DieStaatsquote (auchStaatsausgabenquote,englischgovernment spending ratio) ist einevolkswirtschaftliche Kennzahl, die das Verhältnis derStaatsausgaben zumBruttoinlandsprodukt wiedergibt.
Die Staatsausgaben ergeben sich ausstaatlichen Aufgaben, die der Staat wahrnimmt. In derVolkswirtschaftlichen Gesamtrechnung zählen zum SektorStaat dieGebietskörperschaften (in Deutschland:Bund,Länder undGemeinden) und dieSozialversicherung, die alle insbesondere durchInvestitionen inInfrastruktur (wieBundesautobahnen oderBundesstraßen,Bildung,Forschung und Entwicklung,Landesverteidigung) oder durch die Zahlung vonTransferleistungen (etwaSozialleistungen) zur nationalenWertschöpfung beitragen.[1] Damit ist der Staat Produzentöffentlicher Güter und finanziert über Transferleistungen denPrivatkonsum.
EinTeilaggregat der Staatsausgaben bildet derStaatsverbrauch, der sich in den konsumtiven Staatsausgaben verbirgt. Bei seinerBinnenhandelspolitik muss der Staat je nachKonjunkturlage eine angemessene Balance zwischen konsumtiv und investiv wirkenden Staatsausgaben finden.
Mit den Staatsausgaben wird die Staatsquote gemessen, die das Verhältnis zwischen den Staatsausgaben und dem Bruttoinlandsprodukt wiedergibt. Die Staatsausgaben setzen sich dabei aus demKonsum des Staates, den Investitionen des Staates, denZinsausgaben und den Ausgaben fürSozialtransfers undSubventionen zusammen:
Die Staatsquote als Indikator für die Staatstätigkeit in einer Volkswirtschaft, gemessen am Bruttoinlandsprodukt, errechnet sich dann wie folgt:
Je höher die Staatsquote, umso stärker ist der staatliche Einfluss derStaatsfinanzen auf dieVolkswirtschaft und umgekehrt.[2] InSozialstaaten besteht regelmäßig eine hohe Staatsquote. Der nach Abzug der Staatsquote verbleibende Anteil zeigt, welchen Anteil am Bruttoinlandsprodukt die Privatwirtschaft hat.[3]
Adolph Wagners im Jahre 1892 formuliertesGesetz der wachsenden Staatsausgaben[4] bildet den Ursprung der Diskussion um eine vertretbare Höhe der Staatsquote. Für Wagner lag die Ursache steigender Staatsquoten vor allem im Übergang vieler Staaten vomOrdnungsstaat zum ausgabenintensivenWohlfahrtsstaat, sodass er wachsende Staatsausgaben prognostizierte.[5] Als Ursache sah er dieStaatsgewalt mit ihrerinneren undäußeren Sicherheit (Justiz,Militär,Polizei oderauswärtiger Dienst) sowie die Kulturhoheit und Wohlfahrtsfunktion des Staats (Schulen,Gesundheitsvorsorge,Sozialhilfe).[6] Neue Ursachen wieKriegsfinanzierungen (Peacock-Wiseman-Hypothese)[7] oder die Gesetze zumBürokratiewachstum haben dieTendenz wachsender Staatsausgaben verstärkt. In Kriegs- oder Krisenzeiten steigt der Finanzbedarf des Staates sprunghaft an (englischdisplacement effect).[8] Eine weitere Erklärung wird durch dasBudgetmaximierungsmodell vonNiskanen geleistet.
