Stadtrecht ist ursprünglich das kaiserliche oder landesherrlicheVorrecht(Stadtregal), durch das einDorf oder eine vorstädtische Siedlung zurStadt erhoben wurde und Inbegriff der in dem betreffendenRechtsbezirk gültigen Rechtssätze war. Im Gegensatz dazu wurde dasLandrecht zumeist von der Landesherrschaft festgelegt. Das Stadtrecht ist kein einheitliches „Stadtgesetz“, sondern besteht aus mehreren Privilegien (Niederlagsrecht,Zölle) und Einzelrechten, von denen meist dasMarktrecht das älteste ist. AlsMinderstadt werden Orte mit eingeschränktem Stadtrecht bezeichnet.
Das im mitteleuropäischen Raum übliche Stadtrecht geht vermutlich ursprünglich auf italienische Vorbilder zurück, die ihrerseits an den Traditionen der Selbstverwaltung derrömischen Städte ausgerichtet waren. Heute ist das „Stadtrecht“ im deutschsprachigen Raum mit keinen besonderen Rechten mehr verbunden. „Stadt“ ist heute also nicht mehr als eine bloße Bezeichnung und/oder Namensbestandteil einigerGemeinden.
Zu Zeiten desRömischen Reichs sind in verschiedenen Gemeinden derProvinzHispanien Stadtgesetze erlassen worden. Diese regelten vornehmlich Belange der kommunalen Verwaltung, so Angelegenheiten der Gemeindeverwaltung selbst, die Wahl und Ernennung vonStadtratsmitgliedern, Haftungsfragen der örtlichenMagistraten, soweit die Gemeinde in ungelösten Verbindlichkeiten steckte, und die hoheitliche Verpachtung von Grundstücken.
Zum Nachweis der Regelungen war und ist die Rechtsforschung auf die Bergung einzelner Stadtgesetze angewiesen, denn aufgrund des in derSpätantike bereits überholtenFormularprozesses, der dem verwaltungsschlankeren und damit effizienterenKognitionsverfahren gewichen war, würden heute keine Kenntnisse mehr zu den Gesetzeswerken bestehen, zumalJustinian I. sie in seiner strikt zusammenfassenden – für die Rechtsforschung heute unentbehrlichen –Kompilation nicht mehr aufgenommen hatte, da sich darin lediglich das geltende Recht widerspiegeln sollte. Gesetze dieses Zuschnitts waren die heute rekonstruierten,epigraphisch festgehaltenenlegesIrnitana,Malacitana,Salpensa undVilonensis.[1]
Die Bedeutung des deutschen Stadtrechts imHeiligen Römischen Reich Deutscher Nation rechtfertigt eine Hervorhebung der deutschen Stadtrechtstradition. Das deutsche Stadtrecht verschaffte den Städten im internationalen Vergleich besondere städtischeAutonomie. Es stand imMittelalter im Zusammenhang mit derDeutschen Ostsiedlung und war nicht zuletzt für Stadt(neu)gründungen im osteuropäischen Raum vorbildlich.
Stadtrechte entstanden in Deutschland seit dem 10. Jahrhundert. Durch sie wurden nicht nur Privatrechtsverhältnisse, sondern auch Gegenstände des öffentlichen Rechtsnormiert.
Oft wurde das Recht einer Stadt mehr oder minder vollständig von anderenrezipiert; so dieStadtrechte von Soest (dem ersten im deutschen Raum nachweislich aufgezeichneten Stadtrecht), ganz besonders aber dieStadtrechte von Magdeburg,Lübeck,Köln und derReichsstadt Nürnberg. Die Gemeinschaft der Städte, die das Recht einer Stadt übernommen bzw. durch den Stadtherrn übertragen erhalten hatten, wird als derenStadtrechtsfamilie bezeichnet.
DasLübische Stadtrecht wurde 1160 aus dem Soester Recht abgeleitet. Es gewann – bedingt durch die Vormachtstellung von Lübeck in derHanse – die Küstenstriche vonSchleswig bis zu den östlichsten deutschen Ansiedlungen an der Ostsee.
