schuf“ (Eduard Weber), in deren Anhang sich mit demGrundriss eines vollständigen Kaufmanns-Systems eine systematische Darstellung der Handlungswissenschaft findet, die den Stoff gliedert in die Arten der Handels- und Handelshilfsbetriebe, die produktiven Faktoren (Waren, Personen, Sachmittel) sowie die Handelstätigkeit als Ein- und Verkauf.
Nach einer Zeit des Niederganges der Betriebswirtschaftslehre und der Verdrängung durch die Volkswirtschaftslehre nahm ihre Bedeutung seit Beginn des 20. Jahrhunderts erheblich zu.
Im deutschen Sprachraum wird die Wirtschaftswissenschaft üblicherweise in die Bereiche Betriebswirtschaftslehre (BWL) und Volkswirtschaftslehre (VWL, Nationalökonomie) unterteilt.[10] Die zugehörigen Berufsbezeichnungen sindWirtschaftswissenschaftler,Volkswirt undBetriebswirt (oder auch Ökonom).
Die Volkswirtschaftslehre untersucht grundlegende wirtschaftliche Zusammenhänge und Gesetzmäßigkeiten in einerGesellschaft, sowohl in Bezug auf einzelne wirtschaftende Einheiten (Mikroökonomie) als auch gesamtwirtschaftlich (Makroökonomie).Erkenntnisobjekte sind dasWirtschaften, also derplanmäßige undeffiziente Umgang mitknappenRessourcen zwecks bestmöglicherBedürfnisbefriedigung in der Umgebung derWirtschaft. Die Betriebswirtschaftslehre befasst sich mit den wirtschaftlichen Zusammenhängen und Gesetzmäßigkeiten einzelnerUnternehmen und liefert Erkenntnisse über betriebliche Strukturen und Prozesse.
Die Wirtschaftswissenschaft zählt zu denSozialwissenschaften. Wirtschaftswissenschaftliche Aspekte werden auch in anderen sozialwissenschaftlichen Bereichen untersucht.
Alfred Bürgin:Zur Soziogenese der Politischen Ökonomie. Wirtschaftsgeschichtliche und dogmenhistorische Betrachtungen, 2. Aufl., Marburg 1996
Karl Eman Pribram:Geschichte des ökonomischen Denkens. Übersetzung der OriginalausgabeA History of Economic Reasoning. Erster und zweiter Band. Suhrkamp Verlag, Frankfurt/M. 1998,ISBN 3-518-28956-X
Adam Smith, 1776:An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations
Joachim Starbatty (Hrsg.):Klassiker des ökonomischen Denkens: Von Platon bis John Maynard Keynes. Teil 1 und 2 in einer Gesamtausgabe. Hamburg 2008,ISBN 978-3-937872-92-6
Lars Wächter (2021):Ökonomen auf einen Blick – Ein Personenhandbuch zur Geschichte der Wirtschaftswissenschaft, 2. Aufl., Springer Gabler, Wiesbaden 2021,ISBN 978-3-658-29068-9
↑Ökonomie im Duden: vonlateinischoeconomia‚gehörige Einteilung‘, dieses vonaltgriechischοἰκονομίαoikonomía, deutsch‚Haushaltung, Verwaltung‘ ausοἶκοςoíkos, deutsch‚Haus‘ undνόμοςnómos, deutsch‚Gesetz, Sitte, Brauch‘ und dem Suffix-ική-ikḗ.