DasPopitzsche Gesetz postuliert einen Zusammenhang zwischen steigender Staatsquote und steigendem Anteil des Zentralstaats an den Gesamtstaatsausgaben. In diesen Zusammenhang gehört auch derBaumolsche Kosteneffekt, der die Problematik der schlechten Rationalisierbarkeit von persönlich zu erbringenden Dienstleistungen beschreibt. Ein weiterer Erklärungsansatz ist die Einordnung staatlicher Leistungen als sogenanntesuperiore Güter. Diese zeichnen sich dadurch aus, dass deren Konsum mit steigendem Einkommen zunimmt. Steigt die Nachfrage schneller als das Einkommen, so nehmen die Ausgaben für diese Güter nicht nur absolut, sondern auch relativ gemessen an den Gesamtausgaben zu.[9] Des Weiteren wird auch diefiskalische Illusion diskutiert. Sie besagt, dass Bürger, ohne die Konsequenzen absehen zu können, Regierungen wählen, die hohe Staatsausgaben tätigen. Das spiegelt sich wiederum in einem immer komplexer werdendenSteuersystem wider, welches die tatsächlichen finanziellen Lasten verschleiern soll.[9]
DasBrecht’sche Gesetz hingegen findet eine Erklärung in der stets zunehmendenUrbanisierung. Die staatlichen Leistungen fallen in Städten tendenziell höher aus als auf dem Land. Mit zunehmendem Anstieg der Stadtbevölkerung müssen also auch die Staatsausgaben noch stärker wachsen.[9]
Eine weitere, besonders in der westlichen Welt nicht zu unterschätzende, mögliche Erklärung bietet derdemographische Wandel. Mit zunehmenderÜberalterung der Bevölkerung steigen die staatlichen Leistungen, die die damit einhergehenden finanziellen Konsequenzen decken wie z. B. Absicherungsmaßnahmen gegenAltersarmut, Renten- und Gesundheitsleistungen.[9]
Die Kennzahl der Staatsquote steigt, wenn entweder bei stagnierendem Bruttoinlandsprodukt die Staatsausgaben zunehmen oder bei konstanten Staatsausgaben das Bruttoinlandsprodukt sinkt. Deshalb ist eine höhere Staatsquote bei oder nachRezessionen,Wirtschafts- oderFinanzkrisen zu erwarten. Nimmt die Staatsquote tendenziell zu, spricht man vom wachsendenStaatsinterventionismus. BeiProsperität sinkt die Staatsquote,[10]Wirtschaftswachstum,Sozialabbau oderAusteritätspolitik tragen ebenfalls zur Senkung der Staatsquoten bei.[11]
Als Quellen für die Staatsquote dienen einerseits dievolkswirtschaftliche Gesamtrechnung und andererseits dieFinanzstatistik. Internationale Vergleiche sind nur mit Einschränkung möglich, weil die Zusammensetzung der Staatsausgaben sowie die statistische Erfassung des Bruttoinlandsprodukts differieren.[12][13]
Land | 2003 | 2004 | 2005 | 2006 | 2007 | 2008 | 2009 | 2010 | 2011 | 2012 | 2013 | 2014 | 2015 | 2016 | 2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 |
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Belgien![]() | 51,1 | 49,6 | 51,9 | 48,5 | 48,2 | 50,3 | 54,1 | 53,9 | 54,4 | 55,8 | 55,6 | 55,2 | 53,7 | 53,2 | 52,4 | 51,8 | 51,8 | 59,2 | 56,7 | 53,5 |
Danemark![]() | 54,9 | 54,8 | 51,2 | 50,9 | 49,6 | 50,5 | 56,8 | 56,7 | 56,8 | 58,8 | 57,1 | 55,3 | 54,5 | 53,5 | 53,0 | 52,4 | 49,5 | 53,4 | 52,2 | 45,3 |
Deutschland![]() | 48,3 | 47,0 | 46,8 | 45,3 | 42,8 | 43,6 | 47,6 | 48,1 | 44,7 | 44,4 | 44,5 | 44,3 | 44,1 | 44,2 | 44,2 | 44,0 | 45,0 | 50,8 | 52,3 | 49,7 |
Finnland![]() | 50,9 | 51,2 | 49,0 | 48,6 | 46,8 | 48,3 | 54,8 | 53,9 | 54,4 | 56,1 | 57,6 | 58,1 | 56,5 | 55,8 | 53,9 | 52,3 | 53,2 | 57,3 | 56,9 | 53,4 |
Frankreich![]() | 53,6 | 53,7 | 53,3 | 52,7 | 52,2 | 53,0 | 56,8 | 56,9 | 55,9 | 56,8 | 57,0 | 57,1 | 56,8 | 56,4 | 56,0 | 55,9 | 55,4 | 61,6 | 60,1 | 58,1 |
Griechenland![]() | 49,4 | 49,2 | 45,6 | 42,6 | 47,1 | 50,8 | 54,1 | 53,0 | 54,2 | 55,2 | 60,8 | 50,2 | 54,1 | 49,7 | 50,4 | 47,4 | 47,9 | 59,8 | 57,9 | 52,5 |
Irland![]() | 33,4 | 33,7 | 33,0 | 34,2 | 35,9 | 41,9 | 47,2 | 64,9 | 45,5 | 41,8 | 39,7 | 37,5 | 29,1 | 27,1 | 26,4 | 26,0 | 24,2 | 27,4 | 25,0 | 21,4 |
Italien![]() | 48,2 | 47,8 | 47,2 | 48,7 | 46,8 | 47,8 | 51,1 | 49,9 | 49,1 | 50,8 | 51,0 | 50,9 | 50,3 | 49,4 | 49,1 | 48,5 | 48,5 | 57,1 | 56,2 | 56,7 |
Japan![]() | 38,5 | 37,3 | 35,0 | 36,2 | 35,8 | 36,9 | 41,9 | 39,3 | 41,8 | 41,8 | 42,3 | 40,2 | 38,8 | 39,5 | 39,7 | 39,4 | 38,5 | 44,5 | 42,5 | 42,0 |
Luxemburg![]() | 42,1 | 43,2 | 43,4 | 38,3 | 37,3 | 39,3 | 44,9 | 42,0 | 43,3 | 44,6 | 43,3 | 41,8 | 40,4 | 42,1 | 42,8 | 42,6 | 42,9 | 47,2 | 44,6 | 43,3 |
Niederlande![]() | 47,1 | 46,6 | 42,3 | 45,5 | 42,5 | 43,6 | 48,2 | 47,9 | 47,0 | 47,1 | 46,4 | 46,2 | 44,7 | 43,4 | 43,2 | 43,3 | 42,0 | 48,0 | 48,2 | 44,5 |
Osterreich![]() | 51,0 | 50,1 | 51,2 | 49,5 | 49,1 | 49,8 | 54,1 | 52,8 | 50,8 | 51,1 | 51,9 | 52,3 | 51,1 | 50,7 | 49,8 | 49,2 | 48,6 | 57,1 | 55,0 | 52,7 |
Portugal![]() | 45,9 | 46,4 | 46,8 | 46,3 | 44,5 | 45,3 | 50,2 | 51,9 | 50,0 | 48,5 | 49,9 | 51,8 | 48,2 | 45,0 | 44,8 | 44,6 | 42,5 | 49,3 | 49,1 | 44,8 |
Schweden![]() | 58,2 | 56,7 | 52,3 | 53,1 | 49,7 | 50,3 | 53,1 | 50,4 | 50,5 | 51,7 | 52,4 | 51,1 | 49,3 | 49,5 | 48,8 | 48,2 | 49,1 | 52,5 | 51,0 | 48,1 |
Schweiz![]() | 36,7 | 36,6 | 35,3 | 33,7 | 32,9 | 32,6 | 34,4 | 32,8 | 33,2 | 32,6 | 32,9 | 32,7 | 32,8 | 33,0 | 32,0 | 31,3 | 31,5 | 36,5 | 35,2 | 35,9 |
Spanien![]() | 38,3 | 38,8 | 38,5 | 38,5 | 38,9 | 41,1 | 45,8 | 46,0 | 45,6 | 48,0 | 45,1 | 44,8 | 43,9 | 42,2 | 41,1 | 40,4 | 42,1 | 52,4 | 50,9 | 47,8 |
Vereinigtes Konigreich![]() | 43,3 | 44,0 | 41,2 | 44,3 | 42,8 | 46,6 | 49,5 | 47,4 | 46,9 | 46,8 | 44,9 | 43,2 | 42,3 | 41,5 | 41,0 | 40,3 | 41,1 | 41,4 | 41,3 | 44,4 |
Vereinigte Staaten![]() | 36,7 | 36,4 | 37,0 | 36,0 | 36,9 | 39,4 | 43,0 | 43,0 | 41,8 | 40,0 | 38,7 | 38,0 | 38,0 | 38,3 | 38,0 | 37,8 | 38,3 | 48,1 | 44,2 | 36,8 |
Quellen: außer Schweiz: BMF-Monatsberichte[14]
| alternative Quellen (ungenutzt, teils abweichende Daten)
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Es führten in der Statistik im Jahre 2017 Finnland, Frankreich, Dänemark und Belgien, traditionell typischeSozialstaaten.
Es besteht keine Einigkeit bei Vertretern derWirtschaftswissenschaften, ob eine niedrige Staatsquote auch generell zu höheremWirtschaftswachstum beiträgt. So führen Kritiker einer niedrigen Staatsquote dieskandinavischen Länder an, welche zwar eine Staatsquote von teilweise über 50 % haben, dafür aber auch einen überdurchschnittlich hohenLebensstandard vorweisen.[40] Bislang liegt keine Untersuchung vor, die einen eindeutigen Zusammenhang von Staatsquote und Wachstum belegen konnte.[41]
Lars Feld, Mitglied desSachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, ist der Ansicht, es bestehe „kein linearer Zusammenhang zwischen Staatsquote und Wirtschaftswachstum“. Läge die Staatsquote bei 0 %, so bestünden „essentielle staatliche Rahmenbedingungen“ nicht. Eigentums- und Verfügungsrechte wären „nicht gesichert“ und Verträge ließen sich „nicht gerichtlich durchsetzen“. Läge die Staatsquote hingegen bei 100 %, so wäre jedes individuelle ökonomische Handeln unterbunden. Hier nennt Feld dieZentralverwaltungswirtschaftenrealsozialistischer Staaten. Die optimale Staatsquote sei von Land zu Land verschieden und würde von den jeweiligen Rahmenbedingungen abhängen.[42]