Willy Hugo Hellpach (*26. Februar1877 inOels,Provinz Schlesien,Deutsches Reich; †6. Juli1955 inHeidelberg;Pseudonym Ernst Gystrow) war ein deutscherPolitiker,Journalist,Psychologe undArzt. 1925 kandidierte er für dieDeutsche Demokratische Partei (DDP) bei der Wahl zumReichspräsidenten.
Der Sohn des Gerichtskalkulators Hugo Hellpach und seiner Ehefrau Agnes, geb. Otto, legte 1895 inLandeshut sein Abitur ab und begann ein Medizinstudium an derUniversität Greifswald. Ab 1897 war er außerdem an derUniversität Leipzig zusätzlich in Psychologie matrikuliert, wo er beiWilhelm Wundt studierte. Hellpachpromovierte Ende 1899 mit dem Thema „Die Farbwahrnehmung im indirekten Sehen“[1] in Psychologie und 1903, betreut vonFranz Nissl, mit „Analytische Untersuchungen zur Psychologie der Hysterie“ in Medizin. Zwischen 1901 und 1903 arbeitete er, vermittelt durch Wilhelm Wundt, an der Psychiatrischen Klinik inHeidelberg beiEmil Kraepelin und an der BerlinerNervenpoliklinik beiHermann Oppenheim.[2] In Berlin befasste er sich während seiner Weiterbildung zum Nervenarzt in einer kleinen Studie über „Soziale Ursachen und Wirkungen der Nervosität“ mit der Sozialätiologie der Nervosität, wie dies wenige Jahre zuvor bereitsRichard von Krafft-Ebing getan hatte.[3] In seiner Studentenzeit war er vonFerdinand Lassalle beeinflusst und schrieb zwischen 1898 und 1903 für dieSozialistischen Monatshefte. Seit 1903 schrieb er in der BerlinerTageszeitungDer Tag und blieb ihr bis 1922 treu.
1904 heiratete Hellpach inPrag die Kaufmannstochter Olga Klim (1880–1948); die Ehe blieb kinderlos. Hellpach praktizierte in der Folge alsNervenarzt inKarlsruhe, wo er sich 1906 an derTechnischen Hochschulehabilitierte, die ihn 1911 zum außerordentlichen Professor berief.
ImErsten Weltkrieg diente er zunächst an der Westfront, später leitete er mehrereNervenlazarette.
Im Krieg reifte sein Entschluss, sich politisch zu betätigen. Ab 1917 begann Hellpach als freier Mitarbeiter derVossischen Zeitung zu schreiben. 1918 trat er der DDP bei. Für die Liberalen wurde er 1922 Unterrichtsminister sowie von 1924 bis 1925 turnusgemäß Staatspräsident inBaden und Chef desKabinetts Hellpach. Zu seinen bleibenden bildungspolitischen Leistungen zählt, dass er die grundlegenden Verordnungen zum heute noch existierenden dualen Berufsausbildungssystem erließ.
Bei derReichspräsidentenwahl 1925 kandidierte er im ersten Wahlgang für die DDP, er erhielt 5,8 % der Stimmen. Von 1925 bis 1933 veröffentlichte er auch in derNeuen Zürcher Zeitung. Von 1928 bis 1930 saß er im Reichstag, zog sich aber enttäuscht aus der Politik zurück. In derDeutschen Staatspartei fand er keine politische Heimat mehr.
Seit 1943 war er ordentliches Mitglied derHeidelberger Akademie der Wissenschaften.[4] 1944 wurde er in dieLeopoldina aufgenommen. Auch nach 1945 wurde er nicht mehr politisch aktiv.
Vor 1902 publizierte Hellpach unter dem Pseudonym „Ernst Gystrow“.[5] Später verfasste er, besonders nach 1925, einige teils umfangreiche Bücher zu geistes- und sozialwissenschaftlichen sowie politischen Themen. Zwei seiner amPantheismus bzw.Panentheismus orientierten Bücher zeugen zudem von seinem Interesse an theologischen Fragen. Mit dem Begriff „Nosopsychom“ bezeichnete Hellpach Zeichen einerpsychischen Störung, die im Zusammenhang mit einer körperlichen Erkrankung stehen und ist dementsprechend auch für die Geschichte derPsychosomatik bedeutend.[6] Zukunftsweisend waren seine Abhandlungen auch für die Entwicklung des Fachgebietes derMedizinischen Psychologie in Deutschland, die bei ihm mit dem Begriff „Klinische Psychologie“[7] weitgehend gleichsetzbar ist.[8] Mit den in seinem 1911 erschienenen BuchDie Geopsychischen Erscheinungen. Wetter, Klima und Landschaft in ihrem Einfluß auf das Seelenleben dargestellt[9] entwickelten Ideen gilt er heute weltweit als Begründer derUmweltpsychologie.
Bereits bei psychiatrischen Patienten in geschlossenen Anstalten bekannte Symptome und Besonderheiten beschrieb er in Anlehnung an den RomanDer Zauberberg als „Zauberbergkrankheit“ auch für Tuberkulosepatienten, die sich längere Zeit in einer Heilanstalt aufenthalten.[10]
DasIdeo-Realgesetz wurde von Willy Hellpach als Erweiterung desCarpenter-Effektes definiert: „Jeder subjektive Erlebnisinhalt schließt einen Antrieb zu seiner objektiven Verwirklichung ein.“
Auf dem Philosophenkongress in Garmisch-Partenkirchen 1947, dem ersten Philosophenkongress seit 1936, hielt er, soJohannes Hirschberger, „die schillernde geistreiche Prunkrede“.[11]
Hellpach wurde 1952 die ersteWilhelm-Wundt-Medaille verliehen. Im gleichen Jahr erhielt er dasGroße Verdienstkreuz mit Stern der Bundesrepublik Deutschland. 1953 erhielt er dieParacelsus-Medaille der deutschen Ärzteschaft.
1973 wurde in Heidelberg die frühere städtische Handelslehranstalt nach ihm benannt. DieWilly-Hellpach-Schule ist ein Schulzentrum mit Wirtschaftsgymnasium, Berufsfachschule für Wirtschaft, Kaufmännischer Berufsschule und Dualem Berufskolleg für Abiturienten. Hier wird seit 2007 erstmals in Deutschland das Schulfach „Glück“ unterrichtet.
Personendaten | |
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NAME | Hellpach, Willy |
ALTERNATIVNAMEN | Hellpach, Willy Hugo (vollständiger Name); Gystrow, Ernst (Pseudonym) |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Politiker, Journalist, Psychologe und Arzt |
GEBURTSDATUM | 26. Februar 1877 |
GEBURTSORT | Oels,Provinz Schlesien,Deutsches Reich |
STERBEDATUM | 6. Juli 1955 |
STERBEORT | Heidelberg |