Staatsinterventionismus beschreibt die in einer grundsätzlichmarktwirtschaftlich geordnetenVolkswirtschaft bestehende Neigung des Staates, in dieWirtschaft einzugreifen, zu „intervenieren“.
Es geht dabei in erster Linie um Maßnahmen, die über die Gestaltung der gesetzlichen und ökonomischen Rahmenbedingungen desWirtschaftens (Ordnungspolitik) hinausgehen und in dieWirtschaftsprozesse eingreifen (Prozesspolitik).[1] Staatsinterventionismus wird damit gerechtfertigt, dass derMarkt nicht immer in der Lage sei, bestimmte wirtschafts- und sozialpolitische Vorstellungen (z. B.Vollbeschäftigung) zu verwirklichen.[2]
Im Wirtschaftsliberalismus des19. Jahrhunderts beschränkte sich die Politik weitgehend aufOrdnungspolitik, Wirtschaftspolitik wurde hauptsächlich von Juristen gemacht (Juristenmonopol).[3]
Etliche Historiker neigen dazu die wirtschaftspolitische Entwicklung ab etwa 1870 als Beginn desmodernen Interventions- und Sozialstaates zu sehen. Aufgrund der anfänglich begrenzten Reichweite und fehlenden Systematik der Maßnahmen wird jedoch kein Sprung zu einem neuen System gesehen, sondern ein allmählicher Übergang bedingt durch die Quantität staatlicher Eingriffe in einer komplexer werdenden Industriegesellschaft. Die Zeit zwischen 1870 und demErsten Weltkrieg wird alsÄra des liberalen Staatsinterventionismus bezeichnet.[4] In dieser Zeit verursachten u. a. die Konzentrations- und Zentralisationstendenzen,Monopole,Kartelle undTrusts sozio-ökonomische Instabilität.[5] Als Reaktion auf dieSoziale Frage wurde von deutschen Nationalökonomen 1873 derVerein für Socialpolitik gegründet. Der Verein propagierte mit einigem Erfolg staatliche Intervention damit der Staat „die Schwachen schütze, die unteren Klassen hebe“.[6] Die meisten industrialisierten Staaten reagierten auf die Herausforderungen u. a. mitSozialpolitik und mitprotektionistischer Handelspolitik.
Temporär kam es im Zuge derKriegswirtschaft im Ersten Weltkrieg undZweiten Weltkrieg zu einer starken Ausdehnung staatlicher Wirtschaftslenkung.
Einen nachhaltigen Einfluss hatte dieWeltwirtschaftskrise von 1929 bis 1939, die eine dauerhafte qualitative Ausdehnung des Staatsinterventionismus beförderte.[7] In Deutschland orientierten sich seit der Weltwirtschaftskrise mit den Praekeynesianern wie auch denOrdoliberalen alle relevanten volkswirtschaftlichen Strömungen kritisch an der Realität des interventionistischen Wirtschaftsstaates. Der Interventionismus wurde auch von Ordoliberalen nicht mehr abgelehnt, sondern in Form desliberalen Interventionismus, der nicht gegen die Marktentwicklung wirkt, sondern diese beschleunigt und abfedert, als notwendig angesehen.[8] Im Zeitalter despunktuellen Staatsinterventionismus schließlich rückte dieStruktur- undProzesspolitik immer stärker in den Vordergrund. Seit der zunehmenden Einschaltung von Volkswirtschaftlern erfolgte nun auch eine systematische Instrumentenplanung der Wirtschaftspolitik.[9]
In einer reinenMarktwirtschaft („freie Marktwirtschaft“) gibt es streng genommen keine Wirtschaftspolitik. In einerZentralverwaltungswirtschaft sind Staat und Wirtschaft identisch. In der Realität kommen diese idealtypischen Formen derWirtschaftsordnung selten vor. Fast alle realen Wirtschaftsordnungen sind Mischformen, also Marktwirtschaften, in denen der Staat mehr oder weniger stark interveniert. Die in der Realität vorkommenden Varianten wirtschaftspolitischen Interventionismus lassen sich nach dem Intensitätsgrad und nach der gesamtwirtschaftlichen Orientierung typisieren.[10]
Nach dem Intensitätsgrad wird unterschieden:[11]
Nach der gesamtwirtschaftlichen Orientierung wird unterschieden:[12]
Die Bereitschaft zu Staatseingriffen in die Wirtschaft nimmt in Zeiten einerWirtschaftskrise sprunghaft zu, insbesondere wenn große, für eineNation sehr wichtige Unternehmenseinheiten wirtschaftlich zu scheitern drohen („Too Big to Fail“).
Ein Beispiel ist die „Krisenregulierung durch politische Kartellbildung“[13] in derKrise der deutschen Stahlindustrie an Saar und Ruhr seit 1975. In den Jahren 2008/2009 war die Krise der US-Autoindustrie ein Beispiel.[14]
FürHans Albert kann die Beurteilung einer Intervention gemäß ihrer angeblichen ökonomischen Rationalität oder „Effizienz“ nichts weiter als eine Scheinbegründung darstellen, da dieVolkswirtschaftslehre als Realwissenschaft keineWerturteile zu liefern in der Lage ist.[15]
NachC. Wright Mills verstecke sich hinter dem Streit um staatliche Eingriffe vs. „Freiheit der Wirtschaft“ häufig das Streben der Wirtschaftselite, die eigene Entscheidungsmacht abzusichern und dabei die damit verbundenen Risiken und Folgeprobleme auf den Staat abzuwälzen. Deshalb behaupteten viele Unternehmen und Unternehmer lediglich an einer freien Marktwirtschaft interessiert zu sein, diese wirtschaftliche Freiheit könne aber nur durch staatlicheSubvention abgesichert werden.[16]
Der Begriff selbst wurde von Kritikern einer solchen wirtschaftspolitischen Grundorientierung geprägt und impliziert so von Anfang an einen negativen Wertakzent. Hintergrund ist dabei die Vorstellung einesLaissez-faire-Liberalismus, dass die Wirtschaft ein sich selbst regelnder Prozess sei, wobei das Eingreifen des Staates nichts anderes als schaden könne. So argumentiertLudwig von Mises, dass dieses zuWohlfahrtverlusten durchFehlallokationen der volkswirtschaftlichenRessourcen führe, da die Lenkungsfunktion von am Markt gebildeten Preisen hierbei außer Kraft gesetzt werde. Staatliche Eingriffe können demnach zuStaatsversagen führen oder sind bereits Folge von Staatsversagen. Die Folgen staatlicher Eingriffe werden beispielsweise unter folgenden Aspekten gesehen: