Willi Richter (*1. Oktober1894 inFrankfurt-Bornheim; †27. November1972 ebenda) war ein deutscher Gewerkschaftsfunktionär und Politiker derSPD.
Willi Richter war der Sohn eines Schlossers. Er besuchte die Volksschule und erlernte den Beruf eines Feinmechanikers. Während desErsten Weltkrieges wurde er verwundet und nach der Gesundung zur Arbeit in den kriegswichtigen FrankfurterAdlerwerken verpflichtet. Danach war er Angestellter derStadtverwaltung Frankfurt am Main. Im Alter von nur 27 Jahren stand er dem Gesamtbetriebsrat aller Kommunalbetriebe von Frankfurt vor. Richter nutzte die Fortbildungsmöglichkeiten der gewerkschaftsnahenAkademie der Arbeit und bildete sich in dieser Zeit als Gasthörer an der Universität Frankfurt weiter.
Frühzeitig hatte er den Weg zur SPD und zur Gewerkschaftsbewegung gefunden. 1913 trat er demDeutschen Metallarbeiter-Verband (DMV) bei. In der Gewerkschaft war er ab 1926 zunächst als Sekretär im Gesamtverband der öffentlichen Betriebe in Darmstadt und dann von 1928 bis 1933 als Bezirkssekretär imAllgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbund, ab 1929 als Stadtverordneter und als Mitglied des Stadtrates ebenfalls in Darmstadt tätig. Als Sozialdemokrat und Gewerkschafter wurde Richter im Jahre 1933 sogleich entlassen. Er wurde wie viele seiner Kollegen und Genossen unter Polizeiaufsicht gestellt und mehrmals verhaftet. Er musste sich in derNS-Zeit als Handelsvertreter durchschlagen.
Richter war von 1947 bis 1949 Mitglied desWirtschaftsrates der Bizone und dort Vorsitzender des Politischen Prüfungsausschusses und des Ausschusses für Arbeit. Er gehörte demDeutschen Bundestag seit dessen erster Wahl1949 bis 1957 an. Er war 1949 bis 1953 stellvertretender Vorsitzender des Bundestagsausschusses für Arbeit und von 1949 bis 1957 Vorsitzender des Ausschusses fürSozialpolitik.
1950 war Richter bereits hauptamtlich in denDGB-Bundesvorstand in Düsseldorf als Geschäftsführer berufen worden. Auch hier verwaltete er bis 1956 das sozial-politische Referat. Auf dem 4. Bundeskongress des DGB in Hamburg wurde Richter als NachfolgerWalter Freitags auf drei Jahre am 6. Oktober 1956 zum Vorsitzenden des DGB gewählt. Richter war seit 1956 auch Vizepräsident desInternationalen Bundes Freier Gewerkschaften in Brüssel, Vorstandsmitglied desInternationalen Arbeitsamtes in Genf und Arbeitnehmerdelegierter bei derInternationalen Arbeitskonferenz, ferner Vorstandsmitglied desInternationalen Instituts für Arbeitsfragen. Er war weiter Mitglied desEuropaparlaments und gehörte dem Senat derMax-Planck-Gesellschaft an.
Als Vorsitzender des DGB setzte sich Richter vor allem für die Einführung der40-Stunden-Woche ein. In seinem Grundsatzreferat vor dem 5. Bundeskongress des DGB in Stuttgart sprach er sich Anfang September 1959 für die aktiveLohnpolitik, eine gerechte Eigentumsverteilung, die Fünftagewoche, eine soziale Miet- und Steuerpolitik und die Gleichstellung von Beamten, Arbeitern und Angestellten aus. Richter verfocht eine offensiveWiedervereinigungspolitik und eine allgemeine Abrüstung und den Verzicht auf Atomwaffen, um dieses Ziel zu erreichen. Eine aktive Wiedervereinigungspolitik schloss einen Kontakt zu den Organen derDDR aus. Wie derIG MetallvorsitzendeOtto Brenner war Richter aufgrund der Erfahrungen mit der kommunistischen Herrschaftspraxis in Osteuropa und des Arbeiter- und Volksaufstandes in der DDR vom17. Juni 1953 überzeugterAntikommunist. Zur Verteidigung der freien Welt sei die Solidarität mit den Entwicklungsländern unabdingbar.
Seit 1948 war er Vorsitzender des Planungsausschusses zur Errichtung einer Verwaltung für Arbeit, der die Grundlagen für die Errichtung derBundesanstalt für Arbeit (heuteBundesagentur für Arbeit) schuf. MitRobert Pferdmenges (CDU) undKarl Atzenroth (FDP) ist er maßgeblich an der Erarbeitung der Mitbestimmungsgesetze (1951:Montanmitbestimmungsgesetz, 1952:Betriebsverfassungsgesetz, 1953:Personalvertretungsgesetz) beteiligt gewesen.
Richter war damit einer der Väter der Arbeits- und Sozialordnung derBundesrepublik Deutschland, wie sie dem Grunde nach bis heute besteht.
Anlässlich seines 65. Geburtstages wurde er 1959 mit demBundesverdienstkreuz mit Schärpe und Schulterband ausgezeichnet. Das Große Bundesverdienstkreuz mit Stern hatte er bereits 1958 erhalten. 1961 erhielt er diese Auszeichnung „mit Stern und Schulterband“ und eineEhrenplakette der Stadt Frankfurt am Main.
Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) war er bis zum 26. Oktober 1962.[1] 1960 war er in der Regierungsmannschaft des SPD-KanzlerkandidatenWilly Brandt als Sozialminister vorgesehen.
Seine Grabstätte befindet sich auf demHauptfriedhof Frankfurt am Main (Gewann G 1785a).
Personendaten | |
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NAME | Richter, Willi |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Politiker (SPD), MdB, MdEP und Vorsitzender des DGB |
GEBURTSDATUM | 1. Oktober 1894 |
GEBURTSORT | Frankfurt-Bornheim |
STERBEDATUM | 27. November 1972 |
STERBEORT | Frankfurt-Bornheim |