DasMagdeburger Recht verbreitete sich in den Binnenlanden bis nachBöhmen,Schlesien, die heutige Slowakei (u. a. in dieZips) undPolen hinein und alsKulmer Recht über dasDeutschordenslandPreußen. In Polen war das Magdeburger Stadtrecht das allgemein verbindliche.Das Stadtrecht spielte eine wichtige Rolle bei der Deutschen Ostsiedlung im Mittelalter: Kolonisten wurden unter der Voraussetzung angeworben (oder siedelten eigenständig), dass sie in den von ihnen gegründeten Orten ihr eigenes Recht behalten konnten. Das Stadtrecht war zunächst im Kern einMarktrecht, ergänzt durch städtischeGerichtsbarkeit undBefestigungsrecht. Erst später wurden die Stadtrechte auch von Städten übernommen, deren Bevölkerung nicht deutschsprachig (Ostpolen, Litauen, westliches Russland) oder nicht mehr deutschsprachig war (Böhmen, Mähren u. ä.).
Aus dem Magdeburger Recht leitete sich dasBrandenburger Stadtrecht in derMark Brandenburg, inPommern und im südlichenMecklenburg ab.
Auch dasBremer Stadtrecht und dasSalzwedeler Stadtrecht wurden von anderen Orten übernommen.
Die Übernahme eines Stadtrechts bedeutete in der Regel die Anerkennung der abgebenden Stadt alsRechtsvorort; z. B. war Magdeburg Rechtsvorort für die Städte mit Magdeburger Recht. Der dortigeSchöffenstuhl entschied damit über Rechtsunklarheiten in den mit dem Magdeburger Recht beliehenen Städten. So ist es auch zu erklären, dass bestimmte Stadtrechte unter verschiedenen Namen bekannt sind, obwohl sie ursprünglich aus derselben Quelle stammen: Der Name kennzeichnet dann nicht die ursprüngliche Rechtsherkunft, sondern den anerkannten Rechtsvorort.
Vom heutigen Standpunkt aus ist bemerkenswert, dass eine geschlossene Ansiedlung durchaus in verschiedene Stadtrechtsgebiete aufgeteilt sein konnte. Zahlreiche heutige deutsche Städte sind aus solchen Ansiedlungen entstanden, die im Rechtssinne ursprünglich mehrere Städte umfassten (z. B. Hildesheim, Braunschweig, Kassel).
Infolge der Umgestaltung der Territorialverhältnisse sowie der Rechtsbegriffe wurden Änderungen der Stadtrechte notwendig. So entstanden im Lauf des 15., 16. und 17. Jahrhunderts an vielen Ortenverbesserte Stadtrechte, sogenannte „Reformationen“, wobei aber unter Einwirkung der Rechtsgelehrten mehr und mehrrömisches Recht eingemischt wurde, in Hamburg z. B. unter BürgermeisterHermann Langenbeck. Zuletzt mussten die alten Stadtrechte zugleich mit der eigenen Gerichtsbarkeit und der Autonomie der Städte bis auf dürftige Reste der Autorität der Landesherren weichen.
Mit demReichsdeputationshauptschluss 1803 wurden auch fast alle bis dahin 51 reichsfreien Städtemediatisiert, also einer Landesherrschaft unterstellt. Nach der Auflösung des alten Reichs und während der anschließenden napoleonischen Herrschaft verloren im Zeitraum zwischen 1806 und 1812 auch die verbleibenden Freien und ReichsstädteAugsburg,Bremen,Frankfurt,Hamburg,Lübeck undNürnberg ihre Unabhängigkeit. Mit derWiener Kongressakte wurde 1815 lediglich die Unabhängigkeit der freien Städte Frankfurt, Bremen, Hamburg und Lübeck wiederhergestellt. Dort wandelte sich das Stadtrecht mit der durch den Fortfall des Reiches gewonnenen völkerrechtlichen Souveränität in eigenstaatliches Recht um. Nur für dasFamilien- undErbrecht blieben einzelne Satzungen der alten Stadtrechte (Statuten) bis zum Inkrafttreten desBGB am 1. Januar 1900 erhalten.
Im heutigen Deutschland sind Städte solcheGemeinden, die die Bezeichnung „Stadt“ nach bisherigem Recht führen dürfen oder die sie verliehen bekommen haben. Dies kann aufAntrag odervon Amts wegen, meist durch das für Kommunales zuständigeLandesministerium, geschehen. Aus historischen Gründen wird dabei oft von der Verleihung von „Stadtrechten“ gesprochen. Kriterien sind dieEinwohnerzahl, aber auchSiedlungsform undwirtschaftliche Verhältnisse. Grundsätzlich unterscheiden sich die Rechte und Pflichten von Gemeinden, die sich Gemeinde nennen, und solchen, die sich Stadt nennen dürfen, nicht. „Stadt“ ist eine Bezeichnung und/oder ein Namensbestandteil einer Gemeinde.
Die StädteBerlin,Hamburg undBremen[2] sindBundesländer. Ihr Recht istLandesrecht. Die Rechtsverhältnisse der Gemeinden inklusive derer, die sich als Stadt bezeichnen dürfen, richten sich in Deutschland nach den Gesetzen der Länder, die die Gesetzgebungs- und Verwaltungskompetenz fürkommunale Angelegenheiten haben. WichtigsteRechtsquelle sind die jeweiligenGemeindeordnungen der Länder oder entsprechende anders bezeichneteLandesgesetze.
Städte können einen besonderen Rechtsstatus je nach Bundesland haben. Dies sind beispielsweise:
§ 5 der Gemeindeordnung für Baden-Württemberg bestimmt: „Die Bezeichnung »Stadt« führen die Gemeinden, denen diese Bezeichnung nach bisherigem Recht zusteht. Die Landesregierung kann auf Antrag die Bezeichnung »Stadt« an Gemeinden verleihen, die nach Einwohnerzahl, Siedlungsform und ihren kulturellen und wirtschaftlichen Verhältnissen städtisches Gepräge tragen. Wird eine Gemeinde mit der Bezeichnung »Stadt« in eine andere Gemeinde eingegliedert oder mit anderen Gemeinden zu einer neuen Gemeinde vereinigt, kann die aufnehmende oder neugebildete Gemeinde diese Bezeichnung als eigene Bezeichnung weiterführen.“[3] Eineverwaltungsrechtliche Bedeutung hat die Bezeichnung Stadt nicht.
Früherenicht kreisangehörige Städte werdenStadtkreise und die früherenunmittelbaren Kreisstädte werdenGroße Kreisstädte benannt.[4]
„Gemeinden, die nach der Badischen Gemeindeordnung vom 5. Oktober 1921[5] die Bezeichnung Stadtgemeinde geführt haben, dürfen wieder die Bezeichnung Stadt führen.“[6]
Gemäß § 3 der Gemeindeordnung für Baden-Württemberg können Gemeinden auf ihren Antrag per Gesetz zu Stadtkreisen erklärt werden und Gemeinden mit mehr als 20 000 Einwohnern können auf ihren Antrag von der Landesregierung zu Großen Kreisstädten erklärt werden.[7]
§ 4 des Landesverwaltungsgesetzes sieht vor, dass die Landesregierung durch Rechtsverordnung auch bestimmte in § 19 Abs. 1 aufgeführte Aufgaben den Großen Kreisstädten als unteren Verwaltungsbehörden übertragen kann,[8] die gemäß § 19 nicht regelmäßig den Großen Kreisstädten übertragen sind.[9]
Städte heißen die Gemeinden, die diese Bezeichnung nach bisherigem Recht führen oder denen sie durch dasStaatsministerium des Innern, für Sport und Integration neu verliehen wird. Die Bezeichnung Stadt darf nur an Gemeinden verliehen werden, die nach Einwohnerzahl, Siedlungsform und wirtschaftlichen Verhältnissen der Bezeichnung entsprechen.[10]
Die Bezeichnung Stadt führen die Gemeinden, denen diese Bezeichnung nach bisherigem Recht zusteht. Auf Antrag kann dasfür Inneres zuständige Ministerium die Bezeichnung Stadt solchen Gemeinden verleihen, die nach Einwohnerzahl, Siedlungsform und Wirtschaftsverhältnissen städtisches Gepräge tragen.[11]
Die Bezeichnung „Stadt“ führen die Gemeinden, denen diese Bezeichnung nach dem bisherigen Recht zusteht. Sobald eine Gemeinde als Mittlere kreisangehörige Stadt zusätzliche Aufgaben wahrzunehmen hat, führt sie unabhängig von der künftigen Einwohnerentwicklung die Bezeichnung „Stadt“.[12] Eine kreisangehörige Gemeinde ist auf eigenen Antrag zur Mittleren kreisangehörigen Stadt zu bestimmen, wenn ihre maßgebliche Einwohnerzahl an drei aufeinanderfolgenden Stichtagen (jeweils 30. Juni und 31. Dezember) mehr als 20.000 Einwohner beträgt. Sie ist von Amts wegen zur Mittleren kreisangehörigen Stadt zu bestimmen, wenn ihre maßgebliche Einwohnerzahl an fünf aufeinanderfolgenden Stichtagen ab dem 31. Dezember 2017 mehr als 25.000 Einwohner beträgt.[13] Verliert eine Mittlere kreisangehörige Stadt diesen Status wieder, darf sie sich weiterhin Stadt nennen.
InÖsterreich haben insgesamt 201Gemeinden das Stadtrecht(Stadtgemeinden), das oft von den jeweiligen historischen Hauptorten auf die heutige Verwaltungseinheit übergegangen ist – korrekterweise spricht man vonStadtrang. Dieses Stadtrecht spielt heute in der Verwaltung nur mehr eine untergeordnete Rolle.
15 davon sindStatutarstadt (auchStädte mit eigenem Statut genannt), nämlichEisenstadt,Graz,Innsbruck,Klagenfurt,Krems,Linz,Rust,Salzburg,St. Pölten,Steyr,Villach,Waidhofen/Ybbs,Wels,Wien,Wiener Neustadt, wobei alle Landeshauptstädte außerBregenz Statutarstädte sind. Statutarstädte stehen in der Verwaltungsgliederung sowohl auf einer Ebene mit der Gemeinde (NUTS-Ebene LAU-2) als auch auf der Ebene desBezirks (keine NUTS-Ebene, zwischen NUTS-3 und LAU-1). Seit 1962 ist imBundes-Verfassungsgesetz festgesetzt, dass die Erhebung zur Statutarstadt nur von Gemeinden mit zumindest 20 000 Einwohnern beantragt werden kann.
Eine Stadt,Scheibbs, beruft sich auf altes Stadtrecht und nennt sichTitularstadt (sonst nur in Deutschland zu finden, altes Recht des Heiligen Römischen Reichs), die beiden StatutarstädteEisenstadt undRust berufen sich alsFreistadt aufKöniglich Ungarisches Stadtrecht.
Acht historische Orte mit Stadtrecht wurden eingemeindet und führen nicht mehr den TitelStadt, oder nur mehr formal.
Abweichend vom stadtrechtlichen Begriff bezeichnet man in Österreich üblicherweise Siedlungen bzw. Ballungsräume über 5000 Einwohner alsstädtisch.
Vertreten wird die Gesamtheit der Städte in Verhandlungen mit Land und Bund durch denÖsterreichischen Städtebund; viele Stadtgemeinden sind zudem auch Mitglied imÖsterreichischen Gemeindebund.
Die Schweiz kennt kein Stadtrecht im rechtlichen Sinne, das verliehen werden könnte. Der Begriff „Stadt“ ist primär eine statistische Größe: Weist einepolitische Gemeinde mehr als 10.000 Einwohner auf, gilt sie statistisch als Stadt. Ob sich eine Gemeinde selbst als Stadt bezeichnet, ist meist historisch bedingt. So nennen sich längst nicht alle Gemeinden mit über 10.000 Einwohnern Stadt, umgekehrt gibt es zahlreiche historische Kleinstädte mit weniger als 10.000 Einwohnern, die sich als Stadt definieren. Diese Bezeichnung rührt von früher verliehenen Stadtrechten her.
InTschechien gibt es 23 Statutarstädte.